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Noten an Deutschlands Hochschulen: Analysen zur Vergleichbarkeit von Examensnoten 1960 bis 2013 PDF

192 Pages·2017·2.192 MB·German
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Volker Müller-Benedict  Gerd Grözinger H rsg. Noten an Deutschlands Hochschulen Analysen zur Vergleichbarkeit von Examensnoten 1960 bis 2013 Noten an Deutschlands Hochschulen Volker Müller-Benedict · Gerd Grözinger (Hrsg.) Noten an Deutschlands Hochschulen Analysen zur Vergleichbarkeit von Examensnoten 1960 bis 2013 Herausgeber Volker Müller-Benedict Gerd Grözinger Flensburg, Deutschland Flensburg, Deutschland ISBN 978-3-658-15800-2 ISBN 978-3-658-15801-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-15801-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhalt 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Die langfristige Entwicklung des Notenniveaus und ihre Erklärung . . . . . 17 Th omas Gaens und Volker Müller-Benedict 3 Einfl üsse auf die Notengebung: eine Analyse ausgewählter Fächer auf Basis der Prüfungsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Gerd Grözinger 4 Typologie der Einfl ussgrößen auf die Notengebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Elena Tsarouha 5 Notengebung bei den Lehramtsstudien gängen: Was bewirkt der Übergang zu den Bologna-Abschlüssen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Marita McGrory 6 Ergebnisse und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V Einleitung 1 1 Einleitung 1 Einleitung 1.1 Das Thema: Nicht-leistungsbedingte Einfl üsse auf das Notenniveau Ob man im entscheidenden Abschlussexamen eine gerechte Note erhalten hat, wird oft diskutiert. Die Angemessenheit der eigenen Examensnote lässt sich immerhin einigermaßen gut einschätzen. Man kennt die Leistungsfähigkeit der Kommilito- nen, die gleichzeitig das Examen abgelegt haben, aus gemeinsamen Seminaren oder Vorbereitungen, zudem wurden sie meist auch von denselben Dozenten geprüft . So sind der Prüfungsstoff und die Prüfungsbedingungen für einen selbst ähnlich wie für die Kommilitonen, und die Unterschiede in der Bewertung sollten nur von der eigenen Leistung abhängen. Deshalb kann man sich ein Urteil über die Gerechtig- keit der eigenen Note bilden und sich eventuell beschweren. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Bewertung bei anderen Dozenten, in anderen Fächern, Hochschulen oder Zeiten ähnlich abläuft und deshalb die Vergleichbarkeit der Noten kein großes Problem darstellt. Das ist aber nicht der Fall, wie in diesem Buch zu zeigen sein wird. In einer anderen Universität, zu einer anderen Zeit oder in einem anderen Fach hätte man möglicherweise eine andere Note erhalten. Das Th ema dieses Buches ist es, die Vergleichbarkeit von Noten über die engen Grenzen einer Examenskohorte in einem Fach an einer Hochschule hinaus kritisch zu analysieren. Dabei liegt der Fokus darauf, Unterschiede im durchschnittlichen Notenniveau zu untersuchen, die nicht auf den unterschiedlichen Leistungen der Studierenden beruhen, sondern die sich aus anderen Gründen ergeben. Erstere werden hier „leistungsbedingt“ oder „leistungskonform“ genannt. Die nicht auf verschiedener Leistung beruhenden Unterschiede heißen „leistungsunabhängig“, „leistungsfremd“, nicht-leistungs- konform“ oder „nicht-leistungsbedingt“. 1 2 1 Einleitung Ein erstes Beispiel für leistungsunabhängige Notenunterschiede, das einigen Lesern bekannt sein dürfte, ist das Durchschnittsnotenniveau der Juristen im Unterschied zu anderen Fächern: „ausreichend“, also 4,0, ist dort zwischen 1959 und 2011 die häufigste Note; wer ein „voll befriedigend“, (also eine 2,5) erreicht hat, gehört schon zu den wenigen Privilegierten, die sich für den Staatsdienst bewerben dürfen. Im Gegensatz dazu betrug in den Diplom-Abschlussexamen in der Biologie 2010 die Durchschnittsnote 1,36. Sind alle schlauen Studierenden im Fach Biologie konzentriert und haben wir nur mäßig gute Richter und Staatsanwälte? Sicher nicht, allein durch die Wahl des Fachs ergibt sich schon ein starker leistungsunabhängiger Einfluss auf die Note. Da sich die Arbeitsmarktsegmente der meisten akademischen Fächer nicht überschneiden, stellte dieser Einfluss bisher kein großes Problem dar. Bei zunehmender Interdisziplinarität sollten jedoch die Personalmanager oder andere einstellende Personen diese Unterschiede kennen, um die Studienleistungen von Bewerbern aus verschiedenen Fächern vergleichen zu können. Ein zweites Beispiel für Unvergleichbarkeit stellt der