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Organisation der Sozialforschung PDF

136 Pages·1971·4.627 MB·German
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FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr.2198 Herausgegeben im Auftrage des Ministerprasidenten Heinz Kuhn yom Minister fur Wissenschaft und Forschung Johannes Rau Prof Heinz Hartmann Ph. D. Westfalische Wilhelms-Universitat Munster Institut fUr Wirtschafts- und Sozialwissenschaften . SoZiologie Organisation der Sozialforschung WESTDEUTSCHER VERLAG· OPLADEN 1971 ISBN 978+531-02198-0 ISBN 978+322-88693-4 (eBook) 00110.1007/978+322-88693-4 C 1971 by Wesfdeutscber Verlag GmbH, Ophdeo Gcumfhe,uelluog: Wutdeutscher Verlag · Inhalt 1. Ziel und Anlage der Untersuchung ..................................... 5 2. Die Organisation der Sozialforschung in amerikanischen Forschungsinstituten . 10 2.1 Eine Typologie der Forschungsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10 2.2 Formale und informale Organisation der Forschungsinstitute ........... 14 2.3 Die Forschungsarbeiten: Fragestellungen und Finanzierung ............ 24 2.4 Forschungspersonal: Bestand und Wechsel ........................... 29 2.5 Ausbildung und Weiterbildung des Forschungspersonals ............... 34 2.6 Autonomie und Kontrolle in der Forschung . . ... . . . .... . . . . ... . . . .... 41 2.7 Person und Organisation als Determinanten der Forschung . . . .. . . . ... .. 51 3. Dipl.-Soz. E. Krahforst: Die Organisation der Sozialforschung in sozialistisch-kommunistischen Uindern 58 3.1 Die nationale Organisation der Forschung ........................... 58 3.2 Die Institutionalisierung der Sozialforschung ......................... 64 3.3 Die formale Organisation der Institute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71 3.4 Planung und Kontrolle ............................................ 77 3.5 Forschungspersonal: Ausbildung und Bestand ........................ 83 4. Dipl.-Soz. S. Winkler: Die Organisation der Sozialforschung in lateinamerikanischen Forschungs- instituten .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 88 4.1 Die Institutionalisierung der Sozialforschung ......................... 88 4.2 Formale Organisation der Forschungsinstitute und ihre Zielsetzungen ... 91 4.3 Das Forschungspersonal ........................................... 96 4.4 Die Forschungsarbeiten ........................................... , 100 4.5 Finanzierung und Kontrolle der Forschung .......................... 103 5. Institut, Universitat, Akademie: Empirische Sozialforschung als Institution .. 105 5.1 Anerkennung und Ausbau der Sozialforschung ....................... 105 5.2 Auswahl, Ausbildung, Austausch ................................... 108 5.3 Arbeitsteilung und Berufsbild ...................................... 110 5.4 Information, Produktivitat, Kontrolle ............................... 114 5.5 Hierarchie und Demokratie ........................................ 120 5.6 Planung in der Forschung ......................................... 124 5.7 Das Verhaltnis von Forschung und Lehre ............................ 128 5.8 Institut, Universitat, Akademie ..................................... 131 3 1. Ziel und Anlage der Untersuchung Die empirische Sozialforschung, lange betrachtet als ein Mittel par excellence zur Erhel lung sozialer Probleme, ist sich in den letzten Jahren selbst zum Problem geworden. Das gilt nicht nur in der vielbesprochenen methodischen Hinsicht, sondern mehr und mehr auch im Hinblick auf die Organisation. Auf eine kurze Formel gebracht entsteht die organisa torische Problematik aus der wachsenden Zahl der Projekte und der Personen, die diese Forschungsprojekte betreiben. Die Zunahme fiihrt, ganz natiirlich, zu Problemen der Ober- und Unterordnung, der Koordinierung, der »Direktion«. Wahrend bisher zu eror tern war, wic die optimale Organisation eines Forschungsteams auszusehen habe, stehen wir heute mehr denn je vor der Frage, wie der Forschungsbetrieb - bestehend aus einer Vielzahl von Einzelforschern und Einzelteams - aussehen soUte. Dariiber hinaus sind wir schon jetzt mit der