Photogrammetrie•Fernerkundung•Geoinformation3/2009,S.221–234 Nutzung historischer Pläne und Bilder für die Stadtforschungen in Baalbek/Libanon F H &H L ,Cottbus;B B ,Dresden rank enze eike eHmann ettina ruscHke Keywords:Historicmapsandimages,imageorientation,ortho-imagegeneration, 3Dreconstruction,urbanhistory Summary:AnalysisofHistoricMapsandImages Zusammenfassung:DieAnalysehistorischerKar- for Research on Urban Development of Baalbek/ ten und Bilder ist wichtiger Bestandteil der For- Lebanon.Theanalysisofhistoricmapsandimages schungsarbeiten zur Stadtentwicklung Baalbeks isanimportantpartofcurrentresearchonthede- vonderAntikebisins20.Jahrhundert.ImRahmen velopmentofBaalbekfromantiquityuntilthe20th desbaugeschichtlich-archäologischenForschungs- century.Thearchaeologicalprojectaimsatdiscov- projektessollenu.a.derStadtausbauzuverschiede- eringtheurbanlayoutofthecityindifferenthis- nen Zeiten sowie die Bedingungen für urbane torical periods of time and the understanding of Transformationsprozesse untersucht werden. conditions for urban transformations. Drawings, Zeichnungen, Pläne und Fotografien vorangegan- plansandphotographsofformerinvestigationsbet- gener Untersuchungen zwischen Anfang des 20. ween the beginning of the 20th century and the Jahrhunderts und den 1960er Jahren bilden die 1960sarethebasisforcurrentobservations.Espe- GrundlagefürdieaktuellenForschungen.DieRe- ciallythereconstructionofthelateottomantownis konstruktionderspätosmanischenStadterfolgtda- doneonthebasisofphotogrammetricimagestaken bei mit Hilfe photogrammetrischer Aufnahmen byAlbrechtMeydenbauerintheearly20thcentury von Albrecht Meydenbauer aus dem frühen 20. andaerialphotographsoftheFrenchmandatepe- JahrhundertsowiedurchAuswertunghistorischer riodduringthe1930s.Withasubsequentorienta- Luftbilder der französischen Mandatszeit aus den tionofselectedimages,includingtheestimationof 1930er Jahren. Über eine nachträgliche Orientie- cameraparameters,itwaspossibletogeneratesev- rung ausgewählter Bilder, unter Mitbestimmung eral orthoimage maps from vertical aerial images derinnerenOrientierung,konntenausdenVertikal- for different overflights. 3D geometries could be aufnahmen Orthobildpläne für verschiedene Be- obtained from oblique aerial images for the crea- fliegungen erstellt werden. Aus historischen tion of a 3D city model for a partially destroyed Schrägluftbildern wurden 3D Geometrien für die centralareaofBaalbekusingCityGML. Rekonstruktion eines zum Teil zerstörten Stadt- viertels gewonnen. Aus diesen Daten wurde mit HilfevonCityGMLexemplarischein3DStadtmo- dellfüreinenzentralenBereichBaalbekserstellt. 1 DieStadtBaalbekundihre tike Stadt im Laufe der Jahrhunderte durch Forschungsgeschichte neueBautenüberformtwurde.Heutewirddas Umfeld des Jupiterheiligtums vom Altstadt- Die monumentalen Ruinen des Jupiterheilig- kern der modernen Stadt Baalbek eingenom- tums der antiken Stadt Heliopolis prägen bis menunddasHeiligtumerfuhrseitderSpätan- heutedasStadtbildBaalbeks,einermodernen tikeneueNutzungen,diejeweilsmitverschie- StadtindernördlichenBeqaa-EbeneimLiba- denenUm-undEinbautenverbundenwaren. non. Heliopolis war in der römischen Antike Abdem17.JahrhundertzogendieÜberres- einwichtigesPilgerzentrummitüberregiona- te