Michael Collen Paartherapie und Paarsynthese Lernmodell Liebe SpringerW ienN ewY ork Dipl.-Psych. Michael Collen Hamburg, Bundesrepublik Deutschland Das Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechani schem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1997 Springer-Verlag/Wien Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1997 Graphisches Konzept: Ecke Bonk Gedruckt auf saurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier - TCF SPIN: 10630263 Mit 9 Abbildungen Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Collen, Michael: Paartherapie und Paarsynthese : Lernmodell Liebe / Michael Collen. - Wien ; New York: Springer, 1997 TSBN-13: 978-3-211-83006-2 e-TSBN-13: 978-3-7091-6864-6 DOT: 10.1007/978-3-7091-6864-6 Vorwort Besondere Danksagung gebi.ihrt all denen, die in vielen Jahren durch ihre Liebe, ihre Ideen und engagierte Kritik wesentlich zur inhaltlichen Vertiefung und methodischen Ausdifferenzierung der Paarsynthese beigetragen haben. Tiefe Anerkennung empfinde ich fUr meine Familie, die mich mehr oder wenig geduldig begleitet hat. Ganz besonders danke ich Ulla Holm, die diese Arbeit durch ihren graBen Mut und ihre spirituelle Kraft vorangetragen hat. Regina Breitfuss gebi.ihrt Dank fUr die Faszination und Kreativitat, die sie in die Anfange der Paar synthese hineingetragen hat. Aber auch den Ausbildungskandidaten und Kollegen gilt mein Dank, die mit ihrem Herzen, mit ihren Gedanken und mit ihrer Kraft diese Fortentwicklung der Paarsynthese ermoglicht haben: Eva Barkow-Lewinsky, Georg Barkow, Corinna Bestmann-Seidel, Christine und Jean-Paul Conrad, Peter Dorr, Jutta Fuchs, Drs. Peter und Wiebke Graper, Dr. Irmgard Hartmann-Hagenstein, Hubert Hartmann, Doris Hodel Port mann, Martin Langos-Luca, Dr. Renate Luca, Walther Prym, Anne und Thomas Weber. Hamburg, im Juli 1997 Michael Collen Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen ..... . 1 Einleitung ........... . 3 1. Kapitel. Zur Theorie der Liebe 8 1. Suche nach Liebe in den Wissenschaften 8 2. Phanomenologie als Erkenntnisweg zur Liebe ........ . ....... . 12 3. Sozialpsychologischer Ansatz zum Verstandnis von Liebe und Intimitat . 15 3.1 Reaktanztheorie .. . .......... . 16 3.2 Dissonanztheorie 16 3.3 Attributionstheorie 17 3.4 Austauschtheorie 17 3.5 Equitytheorie ....... . 18 3.6 Systemtheorie ............ . 19 4. Tiefenpsychologischer Ansatz zum Verstandnis von Liebe und Intimitat 21 4.1 Das psychische Energiemodell .... . 22 4.2 Die Bindungstheorie ....... . 23 5. Intersubjektiver Ansatz zum Verstandnis von Liebe und Intimitat 25 6. Konsequenzen fUr die Paarsynthese 27 7. Spiritueller Ansatz zum Verstandnis von Liebe und Intimitat 32 7.1 Tantra ............... . 33 7.2 Tao ....... . 36 7.3 Paarsynthese und Tao 40 8. Untersuchungen zur Paarsynthese 42 8.1 Untersuchungsablauf . 43 8.2 Ergebnis - Ubersicht 45 2. Kapitel. Dyadische Anthropologie 51 1. Zentrale Grundannahmen ... 51 2. Historische Herleitung dyadischer Anthropologie 52 2.1 Klages: Yom Kosmogonischen Eros 63 2.2 Binswanger: Liebe als Grundform menschlichen Daseins 65 2.3 Lemaire: Phanomenologie der Zartlichkeit 67 3. Paarsynthese als dyadische Anthropologie 71 4. Ansatz einer Dyadenlehre 73 4.1 Die Dyade 73 4.2 Die Monade 76 VIII Inhaltsverzeichnis 43 Die Triade 83 4.3.1 Dreiecksbeziehungen ................................ . 86 4.3.2 Bedeutung von Triaden .............................. . 88 5. Paarsynthese als Partnerlehre ...................... . 90 6. Gedanken zu einer Philosophie der Lust ................... . 