ebook img

Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus: Soziale Arbeit und Radikalisierungsprävention PDF

489 Pages·2020·3.846 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus: Soziale Arbeit und Radikalisierungsprävention

David Yuzva Clement Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus Soziale Arbeit und Radikalisierungs- prävention Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus David Yuzva Clement Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus Soziale Arbeit und Radikalisierungs- prävention David Yuzva Clement Ottawa, Kanada 2018 an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt angenommene Dissertation. ISBN 978-3-658-30745-5 ISBN 978-3-658-30746-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30746-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .......................................................................................... 1 1.1 Forschungsstand ................................................................... 11 1.2 Aufbau der vorliegenden Arbeit ............................................. 14 2. Erkenntnistheoretischer Analysenrahmen ................................. 17 2.1 Konstruktivismus, Beobachtung und Wirklichkeit .................. 18 2.2 Identität und Differenz ........................................................... 24 2.2.1 Selbst- und Fremdbeschreibungen in dekonstruktivistischer Betrachtungsweise ................ 26 2.2.2 Othering, Intersektionalität und vorgestellte Gemeinschaften........................................................ 29 2.3 Erkenntnistheoretische Annäherungen an die Religionswissenschaft ........................................................... 33 2.4 Soziale Arbeit und Differenz: Konstruktivistische und dekonstruktivistische Einordnungen ...................................... 40 2.5 Religionssensibilität und Soziale Arbeit ................................. 49 2.6 Zusammenfassung ................................................................ 55 3. Der Begriff des Salafismus: Begriffskonstruktionen und theoretische Anordnungen ........................................................... 59 3.1 Einleitung ............................................................................... 59 3.2 Historiographische und islamwissenschaftliche Einordnungen ........................................................................ 60 3.2.1 Historische Entwicklungsverläufe: Zur Konstruktion der Salafiyya und die Stellung des politischen Islam ....................................................... 60 3.2.2 Historiographische Einordnung, der Fall Louis Massignon und Begriffskritik ..................................... 68 3.2.3 Salafismus heute: Begriffe, Typologisierungen und deren Kritik......................................................... 71 3.2.4 Kleine Geschichte des Salafismus in Deutschland .............................................................. 83 3.2.5 Skizzierung einer heterogenen Glaubenslehre ........ 88 VI Inhaltsverzeichnis 3.3 Sozialwissenschaftliche Einordnungen ................................. 94 3.3.1 Radikalisierung und Extremismus – Zusammen- spiel individueller und gesellschaftlicher Bedingungsfaktoren .................................................. 95 3.3.2 Religion, Radikalisierung und Gewalt: Empirische Einblicke und theoretische Rückschlüsse .......................................................... 111 3.3.3 Salafismus als Jugendkultur und „doing Salafismus“ ............................................................. 121 3.3.4 Sicherheitspolitische Perspektive ........................... 130 3.3.5 Phänomenübergreifende Reflexionen (Rechtsextremismus, Sekten) ................................ 133 3.4 Zusammenfassung .............................................................. 139 4. Pädagogisches Handeln und Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit ........................................................... 145 4.1 Einleitung und grundlegende Gedanken zur Theoriebildung ..................................................................... 