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Opera collectanea PDF

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MILLIARIA JOANNIS REGIOMONTANI Faksimiledrücke zur Dokumentation der Geistesentwicklung herausgegeben von Prof. Dr. Hellmut Rosenfeld und Dr. Otto Zeller OPERA COLLECTANEA X,2 Faksimiledrücke von neun Schriften Regiomontans REGIOMON TANU S und einer von ihm gedruckten Schrift seines Lehrers Purbach OPERA Zusammengestellt und mit einer Einleitung herausgegeben von COLLECTANEA FELIX SCHMEIDLER OTTO ZELLER VERLAG • OSNABRÜCK • 1972 O. ZELLER VERLAG • D 45 OSNABRÜCK • POSTF. 1949 Der Bayerischen Staatsbibliothek sei für die Erlaubnis zur Wiedergabe der Handschrift des Horoskopes sowie für die Zurverfügungstellung der Originaldruclctexte zur Faksimilierung herzlich gedankt INHALTSVERZEICHNIS Einleitung von Felix Schmeidler.......................................................................................................... VII 1. (Judicium super nativitate imperatricis Leonore, uxoris imperatoris Friederici III.................. 2 2. An terra moveatur an quiescat, Joannis de Monte regio disputatio............................................ 35 3. Oratio Iohannis de Monteregio, habita Patavij in praelectione Alfragani.................................... 41 4. Epytoma Joannis De monte regio In almagestum ptolomei....................................................... 55 5a. Joannis de regio monte De triangulis omnimodis libri quinque.................................................. 275 5b. Beigebunden ist: Joannes de regiomonte Germani, nationes Francicae, Mathematicarum dis­ ciplinarum principis, De quadratura circuli, dialogus.................................................................. 415 6. (Dialogus inter Viennensem et Craviensem adversus Gerardum Cremonensem in planetarum theoricas deliramenta).................................................................................................................. 511 7. Hec opera fient oppido Nuremberga Germanie ductu Joannis de Monteregio (Verlags­ anzeige).......................................................................................................................................... 531 8. Ephemerides anni 1475................................................................................................................ 535 9. Scripta clarissimi Mathematici M. Joannis Regiomontani........................................................... 565 a. Praeclarissimi mathematici, Joannis de monte regio super torqueto astronomico instrumento, problemata XXI. 5 75 b. Joannis Schoneri Carolostadii, Franci, mathematici, de constructione Torqueti Dogmata VI................................... 601 c. Joannis de Monteregio super usu et constructione astrolabij armillaris Ptolemaei, enarratio..................................... 615 d. Joannis Schoneri in fabricam et usum magnae regulae Ptolemaei annotationes......................................................... 619 e. Joannis de Monteregio et Bemardi Waltheri eius discipuli ad Solem observationes. ................................................ 627 f. Joannis Schoneri in constructionem atque usum rectanguli sive radij Astronomien, annotationes...................... 642 g. Joannis de Monteregio, Georgii Peurbachii, Bemardi Waltheri, ac aliorum. Eclipsium, cometarum. Planetarum ac Fixarum observationes................................................................................................................................................. 645 h. Observationes factae per doctissimum virum Bemhardum Waltherum Norimbeigae.................................................. 661 ISBN 3 535 00212 5 (Müliaria, kompl. Reihe) i. Canones pro compositione et usu gnomonis geometrici pro reverendissimo Domino Ioanne Archiepiscopo Strigo- ISBN 3 535 00816 6 (Müliaria, Bd. X.2) niensi, a predarissimo Mathematico Georgio Buibachio compositi. ........................................................................ 695 k. Joannis de Monteregio Germani, viri undecunque doctissimi, de Cometae magnitudine, longitudineque, ac de loco Printed in W-Germany eius vero Problemata XVI. ................................................................................................................................ 731 by Proff & Co. KG Bad Honnef a. Rhein 10. Theoricae novae planefarum Georgii Purbachii astronomici de sole......................................... 753 EINLEITUNG 1. Die Astronomie des späteren Mittelalters Wer die ungeheure Wirkung, die der Astronom Johannes Regiomontan (1436—1476) auf die Wissenschaft seiner Zeit und die Nachwelt ausgeübt hat, voll verstehen will, muß die Entwicklung des Geisteslebens — speziell auf naturwissenschaftlichem Gebiet — im späten Mittelalter berücksichtigen. Nur vor diesem Hintergrund wird es verständlich, daß und warum Regiomontans Werke als so enormer Fortschritt und ihr Verfasser als einer der bedeutendsten Geister seiner Zeit angesehen wurden. In der Entwicklung der Naturwissenschaften von der ausschließlich reproduzierenden Denkweise des Mittelalters zur bewußt über­ legten Fragestellung der Neuzeit stellt in der Tat der von Regiomontan in der Mathematik und der Astro­ nomie erzielte Fortschritt eine wichtige Stufe dar. In den Stürmen der Völkerwanderungszeit waren den germanischen Völkern nicht ohne eigene Schuld die geistigen Grundlagen der antiken Kultur zum größten Teil verloren gegangen. Das traf insbe­ sondere für das naturwissenschaftliche Gebiet zu. Gelehrte Männer wie Isidor von Sevilla (560—636) und der heilige Beda (672—735) versuchten zwar, die noch erhaltenen Erkenntnisse der anti­ ken Naturwissenschaft zu retten, hatten aber keinen nachhaltigen Erfolg. So konnte es dazu kommen, daß G e r b e r t, der spätere Papst Sylvester II. (gestorben 1003) wegen seiner im damals maurischen Spa­ nien erworbener Kenntnisse auf naturwissenschaftlichem und technischem Gebiet seinen Zeitgenossen so unverständlich erschien, daß er einigen als Zauberer gegolten hat. Vom 12. Jahrhundert an wurden die germansichen Völker Europas durch arabische Vermittlung wieder mit der klassischen Literatur bekannt. So entwickelte sich eine Weltauffassung, die der Wissenschaft eine vom religiösen Glauben unabhängige Rolle zuzugestehen bereit war. Auch die Astronomie hat von der damals beginnenden höheren Wertschätzung der Wissenschaften Anregungen gewonnen. Um 1175 wurde von Gerhard von Cremona (1114—1187) der „Almagest“ des Ptolemäus aus der arabischen Sprache in die lateinische übersetzt; damit war die erste Voraussetzung für eine weitere Entwicklung der Astronomie in Europa geschaffen. Dieses fundamentale Werk enthielt in zusammenfassen­ der Darstellung die Methoden und Resultate der antiken Astronomie, die von den Gelehrten der islamischen Welt zwar in Einzelheiten erheblich ausgebaut, in den Grundbegriffen aber nicht verändert worden war. Frei­ lich war damit nur eine Kenntnis „zweiter Hand“ verbunden; denn schon die arabischen Versionen des ptole- mäischen Almagest waren aus Übersetzungen aus der griechischen Sprache entstanden. Durch diese mehr­ fachen Übertragungen hatten sich Veränderungen eingeschlichen, die für Regiomontan ein Anlaß waren, den Almagest in der griechischen Ursprache zu studieren. VIII IX Der erwähnte Gerhard von Cremona hat sich auch um die Übersetzung anderer Werke der antiken sem Weg die Qualität der Prognosen verbessern zu können ; umgekehrt wurden astrologische Fehltreffer häu­ Literatur verdient gemacht, u. a. um Schriften von Aristoteles. Ihm und anderen Übersetzern und Kommen­ fig mit der unvollkommenen Kenntnis der Gesetze der Planetenbewegung erklärt. So haben Wissenschaft und tatoren, vor allem Albertus Magnus (1193—1280) und Thomas von Aquin (1225—1274) Aberglaube trotz aller Gegensätze doch teilweise in gleicher Richtung gewirkt. ist es zu verdanken, daß die aristotelische Philosophie die führende Rolle im spätmittelalterlichen Denken In einer geistigen Atmosphäre, die ein Produkt aller dieser Einzelströmungen war, traten im Lauf des einnahm, was sich auch auf die Entwicklung der Astronomie bis in die Renaissancezeit hinein auswirkte. 