zeitliche Vergleich der Noten dar. Er wird schon seit den 1970er Jahren in den USA, aber neuerdings auch in Deutschland, in Frage gestellt, indem „grade inflation“, eine ständige Verbesserung des Notendurchschnitts über viele Jahre hinweg ohne eine dahinter stehende Leistungssteigerung, konstatiert wird. So schreibt der Wissenschaftsrat: „Ein weiteres zentrales Ergebnis des vorliegenden Arbeitsberichtes ist die fortge- setzte Tendenz zur Vergabe besserer Noten. In den universitären Studiengängen mit traditionellen Abschlüssen – Diplom und Magister sowie Staatsexamen ohne Lehramt – ist beispielsweise der Anteil der mit „gut“ oder „sehr gut“ bewerteten Abschlussprüfungen zwischen 2000 und 2011 um knapp neun Prozentpunkte von 67,8 % auf 76,7 % gestiegen“ (Wissenschaftsrat 2012, S.7). Dass diese Entwicklung ein neueres Phänomen ist, zeigt die Abbildung 1.1. Sie zeigt Noten der vier großen akademischen Karrieren von 1850 bis 1945. Man sieht die stabilen Niveauunterschiede zwischen den Fächern, aber auch längere Abschnitte mit steigenden oder fallenden Niveaus. Auf die lange Sicht von 80 Jahren ist, abgesehen von Sprüngen, die durch Prüfungsnormierungen entstanden (z. B. in Medizin 1882, in Jura 1935), eher keine große Veränderung zu sehen. Ein Thema dieses Buches ist es, wie es in den rechts anschließenden 60 Jahren der BRD weitergeht, und warum dort die Entwicklung anders verläuft. 1 Einleitung 3 1,8 Theologie AKKA Lehramt/m Lehramt/w 2 Jura Medizin 2,2 2,4 2,6 2,8 3 1865 1875 1885 1895 1905 1915 1925 1935 1945 1955 1965 1975 Abb. 1.1 Entwicklung der Noten von vier akademische Karrieren (höheres Lehramt getrennt in männlich und weiblich (ab 1909)) 1865 – 1941 (Müller-Benedict 2008, S.39) In Deutschland hat sich ein Abschlussexamen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durchgesetzt. Für Karrieren mit staatlichen Aufgaben wie Juristen (1693), Theolo- gen (1709), Mediziner (1725), Lehrer (1817) oder Nahrungsmittelchemiker (1894) gab es schon früh Regeln für die Abschlussprüfung, aber keine Noten. Mit einem bestandenen Abschlussexamen wurde dem Staat, den Patienten oder den Eltern der schulpflichtigen Kinder eine Qualitätsnorm für die Arbeit des Examinierten garantiert. Abschlussprüfungen für freie Wirtschaftsberufe wie Ingenieure waren nicht im Interesse der Industrieverbände, die nicht nur noch akademisch geprüfte und damit eventuell teurere Ingenieure zur Verfügung haben wollten. Benotungen wurden erst später eingeführt und dienten zunächst für Zuweisungen auf hier- archisch geordnete Stellen wie z. B. „Oberlehrer“ oder Richter an Obergerichten. Weil die Noten sowohl für die persönliche Einschätzung des Ertrags der eigenen im Studium erbrachten Anstrengung als auch für die Beurteilung der weiteren Chancen des beruflichen Werdegangs durch potentielle Arbeitgeber einen brauch- baren Indikator darstellen, haben sie sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für alle Hochschulabschlüsse durchgesetzt. Darum ist Vergleichbarkeit der Noten, das heißt gleiche Noten für gleiche Leistung, notwendig für ihre sinnvolle Verwen- dung. Die leistungsunabhängigen Unterschiede stellen offenbar ein Problem für die Vergleichbarkeit der Noten dar. In diesem Buch werden wir zum einen wichtige leistungsunabhängige Unterschiede und ihren Verlauf beschreiben. Zum anderen 4 1 Einleitung werden wir erklären, wie es zu einigen dieser nicht leistungsbedingten Unterschiede kommen kann. Die Ergebnisse liefern Argumente für eine Diskussion darüber, wie man die Darstellung und Bewertung von Leistung verändern könnte, um eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen. Dazu werden am Ende des Buches einige Empfehlungen abgegeben. 1.2 Examensnoten – wie sollten sie verteilt sein? Mit Prüfungen und Tests befasst sich seit langem die Testpsychologie (Dubs 2010; Pospeschill 2010). Mit ihren Methoden kann man z. B. nachprüfen, ob ein Test die geforderten Gütekriterien, insbesondere Reliabilität und Validität, erfüllt (Robbins et al. 2004; Müller- Benedict 2010). Auch die Konstanz der Prüfungsbedingungen, allen voran die Konstanz der Prüfungspraxis der Prüfer und der Vorbereitung der zu Prüfenden, ist notwendig für eine Vergleichbarkeit. Diese testtheoretischen Bedingungen der Notengebung sind nicht Thema dieses Buches. Zugespitzt könnte man sagen, sie beziehen sich auf die psychischen oder erlernten prüfungsrelevan- ten Eigenschaften der Prüfenden und Geprüften, die sie unabhängig von ihren Kollegen besitzen. Da es für Hochschullehrerinnen und –lehrer keine