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Orthopädische Erkrankungen des Kindesalters PDF

273 Pages·1959·9.944 MB·German
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LEHRBUCH DER CHIRURGIE UND ORTHOPADIE DES KINDESALTERS HERAUSGEGEBEN VON A.OBERNIEDERMAYR MUNCHEN BAND III ORTHOPÄDISCHE ERKRANKUNGEN DES KINDESALTERS SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH ORTHOPÄDISCHE ERKRANKUNGEN DES KINDESALTERS BEARBEITET VON K. IDELBERGER MIT 103 ABBILDUNGEN SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH Alle Rechte, insbesondere das der übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen © Spriuger-Verlag Berliu Heidelberg 1959 Ursprüuglich erschieueu bei Spriuger-Verlag OHG. Berliu -Gottiugeu -Heidelberg 1959 Softcover repriut ofthe hardcover Ist editiou 1959 ISBN 978-3-642-87302-7 ISBN 978-3-642-87301-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-87301-0 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Nameu im Sinn der Warenzeicheu- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften Druck der Universitätsdruckerei H. Stürtz AG., Wfirzburg Inhaltsverzeichnis Seite I. Die orthopädische Untersuchung . . . . . . . . . . . 1 11. Ätiologie und Prophylaxe der angeborenen Mißbildungen 7 III. Systemerkrankungen des Skelets. 13 1. Enchondrale Dysostosen . . . . . . . . . . . . . . 13 a) Die Chondrodystrophie . . . . . . . . . . . . . 16 b) Polytope enchondrale Dysostosen ........ 19 c) Der Schlüsselbeindefekt (Dysostosis cleido-cranialis) .. ...... 20 2. Die abnorme Knochenbrüchigkeit (Osteogenesis imperfecta, Osteopsathyro sis, Fragilitas ossium hereditaria) . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Die fibröse Knochendysplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Allgemeinkrankheiten mit Veränderungen von Knochen und Gelenken 24 1. Die Rachitis . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Die renale Rachitis . . . . . . . . . . . . . 27 2. Die Möller-Barlowsche Krankheit . . . . . . . 28 3. Die Speicherkrankheiten (Reticuloendotheliosen) 29 a) Morbus Gaucher . . . . . . . . . . 29 b) Abt-Letterer-Siwesche Krankheit. . . 30 c) Hand-Schüller-ChristianscheKrankheit 30 d) Das eosinophile Granulom 31 4. Blutergelenke . . . . . . . 32 V. Die Tumoren des Kindesalters 35 1. Chondrome . . . . . . 35 2. Cartilaginäre Exostosen . . 37 3. Osteome . . . . . . . .. .. 38 4. Riesenzellgeschwülste (Osteoclastome) 38 5. Jugendliche Knochencysten. . . . . 39 6. Hämangiome . . . . . . . . . . . 39 7. Knochensarkome . . . . . . . . . 40 a) Die primären osteogenen Sarkome. . . . . . . . . . .. ... . 41 oe) Das osteolytische Sarkom S. 41 - ß) Das Myxochondrosarkom S.42 - y) Das chondroblastische Sarkom S. 43 - Cl) Das osteoblastische Sarkom S.43 b) Die sekundären osteogenen Sarkome . . . . . . 43 c) Das Ewingsche Knochensarkom (Reticulosarkom) 43 d) Parostale Sarkome . . . . . . . . . . . . . 45 e) Sarkom- und Carcinommetastasen im Knochen 45 8. Hämoblastosen . . . . . 45 VI. Die spontanen Osteonekrosen . 46 Allgemeines . . . . . . . . . 46 1. Die Perthessche Krankheit . . 49 2. Die Osgood-Schlattersche Krankheit der Tuberositas tibiae 52 3. Die Köhlersehe Krankheit des Naviculare pedis . . . . . 53 4. Die sog. Apophysitis calcanei (HAGLUND) . . . . . . . . 54 5. Die Epiphyseonekrosen der Metatarsalköpfchen (FRIEDBERG-KöHLER) 55 6. Die Osteochondrosis ischio-pubica (VAN NECK) 56 7. Die Osteochondrosis dissecans (KöNIG) . . . 56 8. Die Vertebra plana (CALVE) . . . . . . . . 58 VII. Hormonelle Störungen . . . . . . . . . . . . 59 Die Epiphysenwanderung und Epiphysenlösung (Epiphysiolysis capitis femoris) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 VI Inhaltsverzeichnis Seite VIII. Chronische Entzündungen der Knochen und Gelenke 66 1. Die Knochen- und Gelenktuberkulose . . . . . . 