Niemand hat an der Uhr gedreht! Die Phantomzeittheorie auf dem Pru¨fstand Ronald Starke Vierte Auflage, Mai 2013 Zum Autor: Ronald Starke, geb. 1980, Vordiplom in Wirtschaftsinge- nieurwesen (Maschinenbau) an der HTWK Leipzig, Diplomarbeit an der Uni Leipzig auf dem Gebiet der theoretischen Festk¨orperphysik, ab 2009 wissenschaftliche Mitarbeit an der Uni Wien auf dem Gebiet der Quan- tenfeldtheorie, Promotion 2012, seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bergakademie Freiberg. Umschlagbild: Raffael, Die Schule von Athen (Ausschnitt) Differenz-Verlag Franz Krojer Postfach 900315 81503 Mu¨nchen kontakt@differenz-verlag.de www.differenz-verlag.de Mu¨nchen 2011 Sinnspru¨che This is the story of a scientific crime. By this I do not mean a crime planned with the care and thoroughness that scientists like to think of as a characteristic of their profession, nor do I mean a crime carried out with the aid of technological gadgetry like hidden microphones and coded messages on microdots. I mean a crime committed by a scientist against his fellow scientists and scholars, a betrayal of the ethics and integrity of his profession. Dies ist die Geschichte eines Wissenschaftskrimis. Dabei denke ich kei- neswegs an Verbrechen, die mit der Sorgfalt und Gru¨ndlichkeit geplant wurden, die Wissenschaftler gerne als Charakteristikum ihres Metiers reklamieren. Ich denke auch nicht an Verbrechen, die mittels technischer Spielereien wie etwa versteckten Mikrophonen und kodierten Botschaf- ten auf Mikrodots [Mikrofilmen in der Gr¨oße eines i-Punkts] begangen wurden. Ich meine das Verbrechen eines Wissenschaftlers, das er gegen seine Kollegen und Studenten begangen hat, ein Betrug an Ethos und Integrit¨at seines Berufsstandes. [U¨bers.: Claudia Fink] Robert R. Newton In constructing a new theory, we shall be careful to insist that they should be precise theories, giving a description from which definite conclusions can be drawn. We do not want to proceed in a fashion that would allow us to change the details of the theory at every place that we find it in conflict with experiment, or with our initial postulates. Any vague theory that is not completely absurd can be patched up by more vague talk at every point that brings up inconsistencies – and if we begin to believe in the talk rather than in the evidence we will be in a sorry state. Bei der Theoriebildung sollten wir mit aller Sorgfalt darauf bestehen, 5 dass wir pr¨azise Theorien entwickeln. Sie sollten eine genaue Beschrei- bung bieten, aus der klare Schlussfolgerungen gezogen werden k¨onnen. Dabei sollten wir uns bei unserem Vorgehen immer davon leiten lassen, dass wir keineswegs Einzelheiten der Theorie ¨andern, wenn sie sich im Widerspruch zu Experimenten oder zu unseren anf¨anglichen Postulaten befinden. Jede ungenaue Theorie, die nicht v¨ollig abwegig ist, kann durch eine noch ungenauere Ausdrucksweise an allen widerspru¨chlichen Stellen ausgebessert werden – wenn wir aber der Ausdrucksweise mehr Glauben schenken als den Beweisen, befinden wir uns in einem beklagenswerten Zustand. [U¨bers.: Claudia Fink] Richard P. Feynman Qui stiamo cercando di rifare la storia, nulla ci deva fare pau- ra. Wir sind hier dabei, die Weltgeschichte umzuschreiben. Da du¨rfen wir vor nichts zuru¨ckschrecken. Il pendolo di Foucault La gente non ha creduto a Semmelweis, che diceva ai medici di lavarsi le mani prima di toccare le partorienti. Diceva cose troppo