Jahrbuch fUr Rechtssoziologie und Rechtstheorie VII Jahrbuch fur Rechtssoziologie und Rechtstheorie Herausgegeben in Verbindung mit Erich Fechner, Arthur Kaufmann, Ulrich Klug, Niklas Luhmann, Peter Noll, Heinrich Popitz, Manfred Rehbinder, Rudiger Schott, Paul Trappe von Werner Maihofer und Helmut Schelsky Band VII Westdeutscher Verlag Organisation und Recht Organisatorische Bedingungen des Gesetzesvollzugs Herausgegeben von Erhard Blankenburg und Klaus Lenk unter Mitarbeit von Ralf Rogowski Westdeutscher Verlag CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Organisation und Recht. organisat. Bedingungen d. Gesetzesvollzugs. Hrsg. von Erhard Blankenburg u. Klaus Lenk unter Mitarb. von Ralf Rogowski, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1980. (Jahrbuch fUr Rechtssoziologie und Rech tstheorie; Bd. 7) ISBN-13: 978-3-531-11536-8 e-ISBN-13: 978-3-322-83669-4 om: 10.1007/978-3-322-83669-4 NE: Blankenburg, Erhard [Hrsg.); GT. "Gedruckt mit Unterstiitzung der Stiftung Volkswagenwerk" © 1980 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1980 Druck und buchbinderische Verarbeirung: Lengericher Hande1sdruckerei, Lengerich Aile Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervie1faItigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Veri ages. Inhalt Organisation und Recht - Einfiihrung in das Thema Von Erhard Blankenburg und Klaus Lenk ....... . 7 I. Der informale Rechtsstaat: Administrative Strategien der Implementa- tion von Gesetzen und politischen Program men .. . . . . . . . . . . . .. 18 Einfiihrung ......................................... 18 Eberhard Bohne: Informales Verwaltungshandeln im Gesetzesvollzug . .. 20 Jochen Hucke: Einschrankung und Erweiterung politischer Handlungs- spielraume bei der Implementation von Recht . . . . . . . . . . . . . . .. 81 Jeffrey L. Jowell: Town Planning in Britain: The Flight from the Judicial Model - Commentary to the Papers of Bohne and Hucke. . . . . . . .. 98 Gerd Winter: Tauschformiges und organisierendes Recht - Ein englisch- deutscher Vergleich der Wohnungspolitik ................... 108 II. Handlungsspielriiume der Verwaltung ..... 128 Einfiihrung ......................................... 128 Rainer Hegenbarth: Von der legislatorischen Programmierung zur Selbst steuerung der Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 Klaus Tiirk: Handlungsraume und Handlungsspielraume rechtsvollzie hender Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 153 Dieter Grunow: Personbezogene und organisatorische Bedingungen unterschiedlicher Rechtsanwendung im Verwaltungsalltag: empirische Beispiele aus der Sozialverwaltung und der Finanzverwaltung ... . .. 169 Korreferat von Hubert TreIber ............................ 195 Herbert Schwab: Schulgesetzgebung - Schutz gegen eine iibermachtige Administration im Bildungsbereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207 Michael Adler: Welfare Professions and the Law. . . . . . . . . . . . . . . .. 224 Ill. Steuerung des Handelns von Verwaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231 Einfiihrung ......................................... 231 Hansjiirgen Garstka: Automation rechtlicher Verfahren als Entrechtli chungsprozeB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 233 Ulrich Horn: Normvollzug in einer automatisierten Massenverwaltung - Ein empirischer Beitrag zur Rechtswirksamkeit in offentlichen Orga nisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 242 5 Klaus Lenk: Steuerung des Handelns von Verwaltern . . . . . . . . . . . . .. 254 Korreferat von Ulrich K. Preug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 264 Klaus Lange: Normvollzug und Vernormung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 268 Rolf Bender: Einige Vorschlage zur Implementierung von Verfahrensge- setzen ................................... . 