66 a) Die Spondylitis tuberculosa ......... . 75 b) Die Tuberkulose der Kreuzdarmbeingelenke. 84 c) Die Coxitis tuberculosa. . . . . 84 d) Die Gonitis tuberculosa. . . . . 90 e) Die Tuberkulose der Fußgelenke 92 f) Die Schultergelenktuberkulose . . 93 g) Die Ellbogentuberkulose . . . . 94 h) Die Handgelenktuberkulose ... 95 i) Die Schafttuberkulose der kurzen und langen Röhrenknochen 96 k) Die Tuberkulose der platten Knochen .... 97 1) Weichteiltuberkulosen . . . . . . . . . . . 97 2. Die luischen Knochen- und Gelenkveränderungen 98 3. Die chronische Osteomyelitis. . . 99 4. Die nichtspezifischen Arthritiden 104 IX. Krankheiten des Nervensystems 107 1. Spastische Lähmungen . . . 107 a) Die Littlesche Krankheit. 107 b) Die Hemiplegie . . . . 109 2. Schlaffe Lähmungen . . . 111 a) Die Kinderlähmung. . . 111 b) Entbindungslähmungen . 125 X. Krankheiten der Muskulatur . 126 1. Die Dystrophia musculorum progressiva 126 2. Die angeborene Gliederstarre (Arthrogryposis multiplex cong.) 128 3. Die ischämische Muskelkontraktur 128 XI. Erkrankungen der Sehnen 129 Der schnellende Finger . . . . . . 129 XII. Hals. . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Der angeborene muskuläre Schiefhals (Caput obstipum musculare) 130 2. Der angeborene Kurzhals (das Klippel-Feilsche Syndrom) 132 XIII. Wirbelsäule 133 1. Die Haltungsschäden . . . . . . . . . . 133 2. Die Adoleszentenkyphose (SCHEUERMANN) 140 3. Die Skoliosen . . . . . . . . . . . . 144 4. Die Spondylolisthese (das Wirbelgleiten) 158 5. Die Osteochondrose der Bandscheiben 163 Die klinischen Bilder 167 XIV. Thorax 170 1. Die Trichterbrust . . . . . . . 170 2. Die Kielbrust (Pectus carinatum) 173 XV. Arm. . . . . . . . . . . . . . . 173 Allgemeines. . . . . . . . . . . . 173 1. Der angeborene Schulterblatthochstand (Sprengelsche Deformität) . 174 2. Die habituelle Schulterluxation . . . . . . . . . . . . . 175 3. Die angeborenen Verrenkungen im Ellbogen- und Handgelenk 175 4. Der angeborene Defekt des Radius und der Ulna. . . 175 5. Die radio-ulnare Synostose . . . . . . . . . . . . . 176 6. Cubitus valgus und varus ............. 177 7. Die Madelungsche Handgelenksdeformität (Gabelhand) . 177 8. Die angeborene Klumphand (Manus vara) 180 9. Spalthand und Spaltfuß (Ektrodaktylie) . 180 10. Die Poly- und Oligodaktylie. . . . . . . 181 11. Die Syndaktylie . . . . . . . . . . . . 182 12. Die Brachyphalangie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 13. Die Spinnenfingrigkeit (Arachnodaktylie, Marfan-Syndrom) . 184 14. Die Kamptodaktylie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 15. "Schnürfurchen" und kongenitale Amputationen . . . . . 184 Inhaltsverzeichnis VII Seite XVI. Bein ......... . 184 1. Seltenere Mißbildungen 184 a) Der Femurdefekt . 184 b) Der Tibiadefekt . . 185 c) Der Fibuladefekt 186 d) Fehlbildungen am Kniegelenk 186 e) Die Aclasis tarso-epiphysalis 187 2. Die Coxa vara congenita . . . . 187 3. Die Coxa vara rachitica 189 4. Die angeborene Coxa valga . . . 190 5. Die sog. angeborene Hüftverrenkung . 191 6. Die habituelle Patellarluxation . . . . 210 7. Das X-Bein (Genu valgum) . . . . . 210 8. Das O-Bein (Genu varum, Crus varum) 214 9. Die Tibia vara (BLouNT) . . . . . . . 217 10. Die angeborenen Unterschenkel-Verbiegungen und Pseudarthrosen (Crus varum cong.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 11. Der angeborene Klumpfuß .............. . 221 12. Der angeborene Sichelfuß (Pes adductus, Metatarsus varus) 231 13. Der Knicksenkfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 14. Der angeborene Knickplattfuß (Pes plano-valgus cong.) 240 15. Der Hohlfuß. . . . . . . . . . . . . . . . . 241 16. Der angeborene Hackenfuß (Pes calcaneus cong.) 243 Literatur ...... . 