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Ost-westdeutsche Widersprüche: Ostdeutsche Jugendliche nach der Wende und Integrationserfahrungen jugendlicher Übersiedler im Westen PDF

287 Pages·1993·16.282 MB·German
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Vollbrecht Ost-westdeutsche Widersprüche Ralf Vollbrecht Ost -westdeutsche Widersprüche Ostdeutsche Jugendliche nach der Wende und Integrationserfahrungen jugendlicher Übersiedler im Westen + Leske Budrich, Opladen 1993 ISBN 978-3-322-97275-0 ISBN 978-3-322-97274-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97274-3 © 1993 by Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschlie8lich aller seiner Taeile ist urheberrechtlich geschützt. lede Verwertung au6erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für VervieltiItigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhaal 1. Einleitung 7 2. Strukturen der DDR-Gesellschaft 10 3. Die gesellschaftliche VerfaStheit von Jugend in der DDR 17 4. Biographie als alltagsweltliches Konstrukt 25 4.1 Biographisierung des Lebenslaufs 25 4.2 Biographie als soziales Konstrukt der Moderne 29 4.3 Handlungsspielräume im Lebenlauf -Institutionalisierung und De-Institutionaliserung von Biographien 34 4.4 Die Konzeption von Biographie in Wissenstheorie, Deutungsmuster-und Habituskonzept 44 4.5 Das Lebensweltkonzept der Erfahrung 57 4.6 Konzept der Zeiterfahrungen 62 5. Methodische Anmerkungen 67 6. Integrationserfahrungen jugendlicher Übersiedler 70 7. Ostdeutsche Jugendliche nach der Wende 101 8. Fallbeispiele: Ich-Erzählungen der Jugendlichen 150 8.1 Übersiedler-Jugendliche: Fünf Erzählungen 150 8.1.1 Susanne 150 8.1.2 Frank 168 8.1.3 Maria 180 8.1.4 Tina 193 8.1.5 Jennifer 211 8.2 Ostdeutsche Jugendlichen: Fünf Erzählungen 225 8.2.1 Franziska 225 8.2.2 HeiDZ 236 8.2.3 Michaela 246 8.2.4 Sascha 261 8.2.5 Bernadette 269 9. Literatur 281 1. Einleitung In Christa Wolfs autobiographischem Roman "Kindheitsmuster" findet sich der warnende Satz: "Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergan gen. Wir trennen es ab und stellen uns fremd." Die DDR als Staat ist unterge gangen, aber ihr soziokulturelles Erbe wird die neue Bundesrepublik noch Jahrzehnte affizieren. Die Vorstellungswelten der Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind und gelebt haben, passen sich nicht einfach bundesdeut scher 'Normalität' an und könnten (und sollten) dies auch gar nicht. Der ge sellschaftliche Wandel durch die Inkorporation der DDR in die Bundesrepu blik -oder im Fall der Übersiedlung der Wechsel von einem Gesellschaftssy stem ins andere - muB freilich auch individuell bewältigt werden. Der Verlust biographischer Kontinuität durch die erforderliche Neubewertung der eigenen Vergangenheit sowie den Wegfall und das Neuhinzukommen spezifischer Zukunftsoptionen kano als Krisensituation verstanden werden, die durch biographische Transformationen bewältigt werden muB. Biographie wird da bei verstanden als alltagsweltliches Konstrukt, das die lebensgeschichtliche Kontinuität und ldentität sichert. Das Forschungsinteresse die ser Studie richtet sich auf die Analyse der so zialen und biographischen Deutungsmuster, mit denen ostdeutsche Jugendli che ihre Erfahrungen der Bearbeitung und Bewältigung lebensgeschichtlich und gesellschaftlich definierter Problemlagen erfassen, die sich aus dem Pro zeB der Übersiedlung bzw. aus der Selbstauf!