der römischen Prachtbauten europäische ler Bedeutung. Baalbek/Heliopolis blieb seit- Reisende in ihren Bann. Die Ruinen wurden demkontinuierlichbesiedelt,weshalbdiean- in Reisetagebüchern detailliert beschrieben DOI:10.1127/0935-1221/2009/0017 0935-1221/09/0017$3.50 ©2009DGPF/E.Schweizerbart'scheVerlagsbuchhandlung,D-70176Stuttgart 222 Photogrammetrie•Fernerkundung•Geoinformation3/2009 Abb.1: Romantisierende Darstellung der Römischen Ruinen Baalbeks von David Roberts, der BaalbekimMai1839besuchte(roBerts&croLy1843,Vol.II,Plate36). undvorOrtinZeichnungenundStichenfest- gelegt. Der Verlauf der Ausgrabungen ist im gehalten (siehe Abb.1 und 2). Im Jahre 1898 ArchivderLibanesischenAntikenverwaltung war Baalbek eine Station auf der Orientreise in Beirut in tausenden von Fotos dokumen- desDeutschenKaisersWilhelmII.(CarmEl& tiert. Durch den Ausbruch des Libanesischen Ejal 1899). Auf seine Veranlassung fanden BürgerkriegesmusstendieArbeiten1975ab- von 1900 bis 1904 die ersten umfassenden rupt beendet werden, so dass Bereiche nicht wissenschaftlichenUntersuchungenderrömi- fertig ausgegraben wurden oder undokumen- schen Bauten unter Leitung Theodor Wie- tiertblieben. gands statt. Die Ergebnisse der deutschen Baalbek-Expedition wurden zwischen 1921 und1925indreiBändenpubliziert(WiEgand 2 AktuelleForschungen 1921/1923/1925).NebendeninderPublikati- on enthaltenen Baubeschreibungen und um- Seit2002findeninKooperationzwischender fangreichen Bauaufnahmeplänen, stehen uns LibanesischenAntikenverwaltung(DGA),der heute aus der Zeit der ersten Ausgrabungen Orientabteilung des Deutschen Archäologi- eine Messtischaufnahme Gottlieb Schuma- schen Instituts Berlin (DAI) und der BTU chers(sieheAbb.3)sowieetwa300Messbild- CottbusneueFeldforschungeninBaalbekstatt aufnahmen Albrecht Meydenbauers zur Ver- (VanEss2003/2005/2008).InAbgrenzungzu fügung. denhistorischenAltgrabungenistdasvonder Weitere Untersuchungen der römischen DFGfinanzierteProjektnichtaufdieUntersu- Hinterlassenschaften in Baalbek folgten in chungderrömischenBautenbeschränkt,son- den 1930er Jahren durch französische sowie dern hat die Erforschung der Stadtentwick- inden1960erund1970erJahrendurchlibane- lung und urbanen Struktur Baalbeks seit der sische Wissenschaftler. Während sich die Antikebisins20.JahrhundertzumZiel. französischenAusgrabungenaufdiebekann- DieArbeiteninBaalbekkonzentrierensich tenRuinenunddieKlärungdetaillierterFra- auf die abschließende Dokumentation und gen zum Kult in Baalbek konzentrierten Auswertung bereits ausgegrabener Bereiche (Collart&CoupEl1951/1977),wurdenunter im Stadtgebiet. Anhand dieser Untersuchun- libanesischerLeitungriesigeneueArealefrei- gen sollen Fragen zu topografischen, städte- F.Henzeetal.,NutzunghistorischerPläne 223 Abb.2:StadtansichtBaalbeksvonSüdwestenvordemverheerendenErdbebenvon1759,Kup- ferstichRobertWood1851(Wood1857,PlateII). baulichen, ökonomischen und gesellschaftli- suchte, darstellen. Die Publikation umfasst chenGrundlagendesHeiligtumsundderStadt neben einer detaillierten Beschreibung der inverschiedenenEpochengeklärtwerden. Ruinen 46 Tafeln mit Stichen, darunter ein Historische Karten und Bilder spielen für Stadtplan und eine Stadtansicht von