289 Kommentar von Regine Scholz .................... . 304 IV. Die Verrecbtlicbung von Regeln innerbalb von Organisationen ....... 308 Einfiihrung ......................................... 308 IDE (verfagt von Bernhard Wilpert): Die Messung von Mitbestimmungs normen - Darstellung eines international vergleichenden Forschungs- ansatzes ......................................... 310 Hermann Kotthoff: Zur Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes in den Betrieben ..................................... 328 V. Organisationen als Adressaten von Recbtsnormen . . . . . . . . . . . . . . .. 350 Einfiihrung ......................................... 350 Robert A. Kagan/John T. Scholz: The 'Criminology of the Corporation' and Regulatory Enforcement Strategies .................... 352 William M. Evan: Organizations and the Limits of Effective Legal Action: An Analysis of Labour-Management Disputes in the United States and Great Britain 378 Die Autoren ........................................... 387 6 Organisation und Recht - Einfiihrung in das Thema Von Erhard Blankenburg und Klaus Lenk 1. Drei Perspektiven des Verhiiltnisses von Organisation und Recht Wlirde man einem Verhaltenswissenschaftler von einem anderen Stern die Aufgabe geben zu beschreiben, was in den westlichen Industriegesellschaften unserer Zeit unter "Recht" verst and en wird, so wlirde in seinem Bericht die Erwahnung von Or ganisationen nicht fehlen konnen: vermutlich wlirde er bei einer Auszahlung von Gesetzen und anderen Rechtsnormen finden, daB sie sich in der Mehrzahl auf das Handeln von staatlichen Organisationen beziehen: Anweisungen, mit denen Verwal tungshehorden, Gerichte und ihre Interaktion mit der jeweiligen Klientel geregelt werden. Und auch dort, wo Rechtsnormen sich an nicht-staatliche Adressaten rich ten, regeln sie weitgehend die Beziehungen zwischen Organisationen und Indivi duen. Der Verhaltenswissenschaftler wlirde allerdings auch Unterschiede zwischen den Industrielandern registrieren: etwa daB in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland eine Tradition dahingehend besteht, das Handeln von staatlichen Be horden moglichst weitgehend rechtlich zu regeln und ihre Entscheidungen weitge hend einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Wlirde er Recht ausgehend von dem zu definieren versuchen, was vor Gerichten abgehandelt wird, so wlirde er nicht nur vor den Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten, die unmittelbar mit Ent scheidungen von Behorden zu tun haben, sondern auch vor den Zivil- und Arbeits gerichten feststellen, daB hier zumindest auf einer Seite in der liberwiegenden Zahl der Prozesse eine Organisation steht. Und selbst vor den Strafgerichten wlirde er feststellen, daB zwar auf der einen Seite immer ein Individuum als Angeklagter steht, auf der Seite des Opfers aber haufig wiederum Organisationen auft au chen, zu mindest aber daB das formale Anklagemonopol von einer staatlichen Organisation beansprucht worden ist. Wenn man als Recht das bezeichnet, was verhaltensmaBig in Erscheinung tritt, so wird es in Organisationen formuliert, es wird weitgehend von Organisationen liberwacht und durchgeflihrt, und es richtet sich liberwiegend an Organisationen als Adressaten seiner Normen. Soweit der Verhaltensforscher von einem anderen Stern auch ideologische Daten verarbeiten wlirde, mliBte er allerdings feststellen, daB diese Organisationsgebunden he it im Selbstverstandnis und in den Theorien der Rechtswissenschaftler nur eine untergeordnete Rolle spielt: weitgehend formulieren Rechtswissenschaftler ihre Begriffe an einem Modell von Recht, das die Steuerung des Verhaltens von Indivi