15. Jahrhunderts einige Gelehrte auf den Plan, die die Entwicklung der Astronomie zu größerer Exaktheit Zur gleichen Zeit, in der die europäische Wissenschaft ihre ersten Ansätze zu neuer Entwicklung einleiteten. Obgleich nicht primär dieser Gruppe zugehörig, muß zunächst Nikolaus Cusanus nahm, brachte die Astronomie der islamischen Welt mit der Schaffung der „alphonsinischen Tafeln“ eine (1401—1464) genannt werden, der großes Interesse für Mathematik und Astronomie gehabt hat. Er hat sogar letzte große Leistung zustande, die als ein Schwanengesang gewertet werden muß; an ihrem Zustandekom­ Bemerkungen über die Bewegung von Himmelskörpern und speziell der Erde gemacht, die als Vorahnungen men waren außer islamischen auch jüdische und christliche Gelehrte beteiligt. König Alphons X. (der Weise) der kopemikanischen Lehre gedeutet worden sind; allerdings sind seine Vorstellungen darüber in Einzelheiten von Kastilien berief noch als Kronprinz eine Kommission von etwa 50 Gelehrten, die neue und bessere Tafeln dann doch völlig unklar und widersprüchlich. für die Berechnung der Bahnen der Planeten auf der Basis der ptolemäischen Lehre schaffen sollten. Nach An der Wiener Universität lehrte etwa vom Beginn des 15. Jahrhunderts an Johann von jahrelanger Arbeit wurden die Tafeln fertiggestellt; sie galten im späteren Mittelalter als ein Meisterwerk der Gmunden (1375/85-1442), der als geistiger Vater der Wiener Astronomenschule gelten muß, aus der Astronomie, allerdings nicht ganz zu Recht, denn wir wissen heute, daß sie manche Fehler enthielten, die auch Regiomontan hervorgegangen ist. Was er sowie sein Schüler Georg Purbach bzw. Peuer- auch beim damaligen Stand der Wissenschaft hätte vermieden werden können. Kurz danach begann der b a c h, (1423-1461) für die astronomische Wissenschaft geleistet haben, braucht hier nicht näher ausgeführt geistige Niedergang der islamischen Wissenschaft. zu werden; der Leser findet eine ausführliche Darstellung dieser Dinge im ersten Teil dieses Bandes der „Mil- In Europa verfaßte um die gleiche Zeit Johann von Halifax (meist Sacrobosco genannt) liaria“ (Bd. 10,1) aus der Feder von E. Zinner. das Lehrbuch „Sphaera mundi“ (ca. 1250), das einige Jahrhunderte lang als das überall anerkannte Standard­ Wir gehen nun zu Johannes Regiomonta n (1436—1476) über, dessen wichtigste Werke werk der Astronomie galt. Es enthielt einen unvollständigen Auszug aus dem Almagest und aus arabischen der Gegenstand unserer Darstellung sind. Autoren. Noch nach der Erfindung des Buchdrucks hat das Werk zahlreiche Auflagen erfahren. Alle Autoren, die im späteren Mittelalter über astronomische Themen schrieben, schätzten sich glücklich, wenn sie sich auf die Autorität des Sacrobosco berufen konnten. Vom 14. Jahrhundert an entwickelte sich die Tätigkeit der europäischen Gelehrten über das rein 2. Das Leben Regiomontans rezeptive Stadium hinaus zu kritischer eigener Fragestellung auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Eine erste Anregung zu astronomischer Forschung war die erstmals im 13. Jahrhundert gemachte Entdeckung, daß Über den äußeren Ablauf des Lebens von Regiomontan braucht hier nur wenig gesagt zu werden, weil der Fehler des julianischen Kalenders und damit der kirchlichen Festrechnung auf eine volle Woche ange­ der erste Teil des Bandes 10 der „Milliaria“ diese Dinge ausführlich schildert. Immerhin mag es doch nützlich wachsen war. Dies sowie auch die um die gleiche Zeit gemachte Erfindung der Räderuhr regte astronomische sein, wenn die wichtigsten Daten noch einmal in Stichworten zusammengestellt werden, weil es die Übersicht Beobachtungen der Bewegung von Sonne, Mond und Planeten an. So beobachtete Guillaume de St. Goud in über den Zusammenhang der Werke des berühmten Astronomen erleichtert. Paris Sonnenhöhen und bestimmte daraus die Schiefe der Ekliptik und die geographische Breite. Regiomontan wurde im Jahr 1436 entweder in der unterfränkischen Stadt Königsberg oder in dem Eine weitere Anregung zu selbständiger Forschung in Europa gaben zahlreiche griechische Gelehrte, ihr nahe gelegenen Dorf Unfinden geboren. Bereits mit 11 Jahren bezog er die Universität Leipzig, im Jahr die ab etwa 1400 wegen der ständig steigenden Bedrohung Konstantinopels durch die Türken Zuflucht in 1450 die Universität Wien. In Leipzig soll er die Berechnung eines astronomischen Kalenders geleistet haben, Italien suchten und dort zur Verbreitung der Werke antiker und arabischer Gelehrter erheblich beitrugen. was ihm den Ruf einbrachte, ein Wunderkind zu sein; allerdings sind an der Richtigkeit der Überlieferungen Einer der bedeutendsten unter ihnen war Kardinal Bessarion (1395—1472), der auch Regiomontans über diesen Kalender Zweifel möglich, die sich auf recht ernste Argumente stützen können. So können wir Arbeiten sehr gefördert hat. heute nicht viel mehr sagen, als daß diese Kalenderrechnung dem 12jährigen Regiomontan zugeschrieben Die Darstellung der Entwicklung der spätmittelalterlichen Astronomie wäre unvollständig, würde wurde. nicht auch die Rolle der Astrologie erwähnt. Im frühen Mittelalter gab es praktisch keine Astrologie, da sie In Wien wurde Regiomontan Schüler des berühmten Astronomen Purbach (Peuerbach), bei dem er von den Kirchenvätern, besonders von Augustin, scharf abgelehnt worden war. Auch die islamische Lehre hat viele Jahre lang arbeitete. Im Frühjahr 1461 wollten beide auf Einladung des Kardinals Bessarion nach Italien die Astrologie verboten, doch ist in ihrem Bereich das Verbot anfangs nicht streng und später fast überhaupt reisen, um dort durch ein gründliches Studium vorhandener Texte des Almagest von Ptolemäus einen für die nicht beachtet worden. Zusammen mit der islamischen Wissenschaft drang gegen Ende des 12. Jahrhunderts praktische Wissenschaft verwendbaren Auszug herzustellen. Purbach konnte der Einladung wegen seines auch die astrologische Pseudowissenschaft in Europa ein. Auch gelehrte Männer haben im späten Mittelalter plötzlichen Todes nicht mehr folgen und so zog der junge Regiomontan allein nach Süden. Die Frucht seiner an die Astrologie geglaubt und in ehrlicher Überzeugung Horoskope gestellt; nur in Einzelfallen sind Gegen­ Studien in Italien waren u. a. der Auszug aus dem Almagest, zu dem allerdings auch Purbach schon Vorar­ stimmen laut geworden. An den meisten Universitäten hatte der Inhaber des Lehrstuhls für Astronomie ganz beiten gemacht hatte, und ein Werk über Dreieckslehre, das für die weitere Entwicklung der Mathematik von offiziell auch die Aufgabe, Stemdeutung in Theorie und Praxis auszuüben. Die meisten Fürsten hielten an entscheidender Wichtigkeit war. Allerdings sind beide Werke, wie überhaupt die meisten Werke von Regio­ ihren Höfen Sterndeuter und bedienten sich ihres Rates in allen wichtigen Angelegenheiten. montan, erst lange Zeit nach seinem Tod gedruckt worden. Obgleich man in dieser weiten Verbreitung astrologischer Vorstellungen im späten Mittelalter ein Wie lange Regiomontans Aufenthalt in Italien gedauert hat, wissen wir nicht; die letzten konkreten Zeichen geistigen Verfalls zu sehen hat, sind auch positive Auswirkungen von ihr ausgegangen. Die Bedürf­ Nachrichten über ihn aus Italien stammen aus dem Jahr 1465, während andrerseits bekannt ist, daß er Mitte nisse der astrologischen Praxis regten zu besseren Beobachtungen der Planeten an, weil man hoffte, auf die­ 1467 auf Ruf des Königs Matthias in Ungarn eintraf. Irgendwann zwischen diesen beiden Daten muß er X XI Italien verlassen haben. Sein Aufenthalt in Ungarn dauerte vier Jahre. In dieser Zeit hat er viele astrono­ Für die Reihenfolge der einzelnen Werke in der vorliegenden Auswahl wurde hauptsächlich das chro­ mische Tafeln gerechnet, astronomische Geräte konstruiert und Beobachtungen der Örter von Sonne, Mond nologische Prinzip gewählt, allerdings nicht ganz