Rudolf Berghammer Ordnungen und Verbände Grundlagen, Vorgehensweisen und Anwendungen Ordnungen und Verbände Rudolf Berghammer Ordnungen und Verbände Grundlagen, Vorgehensweisen und Anwendungen RudolfBerghammer UniversitätKiel Kiel,Deutschland ISBN978-3-658-02710-0 ISBN978-3-658-02711-7(eBook) DOI10.1007/978-3-658-02711-7 DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografie;de- tailliertebibliografischeDatensindimInternetüberhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. SpringerVieweg ©SpringerFachmedienWiesbaden2013 DasWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertung,dienichtaus- drücklichvomUrheberrechtsgesetzzugelassenist,bedarfdervorherigenZustimmungdesVerlags.Dasgilt insbesonderefürVervielfältigungen,Bearbeitungen,Übersetzungen,MikroverfilmungenunddieEinspei- cherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen. DieWiedergabevonGebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungenusw.indiesemWerkbe- rechtigtauchohnebesondereKennzeichnungnichtzuderAnnahme,dasssolcheNamenimSinneder Warenzeichen-undMarkenschutz-Gesetzgebungalsfreizubetrachtenwärenunddahervonjedermann benutztwerdendürften. GedrucktaufsäurefreiemundchlorfreigebleichtemPapier. Springer ViewegisteineMarkevon SpringerDE.Springer DEistTeilderFachverlagsgruppeSpringer Science+BusinessMedia www.springer-vieweg.de Einleitung Durch dieses Buch wird versucht, eine möglichst präzise, elementare und verständliche Einführung in die Theorie der Ordnungen und die Verbandstheorie zu geben. Weiterhin wird versucht, einige Anwendungen dieser zwei Gebiete zu demonstrieren. Neben mathe- matischen Anwendungen werden insbesondere auch solche betrachtet, die einen Bezug zu Problemen der Informatik besitzen. DieTheoriederOrdnungenunddieVerbandstheoriespielenheutzutageinvielenBereichen derreinenundangewandtenMathematik,derInformatikundandererWissenschaften(wie beispielsweiseElektrotechnik,WirtschaftswissenschaftenundSozialwahltheorie)einegroße Rolle. Insbesondere haben sehr viele wichtige Sätze der klassischen Algebra über auf- und absteigende Kettenbedingungen, wie sie etwa bei auflösbaren Gruppen oder Noetherschen Ringenauftreten,einenordnungstheoretischenHintergrund.GleichesgiltfürdieMethoden derInformatikzumBeweisvonTerminierungenvonDeduktions-undErsetzungssystemen undvonProgrammen.EinweiteresBeispielhierzuistdieBoolescheAlgebra,welcheeinen speziellen Zweig der Verbandstheorie bildet. Durch sie ist eine Algebraisierung der klassi- schenAussagenlogikgegeben.IhreBedeutungfürinsbesonderedieInformatikunddieElek- trotechnik liegt hauptsächlich in Anwendungen bei den Schaltabbildungen und den logi- schenSchaltungen.AlsletztesAnwendungsbeispielseiennochFixpunktevonAbbildungen genannt. Sehr viele praktisch bedeutende Probleme lassen sich als solche Fixpunktproble- me formulieren, etwa die Berechnung der relationalen transitiven und reflexiv-transitiven Hüllen oder das damit eng verbundene Erreichbarkeitsproblem auf gerichteten Graphen und Ersetzungssystemen. Algorithmische Lösungen dieser Probleme ergeben sich dann oft direkt aus den „konstruktiven“ Fixpunktsätzen über vollständigen Verbänden. Bestimmte Fixpunkte spielen auch bei der sogenannten denotationellen Semantik von Programmier- sprachen eine ausgezeichnete Rolle. Es gibt wahrscheinlich kein mathematisches Konzept, das so viele Anwendungen findet, wiedaseinerOrdnungsrelationbzw.einergeordnetenMenge.DiesewurdeninderMathe- matik schon sehr früh betrachtet. Einzelne der grundlegenden Gedanken gehen sogar sehr weitzurück,teilweisebiszuAristoteles.EineüberragendeBedeutungkamdenKonzepten insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu, als die Grundlagen der Mathematik und hier insbesondere die der Mengenlehre intensiv diskutiert wurden. Untrennbar damit sind die Namen