duen und die Regelung von Konflikten zwischen Personen in den Vordergrund rlickt. Allenfalls im offentlichen Recht konnte er finden, daB diese Wissenschaftler den Bezug ihres Rechts zu Organisationen nicht mehr leugnen konnen, wenngleich sie auch hier vielschichtige Verwaltungsorganisationen als "juristische Personen" be zeichnen und damit ganze Handlungszusammenhange zu bloBen Zurechnungspunk ten verklimmern lassen. Er mliBte also auch hier - wie in anderen Rechtsberei- 7 chen - ihre Theorien als wenig praxisorientiert bezeichnen, da sie weithin die Buch staben der Rechtsnormen als Realitat ansehen und wenig Daten und Theorien iiber deren Wirksamkeit gesammelt haben. In anderen Disziplinen wiirde er zwar Wissen schaftler finden, die sich urn die Beobachtung des Verhaltens in Organisationen ge kiimmert haben. Bei den Organisationssoziologen jedoch wiirde er Beziige auf recht liche Regelungen in erster Linie dort finden, wo iiber Abweichungen von ihnen be richtet wird und iiber die Unfahigkeit von Recht, Verhalten in Organisationen zu regeln. Und wiirde er auf die Betriebswirtschaftslehre stogen, so taucht dort Recht in erster Linie als externe Anforderung an Unternehmungen auf, als eine wenig ra tionale Storung in der Verwirklichung von Modellen idealer Organisation. Nahelie gend, dag der Verhaltenswissenschaftler von einem anderen Stern nun darangehen wiirde, die Perspektiven der jeweiligen Disziplinen aufeinander zu beziehen und mit der Realitat in Einklang zu bringen. Er wiirde dabei sogar - wenn auch unzurei chende - Versuche der beteiligten Wissenschaftler selbst finden, wie etwa dieses J ahrbuch, ihre jeweiligen Perspektiven zu konfrontieren und ihre unterschiedlichen Ebenen von Realitatssicht in Einklang zu bringen. In diesem Jahrbuch werden ihm drei Perspektiven fiir die Einordnung verschiedener Analysen der Beziehungen von Organisation und Recht angeboten: zunachst diejenige der staatlichen Steuerung, so wie sie sich etwa aus der Sicht des Gesetzgebers ergibt, der sich bewugt ist, dag er fiir die Wirksamkeit seiner Gesetze auf Organisationen als Durchfiihrungsstab angewiesen ist; dann diejenige des Stabes, der fiir die Durchsetzung von Recht zustandig ist. Er findet sich in Organisationen wie Polizei, Verwaltung und Gerichte (die eben auch ihren eigenen Organisationsgesetzmagigkeiten unterliegen); letztlich die Perspektive der Adressaten von Rechtsnormen, unter denen sich . auch Organisationen wie Wirtschaftsunternehmen oder Verbande befinden. Diese drei Perspektiven durchziehen die Beitrage dieses J ahrbuchs. Vorsichtig be zeichnen wir unser Ordnungsprinzip dabei als "Perspektiven", da diese nicht als eine sich gegenseitig ausschliegende Klassifikation von Ansatzen oder Forschungsfragen angesehen werden konnen. Eine Analyse wird immer unter Einbeziehung mehrerer dieser Perspektiven erfolgen, und sie wird haufig aufzeigen konnen, dag die beteilig ten Akteure zugleich in verschiedenen dieser Perspektiven zu sehen sind, urn Recht gegeniiber anderen durchzusetzen. Drei derartigc Perspektiven als Ordnungsprinzip anzugeben, heigt also zugleich, ihre gegenseitige Verwobenheit aufzuzeigen. Diese Verwobenheit kann auch dazu verleiten, sie in einer iibergreifenden Systembetrach tung aufzuheben; bei einem solchen Vorgehen ware freilich nicht auszuschliegen, dag unausgewiesene Elemente der einen oder anderen Perspektive die Analyse star ker beherrschen, als es den Anschein hat. 2.1 Die Perspektive der Steuerung: das lmplementationsproblem Politikwissenschaftliche Studien nehmen in letzter Zeit zunehmend Interesse an Problemen der Durchfiihrung von Gesetzen und politischen Programmen.1 Die Karriere eines neuen Forschungsgebiets, der "Implementationsforschung", ist fiir die amerikanische wissenschaftliche "community" daraus erklart worden, dag viele der Professoren, die wahrend der sechziger Jahre als Reformer enthusiastisch waren, in den siebziger J ahren die Enttauschung ihrer zu hoch gesteckten Erwartungen zu erklaren suchten? 