strikt eingehalten. Insbesondere diejenigen Arbeiten Regio­ und Planeten gemacht. montans, die der späteren Ausgabe von Johannes Schöner (1477—1547) aus dem Jahre 1544 ent­ Im Jahr 1471 siedelte Regiomontan nach der Stadt Nürnberg über, die sich damals zu einem geistigen nommen sind, wurden ohne Rücksicht auf ihre Entstehungszeit an den Schluß gestellt. Andrerseits sind Zentrum Deutschlands entwickelte. In den vier Jahren seines Aufenthaltes hat er dort eine Druckerei einge­ Regiomontans übrige Werke im wesentlichen nach der Reihenfolge der Entstehungszeit, nicht nach dem Zeit­ richtet, in der wissenschaftliche Werke gedruckt wurden, er hat astronomische Instrumente konstruiert, punkt des ersten Drucks geordnet. Schließlich ist Purbachs „Theoricae novae planetarum“, die der Entste­ Beobachtungen gemacht und Ephemeriden berechnet. Durch diese Arbeiten wurde sein Name in ganz Europa hungszeit nach an den Anfang gehört hätte, an letzter Stelle abgedruckt worden, weil dieses Werk nicht zu berühmt. den von Regiomontan selbst verfaßten Werken gehört. Mitten in lebhaftester wissenschaftlicher Tätigkeit erreichte ihn ein Ruf nach Rom, dem er Mitte Es folgt nunmehr eine Besprechung jedes einzelnen Werkes, das in diesem Band abgedruckt wurde. 1475 folgte. Papst Sixtus IV. soll Regiomontans Beratung über Fragen der damals schon als überfällig emp­ fundenen Kalenderreform gewünscht haben. Ein Jahr später, Mitte 1476, ist er in Rom gestorben, es heißt, an der damals dort herrschenden Pest. Nähere Einzelheiten wissen wir nicht. 3,1 Das Horoskop für die Kaiserin Leonore. Die Abfassung von Horoskopen und astrologischen Zukunftsdeutungen gehörte zur Zeit Regiomon­ 3. Grundsätze der Auswahl und Besprechung der abgedruckten Werke. tans zu den normalen Aufgaben, die den Astronomen damals gestellt wurden. So darf es nicht wunder neh­ men, wenn auch Regiomontan sich auf diesem Gebiet betätigt hat. Alles, was wir wissen, deutet auch darauf Für die Zusammenstellung der vorliegenden Ausgabe der wichtigsten Werke von Regiomontan erwies hin, daß er für seine Person jedenfalls keine prinzipiellen Zweifel an der Möglichkeit astrologischer Deutun­ sich als entscheidendes Problem die Frage der Auswahl; welche Werke sollten aufgenommen werden und gen gehabt hat. Deswegen darf es trotz der modernen Anschauung, die die Astrologie als Aberglauben an­ welche nicht? Ein vollständiger Abdruck aller Werke von Regiomontan war aus verschiedenen Gründen un­ sieht, berechtigt sein, in diese Ausgabe der wichtigsten Werke Regiomontans auch ein ihm (allerdings nicht möglich. Der Umfang einer solchen Edition wäre zu groß geworden, außerdem haben viele Werke Regiomon­ ganz unbestritten) zugeschriebenes Horoskop aufzunehmen. tans heute kein Interesse mehr und schließlich sind manche nie gedruckt worden und existieren bis heute nur Die Person, der Regiomontan das hier abgedruckte Horoskop gestellt hat, war die portugiesische Prin­ in handschriftlicher Form, deren Übertragung in druckfertige Manuskripte mit erheblichen Schwierigkeiten zessin Leonore, die mit dem damaligen Kaiser Friedrich III. verlobt war und ihn im März 1452 heiratete. Das verbunden wäre. Horoskop dürfte einige Monate vorher abgefaßt worden sein. Die Prinzessin war am 16. September 1436 Die Grundsätze, nach denen die vorhandenen Werke in die vorliegende Ausgabe ausgewählt wurden, geboren, also zur Zeit ihrer Verheiratung gerade 15 Jahre alt. Genau ebenso alt war der junge Regiomontan, sind im Prinzip einfach; es wurden alle die Werke Regiomontans ausgewählt, die entweder im Hinblick auf dem die Aufgabe gestellt wurde, ihr Horoskop zu berechnen. den damaligen Stand der Mathematik und Astronomie oder im Hinblick auf die spätere Entwicklung beider Das bisher noch nicht gedruckte Horoskop ist in zwei handschriftlichen Fassungen erhalten, die beide Wissenschaften ein besonderes Interesse beanspruchen können. Nur war es in der Praxis nicht in jedem Fall in Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München überliefert sind. Die Fassung A, die hier nach einfach zu entscheiden, ob ein bestimmtes Werk in diese Kategorie fällt oder nicht. Es ist auch auf keine der Handschrift faksimiliert und zusätzlich in Umschrift wiedergegeben wird, findet sich in dem Codex Clm.453, Weise vermeidbar, daß eine Auswahl, die nach diesen Gesichtspunkten erfolgt, in Grenzfallen irgendwie etwas einer Handschrift aus dem Besitze des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel (1440— 1514), der auch diesen subjektiv ausfallt. Codex größtenteils selbst geschrieben hat. Jedoch sind die Blätter 78—85, die die Fassung A des Horoskops Keinem Zweifel konnte es selbstverständlich unterliegen, daß Regiomontans berühmteste Werke wie enthalten, von anderer Hand geschrieben, nach Zinner von dem jungen Regiomontan selbst, und erst nach­ der Auszug aus dem Almagest und die Dreieckslehre aufzunehmen waren. Das Gleiche hätte an sich für die träglich in Schedels Codex mit eingebunden. Die Fassung B des Horoskops findet sich in Clm. 960, einem 1474 in Nürnberg gedruckten Ephemeriden gelten müssen; denn dieses Werk ist von vielen Seefahrern des Codex, der ebenfalls aus Schedels Besitz stammt, und zwar auf Blatt 11—20. Diese Blätter sind gemäß der Zeitalters der Entdeckungen (u. a. von Columbus) benutzt worden und war ein entscheidendes Hilfsmittel, Schlußschrift im Jahre 1481 in Amberg geschrieben, wahrscheinlich von Hartmann Schedel selbst. Sie sind ohne welches diese Fahrten nicht zum Erfolg hätten führen können. Aber der große Umfang des Ephemeri- vor dem Einbinden stark beschnitten, so daß die wie in A vorhanden gewesene Überschrift .Jesus” bis auf denwerkes ließ einen vollständigen Abdruck als unzweckmäßig, der heute sachlich überholte Inhalt ihn sogar einige Punkte der Buchstabenenden getilgt wurde. Es handelt sich zweifellos um eine Abschrift, wahrschein­ als unsinnig erscheinen. So wurde der Ausweg gewählt, einige Seiten des Werkes als Muster abzudrucken. lich aus Fassung A. Denn das quadam in Clm. 453, f. 80r, Zeile 21 wurde als „quartam” gelesen, die Randbe­ Bei vielen anderen Werken Regiomontans war es eine Grenzfrage, in manchen Fällen fast nur eine merkung f. 83r, Zeile 24 „De septima (domu)” versehentlich in den Text genommen und nachträglich ge­ Geschmacksfrage, ob sie im Sinn der Bedeutung für die zeitgenössische oder die spätere Wissenschaft wichtig strichen, die Zeile 6 auf f. 83r, fortune-significat zunächst übersprungen und dann am Seitenende nachgetra­ genug sind, um hier aufgenommen zu werden. Das Resultat aller Überlegungen war schließlich die vorliegen­ gen. de Auswahl. Über jedes aufgenommene Werk wird dann im folgenden eine kurze Besprechung gegeben. Hartmut Korn (München) übernahm die Herstellung einer Umschrift der Fassung A. Das wurde er­ Ein Wort der Begründung erfordert noch die Aufnahme der „Theoricae novae planetarum“ von schwert durch die uneinheitlichen und schwer lesbaren Abkürzungen in A. Der Vergleich mit der Fassung B Regiomontans Lehrer Purbach. Hier handelt es sich um ein Werk, das nicht von Regiomontan stammt. Aber ergab, daß beim Binden von Clm. 453 zwei Doppelblätter vertauscht wurden. Die richtige Reihenfolge: Regiomontan hat ein entscheidendes Verdienst am Druck dieses Werkes, denn er hat in seiner Druckerei in f. 78,81,80, 79, 84,83,82,85 wurde von Kom mit Hilfe der Fassung B herausgefunden und bei der Reproduk­ Nürnberg erstmals dieses Werk publiziert, das in der Theorie der Planetenbewegung neue Wege ging und über tion der Handschrift hergestellt. Kom sei für seine kenntnisreiche und gewissenhafte Mitarbeit auch $n dieser ein Jahrhundert lang als führendes Lehrbuch anerkannt war. Stelle herzlich gedankt. XII XIII Inhaltlich bringt Regiomontans Horoskop nach einleitenden Bemerkungen zunächst die Feststellung Auf den Seiten 2 bis 33 ist der Text des Horoskops für die Kaiserin Leonore sowohl als Faksimile der der Gestimstände zur Geburtszeit der Prinzessin Leonore und dann in längeren Tabellen die vorliegenden