Südwes- dieaktuellenForschungeneineentscheidende ten (siehe Abb.2). Diesen Darstellungen ist Rolle, da vor allem in den letzten 100 Jahren eineFülleanInformationenzumZustandder zum Teil erhebliche Veränderungen in der Ruinen und dem Charakter der Stadt zu ent- Stadt und am Heiligtum vorgenommen wur- nehmen,dieimKontextmitspäterenUntersu- den. Auf Grundlage von Bauaufnahmen, chungen zur Klärung der Stadtentwicklung Zeichnungen und Fotografien lässt sich nicht beitragen.DieAbbildungenundBeschreibun- mehr erhaltene Substanz rekonstruieren und genWoodsgebenzumBeispielersteHinwei- mit neuen Fragestellungen analysieren. Das se auf den Verlauf und das Aussehen der historischeMateriallieferteinerseitsInforma- Stadtmauer.Zusammenmitdengeografischen tionenzumgenerellenCharakterderStadtin InformationenausdemSchumacherplan(sie- verschiedenenZeiten.Andererseitsbietetdas he Abb.3) war es möglich, den Verlauf der Bildmaterial die Möglichkeit, durch photo- Stadtmauer zu rekonstruieren und in archäo- grammetrischeMethoden2Dund3DGeome- logischenSondagennachzuweisen.Damiter- trieneinzelnerBautensowieDatenfüreindi- gibt sich die Möglichkeit der Datierung des gitalesGeländemodell(DGM)zugewinnen. bisherinseinerZeitstellungungeklärtenBau- werks. Des Weiteren lässt sich den Abbildungen 3 DarstellungenvonReisenden derstädtischeCharakterBaalbeksmitöffent- derletztenJahrhunderte lichenBauten,erkennbarandenKuppelnder BäderunddenMinarettenderMoscheen,ent- Wichtige Informationen aus einer Zeit, aus der nehmen.WoodsZeichnungenderRuinenbe- ansonstenwenigeZeugnissezurStadtgeschichte legen, dass das osmanische Dorf im großen Baalbeks vorhanden sind, überliefern die seit Altarhof des Jupiterheiligtums zu dieser Zeit dem 17. Jahrhundert entstandenen Stiche und schonaufgegebenundzerstörtwar(WiEgand Zeichnungen von Stadtansichten (siehe Abb.1 1925;sieheAbb.4).SpätereZeichnungenaus und2).DerWertdieserfrühenDarstellungen dem 18. und frühen 19. Jahrhundert zeigen für die aktuelle Stadtforschung lässt sich ex- Baalbek alsdörfliche Oase mit wenigen rund emplarisch an der Prachtpublikation Robert umdieRuinengelegenenHäusern.Zugunsten Woods (Wood 1757), der 1751 Baalbek be- romantisierenderBildkompositionenzeigendie- 224 Photogrammetrie•Fernerkundung•Geoinformation3/2009 tikenRuinenzwarinGrundrissenaufgenom- menunddokumentiert,dannaberzumgroßen Teil abgetragen wurde (siehe Abb.4). An an- deren Stellen wurden die römischen Bauten wieder errichtet oder, wenn sie einsturzge- fährdeterschienen,durchSicherungsmaßnah- menverändert. Historisches Bild- und Kartenmaterial ist heuteoftdieeinzigeQuelle,umdiezerstörten oderdurchRekonstruktionenverändertenBe- funde analysieren zu können. Dafür werden nicht nur die Plangrundlagen benötigt, son- dern auch die damals entstandenen Fotos in- haltlichausgewertet.AnhandderFotoslassen sich die ursprünglichen Fundsituationen zu- rückverfolgen und Rekonstruktionsprozesse nachvollziehen. 