145 4.2 Der Untersuchungsgegenstand und theoretische Zugänge .............................................................................. 149 4.2.1 Der pädagogische Bezug und pädagogisches Handeln .................................................................. 149 4.2.2 Offene Kinder- und Jugendarbeit in bildungstheoretischer Betrachtung ......................... 156 4.2.3 Pädagogik der Anerkennung und Subjektorientierung ................................................. 163 4.2.4 Jugendarbeit als politische Bildung ........................ 167 4.3 Bisherige methodische Zugänge im Kontext von Salafismus ........................................................................... 171 4.3.1 Prävention und Deradikalisierung........................... 171 4.3.2 Kritik an Prävention – Zur Struktur einer Defizitperspektive ................................................... 176 4.3.3 Akzeptierende Jugendarbeit ................................... 179 4.3.4 Konfrontative Pädagogik ........................................ 187 4.3.5 Differenzen und Gemeinsamkeiten akzeptierender und konfrontativer Pädagogik ........ 193 4.4 Zusammenfassung .............................................................. 198 Inhaltsverzeichnis VII 5. Methodische Rahmung der Studie ............................................ 201 5.1 Allgemeinde Perspektiven auf qualitative Forschung ......... 201 5.2 Dokumentarische Methode und rekonstruktive Sozialforschung ................................................................... 203 5.2.1 Methodologische Grundlagen und Begriffe rekonstruktiver Sozialforschung ............................. 203 5.2.2 Das leitfadengestützte narrative Interview ............. 211 5.2.3 Dokumentarische Interpretation und Typenbildung .......................................................... 220 5.2.4 Zusammenfassung und Kritik ................................. 229 6. Der essentialisierende Typus – Othering und dominante Normalitätsvorstellungen als Strukturen von Beobachtung und Handlung ............................................................................... 233 6.1 Zusammenfassung .............................................................. 233 6.2 Differenz und Subordinierung herstellende Beobachtung ... 235 6.3 Religion im Kontext von Othering: Praktiken des richtigen Wissens und des Zum Schweigen-Bringens als Mechanismen des Othering ................................................ 241 6.4 Konfrontative Gesprächsführung und Hausverbot an der Schnittstelle Othering und Reflexion ................................... 254 7. Der reflexive Typus – Reflexionen auf der immanenten Sinnebene als Struktur von Beobachtung und Handlung ....... 265 7.1 Zusammenfassung .............................................................. 265 7.2 Essentialisierungen und reflexiv-immanente Beobachtungen ................................................................... 268 7.3 Rückgriffe auf kommunikatives Wissen und Gesprächsangebote entlang theoretisch-immanenter Überlegungen an der Schnittstelle Religion ........................ 283 7.3.1 Reflexion funktionaler Bedeutungen „salafistische[r] Tendenzen“ ................................... 298 8. Der verstehensorientierte Typus – Beobachtung, narrative und rekonstruktive Interventionen ............................................ 305 8.1 Zusammenfassung .............................................................. 305 8.2 Verstehensorientierte, milieuorientierte Beobachtung ........ 308 8.2.1 Rekurs auf mehrdimensionale Unterscheidungen . 317 VIII Inhaltsverzeichnis 8.2.2 Brechung mit Selbsttheorisierungen von Jugendlichen ........................................................... 327 8.3 Der Salafismus-Begriff im Kontext von reflexiver und verstehensorientierter Beobachtung ................................... 337 8.4 Pädagogisches Handeln im Anschluss an verstehensorientierte Beobachtungen ................................. 355 8.4.1 Verstehensorientierte Gesprächsangebote und Handlungspausen als perspektivenerweiternde Interventionen ......................................................... 