weiterfiihrenden Frage konfrontiert, wie denn die Organisation der Forschung vieler solcher Betriebe, mit anderen Worten: die Organisation der Forschung auf nationaler Ebene auszusehen habe. Die Problematisierung der Forschungsorganisation entsteht jedoch nicht nur aus Fragen der Effizienz, sondern auch der politisch vertretbaren und wiinschenswerten Ordnung von Forschung. In den sozialistisch-kommunistischen Landern wirkt sich die politische FragesteUung vor aUem auf die nation ale Planung der Forschung aus, wahrend in den nichtkommunistischen Landern vor all em die Entscheidungsfindung innerhalb der einzel nen Institute davon beriihrt wird. 1m international vergleichenden Rahmen treten die Gesichtspunkte der politischen Reprasentation und Integration aUerdings zuriick hinter Fragen der Leistung, insbesondere der Leistungssteigerung im Bereich von Forschung. Die ses letztgenannte Anliegen erweist sich als universell, wahrend die Frage nach dem poli tischen Optimum in der Organisation von Forschung sich in den einzelnen Landern nach Intensitat und AusmaB iiberraschend unterschiedlich darstellt. Da die Oberlegungen zur Neuordnung von Forschungsorganisation relativ jungen Datums sind, liegen uns zwar eine groBe Zahl von Empfehlungen und Entwiirfen zur Verbesserung von FOrSchUngSOrganisation vor; die Anhaltspunkte zur Bewertung solcher Anregungen und Modelle sind jedoch bisher diffus und sparlich. In dieser Situation wurde beschlossen, ein Forschungsprojekt iiber die gegenwartige Organisation von Sozialforschung in inter national vergleichender Perspektive durchzufiihren. Die Mittel fiir dieses Projekt wurden von dem seinerzeitigen Landesamt fiir ForSchUng des Landes Nordrhein-Westfalen bereit gestellt. Die Leitung des Projektes lag bei dem Berichterstatter, der auch die Erhebung des empirischen Materials iibernahm. Bei der Verarbeitung der Daten waren behilflich Dipl.-Soz. E. KRAHFORST und Dipl.-Soz. S. WINKLER. Soweit die empirischen Unterlagen im Rahmen einer Institutsbereisung gesammelt wurden, stammen die Angaben im wesent lichen aus den Jahren 1966 und 1967. Auf Grund laufender Kontakte mit den in diesen Vergleich einbezogenen Instituten wurden jedoch in der Zwischen zeit vereinzelte Zusatz befragungen durchgefiihrt und im Zuge der Beschickung mit Routineveroffentlichungen durch einige der Institute neuere Materialien zur Verfiigung gestellt. Ais Beobachtungsfeld fiir diese Untersuchung galten alle Sozialforschungsinstitute mit 30 und mehr hauptamtlichen Wissenschaftlern, sofern Sozialforschung als Hauptfunktion cines gegebenen Instituts angesehen werden kann und dieses Institut mehr als eine einzige Sozialwissenschaft zur Geltung kommen laBt. Aus erhebungspraktischen Griinden wurde die Analyse des so definierten Beobachtungsfeldes in der Pretest-Phase auf einige euro paische Institute beschrankt, wahrend in der Hauptuntersuchung ausschlieBlich Institute 5 in Nord- und Sudamerika beziehungsweise den sozialistisch-kommunistischen Uindern untersucht wurden. Den Interviews am Ort gingen regelmaBig schriftliche Erkundigungen voraus, in deren Rahmen insbesondere Geschaftsberichte und Forschungsveroffentlichun gen angefordert wurden. Ais operation ale Definition von Sozialwissenschaften galt folgendes Bundel spezieller Disziplinen: Soziologie, Sozialpsychologie, Sozialgeschichte, Volkswirtschaftslehre, Be triebswirtschaftslehre, Politikwissenschaft, Anthropologie, Sozialstatistik, Demographie, Okologie. Wie zu erwarten, waren in einzelnen Instituten, die im ubrigen unseren Aus wahlkriterien genugten, auch Facher auBerhalb dieser Liste vertreten. Ais Beispiel diene die Zusammensetzung des Forschungspersonals in dem Institute for Research in Social Science an der Universitat von North-Carolina in Chapel Hill, das sich 1966 wie folgt gliederte: Anthropologie (4), Soziologie (12), Politikwissenschaft (5), Betriebswirtschafts lehre (1), Volkswirtschaftslehre (1), Stadt- und Regionalplanung (4), Geschichtswissen schaft (1), Zeitungswissenschaft (3), Linguistik (1), Psychologie (8). Die in unserer Auswahl vertretenen Institute unterschieden sich teilweise beachtlich nach