4.1 EinbindungvonPlanunterlagen DiezeichnerischeDokumentationdesaktuel- len Forschungsprojektes ist in ein übergeord- Abb.3: Messtischaufnahme Baalbeks von netesKoordinatensystemeingebunden.Damit GottliebSchumacherausdemJahr1904(van dashistorischePlanmaterialfüraktuelleFra- ess&WeBer1999,S.6). gestellungen und als Basis für weitergehende Untersuchungen genutzt werden kann, müs- se Darstellungen nicht immer ein genaues Ab- sen die Pläne entzerrt und georeferenziert bildderUmgebungdesHeiligtumsundmüssen werden. deshalb hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes Die Einbindung in das örtliche Koordina- hinterfragt werden. Die Beobachtungen zum tensystem ist prinzipiell über identische Ob- VerfallderStadtimspäten18.undfrühen19. jektpunkte oder ggf. auch über Koordinaten- Jahrhundert decken sich jedoch mit Ergebnis- angabenindenPlänenmöglich.ZumTeilzei- sen der Untersuchungen der heute erhaltenen gensichdabeijedocherheblicheAbweichun- traditionellen Wohnbebauung. Die dendro- genzudenpräzisenaktuellenMessungen.Da chronologische Auswertung von Bauhölzern esinderRegelkeineDokumentationüberdie ergab,dassdiemeistenHäusererstimausge- Vorgehensweise bei den damaligen Aufnah- henden19.Jahrhundertentstandensind(lEh- mengibt,lassensichdieUrsachenderAbwei- mann 2008). Damit sind die historischen Ab- chungenkaumklären. bildungen ein wichtiges Zeugnis für die Zer- Die früheste kartografische Darstellung, störung Baalbeks beim Erdbeben von 1759 die aufgrund des Aufnahmeverfahrens für (ambrasEys & barazangi 1989), von der sich eine geometrische Auswertung geeignet er- dieStadterstimspäten19.Jahrhunderterholt scheint, ist die Messtischaufnahme von Gott- hat. lieb Schumacher aus dem Jahr 1904 (siehe Abb.3). Das Verfahren der Messtischaufnah- mewurdebereitsAnfangdes17.Jahrhunderts 4 WissenschaftlicheDokumen- eingeführt und in erweiterter Form und mit tationenderAltgrabungen modernenMessgerätenbiszumEndedes20. JahrhundertsfürdietopografischeAufnahme DieAltgrabungenhattenvorallemdieErfor- vorOrteingesetzt(dEumliCh&staigEr2002). schung des römischen Erbes der Stadt zum Die vorliegende Messtischaufnahme von Ziel,weshalbdiespätereÜberbauungderan- Baalbek ist im Maßstab 1:5000 für ein Ge- F.Henzeetal.,NutzunghistorischerPläne 225 Abb.4:DasJupiterheiligtummitnachantikenEinbauten.MontagevonBauaufnahmeplänender deutschenAltgrabung(Wiegand1925). biet von ca. 2×2,5km² erstellt worden und sog. Venusareals nach der ersten Freilegung. zeigt,nebenderAusdehnungdesOrtes,auch AuchaufdiesenPlänenistkeinKoordinaten- das Straßen- und Wegenetz, inkl. der Eisen- rastereingezeichnet,sodasseinevorgeschal- bahnstrecke nach Homssowie Informationen tete,partiellePlankorrekturnichtmöglichist. zur Nutzung und Bezeichnung bestimmter Bei der Georeferenzierung der Pläne über Areale und Gebäude. Für die Georeferenzie- identische Objektpunkte treten Abweichun- rung des Plans wurden an den in der Karte gen von mehreren Dezimetern zu aktuellen dargestellten, markanten Bauwerken ausge- Messungenauf. suchtePunktetachymetrischbestimmt.Trotz Die meisten Planunterlagen der libanesi- einer gleichmäßigen Verteilung dieser Refe- schenGrabungenausden1960erJahrensind renzpunkte über das gesamte historische miteinemKoordinatenrasterversehenunder- StadtgebietbleibennacheinerAffinkorrektur laubensomiteinegeometrischeKorrekturvon Spannungenvonbiszu30m(!)zudenaktuel- Scan- und Papierverzug. Die Pläne wurden len geodätischen Messungen. Diese großen hierfür zunächst in kleinere Bereiche aufge- Abweichungen lassen sich aus der erreichba- teilt, die