91 7. Dyadische Anthropologie als Grundlage fUr Beziehungsgestaltung 94 3. Kapitel. Psychologie der Liebe - Psychologie des Paares . . . . . . . . . . . 99 1. Begriff der Psychologie des Paares ............................. . 101 2. Modell der Psychologie des Paares ............................. . 103 2.1 Liebes-Energie im Paarmodell .............................. . 104 2.2 Polaritat im Liebeszyklus .................................. . 105 2.3 Rhythmus der Paarzyklen ................................. . 116 2.4 Intimitat durch Dialog .................................... . 123 2.5 Partnerstile und ihre Strategien ............................. . 128 3. Liebes- und Konfliktdynamik des Paares ......................... . 134 3.1 Partnerwahl ............... . ........................ . 134 3.2 Liebeszyklus - Dynamik und Weg ........................... . 138 3.3 SchluBfolgerungen ...................................... . 143 3.4 Konfliktdynamik - Der Gordische Knoten ..................... . 146 3.5 Paarkonflikt-Theorie - Lemen durch Dich ..................... . 148 3.6 Vemetzung der Strategien und Stile .......................... . 151 4. Kapitel. Therapeutischer Rahmen der Paarsynthese ............. . 157 1. Der Gesamtrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1.1 Unterschiede zur Einzeltherapie ............................ . 159 1.2 Fehlerquellen der Paartherapie ............................. . 161 2. Implikationen zur Paartherapie ................................ . 163 2.1 Therapeutisches Beziehungsmodell integrativer Therapie 165 2.2 Therapeutisches Beziehungsmodell der Verhaltenstherapie ......... . 166 2.3 Therapeutisches Beziehungsmodell der Psychoanalyse ............ . 168 2.4 Therapeutisches Beziehungsmodell systemischer Therapie ......... . 169 2.5 Therapeutisches Beziehungsmodell Klientenzentrierter Therapie ..... . 172 3. Therapeutisches Beziehungsmodell der Paarsynthese ........... . 174 3.1 Triade im therapeutischen Setting ........................... . 174 3.2 Triadisches Arbeiten mit AuBenbeziehungen ............ . 178 3.3 Fehlerquellen in der Arbeit mit AuBenbeziehungen .............. . 180 3.4 Therapeutisches Verhalten im Uberblick ...................... . 181 4. Paartherapie im Rahmen der Paarsynthese ........................ . 184 4.1 Indikation - Paartherapie als LOsung? ........................ . 184 4.2 Setting - Nur mit dem Partner? ............................. . 186 4.3 Diagnostik in der Paartherapie - Chaotische Hille ............... . 188 4.3.1 Paardiagnostik im geschichtlichen Sein ................... . 193 4.3.2 Paardiagnostik im dialogischen Sein ..................... . 193 4.3.3 Paardiagnostik im spirituellen Sein ...................... . 194 4.4 Prognose in der Paartherapie - gemeinsam oder allein' ........... . 195 4.5 Krisenintervention in der Paartherapie ........................ . 197 Inhaltsverzeichnis IX 5. Kapitel. Paarsynthese a1s therapeutisches Konzept 202 1. Generelle Wirksamkeit von Paartherapie 203 2. Therapeutischer PrazeE der Paarsynthese 206 2.1 Therapie-Zyklus Paargestalt 206 2.2 Therapie-Zyklus Partnerwerdung 211 2.3 Therapie-Zyklus Paardynamik 217 2.3.1 Herzensdialog 222 2.3.2 Sexualitat und Sinnlichkeit 224 2.4 Therapie-Zyklus KonJ!.iktanalyse 232 2.5 Therapie-Zyklus Paargestaltung 238 3. Konfliktdynamik und ihre therapeutische Bearbeitung 239 3.1 Paradoxe Verschrankung in der Wunsch-Umkehrung 239 3.2 Streitspirale und Streitdynamik 242 4. Wirkungsweise der Paarsynthese 245 Glossar .. 249 Abbildungen 259 Literaturverzeichnis 277 Sachverzeichnis .. 