Handschrift als auch in Transskription wiedergegeben. Der Wiedergabe der handschriftlichen Fassung liegt astrologischen Aspekte. Den Rest des Horoskops füllt eine ausführliche Besprechung der zwölf Häuser und der Codex Clm 453 der Bayerischen Staatsbibliothek München, selbstverständlich unter Richtigstellung der der Einflüsse der Planeten auf die mit ihnen nach astrologischer Lehre verknüpften Lebensbereiche. erwähnten Vertauschung von zwei Doppelblättem, zugrunde. Als Grundlage für die Transskription diente die Die Frage, ob die Überlieferung, die Regiomontan für den Verfasser des Horoskops hält, auf Richtig­ von Herrn HartmutKorn hergestellte Umschrift, an der von mir nur einige kleinere Änderungen vorge­ keit beruhen kann, wurde von mir sorgfältig überprüft. Es lassen sich ebenso starke Gründe für diese Annah­ nommen wurden, die aus Gründen astronomischer Sachverhalte erforderlich waren. me wie auch gegen sie anführen. Eine eindeutige Entscheidung erscheint ohne Auftauchen neuer Zeugnisse nicht möglich. Es darf nicht vergessen werden, daß die möglicherweise von Regiomontan geschriebenen Blätter der 3,2 Die Abhandlung über die Bewegung der Erde Fassung A den Namen Regiomontan nicht nennen. Jedoch hat Hartmann Schedel auf f. 2 in seinem Inhalts­ verzeichnis der gesamten Handschrift Clm. 453 den Titel mit Verfasserangabe aufgeführt: Daß die Erscheinungen des Himmels durch die Annahme einer Drehung der Erde um ihre Achse in Judicium Johannis de monte regio super nativitate illustrissimae imperatricis Leonorae, uxoris imperatoris vieler Hinsicht einfacher als durch die ptolemäische These einer nichtrotierenden Erde erklärt werden kön­ Friderici tertii, carta 78. nen, ist im Altertum und im Mittelalter von verschiedenen Gelehrten vorgebracht worden. Als Coperni- Auf dem Zeugnis Hartmann Schedels im Inhaltsverzeichnis von Clm. 453 beruht ganz allein die Annahme c u s (1473—1543) die Lehre von der Drehung der Erde und ihrer Bewegung in einer jährlichen Bahn um die von Regiomontans Autorschaft. Bei der allgemein bekannten Sorgfalt und Zuverlässigkeit aller von Hartmann Sonne veröffentlichte, war ein Umsturz des naturwissenschaftlichen wie auch des geistigen Weltbildes des Schedel stammenden Angaben ist das ein recht starkes Argument, das für Regiomontan als Verfasser spricht. Abendlandes die Folge. Wenn nun eine Abhandlung vorliegt, die zwei Generationen früher die These von der Dazu kommen die beiden von Zinner1), hervorgehobenen Umstände, daß die Handschrift in A derjenigen von Drehung der Erde behandelt (und ablehnt), und wenn diese Abhandlung keinem Geringeren als Regiomontan Regiomontan sehr ähnlich ist und daß der Inhalt des Horoskops auf einen geübten Rechner als Verfasser zugeschrieben wird, so ist sie für die geschichtliche Entwicklung des astronomischen Weltbildes selbstver­ schließen läßt. ständlich von der größten Bedeutung. Zweifellos sind das sehr gewichtige Argumente, aber im Hinblick auf die unten noch zu besprechen­ Erstmals veröffentlicht wurde diese Abhandlung von Johannes Schoner (1477—1547), der den Gegenargumente muß doch beachtet werden, daß es auch andere Erklärungen gibt. Bei aller Zuverlässig­ sich durch die Herausgabe vieler Werke von Regiomontan für die Wissenschaft verdient gemacht hat. Die keit kann auch Hartmann Schedel ein Irrtum unterlaufen sein, als er viele Jahre nach dem Tod Regiomontans Abhandlung bildet ein eigenes Kapitel (und zwar das zweite Kapitel) in Schoners Werk „Opusculum geogra­ diesen als Verfasser des Horoskops bezeichnete. Die Ähnlichkeit der Schriftzüge der Handschrift A mit denen phicum“, das im Jahr 1533, also fast 60 Jahre nach Regiomontans Tod, in Nürnberg erschien. Allein der Titel von Regiomontan kann zufällig sein; außerdem ist es auf keinen Fall unmöglich, daß A nichts weiter als eine dieses Kapitels erwähnt, daß Regiomontan der Autor dieser Abhandlung ist. von Regiomontan hergestellte Abschrift eines Horoskops ist, das ein anderer Gelehrter verfaßt hat. Daß Von Zinner2) sind gewichtige Bedenken gegen die Behauptung vorgebracht worden, daß diese Ab­ schließlich die Ausführlichkeit der Berechnungen einen erfahrenen Wissenschaftler als Verfasser des Horoskops handlung wirklich von Regiomontan verfaßt worden sein soll. Inhaltliche und formale Parallelen zu den Wer­ verrät, bedeutet nicht, daß dieser Regiomontan gewesen sein muß; es gab zur damaligen Zeit auch andere ken von Regiomontans Lehrer Purbach ließen Zinner vermuten, daß es sich in Wirklichkeit um die Nieder­ Astronomen, die über ein solches Maß an Kenntnissen in astronomischen Rechnungen verfügten. schrift einer unter Purbachs Vorsitz in Wien gehaltenen Erörterung der Frage der Drehung der Erde handelt, Abgesehen von diesen indirekten Gründen gibt es auch direkte Argumente, die gegen Regiomontan die Schoner in Regiomontans Nachlaß vorfand und diesem zuschrieb. Die von Zinner für diese These voige- als Verfasser sprechen. Die beiden Handschriften enthalten zahlreiche Sorglosigkeiten, teilweise Schreibfehler brachten Gründe sind einleuchtend, doch sind direkte Beweise dafür naturgemäß nicht mehr zu erbringen. und grammatikalische Fehler, die bei einem Gelehrten von der Überlegenheit Regiomontans unwahrschein­ Die Lektüre der von Schoner als geistiges Eigentum von Regiomontan abgedruckten Abhandlung macht lich sind. Will man das mit Zinner dadurch erklären, daß man die Handschrift A als einen von Regiomontan mir die Vermutung wahrscheinlich, daß die Formulierung des Textes nicht von Regiomontan, sondern von flüchtig hingeworfenen Entwurf betrachtet, dann ist schwer zu verstehen, warum sie auf der ersten Seite Schoner stammt. Durchweg sind die behandelten Fragen im Stil kürzester Prägnanz besprochen, in dem auch feierlich mit dem Wort „Jesus“ beginnt. das ganze „Opusculum geographicum“ gehalten ist. Demgegenüber weist Regiomontans Stil, wie aus den Schließlich ist zu bedenken, daß es eine große Ehre und nicht zuletzt eine finanziell lukrative Angele­ zweifelsfrei von ihm verfaßten Werken und Briefen hervorgeht, gewisse Weitschweifigkeiten auf, die in der genheit gewesen sein muß, den Auftrag der Abfassung eines Horoskops für die Braut des Kaisers zu bekom­ Abhandlung über die Bewegung der Erde an keiner Stelle auftreten. men. Sollten wirklich die hochangesehenen Professoren der Wiener Universität oder andere berühmte Gelehr­ Selbstverständlich heißt das nicht, daß die Abhandlung in Wirklichkeit von Schoner stammen muß. te der damaligen Zeit Ruhm und Honorar einem erst 15jährigen Studenten überlassen haben, der erst ein Jahr Es ist durchaus möglich, daß ihm ein von Regiomontan hinterlassener Text vorlag, den er mit eigenen Worten vorher aus Leipzig gekommen war? Jeder, der das wirkliche Leben kennt, wird das für äußerst unwahrschein­ referierte. lich halten, obgleich es natürlich nicht völlig unmöglich ist. Einige Beachtung verdient auch der Zeitpunkt, zu dem Schoner diese Abhandlung veröffentlichte, die Eine klare Entscheidung dieser Frage läßt sich heute aus Mangel an Unterlagen nicht mehr treffen. dem inneren Zusammenhang nach durchaus nicht unbedingt in sein „Opusculum geographicum“ hätte aufge­ Wir müssen uns damit begnügen, daß Regiomontan aus Gründen, die nicht zweifelsfrei widerlegt werden nommen werden müssen. Im Jahr 1533 war auf Wegen, die wir heute nicht mehr rekonstruieren können, in können, als Verfasser des Horoskops gilt. 2) s. Bd. 10,1 der .Milliaria“, p. 63, und: Entstehung und Ausbreitung der copemikanischen Lehre. Sitz. Ber. der physikalisch-medizin. Sodetät 1) s. Bd. 10,1 der „Milliaria“, p. 48. zu Erlangen, 74. Band (1943), p. 100. XIV XV wissenschaftliche Kreise schon einige Kenntnis der von Copemicus aufgestellten, aber noch nicht veröffent­ einen und wann an dem anderen Ort gewesen ist, stehen uns nicht zur Verfügung. Irgendwann in diesem lichten heliozentrischen Lehre gedrungen. Wir wissen z. B. positiv, daß Papst Clemens VII. im Sommer 1533 Zeitraum hat die Vorlesung über die astronomischen Werke des Alfraganus