8 In Deutschland signalisiert die Aufnahme von Fragestellungen der Implementations forschung einen weiteren Schritt der Abwendung von den normativen Lehren der Staats- und Demokratietheorie zu empirisch fundierten Analysen politischer Prozes se. In vielen Politikbereichen zeigen diese, daB die Annahme einer Gewaltenteilung zwischen einer Legislative, die Entscheidungen falIt, und einer Exekutive, die sie lediglich ausfiihrt, nicht realistisch ist. Ebensowenig ist es realistisch, Gewaltentei lung als Trennung von (Institutionen der) Politik und (Institutionen der) Verwal tung zu fassen und ersterer Programmierung und Legitimationsbeschaffung zuzu weisen, letztere auf den "bedenkenlosen Vollzug,,3 festzulegen. Tatsachlich sind die Einfliisse der Institutionen von Politikformulierung und -aus fiihrung wechselseitig, oft bis zur Unkenntlichkeit ihrer Kompetenz-Trennung. Un tersuchungen iiber den ProzeB der Gesetzesvorbereitung in der Ministerialbiirokratie zeigen, daB schon dort in einem aufwendigen Verfahren von Anhorung und Beteili gung entgegengesetzte Interessen integriert und Kompromisse ausgehandelt werden, bevor irgendein Gesetz in das Parlament geht. Auch das Personal der einzelnen Mi nisterien wird weitgehend rekrutiert aus denjenigen Organisationen, die spater sol che Gesetze auszufiihren haben. Daher sind Problemsuche und ProblemlOsungen schon weitgehend von den Gesichtspunkten der Exekutive bestimmt. Verstarkend wirkt in der Bundesrepublik noch die Beteiligung der Ministerialbiirokratien der Lander durch den Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren. Angesichts solcher Ver flechtung ist die Beschrankung einer juristischen Perspektive auf dienende, rechts treue Ausfiihrung der Weisungen eines abstrakten "Gesetzgebers" eine Fiktion zu dem Zweck, die Bindung der Verwaltung durch Gesetze fiir eine gerichtliche Ober priifung festzulegen. Oem faktischen EntscheidungsprozeB entspricht diese Tren nung von Gewalten nicht. Fiir eine sozialwissenschaftliche Analyse aber ist nicht zu iibergehen, daB die organi sierten Adressaten von Rechtsnormen und die Verwaltungsstabe in allen Politikfel dern die politischen Programme mitformulieren, die sie spater auszufiihren haben. Sie erreichen ihr Ziel allerdings mit unterschiedlichem Erfolg: je mehr sie offene Kontroversen vermeiden konnen, je unbemerkter ein Gesetzesvorhaben in dem klei nen Kreis von Expertenausschiissen versteckt werden kann, desto groBer ist die Chance von ausfiihrenden Staben, die Legislative unter ihrer Kontrolle zu halten. Der EinfluB der Verwaltungsstabe ist umgekehrt proportional zum Grad der Politi sierung eines Gesetzesvorhabens, und dieser wiederum ist - unter anderem - ab hangig von der Heterogenitat und dem MaB an Konflikten zwischen verschiedenen ausfiihrenden Staben und Betroffenen. Anfanglich allerdings hat auch die Implementationsforschung Politik und Verwaltung als sauber getrennte hierarchische Phasen verstanden. Zwar wurde in der angelsach sischen Tradition "Implementation" nie als bloBe Ausfiihrung von Gesetzen ver standen, jedoch wurde auch hier schon in der Fragestellung impliziert, daB sie den ProzeB der ErfiilIung von Zielen behandelt, die von einem politis chen Programm vorgegeben sind4 Auch die amerikanische "Implementationsforschung" hatte, aus gehend von diesem Verstandnis, daher anfangs eine technokratische Fragerichtung: Wie muB eine Organisationsstruktur aussehen, und welche Instrumente miissen Aus fiihrungsbehorden zur Verfiigung haben, urn die Iegislativ formulierte Politik durch fiihren zu konnen? J edoch zeigten Fallstudien aus verschiedenen Politikbereichen sehr bald, daB zwischen der Formulierung und der Ausfiihrung von Politik eine wechselseitige Beziehung besteht. Daher fragen Implementationsforscher heute 9 auch in der anderen Richtung: in welcher Weise beeinfluBt die Organisation der Politik-Implementation die Art und Weise, wie Probleme gesehen werden, die Selek tion, mit der Losungen wahrgenommen und praferiert werden, und in welchem Ma Be antizipieren politische Entscheider die Restriktionen, die sich aus der Implemen tationsstruktur ergeben? Und in dem AusmaB, in dem auch politische Entscheider sich solche Fragestellungen zu eigen machen, sind sie besser in der Lage, Entschei dungsspielraume fiir die Verwaltung zu tolerieren und potentielle Zielverschiebun gen auf der Durchfiihrungsebene zu kalkulieren. Dabei tut es der juristischen Diskussion in der Bundesrepublik gut, die Argumenta tionen aus dem angelsachsischen Rechtsbereich zur Kenntnis zu nehmen. Auch wenn unterschiedliche Rechtssysteme oft ausschlieBen, Erkenntnisse oder sogar Problemlosungen einfach zu iibertragen, ist doch die empirische Informiertheit der angelsachsischen Juristen iiber tatsachliche Entscheidungsablaufe ungleich groBer. Ihre Pragmatik fiihrt zu geringerer Verblendung durch juristische Voreingenommen heiten, etwa der, daB jegliches Verwaltungshandeln in gleichem MaBe rechtlich vor wegzunormieren sei. Es mehren sich zwar auch in der Bundesrepublik Deutschland diejenigen politischen Programme, die bestimmte Ziele formulieren und die Verwal tung ermachtigen, gesetzlich sanktionierte Instrumente nach eigenem Ermessen im Sinne der Zielsetzung einzusetzen. Dies kann durch Zuweisung oder auch Verknap pung der zur Durchfiihrung erforderlichen Ressourcen oder durch Setzung anderer re striktiver oder Handlungsraume Offnender Bedingungen erganzt werden. Solche Delegation von Entscheidungen jedoch wird in der angelsachsischen Regierungstra dition sehr viel weiter gehandhabt. Politische Traditionen unterscheiden sich in dem AusmaB, in dem sie "Legalitat" als ein Mittel der Sicherung programmzielkonformen Vollzugs nutzen. Und unabhangig von den Unterschieden zwischen verschiedenen Politik-Traditionen unterscheiden sich Politikfelder im AusmaB, in dem sie rechtlicher Regulierung unterworfen oder zuganglich sind. Zwei Faktoren haben unter anderem dazu beigetragen, daB zuneh mend Zielsetzungen an stelle strikter rechtlicher Bindungen formuliert werden: Wenn Vergesellschaftung in vielen Lebensbereichen nicht mehr informell sich ein stellt, sondern bewuBt hergestellt werden muB, so steigt der Bedarf an zentral verfiigbaren Instrumenten der Einwirkung. Die zunehmende Komplexitat von Eingriffen der Regierungen in wirtschaftliche und soziale Ablaufe, die eine Viel zahl von Akteuren einbeziehen, laBt die Antizipation der Konsequenzen strikter rechtlicher Kodifizierung schwieriger werden. Beteiligungsrechte und -chancen auf der Ausfiihrungsebene, mit denen Opposi tionen nicht nur im Rahmen der legislativen Entscheidung, sondern auch im wei teren (damit politisierten) ProzeB verfahrensmaBig legalisiert werden, nehmen zu. Beide Faktoren bedingen sich gegenseitig: politische Komplexitat hat dazu gefiihrt, daB nach Alternativen zur strikten rechtlichen Bindung gesucht wurde und daB die Legitimation durch Parlament und rechtliche Bindung durch Beteiligungsnormen ersetzt wurde. Unter anderem kann dies Steuerung durch Verfahrensnormen und nicht durch inhaltliche Vorwegnormierung bedeuten. Die "programmierte Gesell schaft" kann ihren Programmierungsbedarf nicht allein durch das Legalitatssystem decken, wenn des sen Funktionsbedingungen mit zunehmender Komplexitat pro blematisch werden. 10