245 Namenverzeichnis. 255 Sachverzeichnis 259 Autorenverzeichnis DERICHSWEILER, H., Dr. med. dent., Dr. med., München 15, Sonnenstraße 10: Bd.II. DÜBEN, W., Privatdozent Dr. med., Unfallklinik der Nordwestlichen Eisen Stahl-Berufsgenossenschaft, Hannover: Bd. I. GELBKE, H., Privatdozent Dr. med., Chirurgische Universitäts-Klinik, Göt tingen : Bd. I, 11. IDELBERGER, K., Professor Dr. med., Orthopädische Klinik der Universität, Gießen: Bd. I, Bd. IH. KONCZ, J., Professor Dr. med., Chirurgische Universitäts-Klinik, Göttingen: Bd.II. LUTZ, R. J., Privatdozent Dr. med., Kinderkrankenhaus an der Lachnerstraße, München: Bd. I MATZNER, R., Dr. med., Bruchsal, Kaiserstraße 35: Bd.II. OBERNIEDERMAYR, A., Professor Dr. med., Universitäts-Kinderklinik, München: Bd.II. RAISCH, 0., Professor Dr. med., Chirurgische Klinik, Olgahospital, Stuttgart: Bd.II. RESSEL, G. J., Dr. med., Mercy Hospital, DenverjColorado (USA): Bd. I SINGER, H., Dr. med., Universitäts-Kinderklinik, München: Bd. H. WEBER, E.: Privatdozent Dr. med., Chirurgische Universitäts-Klinik, München: Bd.II. Orthopädische Erkrankungen des Kindesalters Von K. IDELBERGER Mit 103 Abbildungen I. Die orthopädische Untersuchung Man tut gut daran, nach einem bestimmten Plan vorzugehen, möglichst nach einem Schema, das für alle Körperregionen paßt. Das kürzt die Unter suchung ab, gibt dem Befund Übersichtlichkeit, Ordnung und Prägnanz und ist zugleich eine gewisse Garantie, daß nichts Wichtiges vergessen wird. Ein solches Vorgehen ist für die Begutachtung unerläßlich. Aber auch die Krankengeschichte sollte davon profitieren. Es ist ein Exerzitium der Selbstdisziplin, anfangs schwer, später selbstverständlich. Man braucht nur ein Krankenblatt zu lesen, um zu wissen, wes Geistes Kind sein Verfasser ist. Die Untersuchung beginnt bereits, ehe die erste Frage gestellt ist. Der Orthopäde hat es mit einer ganzen Reihe von Krankheiten zu tun, die auf den ersten Blick vermutbar sind. Man denke nur an den muskulären Schiefhals, an das charakteristische Hinken oder Watscheln der sog. angeborenen Hüft verrenkung, an den Gigantismus bei der Epiphyseolyse und an schwere Skoliosen. Solche Beobachtungen sind nützliche Anhaltspunkte, aber nicht mehr. Wenn wir gelegentlich Primavista-Diagnosen stellen, werden wir gut tun, sie für uns zu behalten, bis wir uns durch die Untersuchung ihre Richtigkeit bewiesen haben. Eine gewisse Zurückhaltung in diagnostischen Fragen steht dem Arzt gut an und schützt ihn vor vorschnellen Urteilen, die später korrigiert werden müssen und den Eltern unserer kleinen Patienten das Vertrauen rauben. Die Diagnose gehört an das Ende der gesamten klinischen und röntgenologischen Unter suchungen. Auch Mutmaßungen, die ängstliche Eltern dem Arzt entlocken wollen, unterbleiben besser. Die Erhebung der Vorgeschichte ist keine quantite negligeable, die man stehenden Fußes in wenigen Augenblicken erledigt, sondern ein integrierender Bestandteil jeder Untersuchung, in ihrer Wertigkeit dem klinischen und rönt genologischen Befund durchaus ebenbürtig. Gerade in schwierigen, diagnostisch unklaren Fällen hilft die genaue Befragung nicht selten weiter. Ein Versäumnis an dieser Stelle ist die Ursache mancher Fehldiagnosen. Nehmen wir an, ein Kind klage über zeitweilige Rückenschmerzen; die Eltern sagen: seit einer vor längerer Zeit überstandenen Grippe. Würde der Arzt sich die Mühe gemacht haben, eingehender zu fragen, hätte er leicht erfahren, daß in der häuslichen Gemeinschaft ein seit Jahren hustender Großvater lebt und das Kind während einer leichten "Grippe" gehustet habe. Wahrscheinlich hätte er dann anstatt die leichtfertige Diagnose "Muskelrheumatismus" zu stellen, Verdacht auf eine begin nende Spondylitis tbc. geschöpft und anstattMassage zu