ösung der DDR und ihrer politi schen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Überformung im Zuge der Inkorporation in die Bundesrepublik ergeben. Die Bedingungen des Aufwachsens von Kindem und Jugendlichen in West- und Ostdeutschland haben sich deutlich unterschieden. Da in der neu en, gesamtdeutschen Bundesrepublik infolge von Modemisierungsdruck und politischen Entscheidungen weitgehend die Standards der alten Bundesrepub lik weiter geiten, werden Anpassungsleistungen nur den ostdeutschen und Übersiedler-Jugendlichen abverlangt. Ihr Alltagswissen steht in hohem MafJe zur Disposition und wird ebenso entwertet wie fast alles 'DDR- Typische'. In dieser identitätsbedrohenden Situation müssen sie sich auf die Spielregein ei ner individualisierten Gesellschaft einlassen, die ihnen fremd und unvertraut sind und andere als die gewohnten Handlungsspielräume eröffnen. Die daraus resultierenden Ängste und Verunsicherungen müssen dennoch nicht über wältigen, sondem können in der Regel - wenn auch nicht problemlos - be wältigt werden. Das Verständnis der biographischen Transformationsprozesse setzt eine Analyse der Strukturen der DDR-Gesellschaft und der VerfaBtheit von Jugend unter den Bedingungen der DDR ebenso voraus wie eine Analyse der Bedeu tung von Biographien als alltagsweltliche Konstrukte unter den Bedingungen einer individualisierten Gesellschaft und den in ihr gegebenen Handlungs spielräumen sowie dem Verhältnis von Krisenerfahrungen und der Sicherung 7 biographischer Kontinuität. Diese thematischen Felder werden im folgenden theoretisch en Teil aufgearbeitet, urn eine Grundlage für den empirischen Teil zu schaffen, der sich den konkreten Erfahrungen von Übersiedler- und ost deutschen Jugendlichen widmet. Soziale Deutungsmuster können empirisch nicht direkt untersucht werden, sondem nur insoweit, wie sie in individuellen Äu.6erungen zum Ausdruck kommen. Es geht also darurn, zunächst individuelle Konkretionen von Deu tungen einzelfallbezogen zu erheben. Eingesetzt werden dazu biographische, leitfadengestützte Interviews. Inhaltlich ist dabei zu befÜcksichtigen, daS die Erhebung subjektiver Deutungen nicht im Rahmen einer thematisch unmit telbar an die wissenschaftliche Fragestellung orientierten Befragung anschlie Ben kann. Das Wissen über kulturelle Verunsicherungen ist der individuellen Reflexion nicht problemlos zugänglich und kano daher nicht als problemlos Artikulierbares einfach abgefragt werden. Die gegenteilige Annahme wider spräche der sozialen VerfaBtheit des Alltagswissens. Es müssen also Texte erhoben werden, aus denen indirekt auf zugrundeliegende Verortungen kultu reller Verunsicherungen sowie auf die biographischen Transformationen unter mehrheitskulturellem Druck geschlossen werden kann. In ausführlichen qualitativen Interviews sind zwanzig jugendliche Über siedler in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg (Oktober/ November 1990) und zwanzig ostdeutsche Jugendliche in Leizig und seinem ländlichen Umfeld (Januar 1991) befTagt worden. Da Übersiedlerjugendliche in keiner Statistik mehr gesondert erfaBt und für mich daher nur über Schulen erreich bar waren, beschränkt sich die Untersuchung auf Schüler und Schülerinnen. Die Altersspanne der Befragten reicht dabei von 11 bis 21 Jahren. Die erho benen Interviews sind vollständig transkribiert und fallbezogen ausgewertet worden. In einem wei teren Schritt wurde versucht, typische soziale Erfah rungen biographischer Transformation herauszuarbeiten und darzustellen. Die offenen, biographischen