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Non-direktive Pädagogik: Eine Einführung in Grundlagen und Praxis des selbstbestimmten Lernens PDF

214 Pages·1990·4.017 MB·German
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Wolfgang Hinte Non-direktive Piidagogik Sozialwissenschaft ~ Wolfgang Hinte Non-direktive Piidagogik Eine Einfuhrung in Grundlagen und Praxis des selbstbestimmten Lernens Deulscher Universilils-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografje; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Die 1. Auflage des Werkes erschien im Westdeutschen Verlag, Opladen, 1980 als Band 41 der "Studienbucher zur Sozialwissenschaft". 1 . Aufiage, Nachdruck April 2005 Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 1990 lektorat: Ute Wrasmann Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. lede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des 'v'erlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass seiche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und do her von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN-13:978-3-8244-4072-6 e-ISBN-13:978-3-322-81253-7 DOl: 10.1007978-3-322-81253-7 Inhalt Vorwort (Heinz Abels) 9 Einleitung 13 1. Zur Situation wissenschaftlicher Praxis ............. 15 1.1 Die Eigendynamik des wissenschaftlichen Oberbaus .. 16 1.2 Fachjargon und lnsider-Sprache ............... 19 1.3 Analytische Verfahren, Theorie-Praxis-Debatte und das Problem der Methodologie . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 1.4 Engagement, Emotionen und Verantwortung von Wissenschaftlern ......................... 26 2. Der Symholische lnteraktionismus ................ 30 2.1 Grundgedanken interaktionistischer Theorie und ihr kritisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 30 2.2 Kritik am Symbolischen lnteraktionismus ........ 37 2.3 Handlungsforschung als sinnvolle Konsequenz inter- aktionistischer Theorieansatze ................ 41 3. Humanistische Psychologie ..................... 48 3.1 Grundpostulate der Humanistischen Psychologie .... 49 3.1.1 Das optimistische Menschenbild ........... 49 3.1.2 Brachliegende Krafte im Menschen und gesell- schaftliche Zwange . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 52 3.1. 3 Ganzheitliche Sicht des Menschen . . . . . . . . .. 55 3.1.4 Vorsicht mit Kategorisierungen! ........... 58 3.1.5 Zentraler Stellenwert der Interaktion im Hier und Jetzt .......................... 61 3.1.6 Authentizitat des Therapeuten ............ 63 3.1. 7 Das Wissenschaftsverstandnis der Humanistischen Psychologie ........................ 66 3.2 Die Humanistische Psychologie in der BRD . . . . . . .. 69 5 4. Zur Theone einer non-direktiven Pli'dagogik .......... 74 4.1 Zur gesellschaftlichen Situation in der BRD ....... 74 4.2 Lernen auf dem Hintergrund einer sich standig wan- delnden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78 4.3 Traditionelle Erziehungswissenschaft und ihre Konse- quenzen .............................. , 80 4.4 Antipadagogik - ein polemischer Entwurf einer Welt ohne Erziehung .......................... 88 4.5 Grundlagen des Konzepts einer non-direktiven Pada- gogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 91 4.6 Das Dilemma der Lernziele .................. 98 4.7 Damit keine MiBverstandnisse entstehen 103 5. Zur Praxis selbstbestimmter Lernprozesse .......... " 106 5.1 Wichtige Elemente freien Lernens .............. 107 5.1.1 Gruppe als stabilisierender Faktor . . . . . . . . .. 107 5.1.2 Selbstbestimmung der Lernenden .......... 110 5.1.3 Motivation: Betroffenheit ............... 114 5.1.4 Identitat von Lern- und Handlungsraum: Lernen durch Erfahrung ..................... 122 5.1.5 Lernen und Gefiihle ................... 127 5.1.6 Verschiedene Stadien imProzeB freien Lernens .. 131 5.1.7 Die Reaktion von Institutionen ........... 140 5.2 Zur Rolle des Padagogen .................... 143 5.2.1 Die gangige Vorstellung: der Padagoge als Tech- nologe ............................ 143 5.2.2 Der Padagoge als Fragender und Lernender . . .. 147 5.2.3 Die Ausbildung des Padagogen: Lernen iiber sich selbst und iiber das kiinftige Arbeitsfeld ...... 150 5.2.4 Authentizitat im LernprozeB, oder: Was macht der Padagoge mit eigenen Gefiihlen? ........ 156 5.2.5 Der Wertehintergrund des Padagogen . . . . . . .. 159 5.2.6 Manipulation im LernprozeB ............. 161 5.2.7 Konkrete Aufgaben des Padagogen ......... 167 5.2.8 "Falsches" und "richtiges" Verhalten ....... 169 6 6. Ergebnisse und gesellscbaftlicber Stellenwert selbstbestimm- ter Lernprozesse ............................ 173 6.1 Die integrierte Personlichkeit ................. 173 6.2 Selbstverwirklichung ...................... 175 6.3 Politische Relevanz freien Lernens ............. 178 7. Situationen in der Praxis non-direktiver Piidagogik ...... 182 7.1 Biirgerversammlung: iiber die Katharsis zur Gruppen- bildung ............................... 183 7.2 Schule: nicht nur "lehren" (W. Dorsch) .......... 187 7.3 Wohnsiedlung: lernen durch gemeinsames Tun 189 7.4 Hochschule: "Ich habe gemerkt, wie behabig ich ge- worden bin." ........................... 194 7.5 Sozialer Brennpunkt: aller Anfang ist schwer ...... 198 7.6 Schule: miteinander reden und gemeinsam die Routine aufbrechen ............................. 200 Scbluftbemerkung 206 Literaturverzeicbnis ............................ 208 7 Vorwort Das abgeiaufene Jahr hieB offiziell das Jahr des Kindes. Wohl nicht zufallig riickten in diesem J ahr besonders die Probleme des Kin des in den Vordergrund des Offentlichen Interesses. Erfreuliches wurde selten berichtet. Ein Thema ruckte besonders in den Blick punkt von Padagogen und Eltern: Angst, Schulangst der Kinder. Es hat den Anschein, als ob der oft angedrohte Ernst des Lebens unsere Kinder schon langst erfaBt hat, noch bevor sie uberhaupt eine Chance hatten, kindlich, naiv, hoffnungsfroh, vertrauensvoll und unbekummert zu sein. Blickt man auf die Partner der Kinder, dann scheinen ihre Eltern ihre eigenen Sorgen urn eine ungewis se Zukunft dadurch zu erleichtern suchen, daB sie in bester Absicht ihre Kinder friihzeitig und fiir alle Falle griindlich ausbilden und ausbilden lassen. Mit sanftem Druck, unschlagbaren Argumenten, warnenden Beispieien oder einfach durch Verhindern oder Ver schweigen anderer Moglichkeiten werden Kinder angehalten, im Spiel Dinge zu tun, die "sinnvoll" sind, sich in der Schule mit denen zu messen, die "besser" sind, auf der StraBe Freunde zu haben, die .. verniinftig" sind. Nach den Bediirfnissen des Kindes wird dabei nicht gefragt. Betrachtet man die Form der Anleitung unserer Kinder, so ist nicht zu verkennen, daB sich harte ErziehungsmaBnahmen iiber holt haben und statt dessen appellative Formen der Erziehung bevorzugt werden: das Kind wird als Partner angesprochen, der bei nur geringer Anstrengung seines Verstandes einsehen muB, daB das, was er tun soll, auch das richtige ist, was er im Grunde ja auch tun will. In jedem Fall geht es darum, den Heranwach senden dorthin zu bringen, wo die Erwachsenen schon sind. So weist denn auch jede Form von Erziehung drei Prinzipien auf: sie konserviert das, was Erwachsene schon konnen; sie leitet Heran wachsende zu dem, was Erwachsene als giiltig definiert haben; sie wehrt ab, was diesen ProzeB der Erziehung zu gefahrden droht. In der offenen Sprache des Suches von Wolfgang Hinte konnte man auch sagen: jede Erziehung gibt Direktiven, wer was wie zu lernen hat. 9 Erzogen wird nahezu immer und iiberall, wo Erwachsene mit Kindern umgehen. Doch die Padagogisierung geht noch weiter und ergreift den Alltag der Menschen. bffentliche Meinungen werden zu bestimmten Zwecken gesteuert, Politiker ermahnen zu einem bestimmten politischen Verhalten, Massenmedien pra sentieren Exempel des erfolgreichen Menschen, Propheten schei den unerbittlich zwischen richtig und falsch. Dber Argumente und Vorbilder, logische Schliisse und den Verweis, dag "man" dieses heute tut und jenes lagt, wird unser Denken und Hande1n padagogisiert, in Bahnen ge1enkt, manipuliert. Die Manipulation geht noch weiter. Sie zieht sich durch unsere Alltagshandlungen hindurch, indem wir versuchen, andere dazu zu bringen, das fiir richtig zu halten, was wir fiir richtig halten. Manchmal tun wir dies in naiver Unschuld. Nicht se1ten bedie nen wir uns aber auch der Usancen des Tauschens und Tauschens, des schlagenden Arguments und des verschwiegenen Interesses - und gehen davon aus, dag alle anderen es genau so tun. Wem die Argumente ausgehen, dem steht vielleicht politische oder oko nomische Macht zur Verfiigung, einigen wurde auch ein Amt be schert, das ihnen die Moglichkeit gibt, das richtige Verhalten von Menschen einzuiiben oder das falsche zu bestrafen. In den Alltags interaktionen setzt sich fort, was wir im Laufe eines langen Er ziehungsprozesses ge1ernt haben: keine Interaktion dem Zufall zu iiberlassen, sondern sie geschaftsmagig zu planen und zu steu ern. Dies ist uns so in Fleisch und Blut iibergegangen, dag wir vor allem und unbedingt eine Situation steuern, in der ge1ernt werden soil. Dber strategischen Dberlegungen ZUT Steuerung von Lern prozessen ist das Subjekt dieser Lernprozesse zum Objekt pad agogischer Magnahmen verkiimmert. Dber der optimalen Steu erung von Lernzuwachs wurde vergessen, dag der Mensch dazu geschaffen ist, se1bst Erfahrungen zu machen, dag in ihm autono me Krafte stecken, selbst Entscheidungen zu treffen und Priori taten aus eigenem Interesse heraus zu setzen. Ais Erwachsene miis sen wir dann mit diffuser Angst und fehlender Authentizitat da fiir zahlen, dag wir im Laufe von langjahrigen Erziehungsprozes sen davon abgehalten wurden, se1bst zu denken. So ist es nicht verwunderlich, wenn Erwachsene auch ihren Kindern nicht zu trauen, se1bst zu denken, selbst Erfahrungen zu machen. Diesen Kreislauf der Vererbung von Angstlichkeit, Anpassung und nicht-authentischem Taktieren kann nur eine neue Form des 10 Umgangs zwischen den Menschen durchbrechen. Diese Form mug in einem neu gearteten Lernprozeg erarbeitet werden. So ist es das Grundanliegen des Buches von Wolfgang Hinte, Menschen dazu zu bringen, das personliche Wachstum aus sich se1bst heraus zu wagen, an sich zu glauben und sich als unverwechselbare Per son in die Alltagsinteraktionen einzubringen. Betrachtet man die politische und padagogische Wirklichkeit, so drangt sich mir eine Frage auf: Wie umfangreich und sicher sind denn die Erfah rungen, die Heranwachsende mit anderen als den taglich prasen tierten erfolgreichen Leitbildern machen? Oder anders: We1che Alternativen prasentieren z. B. offizielle Erzieher zu den Verhal tensformen, in denen Anpassung nur deshalb nicht mehr sicht bar wird, weil sie iiber den Weg der Verinnerlichung zu einer schein bar selbstbestimmten Identitat hochstilisiert wurde? Das Modell der non-direktiven Padagogik will gegen solche Skepsis, ob sich namlich Heranwachsende und Erwachsene dem Druck der raffinierten Manipulation durch den Erwartungsdruck des "man" und die padagogische Anleitung zum "richtigen" Him deln iiberhaupt entziehen konnen, eine neue Form der Verstan digung zwischen Lernenden und Lehrenden, zwischen Menschen iiberhaupt, setzen. Die Form dieser Verstandigung soli die des Diskurses sein. Gegen die enttauschende Erfahrung, dag die Fa higkeit zum Diskurs nicht zu den starksten Seiten des Menschen, geschweige denn des "mehr wissenden" Padagogen gehort, wird die schlichte Forderung gesetzt, jeden Lernpartner ernst zu nehmen, des sen und die eigenen Bediirfnisse und Probleme, Fahigkeiten und Interessen in gleicher Weise zu artikulieren und zuzulassen. 1m Mitte1punkt einer so verstandenen Padagogik - die natiirlich weit iiber Schule hinausgeht und letztlich jede Form der Verstandi gung iiber gemeinsames Handeln im privaten und offentlichen Raum meint - steht also weder der Lernende noch der Lehren de, denn die diskursive Verstandigung erlaubt weder zentrale noch peri ph ere Positionen: jeder mug seine Lernerfahrungen machen konnen, in seiner Umgebung, mit seinen Sinngehalten, mit seinen Werten und seinen Zielen. Es ist nicht auszuschliegen, dag professionelle Erzieher, Sozial arbeiter, Dozenten oder Eltern das Konzept der non-direktiven Padagogik migverstehen. Um dem vorzubeugen, mochte ich zwei Warnungen vorwegschicken: Bei dem Konzept geht es nicht um eine humane Variante eines laissez faire-Erziehungsstils, hinter dem sich oft nur Xngstlichkeit, Selbstzweifel und Ratlosigkeit verber- 11

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