GroBe, Rechtsform, Zielsetzung, Stabilitat der Struktur und anderen Kennzeichen. Eine grobe Zweiteilung wurde schon angedeutet, als die Forschungseinrichtungen der soziali stisch-kommunistischen Lander von denen der nichtkommunistischen Lander abgegrenzt wurden; die Institute im erstgenannten Bereich unterscheiden sich wesentlich von den letzteren durch ihre Einbettung in eine ubergreifende organisatorische Gliederung, wie sie durch die jeweilige Akademie der Wissenschaften des betreffenden Landes reprasentiert wird. Ein anderer Gliederungsgesichtspunkt, der ebenfalls zu einer Zweiteilung fuhrt, liegt in der Trennung von universitats- oder universitatsnahen Instituten und privaten For schungseinrichtungen. Hinsichtlich der GroBe wichen mehrere Institute stark von der un teren Grenze ab, die in unseren Auswahlbedingungen vorgegeben war; Institute mit 50 Mitarbeitern waren keine Seltenheit. Die meisten Institute fur Sozialforschung sehen ihre Aufgabe in der Beschreibung und Erklarung bestimmter Sozialprobleme, die in ihrer GroBenordnung jedoch recht unterschiedlich sein konnen. Gelegentlich tritt ein Interesse an der Erarbeitung neuer Methoden als konkurrierendes Ziel zu solchen materialen Orien tierungen. Insgesamt waren etwa 80 Institute angeschrieben worden, urn auf Grund der so erbetenen Unterlagen eine Entscheidung daruber zu erleichtern, ob sie in unsere Erhebung einbezo gen werden sollten. AuBerdem wurde Kontakt aufgenommen mit verschiedenen nationa len und supra-nationalen Wissenschaftsorganisationen wie der UNESCO, dem Social Science Research Council in New York, der British Sociological Association, der Societe Frans:aise de Sociologie, der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen; auBerdem wurden einzelne Experten im In- und Ausland kontaktiert. Nach Prufung der uns greifbaren Unterlagen, zu denen selbstverstandlich auch Sekundarmaterial wie die Verzeichnisse von Forschungseinrichtungen und Universitaten gehorte, beschlossen wir dann Voruntersuchungen an einem belgischen Institut und zwei Instituten in GroBbritan nien durchzufuhren. Dabei handelte es sich urn das Institut de Sociologie an der Freien Universitat Brussel, das National Institute of Economic & Social Research sowie das Tavistock Institute of Human Relations, letztere beide in London. Nach Erledigung die ses ersten Abschnitts und gewissen Korrekturen an unserem Befragungsprogramm ergab sich dann aIs Liste der im Rahmen einer Institutsbereisung zu besuchenden Institute: Nordamerika American Institutes for Research in the Behavioral Sciences, Pittsburgh, The Brookings Institution, Washington, Bureau of Applied Social Research, Columbia University, New York, 6 Center for International Studies, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, Mass., Institute for Research in Social Science, The University of North-Carolina, Chapel Hill, N. C., Institute for Social Research, The University of Michigan, Ann Arbor, Mich., National Opinion Research Corporation, Chicago; Sudamerika Centro de Estudios del Desarrollo (CENDES), Caracas, Centro para el Desarrollo Economico y Social de America Latina (DESAL), San tiago, Instituto Torcuato Di Tella, Buenos Aires; So zialistisch-kommunistische Lander Institut fiir Philosophie, Akademie der Wissenschaften, Moskau, Institut fiir Philosophie und Soziologie, Polnische Akademie der Wissenschaften, Warschau, Institut fiir Soziologie, Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften, Prag, Institut fiir Soziologie und Philosophie an der Universitat Ljubljana, Laibach. Da im Rahmen unserer Erhebung auch komplexen Fragestellungen nachgegangen werden sollte sowie Probleme zu erforschen waren, die sowohl in institutspolitischer wie auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht als heikel empfunden werden konnten, war beschlossen, schriftliche Erkundigungen lediglich als Vorarbeit zu unternehmen, die Materialsammlung jedoch vorwiegend Besuchen zu iibertragen. Zu dies em Zweck wurden zwei groBere Rei sen durchgefiihrt, von denen die eine den insgesamt 10 nord- und siidamerikanischen In stituten galt, die in unserer Liste aufgefiihrt