stattgefunden, die uns aber nicht seinen Sekretär, den Humanisten Johann Albrecht Widmannstetter (1506—1557) veran- erhalten ist. laßte, ihm in Gegenwart anderer hoher Geistlicher in den vatikanischen Gärten einen Vortrag über die koper- Erhalten geblieben ist uns jedoch die einführende Rede, mit der Regiomontan diese Vorlesung begon­ nikanische Lehre zu halten. Nur drei Jahre später schrieb Kardinal Nikolaus von Schönberg einen nen hat. Sie wurde abgedruckt in dem Buch „Rudimenta astronomica Alfragani“, herausgegeben 1537 durch berühmt gewordenen Brief an Copemicus, in dem er diesen um nähere Unterrichtung über die heliozentrische den schon erwähnten J. Schoner in Nürnberg. Das Buch enthält die hier zu besprechende Einführungsrede zu Lehre und um eine Abschrift des auch damals noch unpublizierten Werkes von Copemicus bat. Regiomontans Vorlesung, eine Regiomontan (unrichtigerweise) zugeschriebene Einführung in die Elemente Euklids, einen Auszug aus den Werken des Alfraganus und eine Schrift des ebenfalls berühmten arabischen Wenn Schoner zu diesem Zeitpunkt einem an sich geographischen Büchlein ein Kapitel einfügte, in Astronomen Al Battani ( = Albategnius). dem unter Berufung auf Regiomontan die Lehre von der Drehung der Erde ausdrücklich abgelehnt wurde, so Die Einführungsrede zur Vorlesung über Alfraganus ist 11 Druckseiten lang und entspricht damit un­ hat er mit ziemlicher Sicherheit damit auch seine eigene Ansicht in einer wissenschaftlichen Streitfrage seiner gefähr einem Text derjenigen Länge, den ein geübter Redner in einer Stunde sprechen kann. Wir dürfen also Zeit ausdrücken wollen. Man könnte unter diesen Umständen sogar auf die Vermutung verfallen, daß annehmen, daß es sich um die erste Stunde der Vorlesung handelt. Inhaltlich gibt der Text einen Abriß der Schoner den Namen Regiomontan überhaupt nur deswegen als Verfasser genannt hat, um seiner eigenen An­ Geschichte der Mathematik; aus diesem Grund hat die Rede einige kulturgeschichtliche Bedeutung und ist sicht größeres Gewicht zu geben. Tatsächlich haben damals viele Autoren ihre Werke als Werke Regiomon- auch in der Literatur dementsprechend gewürdigt worden. Die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung tans ausgegeben, um ihnen größere Beachtung zu sichern. Ein solches Vorgehen ist aber bei Schoner nicht der Mathematik beschränkt sich dabei nicht auf eine Aufzählung der wichtigen Werke bedeutender Gelehrter, anzunehmen; er hat zwar bei der Herausgabe der Werke Regiomontans an verschiedenen Stellen grobe Irrtü- sondern es wird auch eine kritische Abwägung der Verdienste der verschiedenen Autoren gegeben. Diese mer begangen, aber stets, soweit wir es heute noch nachprüfen können, in gutem Glauben. Auch sonst sind Würdigung der Verdienste der Gelehrten des Altertums und des Mittelalters ist bei Regiomontan keineswegs nie Tatsachen bekannt geworden, die geeignet wären, seine moralische Integrität in Frage zu stellen. So frei von subjektiven Momenten und von Gesichtspunkten des Zeitgeschmacks. Sicher wird das eine solche dürfte er auch im vorliegenden Fall mindestens selbst der Meinung gewesen sein, daß die von ihm publizierte Wertung nie sein, wer auch immer sie vomimmt, aber man erkennt doch aus den Zeilen des Textes, daß sein Abhandlung über die Drehung der Erde wirklich auf Regiomontan zurückging. Verfasser sie mit überlegener geistiger Souveränität geschrieben hat, zu der nur Geister wirklich ersten Ranges Inhaltlich bringt die Abhandlung eine Reihe von Gründen gegen die Bewegung der Erde vor, die sich fähig sind. nur unwesentlich von denjenigen Gründen unterscheiden, die schon von Ptolemäus und anderen Autoren Regiomontan teilt die Mathematik in die beiden Hauptgebiete der Geometrie, der Lehre von den geäußert worden waren. Es handelt sich letzten Endes um das. was der „gesunde Menschenverstand“ als kontinuierlichen Gebilden, und der Arithmetik, der Lehre von den diskreten Begriffen ein. Den Anstoß zur Begründung anführt, wenn er sich gegen die dem äußeren Schein der Sinne widersprechende Behauptung von Beschäftigung mit geometrischen Fragen hätten die Ägypter gegeben, die alljährlich nach der Überschwem­ der Rotation der Erde zur Wehr setzt. Eine nähere Erörterung dieser Argumente ist an dieser Stelle uninteres­ mung des Nils vor der Notwendigkeit einer neuen Vermessung der Felder standen. Als bedeutendste Gelehrte sant; allein die Tatsache, daß diese Abhandlung Regiomontan mindestens zugeschrieben wurde, macht sie für auf diesem Gebiet im Altertum werden Euklid, Hypsikles, Archimedes und Apollonius genannt, außerdem uns kulturhistorisch interessant. Dabei dürfen selbstverständlich die oben referierten Zweifel, ob Regio­ einige andere erwähnt. Der erste große Arithmetiker sei Pythagoras gewesen, neben ihm sei aber auch Euklid montan wirklich der Verfasser der Abhandlung ist, nicht in dem Sinn aufgefaßt werden, daß er schon die zu nennen; selbstverständlich fehlt nicht eine Erwähnung von Diophant. Auch einige Autoren des Mittelalters heliozentrische Lehre vertreten habe. Alle Werke, die wir von ihm haben, vertreten klar den geozentrischen werden genannt. __ Standpunkt. Wenn ein Fragment eines von ihm in seinen letzten Lebensjahren geschriebenen Briefes den Satz Als Wissenschaften, die auf der Mathematik aufbauen, werden die Astronomie, die Musik und die enthält „es ist nötig, die Bewegung der Sterne ein wenig wegen der Bewegung der Erde zu ändern “3> dann Optik genannt. Die Astronomie wird besonders ausführlich abgehandelt. Bei der Darstellung ihrer Ent­ folgt daraus nicht mehr, als daß er vielleicht eine erste Ahnung heliozentrischer Ideen gehabt hat. Alle mehr­ wicklung werden Abraham, Moses, Prometheus und Hercules erwähnt und die griechischen Astronomen Hip- fach in der Literatur gemachten Versuche, Regiomontan als einen geistigen Vorläufer von Copemicus anzu­ parch und Ptolemäus behandelt. Dann werden Theon von Alexandria und die bedeutendsten arabischen sehen, sind ganz sicher abwegig. Astronomen genannt. Nach der Erwähnung einiger Astronomen der damaligen Zeit, die heute nicht mehr zu den berühmten Vertretern dieser Wissenschaft gezählt werden, folgt eine ausführliche Lobpreisung der Ver­ dienste des Kardinals Bessarion für die Förderung der Wissenschaft. In diesem Zusammenhang wird auch 3,3 Die Rede in Padua Regiomontans Lehrer Purbach genannt. Es folgt dann eine relativ kurze Schilderung der bedeutendsten Ver­ treter der Musik und der Optik. Die Reise nach Italien, die Regiomontan im Jahr 1461 im Gefolge des Kardinals Bessarion antrat, Im letzten Drittel der Rede wird auf den Wert der Mathematik und der auf ihr aufbauenden Wissen­ führte ihn im Herbst nach Rom, wo er etwa zwei Jahre blieb. 1463 folgte er wiederum seinem Mäzen nach schaften für das Verständnis der allgemeinen Philosophie hingewiesen. An historischen Beispielen wie auch Venedig. Dort erreichte ihn der Ruf der Universität Padua, eine Vorlesung über die Werke des arabischen mit Hilfe allgemeiner Überlegungen wird dargelegt, daß die Kenntnis mathematischer Begriffe dem Fort­ Astronomen al Ferghani (latinisiert „Alfraganus“) zu halten. So hat sich Regiomontan in der Zeit zwischen schritt auch der anderen Wissenschaften sehr nützlich sei. Dann geht Regiomontan zum eigentlichen Gegen­ Mitte 1463 und Mitte 1464 teils in Venedig und teils in Padua aufgehalten; genaue Daten, wann er an dem stand seiner Vorlesung, den Werken des Alfraganus, über. Oben wurde bereits erwähnt, daß Schoner in dem gleichen Buch „Rudimenta astronomica Alfra­ gani“, in dem er Regiomontans Rede in Padua abdruckte, auch eine Einführung in die Elemente .Euklids 3) E. Zinner, Entstehung und Ausbreitung der copemikanisclten Lehre. Sitz. Ber. der physikalisch-medizinischen Socie tat zu Erlangen, 74. Band brachte, als deren Verfasser er Regiomontan angab. Den Beweis, daß Schoner sich hier geirrt hat, erbrachte (1943), p. 135. XVI XVII E. Jörg4* im Jahr 1933, indem er feststellte, daß diese Einführung bereits in einer aus dem 13. Jahrhundert