G. Cantor, E. Zermelo und F. Hausdorff verbunden. G. Cantor begründete die Mengenlehre.VonE.ZermelostammtdieEinsicht,dassdasAuswahlaxiomeinwesentliches Beweismittel der Mathematik ist. Seine heutzutage mit Abstand am häufigsten verwende- vi Einleitung te Konsequenz – man sollte genauer sagen: äquivalente Formulierung – ist das bekannte LemmavonM.Zorn.UndF.HausdorffhatwohlalsersterdieOrdnungsaxiomeexplizitin derheutigenFormformuliert.SeinsogenanntesMaximalkettenprinzipistebenfallslogisch äquivalent zum Auswahlaxiom. Den Ursprung der Verbandstheorie kann man wohl bei G. Boole ansetzen, der schon im 19. Jahrhundert eine Algebraisierung der Aussagenlogik untersuchte, sowie bei R. Dede- kind, der sich den Verbänden von den Idealen bei den algebraischen Zahlen, also von der algebraischenSeitehernäherte.VonR.Dedekindstammtauchdieheuteüblichealgebrai- scheVerbandsdefinition.VonihmwurdeeinVerbandauchalseineDualgruppebezeichnet, wie etwa in der grundlegenden und erstaunlich modern wirkenden Arbeit „Über die von dreiModulnerzeugteDualgruppe“,erschienenindenMathematischeAnnalen53,371-403, 1900. Die Untersuchungen von G. Boole wurden sehr bald von anderen Wissenschaftlern aufgegriffen, insbesondere um 1880 von C.S. Peirce in seiner „Algebra of Logic“ und von E.Schröder,dervon1885bis1895dasumfassendeWerk„AlgebraderLogik“indreiBän- den publizierte. Eine Vereinheitlichung zu der Theorie, wie wir sie heutzutage kennen, ist wohl in erster Linie das Werk von G. Birkhoff. Es sind aber noch eine Reihe von weite- renbekanntenMathematikernzunennen,diezurGrundlegungundWeiterentwicklungder VerbandstheoriealseinemTeilgebietsowohldermodernenAlgebraalsauchderOrdnungs- theoriebeigetragenhaben.OhneVollständigkeitsanspruchseiengenanntR.P.Dilworth,O. Frink,P.Halmos,L.Kantorovik,K.Kuratowski,J.vonNeumann,O.OreundH.M.Stone. Im Hinblick auf Anwendungen der Verbandstheorie sollte auch eine Gruppe von Wissen- schaftlern genannt werden, die ursprünglich von R. Wille an der Technischen Universität Darmstadt geleitet wurde, und der auch B. Ganter als ein einflussreiches Mitglied ange- hörte. Diese Gruppe legte die Grundlagen der Begriffsverbände, einer Verallgemeinerung der Vervollständigung von Ordnungen durch Schnitte auf beliebige Relationen, und auch der sogenannten formalen Begriffsanalyse. Letztere ist ein Gebiet mit vielen praktischen und mittlerweile auch (verbands-)theoretischen Anwendungen. Nach diesen knappen historischen Betrachtungen wollen wir nun, ebenfalls sehr knapp, den Inhalt des Buchs skizzieren. Im ersten Kapitel stellen wir kurz die mathematischen Grundlagen aus der Mengenlehre und der Logik zusammen. Dies betrifft insbesondere spezielle Begriffe und Notationen. Dann stellen wir im zweiten Kapitel die Grundlagen der Ordnungs- und Verbandstheorie vor, wobei wir mit den Verbänden beginnen. Dar- auf aufbauend werden wir im dritten Kapitel dann spezielle Klassen von Ordnungen und Verbänden genauer diskutieren. Wiederum spielen hier die Verbände die Hauptrolle. Im vierten Kapitel werden wir die wichtigsten Fixpunktsätze beweisen und anhand von ei- nigen exemplarischen Anwendungen, wie Hüllen und Galois-Verbindungen, vertiefen. Die wichtigstenFragenimZusammenhangmitVervollständigungenundDarstellbarkeitdurch VervollständigungenspielenfürunsdannimfünftenKapiteleineentscheidendeRolle.Da- nachwerdenwirimsechstenKapiteldieWohlordnungenundtransfinitenZahlenmitdem Auswahlaxiom und wichtigen Folgerungen davon (genauer: dazu äquivalenten Formulie- rungen, wie etwa das Lemma von M. Zorn) und Anwendungen präsentieren. Dies wird uns auch erlauben, Beweise von Sätzen aus früheren Kapiteln zu bringen, die wir dort aufgrund der fehlenden Mittel noch nicht führen konnten. Mit einem siebten Kapitel über Einleitung vii einige spezielle Anwendungen von Ordnungen und