Interviews werden ergänzt durch eine Rekonstruktion ausgewählter Lebensgeschichten als Ich-Erzählung der jeweiligen Jugendli chen, die eine gerade in pädagogischen Kontexten wünschenswerte Anschau lichkeit sichem solI. Den befragten Jugendlichen möchte ich für das mir entgegengebrachte Vertrauen und ihre Bereitschaft zur Mitarbeit danken. Ebenso danke ich den (inzwischen meist 'abgewickelten') Wissenschaftlem und Wissenschaftlerin nen des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung - insbesondere Beate Locker und Cordula Günther - für ihre organisatorische Hilfe und kollegiale Aufnahme. Der in diesem Rahmen mögliche Austausch über Sachfragen, die Hilfe bei der Organisation meiner Befragungen und die Insider-Informationen über die Alltagskultur in der DDR waren mir überaus hilfreich. Hartmut Babin und Marion Kramer, die mir bei der Auswertung der Interviews geholfen ha ben, nicht in den Datenbergen zu versinken, gilt ebenso mein Dank wie Sonja Kramer, die die Interviews transkribiert hat und Alma Diekmann, die gro.6e 8 Teile des Manuskripts getippt hat. Für die fmanzielle Unterstützung im Rah men eines HabiIitationsstipendiums danke ich der Fritz Thyssen Stiftung. 9 2. Strukturen der DDR-Gesellschaft Die DDR lieBe sich in modernisierungstheoretischer Perspektive als eine se mimodeme Gesellschaft kennzeichnen. Inzwischen vorIiegende Aufarbei tungen von DDR-Autoren beschreiben die DDR in ihrer Spätphase als "aus mehreren übereinander gelagerten Ständen" aufgebaut, "die in sich nochmals in vielfacher Hinsicht sozial stratifiziert waren" (Meier 1991, 29; vgl. Meier 1990). Der steigende Widerspruch zwischen funktionaler Differenzierung und gewaltsamer Entdifferenzierung durch das SED-Regirne schuf dabei die revo lutionäre Basis für das Ende dieser "Organisationsgesellschaft" (Pollack 1990). Die Gegenläufigkeil von poIitisch-ideologischer Homogenisierung und funktionaler Differenzierung führte zu Modernisierungsverzügen in allen ge sellschaftlichen Bereichen, da sich das politische System gegen die Auto nomiebestrebungen in allen Gesellschaftsbereichen - im Wirtschaftssystem, im Wissenschaftssystem, im Rechtssystem, in der Kultur - durchzusetzen ver mochte, und sich die Eigenlogiken der einzelnen Systeme nicht entfalten konnten. "Die für moderne Gesellschaften charakteristische Auseinander ziehung der Konstitutionsebenen von personalem System contra Interak tionszusammenhängen, Organisationen und Gesellschaft war in der DDR mi nimiert. Wollte der Einzelne seine Interessen durchsetzen, war er gezwungen, sich den politisch-ideologischen Vorgaben des Systems anzupassen. Nur dann hatte er eine Chance, mit systemverwalteten Leistungen, seien es finanzielle Leistungen, Entscheidungskompetenzen oder Aufstiegsmöglichkeiten, ver sorgt zu werden. Die DDR besa6 ein Verteilungs- und soziales Sicherungs system, "in dem (unterhalb der Führungsebene von Partei und Staat) der einzelne nicht viel gewinnen konnte, dafür aber (oberhalb der Grenze manife ster ZusammenstöBe mil der Staatsgewalt wegen 'feindlicher' Einstellungen und Aktivitäten) auch nicht in der Gefahr stand, viel zu verlieren" (Offe 1991, 81). Die Einrichtung eines Austauschverhältnisses von politischer Anpassung an das System und winschaftlicher Versorgung durch das System führte zu ei ner paradoxen Handlungssituation: Die Bedingung für die Erlangung einer fremdgewährten Autonomie war die vorgängige Preisgabe der Autonomie. Vor allem dieses Austauschverhältnis