285 Vorbemerkungen Das Prinzip der Androgynie ist wesentlicher Bestandteil von Paarsynthese. Darauf autbauend werden heterosexuelle und hornosexuelle Paare absolut gleichgesetzt. DaB trotzdern die Frau-Mann-Begrifflichkeit verwendet wird, geschieht in Anlehnung an das Yin-Yang-Prinzip des Tao. Die Begrifflichkeit der Monade wird in der Paarsynthese irn Sinn von Binswanger als Beschreibung des singularen Modus und darnit anders als irn Sinn isolierter Existenz nach Leibniz verwendet. Die Begrifflichkeit der Synthese zielt hier auf Zusarnrnenwirken und wechselseitige Durchdringung irn Liebenden Ineinander der Dyade, nicht aber wie bei Hegel auf eine H6herentwicklung irn Sinn von These - Antithese - Synthese. Die Begrifflichkeit der Intirnitat urnfaBt in der Paarsynthese nicht nur K6rper, sondern auch Geist und Seele. Intirnitat als dynarnische Verwirkli chung von Liebe besitzt heilende Wirkung. Dieses Wirkprinzip dient daher als abgestuftes Agens in Paardynarnik, Farnilie, Therapie und Gesellschaft. Die Therapeuten wenden deshalb in der Paartherapie zwar Intirnitat an, ohne aber sexuelle Handlungen zu begehen. Urn MiBverstandnissen und MiB deutungen vorzubeugen, wird der Begriff menschliche Dichte als therapeu tisches Basisverhalten synornyrn fUr Intirnitat verwendet. Die Schreibweise der Eine, die Andere und Beide mit groBen Anfangs buchstaben solI dokurnentieren, daB es sich jeweils urn ein ganz bestirnrntes Paar hand e It. Einleitung Die Bedeutung unserer aktuellen Liebeskultur kann in ihrer zwiespaltigen politischen Zeichensetzung nicht hoch genug angesetzt werden. Es geht dabei um einJubilaum besonderer Art: Innerhalb von fLinfundzwanzigJahren breitete sich im Gefolge der 68er die "sexuelle Revolution" aus, die Emanzipa tion der Frau und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Letztere war erst 1958 als geltendes Recht per Gesetz in Kraft getreten. Insbesondere die Liebesordnung unserer Vater, weniger die unserer Mutter, v,l.lfCIe radikal von alten Gesetzen und enger Doppelmoral entriimpelt. Aber die zunehmende Freiheit brachte auch viele Risiken mit sich und ein MaB an Eigenverantwor tung, das viele gar nicht erfLillen konnten. Ehe und Familie gerieten in heftige Turbulenzen. Relativ schnell wurde in der BRD ein flachendeckendes Netz von Ehe-, Familien-und Lebensberatungsstellen eingerichtet. Nachdem gerade das Paar sich als Keimzelle jeder weiteren menschlichen Entwicklung herauskristalli siert hatte, muBte die Liebe als gesellschaftsbildender ProzeB verstanden werden. Liebe ist zwar nach landlaufiger Meinung eine Himmelsmacht, dennoch unleugbar auch ein auBerst komplexer Lem- und ReifungsprozeB, der durch Kindererziehung, Stabilisierung der Personlichkeit und des gesam ten Lebensraumes noch erweitert wird. So wird die Liebe zum Lemmodellfur Menschlichkeit. Zuerst erkannten die Kirchen diese zentrale Aufgabe und wurden aktiv. Staatliche Stellen folgten nach, wenn auch zogemder. Funfundzwanzig Jahre spater sind durch tiefgreifende "SparmaBnahmen" viele kirchliche Beratungsstellen bereits geschlossen worden. Die weitere SchlieBung der meisten dieser Stellen ist geplant. Eine sinnvolle Begriindung fLir solche MaBnahmen zu finden, ist unmc)glich. Denn jedes, aber auch jedes Argument, diese zu rechtfertigen, ware widersinnig und zeigt nur Zwiespal tigkeit und neue Doppelmoral auf. Der "Sittenverfall" liegt eben in diesen SparmaBnahmen, nicht im angeblichen moralischen Verfall. Aus einer Liebes gesellschaft ist eine "Geld-Gesellschaft geworden, die vor allem den NarziB mus kennt" (Schmolders 1996). Gerade deshalb soUte nicht am Lemen der Liebe gespart werden. 1m Zeitenflug wandeln sich auch Form und Inhalt von Liebe. Deshalb muB dieses zentralste aUer menschlichen Phanomene von jeder Generation immer wieder neu erlemt werden. Bei der Bedeutung, die der Liebe in Geschichte, Kunst, Religion, Philoso phie und Lebensgestaltung beigemessen wird, mug es verwundem, dag diese 4 Einleitung Urkraft der Menschen heute immer mehr aus der 6ffentlichkei ins Private verdrangt wird. Und in keiner Fakultat unserer Hochschulen, weder in Theologie, Medizin noch den Human- und Naturwissenschaften, wird Liebe, Intimitat und Erotik als Fach oder gar als Priifungsgebiet gefUhrt. 1m Interesse des Lebens, der Natur und unseres Lebensraumes gilt es, andere Wege zu gehen. Die Paarsynthese bietet hier einen Ansatz. Sie begreift Liebe als psychodynamisches, kulturelles und politisches Geschehen, das Menschwerdung erst mbglich und gleichzeitig sinnvoll macht. Die Wissenschaft der Zukunft - solI es eine geben - wird sich auf die Psychologie der Liebe richten mussen. Diese meint keineswegs eine reine "Paartheorie", sondern muB weitgefaBt verstanden werden. Liebe und Intimitat sind weltumspannende Krafte, die in ihrer Vielfalt sonst gegensatzliche Pole zusammen fUhren. Sie zeigen den Weg zur Versbh nung zwischen Frau und Mann, zwischen Mensch und Natur, zwischen Vblkern und Kulturen - sofern wir lernen, ihren psychologischen Gesetzen zu folgen. Die Liebe wird daher Forschungsfeld und Wissenschaft der Zukunft sein. Wie in der Vergangenheit das Ideal sich wandelte, yom religbsen zum rationalen, zum Machtmenschen und hin zum kapitalistischen Menschen, so wird in Zukunft der liebende Mensch in den Focus der Betrachtung treten. Und wir brauchen diese Wissenschaft, wenn wir Leben auf unserem Planten weiterhin mbglich machen wollen. Die Zeitenwende hat aber schon begonnen. Parallel zur kapitalistischen Sinnkrise definieren sich Menschen mehr und mehr durch Liebe. Eine Um frage des Bundesgesundheitsministeriums von 1992 ergibt: 80 % der Bevblke rung halten Partnergluck fur das Wichtigste im Leben. Die Liebesgemeinschaft und nicht mehr die soziale Gruppe ist fUr die eigene Befindlichkeit entschei dend. Diese sozialpsychologische Umwalzung verandert naturlich Bedeutung, Inhalt und Formenvielfalt von Liebe vbllig. Zwar kennt die Liebe auch heute noch Ideale wie vor tausend ]ahren, aber neue sind hinzugekommen. Der Liebesreigen eines Paares umfaBt heutzutage oft vier oder fUnf sogenannte Paarzyklen mit jeweils sich verandernden Formen und Inhalten. Solche Veranderungen bedeuten immer auch Krisen. Aber diese intimen Krisen der Paare durfen nicht als Schuld oder Versagen der jeweiligen Frauen oder Manner miBdeutet werden. Deshalb ist es argerlich, wenn Politiker, Kirchenvertreter, Soziologen und Psychologen immer wieder den zunehmen den Egoismus der einzelnen Paare dafUr ins Feld fuhren. Gewichtiger als die Fehler der einzelnen Partner wirken die ubergeordne ten Strukturen unserer Kultur: Sie haben vor langer Zeit die Liebe aus Politik und bffentlichem Leben "abgespalten". Wie aber kbnnte Politik gedeihen, wenn die Liebe und die sie tragende Intimitat aus den Grundsatzprogrammen der Parteien und Regierungen gestrichen und stattdessen abgedrangt werden in die sogenannte Privatheit. Wie "menschlich" kann dann uberhaupt Politik, Verwaltung, Kirche und.staat noch sein? Mit der Paarsynthese wird ein Konzept vorgelegt, das gerade auf Liebe als machtigste, die Menscheit bewegende Kraft aufbaut. Die Psychologie