sind, wahrend die andere durcli die Institute der sozialistisch-kommunistischen Lander fiihrte. An jedem dieser Institute wurden vor allem Gesprache mit der Institutsleitung und den Mitarbeitern der mittleren und gehobe nen Ebene durchgefiihrt. Die Gesprache dauerten im Schnitt zwei Stun den, wenn man von gelegentlichen »AusreiBerwerten« absieht, die sich durch Gesprache von vier bis fiinf Stunden mit besonders interessierten Partnern ergaben. In den sozialistisch-kommunisti schen Landern wurden regelmaBig auch die Instanzen der jeweiligen Akademie fiir Wis senschaften interviewt, die fUr das von uns besuchte Institut zustandig waren. Die Ge sprache waren im groBen und ganzen von guter Ergiebigkeit. Institute, aus den en wenig befriedigende Informationen anfielen, waren nicht durchgangig als publizitatsscheu einzu stufen; vielmehr war zu beobachten, daB eine gewisse Armut an Information durch eine entsprechende Armlichkeit von Organisation bedingt sein konnte. Besonders reichhaltig war das Ergebnis der Besuche von Forschungsinstituten in den Vereinigten Staaten, in denen sich auch die Organisationswirklichkeit als besonders differenziert und vielgestaltig erWles. Die Befragung erfolgte an Hand einer Erhebungsliste, die dem Gesprach eine bestimmte Struktur verlieh, ohne eine verbindliche Reihenfolge vorzugeben und zusatzliche Erkundi gungen abzuschneiden. Die Liste hatte im einzelnen folgende Form: Adresse des Instituts Gesprachspartner Sekundarquellen Griindung Datum Grunder Grundungsmotiv Standortmotiv 7 Funktion Forschung Ausbildungsfunktion Archivfunktion Konsultativc Funktion Politische Funktion Gesellschaftsreform Formalstruktur Programm Verfassung Organisation Kategorien, Personal (Anzahl in jeder Kategorie) A ufsichtsorgane Sachausstattung Baulichkeiten Bibliothek Rechenanlagen Personal, wissenschaftliches Personal, teclmisches Zahl Vorbildung Angebotslage Personalfindung Rekrutierungsmodus Ex terne Tatigkeit Fluktuation Altersstruktur Laufbahnorientierung Vergutung Immatcrielle Anreize Kooperation Leiterqualitaten BeschluBfassung Informationsaustausch Teamarbeit Linie-Stab Wissenschaftliche Arbeit Thematische Tendenzen Method. Orientierung Anreize Kontrolle Projekte Themen Verfahren Verwendung Planung Routineaufgaben Delegation Thematisme Tendenzen Methodisme Orientierung 8 Finanzierung Finanzlage Quellen Finanzierungsbereiche Publikationen Reihen (wiss.) Periodika (wiss.) Information und Werbematerial Beziehungen zum Trager zu Forderern zu verwandten Instituten zu Homsmulen zu Stiftungen zum Staat zu politismen Parteien zu Gewerksmaften zur Pre sse zu Auftraggebern Auf Grund der an diesen Fragen orientierten Erhebung, die fur die von uns bereisten drei sozialgeographischen Raume (Nord- und Sudamerika, sozialistische Lander) als Totalerhebung gelten kann, ergab sich ein ziemlich detailliertes Bild uber den Aufbau und die Zwecksetzung, die finanzie11e und persone11e Ausstattung, die gegenwartigen und zu kunftigen Forschungsinteressen der Institute fur Sozialforschung, soweit sie Forschung als Hauptfunktion betreiben, mehr als 30 Mitarbeiter beschaftigen und zumindest den Schwerpunkt ihrer Forschungstatigkeit in den Bereich der Sozialwissenschaften gelegt haben. Aus diesen Beobachtungen und den sich anschlie6enden Interpretationen ergeben sich eine Fu11e von Anhaltspunkten fur die Diskussion um eine optimale Forschungs organisation unter den in der Bundesrepublik gegebenen Verhaltnissen. Wenn auch die Darste11ung der folgenden Kapitel im wesentlichen darauf beschrankt ist, die Verhaltnisse in den betreffenden Instituten und Landern so wiederzugeben wie sie sind, ohne da6 unaufhorlich die Frage nach dem Fur und Wider einer Dbertragung der betreffenden Einrichtungen in den Kontext der sozialwissenschaftlichen Forschung hierzulande geste11t wurde, so werden doch die Portraits der einzelnen Forschungsinstitute im Ausland bei dem deutschen Leser haufig die unwi11kurliche Frage provozieren, ob sich aus bestimm ten Einfa11en nicht auch Anregungen fur die Beantwortung organisatorischer Fragen in der Bundesrepublik ableiten lassen. Dieser Effekt scheint uns in hohem Grade