garantierte über lange Zeit die schein bare Stabilität des Systems." (Pollack 1991, 31). Die zirkuläre Geschlossen heit dieses Verhältnisses führte aber dazu, daB sich das System des Innova tions- und Kritikpotentials selbst beraubte, dessen es zu seiner Emeuerung dringend bedurft hätte. Die Innovations- und Modernisierungsblockaden des Systems begünstigten die Entwicklung eines immer stärkeren informellen Sektors in vielen gesellschaftlichen Bereichen, der die Aufgabe hatte, Effizi enzverluste zu kompensieren. Neben die gebremste funktionale Differenzie rung trat die Differenz zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft. 10 kontrolliener Öffentlichkeit und zwei ter Öffentlichkeit, Planwirtschaft und Schwarzmarkt, gesteuener Kultur und subkulturellen Gegenbewegungen. Der einzelne machte trotz beruflichen Engagements immer wieder die Erfahrung, gesellschaftlich nichts bewirken zu können, und zog sich in die Nischen der Gesellschaft zuTÜck. Aber nicht nur das System instrumentalisierte den einzelnen. Der Einzelne versuchte auch, das System für seine Interessen zu nutzen - auch wenn ihm das weitaus weniger gut gelang als umgekehrt. Die privatistische Werthaltung des DDR-Bürgers machte für die Versuchungen des Systems besonders an fállig. "Wenn das System winschaftliche Versorgungsleistungen nur gegen politische Anpassung zu vergeben bereit war, dann war für den, der sein privates Glück und seine berufliche Position im Auge hatte, kIar, daB er mit macht und sich den Erwartungen des Systems beugt. Es entspricht der Para doxie von Autonomiegewinn durch Autonomiepreisgabe, daB sich eine Ver sorgungsmentalität, wie sie als typisch für den DDR-Bürger angesehen wird, gerade aufgrund der Ausrichtung auf die Erreichung individueller Zwecke herausbildete." (pollack 1991, 34). Der Widerspruch zwischen einer hohen Leistungsmoral einerseits und dem Gefühl der Vergeblichkeit allen Engage ments andererseits verweist auf den bereits genannten Widerspruch von funktionaler Differenzierung und politischer Bevormundung. DDR-Bürger definierten den Sinn ihres Lebens in stärkerem MaBe als Bundesbürger über die Arbeit. Knapp zwei Drittel der Befragten beantwortete in den 80er Jahre in einer mehrfach wiederholten, repräsentativen Studie des Zentralinstituts für Jugendforschung in Leipzig die Frage, ob die Arbeit ihrem Leben Sinn gibt und sie ohne Arbeit nicht leben können, mit Ja. 75% der Ostdeutschen, aber nur 55% der Westdeutschen bejahten 1990 die Aussage, daB sie in ihrem Leben etwas leisten möchten, auch wenn es oft schwer frult. Die Westdeut schen gaben häufiger an, ihr Leben genie8en und sich nicht mehr abmühen zu wollen als nötig. Arbeit und Freizeit wurden in Ostdeutschland also stärker altemativ gesehen, und postmaterialistische Orientierungen waren weniger verbreitet. Die meisten DDR-Bürger woUten vor allem für ordentliche Arbeit ordentliches Geld erhalten, für das man ordentliche Waren kaufen kann. Auf grund der Erfahrung der gesellschaftlichen Nutzlosigkeit individueller Lei stung ging vor allem in den 80er Jahren die Arbeitsmotivation zurück. Die Menschen sahen sich durch das politische System urn die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Eigenes Engagement und Eigeninitiative schienen sich nicht zu lohnen oder gar selbstschädigend zu wirken. Daher verwundert es nicht, wenn die Ostdeutschen ihre EntschluBkräftigkeit, Selbständigkeit, Kreativität und Flexibilität nicht so hoch einschätzen