Die Arbeit am Auszug aus dem Almagest regte Regiomontan zur Abfassung eines weiteren Werkes an, stammenden Handschrift steht. Es ist nicht überflüssig, auf diese Tatsache auch an dieser Stelle hinzuweisen. das den Titel „Problemata almagesti“ trug. In ihm sollten weitergehende Fragen behandelt werden. Sein Um­ fang betrug 13 Bücher, also ebenso viele wie sie der Almagest enthält. Das Werk ist heute verschollen. Daß es wirklich existiert hat, geht aus Erwähnungen hervor, die sowohl von Regiomontan selbst in seinen späteren Lebensjahren als auch von anderen Gelehrten gemacht wurden. Dem Spürsinn von Zinner ist es gelungen, in 3,4 Der Auszug aus dem Almagest einem Handschriftenband aus dem Besitz des Kardinals Bessarion Entwürfe von Arbeiten Regiomontans zu finden, die höchstwahrscheinlich als Unterlage für die Abfassung der „Problemata almagesti“ dienten. Der Almagest des Ptolemäus, der das grundlegende Werk der antiken und mittelalterlichen Astrono­ Regiomontans Arbeit an der Vollendung des Auszugs aus dem Almagest hatte in den folgenden Jah­ mie war, war den Astronomen des 15. Jahrhunderts in der lateinischen Übersetzung des Gerhard von Cremo­ ren noch eine weitere literarische Nachwirkung. Während seines Aufenthaltes in Ungarn in den Jahren na bekannt, die Ende des 12. Jahrhunderts abgefaßt worden ist. Sie war aus der arabischen Fassung herge­ 1467—1471 verfaßte er ein umfangreiches Buch, das er „Theonis Alexandrini defensio“ nannte. Theon von stellt worden, die ihrerseits eine Übersetzung aus dem griechischen Urtext darstellte. Außerdem existierte Alexandrien hatte im 5. Jahrhundert n. Chr. gelebt und den Almagest des Ptolemäus kommentiert. Als nun eine lateinische Übersetzung, die Georg von Trapezunt (1396—1485) unmittelbar nach der grie­ Georg von Trapezunt im Jahr 1451 seine obenerwähnte Übersetzung des Almagest veröffentlicht hatte, war chischen Fassung gemacht hatte, die aber von mehreren Seiten heftig kritisiert wurde. einer der vielen gegen das Werk erhobenen Vorwürfe der, daß er vieles aus den Kommentaren von Theon So ist es verständlich, daß der der Förderung von Wissenschaften und Künsten so sehr gewogene Kar­ gestohlen habe. Eine nähere Prüfung des Sachverhalts hat Regiomontan in der „Theonis Alexandrini defen­ dinal Bessarion im Jahr 1460 anläßlich eines an sich politischen Besuches in Wien dem Astronomen Purbach sio“ vorgenommen; sein Resultat waT eine harte Kritik der Trapezunt‘schen Übersetzung, deren Verfasser er den Auftrag erteilte, einen kurzen und verständlichen Auszug aus dem Almagest herzustellen. Gleichzeitig einen „bösen Schwätzer“ nannte. lud er Purbach ein, mit ihm nach Italien zu reisen, um dort die Quellen antiker Wissenschaft direkt zu studie­ Das Werk ist nie im Druck erschienen. Regiomontan beabsichtigte, es in Nürnberg zu drucken, kam ren. Purbach nahm die Einladung unter der Bedingung an, daß der junge Regiomontan ihn begleiten dürfe. aber nicht mehr dazu. Das Manuskript befindet sich heute im Archiv der russischen Akademie der Wissen­ Noch ehe die Reise begann, starb Purbach im Frühjahr 1461 und so zog Regiomontan allein im Gefolge des schaften in Leningrad. Kardinals Bessarion nach Süden. Noch vor seinem Tod hatte Purbach einen Teil des Auszugs aus dem Almagest hergestellt; von den 13 Büchern, die das Werk umfaßt, hatte er sechs bearbeitet und war mit ihnen fast fertig. Regiomontan führte nun diese Arbeit zu Ende. Da sich im Gefolge des Kardinals viele gelehrte Griechen befanden, benutzte 3,5 Die Dreieckslehre er diese günstige Gelegenheit, die griechische Sprache gründlich zu erlernen. Danach war er fähig, den griechi­ schen Urtext des Werkes unmittelbar mit den vorhandenen Übersetzungen zu vergleichen; so kam er man­ Die Bedürfnisse astronomischer Rechnungen hatten schon Regiomontans Lehrer Purbach auf den chen Unstimmigkeiten auf die Spur, die sich in der erwähnten Übersetzung des Georg von Trapezunt fanden. Gedanken gebracht, ein eigenes Buch über die Trigonometrie, die damals Dreieckslehre genannt wurde, zu Das brachte ihm freilich wieder die Feindschaft des Georg von Trapezunt ein, der von dieser Zeit an sich sehr verfassen; sein früher Tod ließ den Plan nicht zur Ausführung kommen. Nach Vollendung des Auszugs aus unfreundlich über Regiomontan äußerte. Es entstand später sogar das (höchstwahrscheinlich falsche) Ge­ dem Almagest übernahm Regiomontan diese Arbeit. Auch er hat sie nicht zu Ende geführt; das Werk, das wir rücht, Regiomontan sei 1476 in Rom von den Söhnen des Georg von Trapezunt aus Rache vergiftet worden! als seine Dreieckslehre kennen, ist ein Entwurf, der zum größten Teil noch eine letzte Überarbeitung durch Aus einigen Indizien kann geschlossen werden, daß Regiomontans Arbeit an der Vollendung des von den Verfasser erfordert hätte. Purbach begonnenen Auszugs aus dem Almagest Ende 1462 beendet war. Dem Kardinal Bessarion wurde ein Dennoch hat dieses Werk für die abendländische Trigonometrie eine wichtige Rolle gespielt. Die mei­ mit Widmung versehenes handschriftliches Exemplar überreicht. Die erste Druckausgabe erschien 1496 in sten Autoren, die später auf diesem Gebiet gearbeitet haben, schlossen ihre Untersuchungen in irgendeiner Venedig und trug den Titel „Epytoma Joannis de Monte Regio in almagestum ptolomei“. Einigen Generatio­ Form an Regiomontan an. nen von Astronomen hat es als anerkanntes Lehrbuch gedient; wir wissen z. B., daß Copemicus persönlich Die Arbeit an der Dreieckslehre begann Regiomontan im Jahr 1462 oder 1463; wie lange sie ihn ein Exemplar besessen hat. beschäftigte, wissen wir nicht, aber wir haben Indizien, daß die uns vorliegende Fassung fertig war, ehe er Inhaltlich enthielt das Werk reichlich über die Hälfte des ptolemäischen Almagest. Die von Purbach Italien verließ. In den Jahren in Ungarn und in Nürnberg fand er offensichtlich nicht die Zeit, letzte Hand an und Regiomontan vorgenommenen Veränderungen bestanden nicht nur in der Streichung weniger wichtiger das Werk anzulegen. So kam die Handschrift nach seinem Tod zusammen mit dem ganzen Nachlaß in die oder wissenschaftlich veralteter Abschnitte; vielmehr wurden auch neue Erkenntnisse aufgenommen, die die Hand des Nürnberger Ratsherren Walther (1430—1504), nach dessen Tod sie Willibald Pirk­ Astronomie in den vorhergegangenen Jahrhunderten gemacht hatte. Die wichtigsten Änderungen gegenüber heim e r (1470—1530) für teures Geld von den Verwaltern des Nachlasses kaufte. Im Jahr 1533 wurde das der Urfassung bestanden in der Ersetzung der ptolemäischen Sehnenrechnung durch die inzwischen ent­ Werk von dem schon erwähnten Schoner in Nürnberg gedruckt. deckte Sinusfunktion, in der Verwendung von Beobachtungen der islamischen Astronomen, in der Strei­ Regiomontans Dreieckslehre besteht aus 5 Büchern, von denen die beiden ersten die ebene Trigono­ chung des ptolemäischen Fixstemverzeichnisses und in einer rigorosen Kürzung der Beschreibung der Milch­ metrie, die restlichen die sphärische Trigonometrie behandeln. Es werden eine Reihe von Sätzen über Bezie­ straße. Hingegen wurde die eigentliche Theorie der Bewegung der Planeten, die die letzten 5 Bücher umfaßte, hungen zwischen den Stücken ebener und sphärischer Dreiecke angegeben und mit Hilfe von Aufgaben erläu­ mit relativ geringen Veränderungen übernommen. tert. Der Sinussatz wird sowohl für die ebene als auch für die sphärische Trigonometrie abgeleitet. Das fünfte Buch bringt dann auch den Cosinussatz der sphärischen Trigonometrie in einer Formulierung, die der Sache nach von der modernen Schreibweise nur geringfügig abweicht. 