spezielle Prüferausbildung gibt, besteht im Hinblick auf diese testtheoretischen Bedingun- gen im deutschen Hochschulalltag keine Stabilität, sondern eine große Varianz. Als ein Alltagsbeispiel sei genannt, dass jüngere Dozenten strenger prüfen als lehrerfahrene Kollegen, sei es aus Unerfahrenheit oder Konkurrenzdenken. Aus testpsychologischer Sicht müssten Prüfungen zunächst diese Bedingungen erfüllen, damit überhaupt ein Vergleich angestellt werden kann (Webler 2010). Dieses Buch nimmt dagegen die soziologische Perspektive ein und interessiert sich für den sozialen Kontext, in dem die Notengebung stattfindet. Dabei wird, wie in der sozialstatistischen Methodik üblich, angenommen, dass sich bei einer Durchschnittsbildung über viele Prüfungen desselben Aggregats die voneinander unabhängigen individuellen Eigenschaften der Beteiligten ausgleichen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um große Aggregate, d. h. viele Prüfungen, handelt. Unter dieser Annahme müssen Unterschiede zwischen den Aggregaten als über- individuelle, im weitesten Sinne soziale Einflüsse begriffen werden. Notenniveaus sind Durchschnittswerte von Noten, die über verschiedene Ag- gregationsniveaus gebildet werden, z. B. für Fächer im nationalen Durchschnitt, für Hochschultypen, für Institute, für Prüfungsformen etc. Nur schwerlich wür- de man auf die Idee kommen, eine Universitätsgesamtnote zu bilden und damit Universitäten zu vergleichen, weil Universitäten z. B. nicht unbedingt dieselben 1 Einleitung 5 Fakultäten haben. Dasselbe gilt auch für Fakultäten: sie sind nicht immer aus denselben Fächern zusammengesetzt. Diese Argumentation lässt sich fortsetzen für immer kleinere Einheiten, bis hin zu der Frage, ob sich die Durchschnittsnote im Seminar gleichen Inhalts aus dem vorigen Semester mit der Note des aktuellen Semesters vergleichen lässt. Für absolute Vergleichbarkeit müssten die Bedingungen für jede Prüfung dieselben sein. Das Aggregationsniveau kann deshalb nicht durch die Frage bestimmt werden, was absolut vergleichbar ist. Vielmehr ist die Art und das Niveau der Aggregation seitens der Fragestellung normativ bestimmt: Wenn man fragt „Unterscheiden sich die Fächer in der Durchschnittsnote?“ unterstellt man einen Vergleichsmaßstab für die Fächer. Mit der obigen Annahme lassen sich die Unterschiede dann mit Eigenschaften der Fächer – bzw. des jeweils in Frage stehenden Aggregats – in Verbindung bringen. Ein Problem der Analyse leistungsunabhängiger Unterschiede ist die Abgren- zung zu Unterschieden, die tatsächlich auf besserer Leistung beruhen. Von jeder Änderung oder jedem Unterschied in der Durchschnittsnote lässt sich behaupten, dass er durch die veränderten Leistungen der Examinierten zustande gekommen sei. Das lässt sich oft nur indirekt widerlegen, indem man z. B. Sprünge im Niveau nach Änderung einer Prüfungsordnung beobachtet oder längerfristige Notenzy- klen feststellt. Solche Entwicklungen der Noten sind nicht damit vereinbar, was Examensnoten darstellen sollen. Weil Noten eine Bewertung darstellen, muss es einen Maßstab geben. Deshalb wird hier kurz auf die theoretische Begründung für die Bewertungsmaßstäbe eingegangen. Theoretisch wird zwischen drei Bezugsnormen für Noten unterschieden: der individuellen (Bewertung der individuellen Verbesserung), der sozialen (Bewertung im Vergleich zur Bezugsgruppe, z. B. Klasse, Seminar) und der absoluten (Bewertung anhand eines geprüften Wissens- oder Kompetenzkanons) (Rheinberg 2002). An den Hochschulen sollte für die Abschlussnoten die absolute Bezugsnorm im Vorder- grund stehen, da sie den relativen Wissensstand des Absolventen in Bezug auf den aktuellen akademischen Wissensbestand signalisieren sollen. Da das akademische Wissen sich allerdings ständig weiterentwickelt, kann die absolute Bezugsnorm für den intertemporalen Vergleich nicht gelten – eine 1-er Leistung in Chemie 1930 würde heute vermutlich nicht einmal eine 4 erreichen. Die Notenskala gilt also je Zeitpunkt relativ zum aktuellen Wissen. Eine Prüfung sollte sowohl schwierige als auch leichte und mittlere Aufgaben in einer gleichmäßigen Häufigkeit aufweisen, sonst gilt sie als „zu leicht“ oder „zu schwer“ in Bezug auf das absolute Bezugsniveau. In Schulen z. B. gibt es Materialien für Tests, die die Fehlerpunkte für die Grenzen zwischen den Noten so festsetzen, dass es nicht zu viele „sehr gute“ und „ausreichende“ gibt, und die Mehrheit ein „gut“ oder „befriedigend“ erhält (Lehnen und Loch 1978). 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