dann getrennt über eine Affintrans- ren Genauigkeit für Messtischaufnahmen al- formation umgebildet und anschließend wie- leinnichterklären.DieGewinnungverlässli- der zu einem Gesamtplan montiert wurden. chergeometrischerInformationenausdiesem Da über das in den Plänen vorhandene Koor- Planistdahernichtmöglich. dinatensystemkeineInformationenvorliegen, DieBauaufnahmeplänederdeutschenGra- wurdendiekorrigiertenPläneschließlichüber bungzuBeginndes20.Jahrhundertssindder identischeObjektgeometrienimaktuellenKo- Grabungspublikation von Theodor Wiegand ordinatensystem referenziert. In einzelnen (WiEgand 1921/1923/1925) entnommen und BereichenkommtestrotzdemzuAbweichun- dokumentierendenZustanddergroßenTem- genvonmehrerenDezimeternzudenaktuel- pelanlage(sieheAbb.4)sowiedenBereichdes lenMessungen,dieaufProblemebeiderein- 226 Photogrammetrie•Fernerkundung•Geoinformation3/2009 heitlichen Erfassung der weitläufigen Gra- zu heute nicht mehr vorhandenen Gebäuden bungsareale mit den damals zur Verfügung gewonnenwerden,andererseitssinddiehisto- stehendenAufnahmemethodenhindeuten. rischenAufnahmenwichtigeQuellenzurBe- arbeitung des erhaltenen historischen Baube- standes. 5 Rekonstruktionder Aufschluss über die noch bis in die Mitte spätosmanischenStadtaus des 20. Jahrhunderts weitgehend intakte Alt- historischenAufnahmen stadt von Baalbek geben auch Vertikal- und Schrägluftbilder (siehe Abb.7), die im Rah- Stadtentwicklung und Stadtumbauprozesse men von Aufklärungsflügen während und im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhun- zwischen den Weltkriegen entstanden sind dertlassensichmitHilfederfrühenfotografi- (CarmEl&Ejal1999). schenAufnahmennachvollziehen. Durch vergleichende Analysen dieses Ma- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts terialskönnenVeränderungs-undUmbaupro- produzierten verschiedene Fotostudios touristi- zesse, die zum Teil mit dem Abriss ganzer scheAufnahmenundzumTeilauchStereobilder Stadtviertel einhergehen, nachvollzogen wer- von Baalbek mit den Ruinen im Mittelpunkt den. Die photogrammetrische Auswertung (Fani2005;bastian2007).Dieältestebekannte desBildmaterialsermöglicht,diesezerstörten Fotografie mit einer Stadtansicht Baalbeks Viertel für den historischen Stadtplan zu re- von 1855 stammt von Wilhelm Herford (Fani konstruieren. Aus der traditionell gewachse- 2005;sieheAbb.5).DieAufnahmezeigtBaal- nenStrukturderStadtkönnendarüberhinaus bek von Südwesten, mit Wohnhäusern in der Informationen zur antiken Stadt mit ihren fürdieDörferderBeqaatypischenBauweise Wasserleitungssystemen und Straßenverläu- mit flachen Lehmdächern (El-Khoury 1975, fen abgeleitet werden. Die Basis zur Erstel- lEhmann 2008). Fotografien aus der Zeit um lung des historischen Stadtplans bildet ein dieJahrhundertwende,wiedieAufnahmenL. Orthobildplan,derausVertikalaufnahmender Burchhardts von 1897 (nippa 1996) oder die 1930erund40erJahreberechnetwurde(siehe Messbilder A. Meydenbauers aus dem Jahre Abschnitt6.2). 1902,zeigen,wiesichderCharakterderStadt Ergänzende Informationen zur Stadtaus- verändert.Esentstehenzunehmendrepräsen- dehnungund-struktursowiezurNutzungbe- tativeZentralhallenhäusermitrotenZiegeldä- stimmterGebäudeundArealelassensichaus chernunddieStadtwirdmitöffentlichenBau- der Messtischaufnahme G.Schumachers von ten ausgestattet. Ein genauerer Blick auf die 1904 gewinnen. Zusammen mit dem histori- hochaufgelöstenAufnahmenlässtsogarNeu- schen Orthobildplan ist es damit möglich, ei- und Umbauprozesse einzelner Bauten erken- nen historischen Stadtplan von 1904 geomet- nen. Damit können einerseits Informationen rischkorrektzurekonstruieren. Abb.5:WilhelmHerford,1855:StadtansichtvonBaalbek(Fani2005,S.21). F.Henzeetal.,NutzunghistorischerPläne 227 6 Photogrammetrische wurden u.a. von Albrecht Meydenbauer ei- AuswertunghistorischerBilder genhändig angefertigt, der seinen Aufenthalt in Baalbek im Jahr 1902 als „in jeder Bezie- Photogrammetrische oder fotografische Auf- hung erfolgreiche und persönlich den Höhe- nahmen liefern, neben geometrischen Infor- punktdesLebensbildendeReise“bezeichnete mationen, vor allem eine bildhafte und zu- (grimm1977). nächst interpretationsfreie Dokumentation Neben Detailaufnahmen der Grabungen in der erfasstenObjekte. Sie ermöglichen damit dergroßenTempelanlagewurdenauchStadt- eineAuswertungauchzueinemspäterenZeit- ansichten Baalbeks in Form von Panoramen punkt mit einer gegebenenfalls völlig neuen vonerhöhtenStandpunktenausaufgenommen Fragestellung(siehez.B.hEmmlEb1999,WiE- (sieheAbb.6).DieseAufnahmenliefernwich- dEmann 2000, Van dEn hEuVEl 2001 oder tigeInformationenüberdenStadtausbauund bräuEr-burChardt & Voss 2001). Auch für zur baulichen Gestaltung einzelner Gebäude Baalbek existieren zahlreiche fotografische amBeginndes20.Jahrhunderts. und photogrammetrische Dokumentationen DaeineDigitalisierungderoriginalenGlas- ausmehrals100Jahren,diefüreineinhaltli- plattennichtmöglichist,wurdenPapierabzü- che und geometrische Analyse verwendet ge der in den 1980er Jahren erstellten Siche- werdenkönnen. rungsverfilmungen bestellt. Für die geplante photogrammetrische Auswertung wurden diese mit einer Auflösung von 1000 dpi ge- 6.1 TerrestrischeMessbilder scannt, wodurch sich jedoch drei Reproduk- tionsschritte mit z.T. unbekannter und nicht DieMessbildaufnahmenausderZeitderers- konstanter Abbildungsgeometrie ergeben. ten dt. Grabung zu Beginn des 20. Jahrhun- AuchaufgrunddersehrgroßenAufnahmeent- derts befinden sich heute im Messbildarchiv fernungen von mehreren hundert Metern so- des Brandenburgischen Landesamtes für wie der ungünstigen geometrischen Konfigu- Denkmalpflege (BLDAM). Die Aufnahmen rationen–dernutzbareBildbereichbeschränkt Abb.6:AusschnitteinerMessbildaufnahmeBaalbeksvonAlbrechtMeydenbauerausdemJahr 1902(MessbildarchivbeimBLDAM,BildNr.2083-20). 228 Photogrammetrie•Fernerkundung•Geoinformation3/2009 sichzumeistaufeinenschmalenAuswerteho- sehr schlechtem Zustand. Aufgrund der un- rizontentlangderBildmitte–eignensichdie- sachgemäßen Lagerung sind die Filme stark se Aufnahmen allein nicht bzw. nur einge- verzogen/gekrümmt und weisen teils deutli- schränkt für eine photogrammetrische 3D- che Schädigungen der Filmschicht auf. So- Rekonstruktion der historischen Stadtstruk- wohldieGlasplattenalsauchdieZelluloidbil- tur. der konnten direkt vom Original gescannt werden, allerdings stand hierfür lediglich ein nicht kalibrierter, handelsüblicher Fotoscan- 6.2 HistorischeLuftbilder ner zur Verfügung. Die Aufnahmen wurden mit 600 dpi gescannt, eine höhere Auflösung DieGrundlagefürdieGewinnungvonStadt- erbrachte aufgrund des schlechten Zustandes geometrien bilden vielmehr die historischen derFilmschichtkeinenInformationsgewinn. LuftbilderausdemInstitutfrançaisduProche Für die Orientierung und Auswertung der –Orient(IFPO)Damaskus.DieBilderzeigen historischen Bilder wurden Passpunkte an dieStadtinmehrerenBefliegungenzwischen zahlreichen, über das gesamte Stadtgebiet 1933und1940sowohlinklassischenVertikal- verteiltenhistorischenGebäudensowieanden aufnahmen mit entsprechender Überlappung, antiken Bauten tachymetrisch bestimmt. Die als auch in 30 Schrägaufnahmen (siehe Berechnung von Orthobildern aus den Verti- Abb.7). kalaufnahmen erfolgte am Fachbereich Ver- Während die Schrägaufnahmen auf Glas- messungswesen/Kartographie der HTW platten im Format 13×18cm vorliegen und DresdenunterVerwendungvonERDASIMA- damit eine hohe geometrische Stabilität auf- GINGzusammenmitLeicaPhotogrammetry weisen, befinden sich die 18×24cm großen Suite(LPS). Zelluloid-Negative der Vertikalaufnahmen in Abb.7: Stadtansicht von Baalbek mit dem Jupiterheiligtum aus dem Jahr 1936, aufgenommen vonOsten(©IFPODamaskus,Nr.20901). F.Henzeetal.,NutzunghistorischerPläne 229 Orthobildgenerierung renundflächenhaftodereinzelnzueditieren. Bei der dichten Bebauung im Stadtzentrum DasfüreineOrthobilderstellungbenötigtedi- von Baalbek und der vielfältigen Vegetation gitale Geländemodell (DGM) wurde aus drei amStadtrandwareinhohermanuellerMess- aktuellen Luftbildern aus dem Jahr 1996 er- aufwand in den Stereomodellen erforderlich. zeugt.DieaufLuftbildfilmvorliegendenS/W- Es wurden vorhandene Punkte editiert, das Positiv-AufnahmeneinerZeiss-KameraRMK Punktrasterteilweiseaufbiszu10mverdich- Top15 (WW, Brennweite 15cm) mit bekann- tet und zahlreiche Bruchkanten (breaklines) tenKameraparameternwurdenmiteinemka- an Geländeböschungen erfasst. Außerdem librierten Luftbildscanner digitalisiert. Bei wurdendieörtlichbestimmtenGeländepunk- einer Scanauflösung von 2540 dpi im Bild- teindasDGMintegriert.Eskanndavonaus- maßstab 1:10.000 beträgt damit die Boden- gegangenwerden,dassdasausdenaktuellen auflösung10cm.DieBildorientierungenwur- LuftbildernerzeugteDGMwesentlichgenau- den durch Aerotriangulation mit LPS-Core er ist als das bisher verwendete, aus digitali- bestimmt, indem ca. 30 Konturenpasspunkte sierten Höhenlinien einer TK 25 abgeleitete, manuell und weitere Verknüpfungspunkte Geländemodell,dasstellenweiseHöhenfehler mittels Bildkorrelation automatisch im Bild- biszu20maufweist.AußerfürOrthobildbe- verband gemessen wurden. Die Genauigkeit rechnungenistdasDGMauchGrundlagefür von15cminLageundHöhenachderBündel- künftige3D-Visualisierungen. blockausgleichungentsprichtderDefinitions- DasmitLPS-OrthoResamplingabgeleitete genauigkeit der tachymetrisch gemessenen Orthobild (Auflösung 0,2 Meter, siehe Abb.8 Passpunkte im Bild und kann in dieser Grö- rechts) stimmt mit den Passpunkten überein ßenordnungauchfürdieFolgeprodukteDGM undkannkünftigimVergleichmitdenhisto- undOrthobilderveranschlagtwerden. rischenOrthobildernalsReferenzbildgelten. Für die DGM-Erzeugung mit LPS-ATE Parallel zur Auswertung der 1996er Luft- (Automatic Terrain Extraction) wurden zu- bilderwurden16Vertikalaufnahmenausdem nächst automatisch 3D-Geländepunkte mit Jahr1937sowie6Vertikalaufnahmenausdem einemAbstandvon50mgeneriert.Überspe- Jahr 1940 in getrennten Blöcken analog mit zielleStrategieparameterkanndieBildkorre- LPS-Coreorientiert.BeieinerScanauflösung lation in Abhängigkeit vom Geländetyp (rol- von 600 dpi im Bildmaßstab 1:2.500 beträgt linghills)undderTopografie(lowurban)be- die Bodenauflösung in diesen Bildern eben- dingt gesteuert werden. Anschließend ist es falls10cm.FürdiehistorischenLuftbilderla- jedoch notwendig, diese Punkte mit LPS-TE gen keine Kalibrierungsdaten der verwende- (Terrain Editor) stereoskopisch zu kontrollie- tenKamerasvor,sodassdieKamerakonstante Abb.8:AusschnittausdenOrthobildernvon1937(links)undvon1996(rechts). 230 Photogrammetrie•Fernerkundung•Geoinformation3/2009 nurgeschätzt(Brennweite36cm)undalsNä- den1960erJahrensowiedurchStraßenbautä- herungswert in die Berechnung eingeführt tigkeiten entspricht das aktuelle Geländemo- werdenkonnte.AnhandderabgebildetenRah- dell teilweise nicht der Geländeoberfläche menmarken konnte ein einheitliches Bildko- zumZeitpunktderAufnahmen.IndiesenBe- ordinatensystemfestgelegtwerden. reichen treten zusätzliche Lageabweichungen Aufgrund der geometrischen Unsicherheit indenhistorischenOrthobildernauf.DieAb- bei der Bildorientierung einerseits sowie der weichungenzudentachymetrischbestimmten schlechten geometrischen Qualität der Bilder Gebäudegeometrienbetragenindenmittleren andererseits genügen die berechneten Kame- Bildbereichen ca. 20cm, in den Randberei- raparameter (Kamerakonstante und Bild- chenbiszu2m. hauptpunktkoordinaten) als Ergebnis der Si- Beim Mosaikieren zum Bildplan wird bei multankalibrierung nicht dem Genauigkeits- einer Längsüberdeckung von 60 Prozent ei- ansprucheinerMesskamera.Dieunsystemati- gentlich nur jedes zweite Bild benötigt. Wer- schen Filmdeformationen, vor allem verur- denalleOrthobildereinbezogen,kannaufdie sacht durch die unsachgemäße Lagerung, Randbereiche mit den größeren Lageabwei- konnten nicht bestimmt und eliminiert wer- chungen verzichtet werden. Außerdem bleibt den.SiesinddieHauptursachederUngenau- imbreiterenÜberlappungsbereichmehrSpiel- igkeitenbeiderBildorientierungunddendar- raumfürdieDefinitionderSchnittlinien.Die- aus resultierenden Modelldeformationen. Die sekönnenzwarautomatischgeneriertwerden, Standardabweichung an den verwendeten meist führt jedoch eine manuelle Festlegung Passpunkten beträgt nach der Bündelausglei- zudeutlichbesserenErgebnissen. chung0,5minderLageund2minderHöhe. DieschlechteHöhengenauigkeitistvorallem aufdielangeBrennweitederKameraunddie Mehrbildauswertung imVergleichdazugeringenHöhenunterschie- deimObjektraumzurückzuführen. In einem letzten Schritt wurden die Schräg- MitLPS-MosaikProwurdenausdenhisto- aufnahmen,zusammenmitausgesuchtenVer- rischen Aufnahmen Orthobilder unter Ver- tikalaufnahmen in einer gemeinsamen Bün- wendungdesDGMvon1996berechnet(siehe delblockausgleichungmitdemfürdieNahbe- Abb.8links).AufgrundderAusgrabungenin reichsphotogrammetrieentwickeltenAuswer- Abb.9:MehrbildauswertungindenSchrägluftbildern(©IFPODamaskus,Nr.20876).
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