4) Dissertation „Regiomontanus (Johannes Müller aus Königsberg)“, Heidelberg 1933. XVIII XIX Die wichtigste Bedeutung der Dreieckslehre Regiomontans war die, daß zum ersten Mal eine zusam­ In einem besonderen Anhang zur Dreieckslehre von Regiomontan hat Schoner zusätzlich eine Reihe menfassende Darstellung der Trigonometrie als eigene Disziplin gegeben war. Bis dahin waren alle Darstellun­ von Abhandlungen über das Problem der Quadratur des Kreises abgedruckt, die teils von Regiomontan, teils gen trigonometrischer Sätze immer nur im Zusammenhang mit ihrem bedeutendsten Anwendungsgebiet, der von Nikolaus von Cues stammen. Dieser letztere hatte in den 1450er Jahren sowohl dem italienischen Astro­ Astronomie, gegeben worden. Wenn Regiomontan sich durch die Begründung der Trigonometrie als unabhän­ nomen Toscanelli als auch Purbach seine Ansichten über die Quadratur des Kreises mitgeteilt und deren Stel­ gige Wissenschaft unbestritten ein hohes Verdienst erworben hat, ist es auf der anderen Seite schwer zu über­ lungnahme erbeten. Nach Purbachs Tod beschäftigte sich Regiomontan mit der Sache, was ihn zur Abfassung sehen, wie viel sein Werk an eigenen und neuen Gedanken enthält; die spätere Geschichtsschreibung hat von mehreren meist kurzen Abhandlungen veranlaßte; auch zwei Briefe von ihm an Toscanelli (die vielleicht darüber sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Ohne Zweifel gab es zur Zeit Regiomontans bereits nur Entwürfe sind) befinden sich unter den von Schoner abgedruckten Texten. einen festen Schatz trigonometrischer Kenntnisse, die vor allem islamischen Gelehrten zu verdanken waren. Für die Entwicklung der Mathematik hatten all diese Abhandlungen nur geringe Wirkung. Cusanus Auch hat Regiomontan weder in der Dreieckslehre selbst noch bei irgendeiner späteren Gelegenheit die von hat in seinen Bemühungen zur Lösung des Problems der Quadratur des Kreises zwar einige neue Ideen vorge­ ihm gelehrten trigonometrischen Sätze oder einen Teil von ihnen als sein geistiges Eigentum proklamiert. Daß bracht, sie aber unklar und unexakt angewendet; deswegen sind sie von Purbach und Regiomontan für sehr er im Text der Dreieckslehre die Quellen, aus denen er geistig geschöpft hatte, nicht ausdrücklich nennt, unbedeutend gehalten worden. Die von Regiomontan entwickelten Gegenansichten stellten aber auch keinen entsprach der Sitte der damaligen Zeit; falls man in der Dreieckslehre ein reines Lehrbuch sehen wollte (was Fortschritt dar. Bekanntlich hat das Problem als solches erst im 19. Jahrhundert seine Lösung in dem Sinn durchaus vertretbar ist), wäre ein solches Vorgehen auch heute noch üblich. gefunden, daß eine Quadratur des Kreises mit denjenigen Hilfsmitteln, die bei geometrischer Ausführung eine Auf der anderen Seite ist der Cosinussatz der sphärischen Trigonometrie erst durch die Dreieckslehre ausschließliche Verwendung von Zirkel und Lineal zulassen, prinzipiell unmöglich ist. von Regiomontan in der Mathematik wirklich bekanntgeworden. In unklarer Formulierung kommt der Satz Die Gewinnung dieser Erkenntnis war beim Zustand der Mathematik im 15. Jahrhundert noch nicht zwar schon bei dem berühmten arabischen Astronomen Al Battani (t929) vor, doch ist dort seine möglich. Aber die Schriften von Cusanus und Regiomontan haben auch wenig zur damaligen Entwicklung allgemeine Bedeutung nicht voll erkannt. So wird Regiomontan mit einigem Recht für den Entdecker dieses beigetragen. Allein die Tatsache, daß es sich um Schriften von zwei sonst hochberühmten Gelehrten handelt wichtigen Satzes gehalten. Auch in einigen anderen Punkten geringerer Bedeutung stellt seine Dreieckslehre und daß das behandelte Problem in der Geschichte der Mathematik eine wichtige Rolle gespielt hat, ist einen unbestreitbaren Fortschritt gegenüber dem Zustand dar, den die Wissenschaft auf diesem Gebiet damals Rechtfertigung dafür, daß der Anhang der Schonerschen Druckausgabe von Regiomontans Dreieckslehre erreicht hatte. auch in dieser Ausgabe mit abgedruckt wird. Die Sätze der Dreieckslehre von Regiomontan sind durchweg in einer uns heute ungewohnten Formu­ lierung durch fortlaufenden Text gegeben. Wer etwa den Sinussatz oder den Cosinussatz der Trigonometrie als mathematische Formel der Art, wie unsere heutigen Lehrbücher sie bringen, bei Regiomontan suchen 3,6 Die Streitschrift gegen Gerhard von Sabbioneta würde, müßte enttäuscht werden. Überall muß der Leser erst durch genaues Studium des Wortlauts der Sätze Im 13. Jahrhundert hat Gerhard von Sabbioneta unter Verwendung des kurz vorher im die Analogie zu den heute üblichen Formulierungen herstellen. Die mathematische Formelsprache in der uns Abendland bekannt gewordenen Almagest des Ptolemäus eine Lehre von den Bewegungen der Planeten heute geläufigen Symbolik ist erst im 17. Jahrhundert entwickelt worden. geschaffen, die im späteren Mittelalter viel verbreitet war. Ihr Verständnis erforderte tieferes Eindringen in Es ist wenig bekannt, daß eine Dreieckslehre, die derjenigen von Regiomontan sehr ähnlich ist, auch die Materie als das Studium des meistgelesenen Werkes „Sphaera mundi“ des Sacrobosco. Gegen diese Lehre von Copemicus entwickelt wurde. Sie ist im ersten Buch seines unsterblichen Werkes „De revolutionibus des Gerhard von Sabbioneta hat Regiomontan eine Streitschrift verfaßt, die in Form eines Dialogs zwischen orbium coelestium libri sex“ enthalten und behandelt ungefähr die gleichen Gegenstände wie Regiomontan. zwei fingierten Personen eine Reihe von sachlichen Fehlem bei Sabbioneta nachweist. Die Schrift wurde im Die Frage, inwieweit Copernicus von Regiomontan geistig abhängig war, ist heute restlos geklärt. Copemicus Sommer 1464 geschrieben, aber erst 10 Jahre später in Regiomontans Druckerei in Nürnberg gedruckt; hat ursprünglich seine Dreieckslehre, die er zur Ausarbeitung seines heliozentrischen Systems ja benötigte, unmittelbar vor der Drucklegung gab Regiomontan ihr eine Einleitung, in der er allgemein auf die Unvoll­ völlig unabhängig und sogar ohne Kenntnis des Werkes von Regiomontan entwickelt. In der ursprünglichen kommenheiten des wissenschaftlichen Unterrichts in Astronomie zu seiner Zeit hinwies. Formulierung ist seine Dreieckslehre noch aus dem uns erhalten gebliebenen Manuskript seines Hauptwerks Die Streitschrift muß damals große Wirkung in der gelehrten Welt gehabt haben. Dies können wir aus erkennbar. Als im Jahr 1533 die Dreieckslehre Regiomontans durch Schoner im Druck erschien, erhielt zwei Indizien schließen, nämlich aus der Tatsache, daß von dieser Zeit an die Lehre des Gerhard von Sabbio­ Copemicus sehr bald ein Exemplar. Das Studium dieses Werkes veranlaßte ihn dann zu zahlreichen Änderun­ neta an Popularität verlor, und auch daraus, daß Regiomontans Streitschrift nicht weniger als 18 Auflagen gen und Ergänzungen im Manuskript seines damals noch unpublizierten Hauptwerks, die noch heute deutlich erlebt hat. Während die Nürnberger Erstauflage überhaupt keinen Titel trug, wurde die Schrift später meist als solche erkennbar sind. In der so veränderten Form wurden dann die Kapitel über Dreieckslehre aus dem unter dem Titel „Disputationes contra Cremonensia in planetarum theoricas deliramenta“ o. ä. referiert. Hauptwerk von Copemicus durch Georg Joachim Rheticus (1514—1574) mit Zustimmung des Selbstverständlich darf aus der Existenz dieser Streitschrift nicht geschlossen werden, daß Regiomon­ Copemicus als eigene Schrift 1542 veröffentlicht; sie erschienen ein Jahr später erneut als Teil des ersten tan das ptolemäische Weltbild, auf dem die Lehre des Gerhard von Sabbioneta beruhte, angreifen wollte. Er Buches des Hauptwerkes fast ohne Veränderung im Druck. kritisierte nur die spezielle Gestaltung, die Sabbioneta der ptolemäischen Lehre gegeben hatte. Mit der späte­ Inhaltlich ist, wie erwähnt, die Dreieckslehre von Copemicus derjenigen Regiomontans sehr ähnlich. ren Entdeckung der wirklichen heliozentrischen Struktur des Planetensystems wurde natürlich auch Regio­ Die Beweise sind bei Copernicus meist kürzer und einfacher als bei Regiomontan. Andrerseits sind gerade die montans Kritik an der Lehre des Gerhard von Sabbioneta gegenstandslos, weil von da an das ptolemäische für den späteren Fortschritt wichtigsten Sätze, der Sinussatz und der Cosinussatz, bei Copemicus viel weniger Weltbild weder in der richtigen noch in der durch Fehler entstellten Form eine weitere Daseinsberechtigung klar erkannt als bei Regiomontan. Die