wie die Westdeutschen die ihre. (vgl. Pollack 1991,33). Der repressive Herrschaftsapparat und die Geschlossenheit der Grenzen waren -formal betrachtet -die wichtigsten Integrationsmodi der Gesellschaft, die bei zunehmendem Legitimationsverlust des Systems aber de facto immer 11 stärkere Desintegrationswirkungen entfalteten. Weniger Überzeugungsgründe als pragmatische Gründe führten bei den meisten zu einer Bejahung des Sa zialismus, da man weder weggehen noch viel bewegen konnte. Die in Befra gungen ausgewiesene Bejahung des Sozialismus ging daher nicht zufällig mit sinkenden Wirtschaftleistungen rapide zurück. Im privaten Bereich vollzog sich bereits seit den 70er Jahren eine Orientierung weiter Bevölkerungsteile am Westen. "Jeden Abend wanderte das Denken und Fühlen der Bevölkerung in den Westen aus und fand seine Heirnat in der fiktiven Welt des Westfernse hens. Die Präferenzen in Kleidung, Unterhaltungsmusik, Lebensstil und so weiter waren in starkem Ma.Be an der jeweiligen westlichen Mode ausgerich tet. Die meisten DDR-Bürger hatten kaum eine genauere Kenntnis von der Lebensweise und den Existenzsorgen im Westen, und gerade deshalb wurde für sie der Westen zu einem Gegenbild zur grauen DDR-Wirklichkeit, zu ei nem unerfüllbaren Traum, dessen Realitätsbezug man nur verdrängen konnte, wenn man zufrieden weiterleben wollte." (Pollack 1991, 34). Es verbreitete sich eine irrationale Sehnsucht nach dem ganz Anderen, dem man nicht nach geben konnte, und zugleich ein Sich-Abfinden mit den gegebenen Verhältnis sen hier, also ein Auseinanderdriften von Möglichkeit und Wirklichkeit. Während man sich äu6erlich weithin anpaBte, entfaltete sich nach Feier abend und an den Grenzen des Systems ein informeIler Bereich, in dem En gagement, Kreativität, Innovationsgeist und ein darauf beruhendes Selbst bewu6tsein gediehen. Die Effektivität wirtschaftlicher Organisation war auf grund nachlassender wirtschaftlicher Leistungen immer stärker auf das Funk tionieren solch inoffizieller Sozialbeziehungen angewiesen. Sachbezogene Sozialverhältnisse wurden dadurch zunehmend personalisiert, und kollegiale Beziehungen traten stärker an die Stelle formalisierter Beziehungen. Anderer seits verlagerten sich Interessenkonflikte in den informellen Bereich und wur den mit informellen Mitteln ausgetragen. Der Zusammenbruch des politischen Systems der DDR wurde von der all gemeinen Erwartung geleitet, daB innerhalb kurzer Zeit die bislang ideolo gisch gezügelten Kräfte der funktionalen Differenzierung ihre selbstorgani satorischen Fähigkeiten entfalten würden. Diese Erwartung ist enttäuscht worden, da die Beseitigung des alten politischen und wirtschaftlichen Systems mit der "Inkorporation" (Mayer 1991, 88) Ostdeutschlands in das westliche politische und wirtschaftliche System gekoppelt war und der dadurch ent standenen Konkurrenz die meisten Betriebe und Institutionen nicht gewach sen waren. Bei hoher Leistungsbereitschaft muSten viele Ostdeutsche die Erfahrung machen, daB ihre Arbeitskraft nicht gebraucht winl. Da die Arbeit fUr Ostdeutsche aber mehrheitlich einen hohen Zentralwert darstellt, bedeutet diese Erfahrung für viele eine Verunsicherung ihres Selbstwertgefühls und ihrer Identität. In dem "sozialen Gro6versuch", dem "Experiment Vereini gung" (Giesen/ Leggewie 1991) wird zwar das gesamte Institutionen- und Rechtssystem schlagartig ausgetauscht, aber Mentalitäten, eingeübte Hand- 12

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