356 8.4.2 Verstehensorientierte Gesprächsführung im Modus der Einklammerung von Religion ................ 366 8.4.3 Emotionenorientierte Gesprächsführung und moralische Dilemmata im Modus der Einklammerung der eigenen Standortgebundenheit ............................................ 388 8.4.4 Gesprächsführung in Bezug zu substantiellen und funktionalen Religionsverständnissen ............. 397 8.4.5 Verstehensorientierung als Erweiterung der Reflexions- und Handlungsfähigkeit: Ein theaterpädagogischer Prozess und eine Videoanalyse .......................................................... 408 9. Ergebnisdiskussion und Ausblick ............................................. 419 9.1 Ergebnisdiskussion .............................................................. 419 9.1.1 Grenzen und Möglichkeiten von Beobachtungshaltungen und pädagogischen Interventionen im Kontext salafistischer Radikalisierung ....................................................... 423 9.1.2 Zusammenarbeit zwischen Jugendarbeit und Beratungsstellen der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit ......................................... 433 9.1.3 Perspektiven für die Fort- und Weiterbildung ......... 438 9.2 Die ›Einklammerung von Religion‹ – Rückschlüsse für Soziale Arbeit und Religionswissenschaft ........................... 445 9.3 Ausblick ............................................................................... 455 Literaturverzeichnis ............................................................................ 459 Anhang ................................................................................................. 487 1. Einleitung Die facettenreiche Bewegung des Salafismus wird als randständiger Be- standteil innerhalb des sunnitischen Islams aufgefasst. Wie in allen Religi- onen, gibt es auch im Islam liberale, konservative, orthodoxe und funda- mentalistische Hauptströmungen. Im Kern unterscheiden sich diese Strö- mungen hinsichtlich ihres Verständnisses der religiösen Quellen, der Be- wertung der Religionsgeschichte sowie der Beteiligung am gesellschafts- politischen Geschehen. Innerhalb des Salafismus können wiederum ver- schiedene Richtungen und Gruppen beschrieben werden, die sich hin- sichtlich ihrer Glaubensauffassungen und -praxis sowie Politik- und Ge- waltorientierung unterscheiden.1 Gemeinsam ist diesen Richtungen eine restriktive Auslegung des Islam, die u. a. in einer wortlautgetreuen Ausle- gung und Befolgung religiöser Quellen ihren Ausdruck findet (vgl. Kä- sehage 2017). Für gewaltausübende und terroristische Gruppen und Ak- teure hat sich der Begriff des Dschihadismus als Kategorie etabliert. Im Jahr 2011 tauchte der Salafismusbegriff erstmals im Verfassungsschutz- bericht des Bundes auf. Damals sprach der Verfassungsschutz von ca. 3.800 Personen, die dem politischen und dschihadistischen Spektrum zu- gerechnet wurden. Für das Jahr 2018 wurde für Deutschland ein Perso- nenpotential von 11.500 Personen ermittelt (vgl. Bundesverfassungs- schutz 2019, S. 5). Salafistische Gruppen und Akteure haben immer wieder durch die Nut- zung unterschiedlicher sowohl jugendaffiner als auch genderspezifischer Mobilisierungs- und Rekrutierungsstrategien auf sich aufmerksam ge- macht. Das Internet und insbesondere Soziale Medien (z. B. YouTube, Twitter, Telegram, Facebook) bieten „eine extrem hohe Reichweite bei re- lativ geringem finanziellen und technischem Aufwand“ (Inan 2017, S. 103). 1 Als erste wissenschaftliche Analyse zum Phänomen des Salafismus kann die Arbeit von Quintan Wiktorowicz (2006) gelten, der die Termini puristischer, politischer und jihadisti- scher Salafismus entwickelte. Die dreiteilige Typologie, die nach wie vor sowohl in Wis- senschaft und Praxis als auch durch Behörden verwendet wird, wurde in den vergange- nen Jahren einer kritischen Reflexion und Kontextualisierung unterzogen, die auch in dieser Arbeit diskutiert werden (vgl. Kap. 3). So kritisiert Wiedl (2014), dass Wiktorowicz’ Dreiteilung im Hinblick auf salafistische Gruppen und Personen in Jordanien und Saudi- Arabien entwickelt wurde und sich nicht uneingeschränkt auf die Situation in Deutschland übertragen lässt. Ceylan und Kiefer wiederum verwenden den Begriff Neo-Salafismus. Das Präfix »Neo« betont für die Autoren eine konzeptionelle und methodische Transfor- mation historisch-theologischen Gedankenguts in gegenwärtigen modernen Gesellschaf- ten (vgl. 2013, S. 78). Dantschke hat des Weiteren gezeigt, dass sich die politische Szene sowohl aus gewaltbefürwortenden als auch aus gewaltablehnenden Gruppen zusam- mensetzt (vgl. 2017). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Yuzva Clement, Offene Kinder- und Jugendarbeit im Kontext des Salafismus, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30746-2_1 2 1. Einleitung Ohne redaktionelle Einschränkungen kann das salafistische Weltbild un- gefiltert und zielgruppenspezifisch im Internet und in Sozialen Medien prä- sentiert werden und wird dort vor allem von Jugendlichen und jungen Er- wachsenen kommentiert, heruntergeladen und weiterverbreitet. Jugendli- che stellen ein zentrales Rekrutierungsmilieu für salafistische Gruppen, insbesondere aus dem politischen und dschihadistischen Spektrum, dar. Ein wichtiger Fixpunkt des politischen und insbesondere des dschihadisti- schen Salafismus war in den vergangenen Jahren der anhaltende Bürger- krieg in Syrien, verbunden mit der Ausrufung des „Kalifats“2 durch die Ter- rororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Dies führte zu einem Anstieg von Ausreisenden in dieses Gebiet. Laut Bundesverfassungsschutz reisten mehr als 1.050 Personen aus Deutschland in die Region, darunter befan- den sich auch Minderjährige (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz 2019, S. 24). Eine Analyse des Bundeskriminalamtes und weiterer Einrichtungen kommt zu dem Ergebnis, dass bis zum Stichtag (30.06.2016) den Sicher- heitsbehörden insgesamt 56 ausgereiste Minderjährige bekannt waren (vgl. BKA et al. 2016, S. 49). Die Analyse zeigt ebenfalls, dass das Internet und persönliche Beziehungen zu Freunden zentrale Risikofaktoren für Ra- dikalisierungsprozesse jener ausgereisten Jugendlichen darstellten, und dass die Rolle des Internets sowohl zu Beginn als auch im Verlauf der Ra- dikalisierung für ältere Ausgereiste eine deutlich geringere Bedeutung ein- nahm (vgl. ebd.). 2 Der selbsterklärte Kalif und ehemalige Anführer der dschihadistisch-salafistischen Ter- rororganisation „Islamischer Staat“ (IS) Abu Bakr al-Baghdadi (Ibrahim Awad Ibrahim al- Badri; 1971-2019) verkündete laut Maher am 4. Juli 2014 in der Großen Moschee des an-Nuri in Mossul, Irak, die Ausrufung eines islamischen „Kalifats“ (arab. ḫilāfa); bereits einige Tage zuvor wurde von einem Sprecher des IS die Wiederherstellung des „Kalifats“ verkündet (vgl. Maher 2016, S. 3). Die Ausrufung eines islamischen „Kalifats“ wurde in- nerhalb der salafistischen und dschihadistischen Bewegung kontrovers diskutiert (vgl. ebd., S. 4). Ebenfalls richteten sich in einem offenen Brief aus dem Jahre 2014 über 120 anerkannte islamische Gelehrte an Baghdadi und die Anhängerschaft der Terrororgani- sation IS, verurteilten Terror, Gewalt sowie Menschenrechtsverletzungen, und sprachen der Ausrufung eines „Kalifats“ ihre Legitimation ab. Eine 2017 veröffentlichte Analyse des Soufan Center kommt zu dem Ergebnis, dass sich zeitweilig mehr als 40.000 Personen aus über 110 Ländern dem IS angeschlossen hatten (vgl. Barrett 2017, S. 7). Im Hinblick auf psychodynamische Prozesse von Radikalisierung zeigt Sischka, dass Jugendliche, die unter narzisstischen und depressiven Krisen leiden, sich durch die Idee der Wieder- herstellung des „Kalifats“ und apokalyptischer Szenarien angesprochen fühlen können, um das Gefühl absoluter Bedeutungslosigkeit mit einem Überschuss an Bedeutung kom- pensieren bzw. abwehren zu können (vgl. 2019, o. S.). Ebenfalls wirkte die Ausrufung eines „Kalifats“ durch den IS auch auf jene attraktiv, die sich der salafistischen Bewegung vor dem Hintergrund von Ungerechtigkeitserfahrungen und einem gesteigerten Gerech- tigkeitssinn angeschlossen hatten (vgl. Nordbruch 2017, S. 158 ff.).

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.