bei Copemicus vorliegende Formulierung, die ziemlich sicher geschrie­ hatte. Immerhin hat Regiomontans Streitschrift wohl auch dadurch zum späteren Fortschritt beigetragen, ben wurde, ehe er von Regiomontans Dreieckslehre Kenntnis erhielt, enthält wohl implicite diese beiden daß durch sie der im späten Mittelalter weitverbreitete blinde Glaube an die Richtigkeit von allgemein aner­ wichtigen Sätze richtig, dringt aber nicht bis zur vollen Erkenntnis ihrer generellen Bedeutung vor. kannten Lehren in einem speziellen Fall erschüttert wurde. XXI XX 3,7 Die Verlagsanzeige Wenn demnach jemand behaupten würde, ohne Regiomontans Ephemeriden wäre Amerika von Columbus nicht entdeckt worden, dann wäre das gewiß etwas übertrieben; aber ein kleines Körnchen Wahr­ heit wäre in dieser überspitzten Formulierung schon enthalten. In ähnlicher Weise sind, wie man mit Be­ Kurz nachdem Regiomontan im Jahr 1471 nach Nürnberg übergesiedelt war, richtete er dort eine stimmtheit weiß, andere Seefahrer der damaligen Zeit Benutzer der aus Nürnberg stammenden Ephemeriden Druckerei ein, in der die wichtigsten wissenschaftlichen Werke herausgegeben werden sollten, um die häufi­ gewesen. gen Abschreibfehler der bis dahin benutzten Handschriften zu vermeiden. Von wem Regiomontan die erfor­ Die äußere Aufmachung von Regiomontans Ephemeriden wich in Einzelheiten von anderen Werken derlichen Geldmittel und technischen Einrichtungen erhielt und in welchem Haus in Nürnberg sich dieser dieser Art ab, war aber dem Grundsatz nach doch die gleiche. Für jeden Monat waren zwei einander gegen­ Verlag befand, kann heute nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden. Jedenfalls sind in den Jahren 1472 bis überliegende Seiten vorgesehen, die der Reihe nach Zahlenkolumnen enthielten, in denen für jeden Tag des 1475 eine Reihe von wichtigen Werken aus dieser Druckerei hervorgegangen. Monats Länge und Breite der Sonne, des Mondes und der Planeten angegeben waren. Daß allerdings Regiomontans Pläne in dieser Richtung viel weiter gespannt waren, als sie dann ausge- Aus Raumgründen ist es unmöglich, das ganze Ephemeridenwerk in der vorliegenden Edition der fiihrt werden konnten, wissen wir aus einer von ihm selbst verfaßten Anzeige. Der genaue Zeitpunkt, wann wichtigsten Werke Regiomontans wiederzugeben. Es bestünde auch kein sachlicher Grund dazu. Die große diese Anzeige abgefaßt wurde, läßt sich weder aus ihrem Text noch aus anderweitigen urkundlichen Belegen Masse der auf 896 Seiten stehenden Zahlenangaben ist für uns heute uninteressant; wichtig sind für uns die feststellen. Das einzige Indiz, das uns für diese Frage zur Verfügung steht, ist die in der Anzeige gemachte Existenz des Werkes an sich und die Grundsätze, nach denen es abgefaßt wurde. Diese lassen sich aber aus Angabe, daß die zur Herausgabe vorgesehenen Kalender und Ephemeriden „fast fertig“ seien. Da sie tatsäch­ einigen Probeseiten leicht erkennen. Aus diesem Grund werden hier die Ephemeriden des Jahres 1475 (des lich im Jahr 1474 im Druck erschienen, dürfte die Verlagsanzeige aus dem gleichen Jahr, vielleicht auch ersten Jahres des ganzen Bandes) und die kurzen Erläuterungen Regiomontans über den Gebrauch der Ephe­ schon aus dem Jahr 1473 stammen. meriden in Faksimile abgedruckt. Wer sich nur ein wenig in diese Probeseiten vertieft, kann aus ihnen leicht Die Liste der in der Anzeige angekündigten Werke umfaßt 29 Werke anderer Autoren und 22 Schrif­ ersehen, wie das Werk als Ganzes angelegt war. ten von Regiomontan selbst. Außerdem wurde die Herstellung von Landkarten und von Geräten angekündigt. Unter den Autoren, deren Werke im Druck angekündigt wurden, waren die angesehensten Gelehrten des Altertums vertreten wie z. B. Euklid, Ptolemäus, Archimedes, Apollonius u. a.: außerdem waren Autoren des Mittelalten vertreten, unter ihnen als bekanntester Regiomontans Lehrer Purbach, dessen Planetenlehre ange­ 3,9 Der Sammelband Schoners kündigt wurde. Nur ein kleiner Teil dieses Programms ist verwirklicht worden. Bereits ein oder zwei Jahre nach der 'Mehrfach ist in diesen Zeilen von Johannes Schoner (oder Schöner) die Rede gewesen, der Herausgabe dieser Anzeige reiste Regiomontan, einem Ruf des Papstes folgend, nach Rom und starb dort. 1477—1547 gelebt hat, und sich besondere Verdienste für die Herausgabe der Werke Regiomontans erworben Danach wurden die Arbeiten in seiner Nürnberger Druckerei nicht mehr fortgesetzt. Unter den vorher vollen­ hat. Er war Geograph und Astronom und einer der angesehensten Gelehrten seiner Zeit. Geboren in Karlstadt deten Werken befanden sich die Planetenlehre des Purbach und die Ephemeriden für die Jahre 1475 bis 1506, in Unterfranken, hat er 20 Jahre seines Lebens in der damals in hoher kultureller Blüte stehenden Reichsstadt welch letztere mehr als alle anderen Werke Regiomontans dazu beigetragen haben, seinen Namen in ganz Nürnberg verbracht. Sein „opusculum geographicum“, das oben im Zusammenhang mit der Regiomontan Deutschland und Italien berühmt zu machen. zugeschriebenen Erörterung der Frage der Erdbewegung erwähnt wurde, war damals als Standardwerk der Geographie hoch angesehen. Schoner stellte auch Globen her und hat auf einem von ihnen als erster die Bezeichnung „America“ für den neuen Erdteil verwendet. Weitere Bedeutung für die Entwicklung der Wissenschaft hatte Schoner dadurch, daß Rheticus sein 3,8 Die Ephemeriden Schüler war, der 1539 voll jugendlicher Begeisterung die Reise nach Frauenburg in Ostpreußen antrat und dort dem greisen Copemicus die Zustimmung zur ersten Bekanntgabe seines großen Buches über die helio­ Eine Ephemeride ist ein astronomisches Tafelwerk, das für jeden Tag (daher der Name!) eines gewis­ zentrische Lehre abrang. Einen Vorbericht über den Inhalt dieses Werkes veröffentlichte Rheticus im sen Zeitraums die Stellung der Himmelskörper angibt. Die Berechnung solcher Ephemeriden ist schon im Jahr 1540 in Form eines Briefes an seinen Lehrer Schoner 5>, der unter dem Titel „narratio prima“ in die Altertum und im Mittelalter üblich gewesen. Regiomontan hat aber diese Kunst zu einer solchen Vollendung Geschichte der Astronomie eingegangen ist. an Ausführlichkeit und Exaktheit gesteigert, daß seine in Nürnberg gedruckten Ephemeriden mit Recht als Das hat nicht gehindert, daß Schoner bis zum Ende seines Lebens ein Gegner der heliozentrischen ein wesentlicher Fortschritt auf diesem Gebiet gelten. Lehre gewesen ist. Er kann freilich kein Fanatiker gewesen sein; denn er hat, soweit wir wissen, nichts dage­ Der häufigste Zweck, für den solche Ephemeriden damals verwendet wurden, war die Abfassung gen unternommen, daß das Hauptwerk des Copemicus in Nürnberg gedruckt wurde. Er hat auch auf Wegen, astrologischer Voraussagen. Aber daneben haben im Lauf des 15. Jahrhunderts die astronomischen Methoden die wir heute nicht mehr rekonstruieren können, Copemicus Mitteilung von Merkurbeobachtungen gemacht, der Ortsbestimmung auf See, für welche ebenfalls Ephemeriden benötigt wurden, eine ständig steigende die er aus den Nachlässen von Regiomontan und Walther kannte; in der rechnerischen Ausarbeitung der Bedeutung erlangt. Die Seefahrer des Zeitalters der Entdeckungen waren in ganz entscheidender Weise von kopernikanischen Lehre haben diese Beobachtungen eine gewisse Rolle gespielt. der Verfügbarkeit solcher Hilfsmittel abhängig. Gerade dafür haben die von Regiomontan berechneten Ephe- neriden eine sehr wichtige Rolle gespielt, denn sie galten vom Zeitpunkt ihres Erscheinens an als die besten ihrer Art. Allein die Tatsache, daß Columbus auf seinen Entdeckungsfahrten die Ephemeriden Regiomontans 5) Ad clarissimum virum D. Joannem Schonerum de libris revolutionum doctoris Nicolai Copemici narratio prima. Gedani 1540. Nach dem nit sich geführt und benutzt hat, beweist die große Bedeutung dieses Werkes. eigenhändig signierten Exemplar von Rheticus faksimiliert. With epilogue by Bern Dibner. Osnabrück 1965 ■ Milliaria Bd. 6.

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