verordnen, rechtzeitig eine fachärztliche Untersuchung und Behandlung veranlaßt. Die Tatsache, daß ein Großteil unserer Kranken mit einer Knochen- oder Gelenktuberkulose vorher Chirurgie des Kindesalters, Bd. In 1 2 Die orthopädische Untersuchung längere Zeit mit Massage und Antirheumaticis behandelt wurde, gibt doch sehr zu denken. Viel kostbare Zeit geht auf diese Weise verloren, ungeachtet der durch eine unzweckmäßige Therapie angerichteten Schäden. Richtig fragen kann freilich nur, wer etwas weiß. Darum ist der da und dort geübte Brauch, die jüngsten Assistenten mit der Erhebung der Anamnese zu betrauen, verwerflich. Ein ärztliches Sprichwort sagt: "Man diagnostiziert nur Krankheiten, an die man denkt". Es ließe sich durch den Satz erweitern: "Man denkt meist nur an das, was einem die Vorgeschichte nahelegt. " Es gibt sicher nicht nur ein Schema, um den klinischen Befund planvoll und geordnet aufzunehmen. Ein bewährtes Muster, das den Vorteil hat, für alle Körperregionen zu passen, besteht aus folgenden 5 Punkten: 1. Inspektion, 2. Palpation, 3. Untersuchung der Gelenkstellung, 4. Untersuchung der Beweglichkeit, 5. besondere Untersuchungsmethoden. Wer viele Studenten unterrichtet hat, muß den Eindruck gewinnen, daß sie keinem Sinnesorgan mehr mißtrauen als ihrem Auge. Fast alle beginnen damit, das kranke Gelenk zu betasten, und ahnen nicht, daß sie damit wertvolle diagnostische Möglichkeiten, zuweilen sogar wichtige, auf andere Weise kaum zugängliche Symptome vernachlässigen. Unser Auge ist von Anfang an viel sicherer als unser Tastgefühl, das wir erst durch eine längere Schulung ausbilden müssen. Eine leichte Muskelatrophie beispielsweise ist oft durch eine sorgfältige vergleichende Inspektion zuverlässiger festzustellen als mit dem Bandmaß, ganz abgesehen davon, daß auch das Messen gelernt sein will. Die Asymmetrie der "Luftfigur" zwischen den annähernd geschlossenen Beinen, die Ungleichheit des Muskelreliefs, geringfügige Gelenkschwellungen, ein schräger Verlauf der Verbindungslinie beider (vorderer oberer) Darmbeinstachel, ein vertieftes Hohl kreuz: das alles und vieles mehr sind Feststellungen, die sich mit anderen Mitteln nur schwer oder gar nicht treffen lassen. Das Auge erfaßt sie in Sekundenschnelle. Wesentlich ist, daß die Kinder zur Untersuchung vollständig entkleidet werden, falls es sich nicht gerade um Fußbeschwerden handelt. Die vergleichende Palpation bestätigt, vor allem aber ergänzt sie das Ergebnis der Inspektion. Eine Wärmevermehrung über einem Gelenk, die Konsistenz einer Schwellung, das "Tanzen" der Patella beim Kniegelenkserguß, Härten der Muskulatur, Zonen gesteigerter Druckempfindlichkcit - um nur einige Bei spiele zu nennen - sind nur mit einem geschärften Tastgefühl zu erkennen. Die Untersuchung der Gelenkstellung benutzt beides, die vergleichende In spektion und Palpation. Es ist zweckmäßig, diese wichtige Prüfung gesondert vorzunehmen. Die Stellung eines Gelenkes entscheidet über die funktionelle Brauchbarkeit der Gliedmaße. Die Untersuchung erfordert außerdem besondere Manipulationen. Nehmen wir an, die Erkrankung eines Hüftgelenkes habe wie so häufig zu einer Beuge-, Adduktions- und Außenrotationskontraktur ge führt. Die auffallend tiefe Lendeneinsattlung, der schräge Verlauf der Ver bindungslinie beider Spinae iliae ant. sup. und die (scheinbare) Verkürzung des krankseitigen Beines haben zweifellos schon derartige Vermutungen erweckt. Ich brauche jedoch die Bestätigung und genaue Vorstellungen über die Schwere der Fehlstellungen. Die Flexion der gesunden Hüfte bis zum Ausgleich der Lordose (aber nicht weiter) belehrt sofort, ob und in welchem Maße eine Beuge kontraktur besteht. Die durch die Beugung des Oberschenkels herbeigeführte llassive Spannung des (gesundseitigen) Lig. ischio-capsulare zwingt das Becken Die orthopädische Untersuchung 3 zu einer Rückwärtskippung. Ist eine Beugekontraktur vorhanden, d. h. ist die volle Streckung unmöglich, so gerät der krankseitige Oberschenkel zwangsläufig in eine Beugestellung, die zugleich den Grad der Fehlstellung angibt. Man mißt sie durch den Winkel zwischen (krankseitigern) Oberschenkel und Tischplatte. Eine Adduktionskontraktur bedeutet die Aufhebung jeglicher Abduktion. Dabei kann die Anspreizung zu einem ansehnlichen Teil erhalten sein. Ein Kind mit einer Adduktionskontraktur kann nur dadurch gehen, daß es die krank seitige Beckenhälfte hebt, und zwar um einen Betrag, der der Schwere der Fehl stellung entspricht. Die Hebung des Beckens geschieht anfangs aktiv (wenn auch unbewußt), später durch Schrumpfung der Bandmas,en, die Wirbelsäule und Becken verbinden, entsprechend dem Preisersehen Gesetz: daß Weichteile, deren Ansatzpunkte dauernd genähert sind, sich verkürzen. Der klinische Nachweis ist deshalb einfach: Man sorgt durch entsprechende Lagerung des krankseitigen Beines für eine lotrechte Einstellung der Verbindungslinie beider Spinae ant. sup. zur Körperlängsachse. Ist das geschehen, so zeigt der Winkel zwischen dem nunmehr angespreizten Oberschenkel und der Parallele zur Längs achse des Rumpfes durch die krankseitige Spina das Maß der Adduktions kontraktur an. Es ergibt sich aus unseren Überlegungen von selbst, daß eine Abduktions· kontraktur der Hüfte in allem den gegenteiligen Befund aufweisen muß. Das Becken ist nach der kranken Seite gesenkt. Das kranke Bein ist (scheinbar) verlängert, die gesunde Seite (scheinbar) verkürzt. Die Untersuchung erfolgt in analoger Weise wie bei der Adduktionskontraktur. Am einfachsten ist die Beurteilung einer (A ußen- oder I nnen-) Rotations kontraktur (der Hüfte). Dazu muß das Kind gen au auf dem Rücken liegen. Die parallel gerichteten Unterschenkel hängen über die Tischkante herab. Be steht beispielsweise eine Außenrotationskontraktur, so überkreuzt der krank seitige Unterschenkel den gesunden. Die Abweichung aus der Normallage gibt zugleich das Ausmaß der Fehlstellung an. Die Untersuchung am Schultergelenk spielt sich in ganz ähnlicher Weise ab. Maßgebend ist hier die Stellung des Margo medialis scapulae bei herabhängendem Arm. Bei einer Abduktionskontraktur ist der krankseitige Angulus info scapulae der Dornfortsatzreihe stärker genähert als auf der gesunden Seite. Abduziert man den Arm bis zur beidseitigen Übereinstimmung der Distanz Dornfortsatz reihe - unterer Schulterblattwinkel, so kann man am Winkel zwischen Oberarm und Rumpf den Grad der Kontraktur ablesen. Bei einer starken Abduktions kontraktur ist das Kind außerstande, den Arm an den Rumpf anzulegen. Die wesentlich häufigere Adduktionskontraktur zeigt die umgekehrten Verhältnisse: Der Angulus info scapulae ist nach außen gerichtet, und der Arm kann nicht abgespreizt werden. Einige Hinweise sind für die Bewegungsprüjung des Schultergelenkes und der Wirbelsäule notwendig. Funktionell ist das Schultergelenk ein Doppelgelenk. Es besteht aus der Articulatio humeri im engeren Sinne und dem "Muskelgelenk" des Schulter blattes. Schon bei einer Abduktion von etwas weniger als 90° bewegt sich die Scapula mit. Ahnliches gilt für alle übrigen Bewegungen (abgesehen von der Rückhebung, die schon bei 45° zu Mitbewegungen führt). Will man daher die Beweglichkeit im anatomischen Schultergelenk prüfen, so muß man die - bei Teilversteifungen ja viel früher einsetzenden Mitbewegungen der Scapula - passiv unterdrücken. Das geschieht in einfacher Weise durch Festhalten des Schulterblattes. Der Grad der Bewegungseinschränkung ergibt sich aus dem Vergleich mit der gesunden Seite. 1*

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