erwunscht, denn letzten Endes lag das Ziel dieses Projektes nicht in der Darste11ung aus landischer Organisationen als Selbstzweck, sondern in der Prasentation dieser Einrichtun gen als einer Ressource fur den Aufbau und den Neubau der Forschungsorganisation in der Bundesrepublik; soweit hier Fragen einer Verbesserung und eines Ausbaues der Insti tute fur Sozialforschung anstehen, bietet die auslandische Praxis zumindest einen Fundus an Antworten, die dem deutschen Leser doch schon darum bekannt gemacht werden 5011- ten, damit er sie auf ihre eventue11e Brauchbarkeit im hiesigen Kontext zu prufen in der Lage ist. 9 2. Die Organisation der Sozial£orschung in amerikanischen Forschungsinstituten Die Institute fiir Sozialforschung, die wir fiir unsere Untersuchung in den Vereinigten Staaten ausgesucht hatten, sind einerseits auBerordentlich vielfaltig strukturiert und hochst unterschiedlich in ihrer Verfassung hinsichtlich der Forschungsprojekte, des Personals und ihrer Finanzierung; faBt man auBerdem Forschungseinrichtungen auBerhalb der von uns gewahlten Gruppe ins Auge, so wird dieses Bild noch erheblich vielfaltiger. Auf der an de ren Seite zeigt sich schnell, daB die Forschungsinstitute in den Vereinigten Staaten auch durch eine Reihe von Gemeinsamkeiten charakterisiert sind, die teilweise auf die sozio kulturelle Umgebung zuriickzufiihren sind. Als Indiz der Einheitlichkeit laBt sich bei spielsweise anfiihren, daB die meisten Institute das Problem der Forschungsausbildung sehr ernst nehmen und zu entsprechenden Abhilfen bereit sind. Die Beobachtung sowohl der zitierten Vielfalt wie auch einer durch die soziale Umwelt induzierten Standardisie rung geben hinreichenden Grund, urn die Analyse der Forschungsinstitute in den Vereinig ten Staaten von der Beschreibung und Kommentierung der Institute fiir Sozialforschung, die wir in anderen Kulturbereichen besucht haben, abzusetzen. 2.1 Eine Typologie der Forschungsinstitute Die Institutsleiter und der einzelne Forschungspraktiker in den amerikanischen Institutio nen sind sich der organisatorischen Besonderheiten einzelner Einrichtungen im Vergleich zu anderen durchaus bewuBt. In den Interviews wurde auf solche Unterschiede vielfach Bezug genommen. Nur sehr selten jedoch gediehen entsprechende Oberlegungen zu einer umgreifenden Typologie, in der das einzelne Institut einem bestimmten Typ zugeordnet und zu anderen Typen in Kontrast gesetzt worden ware. Bezeichnenderweise fanden sich Anlaufe zu einer entsprechenden Systematik nur bei solchen Personen und Institutionen, die beziiglich der Organisation der Forschung den hochsten Grad des Oberblicks und der Selbstreflexion erreicht hatten. Ein interessanter Versuch der Typenbildung findet sich in einer kleineren Arbeit von R. LIKERT, in der dieser Modelle der Anbindung von Forschungseinrichtungen an die Universitat unterscheidet und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile bespricht. Modell I besteht aus dem Einbau der Forschungsorganisation in einem bestimmten Fachbereich oder einer Fakultat. Modell II sieht vor, daB die Forschungsorganisation der Universitat als Ganzer zugeordnet wird. Wahrend bei dem ersten Modell das Institut die Forschungs impulse einer relativ spezialisierten Forschergruppe aufnimmt und sich langfristig mit bestimmten Fragen befaBt, setzen sich Forschungsinteressen und -personal im zweiten Modell sehr viel heterogener zusammen, und die Dauer der Projektbearbeitung erweist sich als erheblich kurzfristiger. Diesen beiden Modellen stellt LIKERT ein drittes gegeniiber, das er durch da-s Institute for Social Research an der Universitat Michigan verkorpert sieht. Dieses Institut ist einerseits der Universitat als Ganzer zugeordnet, widmet sich jedoch durchaus langfristigen Forschungsvorhaben und zeigt hinsichtlich der Zusammen setzung seines Personals eine merkliche, letzten Endes aber doch beschrankte Interdiszipli naritat 1. 1 RENSIS LIKERT, »The University Setting«, The Institute for Social Research of the University of Michigan, Ann Arbor, Mich.: ISR, 1965, S. 4-5. 