Verbänden in der Informatik schließen wir den technischen Teil des Buchs ab. Der noch folgende Index soll der Leserin oder dem Leser das Nachschlagen erleichtern. Wir wollen auch kurz auf begleitende und weiterführende Literatur eingehen. Die nachfol- gendangegebenenBüchergeheninderRegelbeispeziellenGebietenweitüberdashinaus, was dieses Buch an Stoff enthält. • H. Gericke, Theorie der Verbände, 2. Auflage, Bibliographisches Institut, 1967. • H. Hermes, Einführung in die Verbandstheorie, 2. Auflage, Springer Verlag, 1967. • G. Birkhoff, Latice Theory, 3. Auflage, Amer. Math. Soc, 1967. • M. Erné, Einführung in die Ordnungstheorie, Bibliographisches Institut, 1982. • R. Freese, J. Jezek, J.B. Nation, Free Latices, Amer. Math. Soc, 1995. • B.Ganter,R.Wille,FormaleBegriffsanalyse–MathematischeGrundlagen,Springer Verlag, 1996. • B.A. Davey, H.A. Priestley, Introduction to Lattices and Orders, 2. Auflage, Cam- bridge University Press, 2002. Das Lesen dieses Buchs, welches sich primär an Studierende der Informatik und der Ma- thematik im Diplom-Hauptstudium, Master-Studium oder den letzten Semestern eines Bachelor-Studiums wendet, aber, wie wir hoffen, auch Studierenden anderer Fächer hel- fen kann, erfordert relativ wenig tiefgehende Voraussetzungen aus der Informatik und der Mathematik.Dadieseallenichtüberdashinausgehen,waswirimerstenKapitelanGrund- lagen vorstellen oder was man üblicherweise an einer höheren Schule oder in den ersten Semestern eines Diplom- oder Bachelor-Studiums in Informatik oder Mathematik lernt, verzichten wir hier auf die Angabe von entsprechender Literatur. Das vorliegende Buch basiert auf den ersten sechs Kapiteln der zweiten Auflage meines Buchs „Ordnungen, Verbände und Relationen mit Anwendungen“, welches beim Verlag SpringerViewegerschienenist.NebeneinergründlichenÜberarbeitung,insbesonderehin- sichtlich der mathematischen Beweise und der Erklärung von komplizierteren Sachverhal- ten,wurdendieKapitelauchergänzt,etwadurchneuemathematischeAussagen,zusätzli- cheBeispieleundAnwendungenundaucheinigeAlgorithmen.Auchwurdeihneneinneues Kapitelvorangestellt,dasinknapperFormdieerforderlichenmathematischenGrundlagen enthält. Ich bedanke mich wiederum sehr herzlich beim Verlag Springer Vieweg, insbeson- dere bei Frau Maren Mithöfer, Frau Sybille Thelen und Herrn Bernd Hansemann, für die sehr angenehme Zusammenarbeit, sowie bei meiner Frau Sibylle für ihre Unterstützung und Hilfe. Kiel, im Oktober 2013 Rudolf Berghammer Inhaltsverzeichnis 1 Mathematische Grundlagen 1 1.1 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Relationen und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Tupel, Folgen und Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Verbände und Ordnungen 9 2.1 Algebraische Beschreibung von Verbänden. . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2 Geordnete Mengen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3 Verbände als spezielle geordnete Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.4 Das Dualitätsprinzip der Verbandstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.5 Nachbarschaft und Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.6 Einige Konstruktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3 Einige wichtige Verbandsklassen 37 3.1 Modulare Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.2 Distributive Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.3 Komplemente und Boolesche Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.4 Vollständige Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4 Fixpunkttheorie mit Anwendungen 77 4.1 Einige Fixpunktsätze der Verbandstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.2 Anwendung: Schröder-Bernstein-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 x Inhaltsverzeichnis 4.3 Das Prinzip der Berechnungsinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.4 Hüllenbildungen und Hüllensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4.5 Galois-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5 Vervollständigung und Darstellung mittels Vervollständigung 111 5.1 Vervollständigung durch Ideale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.2 Vervollständigung durch Schnitte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5.3 Vergleich der Ideal- und Schnittvervollständigung. . . . . . . . . . . . . . 124 5.4 Darstellung durch Schnittvervollständigung . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.5 Vervollständigung durch Abwärtsmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.6 Berechnung der Schnitte und Abwärtsmengen . . . . . . . . . . . . . . . 145 6 Wohlgeordnete Mengen und das Auswahlaxiom 149 6.1 Wohlordnungen und Ordinalzahlen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.2 Auswahlaxiom und wichtige Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 6.3 Fixpunkte von Abbildungen auf CPOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.4 Darstellung beliebiger Boolescher Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.5 Existenz von Fixpunkten und Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.6 Eine Anwendung in der mathematischen Logik. . . . . . . . . . . . . . . 187 7 Einige Informatik-Anwendungen von Ordnungen und Verbänden 191 7.1 Schaltabbildungen und logische Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7.2 Denotationelle Semantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7.3 Nachweis von Terminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 7.4 Kausalität in verteilten Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 7.5 Bestimmung minimaler und maximaler Mengen . . . . . . . . . . . . . . 227 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Kapitel 1 Mathematische Grundlagen In diesem Kapitel stellen wir knapp die mathematischen Grundlagen vor, die im Rest des Buchs verwendet werden. Es handelt sich um Begriffe, die man teilweise schon von der höheren Schule her kennt. Bei einem Informatik-Studium stehen sie in der Regel am Anfang der einführenden Mathematik-Vorlesung. 1.1 Mengen Wir werden Mengen in dem naiven Sinn verwenden, wie sie G. Cantor im Jahr 1885 ein- führte.Erschriebdamals:UntereinerMengeverstehenwirjedeZusammenfassungM von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die „Elemente“ von M genannt werden). Aufgrund der vorausgesetzten Wohlun- terschiedenheit wird für alle Objekte a und b eine Gleichheit a=b bzw. eine Ungleichheit a(cid:2)=b als vorgegeben angenommen. Werden nun neue Objekte konstruiert, so ist für diese, damit sie Elemente von Mengen werden können, festzulegen, was Gleichsein a = b heißt. Ungleichheit a(cid:2)=b bedeutet dann immer, dass Gleichheit a=b nicht gilt. Ist M eine Menge und a ein Objekt, so drücken wir durch a∈M aus, dass a ein Element vonM ist,unddurcha∈/ M,dassakeinElementvonM ist.EsistdannM eineTeilmenge einerMengeN (oderinN enthalten),imZeichenM ⊆N,fallsfüralleObjekteaausa∈M folgta∈N.GeltenM ⊆N undM (cid:2)=N,soschreibtmanM ⊂N undnenntM eineechte Teilmenge von N. Die Konstruktion M ⊆N heißt auch Mengeninklusion. Eine Gleichheit M =N istperDefinitiongenaudannwahr,wennbeide InklusionenM ⊆N undN ⊆M wahr sind. Schließlich bezeichnet ∅ die leere Menge, für die a∈∅ für alle Objekte a falsch ist. Zum Definieren von Mengen M verwenden wir oft explizite Darstellungen. Eine explizite Darstellung von M hat die Form M := {a ,...,a }, 1 n bei der das Zeichen „:=“ besagt „ist per Definition gleich zu“ oder „ist eine Bezeichnung R. Berghammer, Ordnungen und Verbände, DOI 10.1007/978-3-658-02711-7_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Description: