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Nürnberger Blätter für Literatur #5 PDF

25 Pages·1980·0.989 MB·German
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Nürnberger Blätter für Literatur Heft 5 Privatdruck Zugeeignet dem Mohammed, als Geliebten der Frauen, der Pflanzen, des Gebetes, dem, der den Engeln von Gott predigte, dem Franz, der den Vögeln predigte, dem Friedrich, der den Eseln predigte, (»Anm. f. Esel:« nicht der Alte Fritz !) dem Schatzkästlein, dessen besungene Schönheit und weit­ hin berühmter Geist versanken wie die Stadt Vineta dem Ort, wo’s zur Frauenkirche über die Fleischbrücke geht, dann über den Henkersteg zum Polizeipräsidi­ um, schließlich über den Kettensteg in die Loch­ gefängnisse, und wer mag, nehme dann den Namen Elisabeth von Dyck an, und lasse sich von Rostbrat- würsteln umarmen, pardon, in den Himmel des Rechtsstaates schießen. Gerhard Wagner • Basel/Nümberg Dezember 1980 -0- freigehalten für GERHARD FALKNER, vir magna tacitumitate - 1 - Early in the Morning Barbara Veltins Rasch fällt das Wasser, am Bach, der gleichso alle wellt. Im Dunkel der Äonen, da webt der Traum, der mich am Leben hält. Rasch fällt das Wasser, die Gummibälle tanzen im Einerlei am morschen Holz des Wehrs, tantalisch aufgescheuchte Träume. Der Kieslastwagen: Kurvengummi, Steinchen spritzen, Reifen quetschen schwere Mahre an den Tag. Die Mutter schickt die Kinder auf den Weg. Zu Strome rauschen Autos hoch entlang am Bach, der gleichso alle wellt. Am Bach, der gleichso alle wellt, tönts Morgenlichtgesause: Motorschlepper, Postkraftwagen, chromverzierte Monatsraten jagen, schießen ohne End. Sich selber Ziel. Der Lenker kennt die Rosse nicht, er zählt, und findet nicht sein Eigen. Er treibt voran, er schnellt, er fickt, er flüchtet aus dem Schweigen. Der Omnibus: die Mäntel hochgeschlagen, stehn hier die Schläfer, so grad wie hochgenähter Saum, und einsam, im Dunkel der Äonen. - 3 - Im Dunkel der Äonen, rollt lautlos Ring um Ring herauf zu jenen tauben Ohren. Die Stille bricht, zerfällt zu lärmigem Verschnitt des namenlosen Ganzen. Sie hören nicht das Rollen von kreißenden Gewichten, der Donner Manitous bleibt ihnen stumm. Es zischt und tost, die Peitsche ruhet nicht, doch steh ich noch am Wasser, und weiß, da webt der Traum, der mich am Leben hält. - 4 - Leguane in Bayern (Auszüge) Wolf Peter Schnetz Du beginnst, mir eine unglaubliche Geschichte zu erzählen. Du sagst, deine Mutter sei Russin, dein Vater Wiener. Die Russin habe einen Nazi erschossen, der Wiener sei fahnenflüchtig gewesen, deine Eltern haben dich nicht klavierspielen lassen. Und immer hast du verloren. Du hast nicht mehr verloren als du aufs Spiel gesetzt hast, sage ich. Mein Vater war Bayer, meine Mutter war auch aus München, beide haben keinen Nazi erschossen und mich klavierspielen lassen. Da kannst du einmal sehen, was ein Beamter für einen langweiligen Lebenslauf hat. Einige Wochen nach der nächtlichen Begegnung rief ich dich an. Zuerst sagtest du, du hast keine Lust. Also sage ich, du hast keine Lust. Du sagst, schon wieder schickst du mir lauter Du-Botschaften. Ich sage, ich schicke dir jetzt eine Ich-Botschaft: Ich sage Scheibenkleister, dreimal Scheibenkleister. Du kannst mich mal, sagst du, und hängst ein. So etwa verlaufen unsere Zwiegespräche. Es ist ein richtig routinierter Behördenton. Lustig sind unsere Zwiesprachen. Wir leben in einer Stadt, die wir auf den zweiten Blick lieben. Offen aus Tradition. Was macht ein bayerischer Beamter nachts um 3 auf einem Fußboden. Er träumt von Leguanen und von Famen. Er fühlt die Sonne auf der Haut heiß werden. Er wünscht sich weit weg auf eine Südseeinsel. Immer noch brüllt King Kong bayerische Gesänge zur mißgestimmten Gitarre. Begreif doch endlich, ich bin nur eine Rolle, es ist zwecklos, mich zu lieben, meine Liebe ist nicht meine Liebe. Meine Liebe ist festgelegt. Sie gehört Erlenwang. Der Hugenottenstadt. Der Stadt der 1000 Krämer, der 2000 Bäcker, der 3000 Friseure, der 4000 Bier­ brauer, der 5000 Kirchgänger, der 6000 Kirchgänger, der 7000 Bier­ trinker, der 8000 Gescheitelten, der 9000 Gebrannten und der 100 000 Schimmpfenden: ein kleiner bayerischer Germane, nachts um 3 am Boden zerstört, in Erlenwang. 20. Mai 19700: Sand aus der Sahara regnet auf Erlenwang. In der Sahara wachsen keine Farne. Dort hocken auf verfallenen Mauern auch keine Leguane. Die schwarze Venus steigt nicht aus der Mango- Frucht. Trotzdem regnet Sand auf Erlenwang. Strahlstromgeschwindig­ keiten von 180 bis 270 Stundenkilometern haben Wüstenstaub heran­ getrieben. - 5 - Afrika in Erlenwang. Die Venus steigt aus dem Hubschrauber und jodelt bayerische Gesänge. Ich liebe diese Stadt. Sie ist offen aus Tra­ dition. Ich bin Beamter. In einer von Wüstensand bedeckten Stadt: Erlen­ wang. Ich sehe, wie der Sand die Straßen überflutet, wie dann Regen­ fälle kommen werden, wie nach der Flut im Schlamm sich Grün fest­ saugt, Algengrün, Schilfgrün, Wassergrün, Grasgrün, riesige Schachtel­ halme und Farne und mächtige Leguane auf verfallendem Gemäuer. Dies war der Roßbacher Damm, werden die Ochsenfrösche quaken, wenn nachts um 3 der Vollmond sich anschickt, einer im Osten kei­ menden roten Sonne zu weichen. Dies war der Roßbacher Damm, um den sich die Parteien stritten, wie seinerzeit die Loreley um Heinrich Heine, als keiner von beiden wußte, warum er traurig war. Dann kam der Regen. Und Heuschrecken kamen. Ich überlege, wie ich jetzt die Venus in der Mangofrucht fressen könnte, um sie möglichst ungegenständlich zu machen. Im Narrenhaus gibt es keine Rollen. Dort kann jeder sich selbst ver­ wirklichen. Jeder weiß, daß der andere ein Narr ist. Man feindet sich offen an. - 6 - Vier Gedichte Michael Zeller SÄKULARISATION Schwarz hängt schulterlang der Schleier überm bunten Kleid der Quelle meiner Nachbarin der Türkin wenn sie vor Spanngardinen die Aurikeln pflegt und weht im Dunst von Auberginen mit Frühwind aus der Gaube an Steinmetzfiligran von Frankenhand um die Jahrhundertwende PODIUMSDISKUSSION »Recht auf Kultur« Kultur auf Recht ? auf Rechtskultur ? Kultur auf rechts ? Aufrecht Kultur ! Kultur links ab - - 7 -

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