10 Der wohl ausfiihrlichste Versuch, die Vielfalt der Einrichtungen fur Sozialforschung in den USA typologisch zu gliedem, wurde jedoch in dem sogenannten »Columbia Survey« unternommen. Diese Erhebung wurde von PAUL F. LAZARSFELD konzipiert und mit Hilfe von SIDNEY S. SPIVACK durchgefuhrt. Der Survey geht aus von der schon vermerkten Grundtatsache des organisatorischen Pluralismus, der seinerseits auch nur eine Spiegelung der vielen pluralistischen Tendenzen in der amerikanischen GeseUschaft darstellt. LAZARS fELD, selbst lange Jahre Leiter eines der produktivsten und einf1u~reichsten Forschungs institute in den Vereinigten Staaten, schickt seinen Schlu~folgerungen die Bemerkung vor aus, da~ er bei der Typenbildung die Meinung anderer berucksichtigt habe, da~ die Schwerpunktbildung in seinen Beobachtungen und die Akzentuierung verschiedener Ergeb nisse jedoch von seinen eigenen Erfahrungen und Oberlegungen beeinflu~t sei. Der Aufzahlung der einzelnen Typen geht ein geschichtlicher Abri~ voraus, in dem ver sucht wird, die Entstehung der organisatorischen Verschiedenheiten teilweise auch ge schichtlich abzuleiten. LAZARSFELD unterscheidet vier historische Phasen der Institutsgrun dung. Die erste Phase setzt er unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg an, als die soge nannte Survey-Bewegung mit Unterstutzung zahlungskraftiger Stiftungen daran ging, Forschungseinrichtungen zu entwickeln, die uber die Erhebung von Meinungen hinaus eine wissenschaftliche Vertiefung in die sozialen Probleme ermoglichen so Ute, zu denen die Survey-Bewegung erste Informationen beigebracht hatte. Zu den in jener Zeit initiierten Instituten zahlt auch das von uns besuchte Institute of Research in the Social Sciences an der Universitat von North Carolina. Eine zweite Phase erstreckt sich von den fruhen drei~iger Jahren bis zu dem Beginn des neuen Krieges. Urn diese Zeit wurden vor aU em Institute gegrundet, die sich weniger urn Sozialprobleme als vielmehr urn eine Dokumentation und Analyse von Daten des All tagslebens kiimmerten, wie sie vor allem von der Industrie und anderen Auftraggebern nachgefragt wurden. In dieser phase iiberwog wieder der Trend zur Umfrage, dieses Mal jedoch zur wissenschaftlich fundierten Erhebung. Seinerzeit wurde beispielsweise das Columbia Bureau of Applied Social Research gegriindet, das bekanntlich spater uber seine seinerzeitige AufgabensteUung hinauswuchs und eben falls zu der von uns untersuchten Gruppe von Instituten gehort. In den Jahren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer dritten Welle von Insti tutsgrundungen, die teils Produkt der Forschungsanstrengungen und -ergebnisse innerhalb der wahrend des Krieges durchgefuhrten Projekte war. Das kriegsbedingte Interesse an sozialer Information und Kommunikation, an Qualifikation und sozialer Selektion, an Beeinflussungsprozessen und an Relationen zwischen sozialen Mehrheiten und Min derheiten mundete damals in organisatorisch betriebene Forschungsprogramme. Eine ent sprechende Verwurzelung selbst der gegenwartigen Forschungsinteressen la~t sich bei spielsweise noch in Teilen der American Institutes for Research beobachten, die wir in Pittsburgh besuchten und die auch nach zwei Jahrzehnten noch an dem Problem der Personalauswahl interessiert waren, das einige der Grunder wahrend des Krieges in offi ziellem Auft rag bearbeiteten. Mitte der funfziger Jahre beginnt dann die vierte Phase, in der bestehende Universitaten im Zuge ihres systematischen Ausbaues ein Institut fur Sozialforschung errichten. Hier erfolgt die Grundung nicht auf Initiative von sozialreformerischen Kriiften, die grogen teils au~erhalb der Universitiit stehen, auch nicht auf Betreiben der Industrie und anderer kommerzieller Nachfrager, schliemich nicht auf Initiative von wissenschaftlich qualifizier ten Sozialforschern, die nach Abschlug von Auftragsarbeiten nun ein Zentrum fur wis senschaftlich autonome Forschungsarbeit grunden, sondern auf formalen Beschlug von Universitatsplanern oder anderen Instanzen innerhalb der Universitat, die den sich ver breitenden Zwang zu einer forscherischen Beschaftigung mit Sozialproblemen erkannt 11

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