semplici. La gente crede a chi vende la lozione per far ricrescere i capelli. Sentono per istinto che quello mette insieme verita` che non stannoinsieme,chenon`elogicoenon`einbuonafede.Maglihanno detto che Dio e complesso, e insondabile, e quindi l’incoerenza e la cosa che avvertono piu simile alla natura di Dio. L’inverosimilie e la cosa piu simile al miracolo. Die Leute haben Semmelweis nicht geglaubt, als er den A¨rzten sag- te, sie sollten sich die H¨ande waschen, bevor sie die Geb¨arenden anfassen. Er sagte zu simple Sachen. Die Leute glauben dem, der Haarwuchsmittel 6 fu¨r Glatzk¨opfige anpreist. Sie spu¨ren zwar instinktiv, dass er Wahrheiten zusammenkleistert, die nicht zusammenhalten, dass er nicht logisch ist und nicht seri¨os. Aber man hat ihnen gesagt, Gott sei komplex und unergru¨ndlich und daher empfinden sie Inkoh¨arenz als etwas Gott¨ahnli- ches. Das Unwahrscheinliche ist dem Wunder am ¨ahnlichsten. [U¨bers.: Burkhart Kroeber] Il pendolo di Foucault Es sind ja immer gewisse Auswege m¨oglich, um einer Falsifika- tion zu entgehen, – etwa ad hoc eingefu¨hrte Hilfshypothesen oder ad hoc abge¨anderte Definitionen; ist es doch sogar logisch wi- derspruchsfrei durchfu¨hrbar, sich einfach auf den Standpunkt zu stellen, dass man falsifizierende Erfahrungen grunds¨atzlich nicht anerkennt. Zwar pflegt der Wissenschaftler nicht in dieser Wei- se vorzugehen; aber, logisch betrachtet, ist ein solches Vorgehen m¨oglich. ...Auch wir halten zwar eine rein logische Analyse der Systeme – die auf deren Wechsel, deren Entwicklung keine Ru¨ck- sicht nimmt – fu¨r notwendig. Aber auf diese Weise kann man jene Eigentu¨mlichkeit der empirischen Wissenschaft, die wir so hoch sch¨atzen, nicht erfassen. Denn wer an einem System, und sei es noch so ’wissenschaftlich’, dogmatisch festh¨alt (z. B. an dem der klassischen Mechanik), wer seine Aufgabe etwa darin sieht, ein System zu verteidigen, bis seine Unhaltbarkeit logisch zwingend bewiesen ist, der verf¨ahrt nicht als empirischer Forscher in unserem Sinn; denn ein zwingender logischer Beweis fu¨r die Unhaltbarkeit eines Systems kann ja nie erbracht werden, da man ja stets z. B. die experimentellen Ergebnisse als nicht zuverl¨assig bezeichnen oder etwa behaupten kann, der Widerspruch zwischen diesen und dem System sei nur ein scheinbarer und werde sich mit Hilfe neuer Einsichten beheben lassen. (Beide Argumente wurden im Kampf gegen Einstein zu Gunsten der Newtonschen Mechanik oft verwen- det; auch in den Geisteswissenschaften sind sie gebr¨auchlich.) Wer 7 in den empirischen Wissenschaften strenge Beweise verlangt (oder strenge Widerlegungen), wird nie durch Erfahrung eines Besseren belehrt werden k¨onnen. Karl Raimund Popper Beobachtung ist stets Beobachtung im Licht von Theorien. Karl Raimund Popper Ich bin der Ansicht, dass unter Gespr¨achspartnern, die an der Wahrheit interessiert und bereit sind, aufeinander einzugehen, eine vernu¨nftige Diskussion immer m¨oglich ist. Karl Raimund Popper Diese letzte Pru¨fung soll feststellen, ob sich das Neue, das die Theo- rie behauptet, auch praktisch bew¨ahrt, etwa in wissenschaftlichen Experimenten oder in technisch-praktischer Anwendung. Auch hier ist das Pru¨fungsverfahren ein deduktives: Aus dem System werden (unter Verwendung bereits anerkannter S¨atze) empirisch m¨oglichst leicht nachpru¨fbare bzw. anwendbare singul¨are Folgerungen (’Pro- gnosen’) deduziert und aus diesen insbesondere jene ausgew¨ahlt, die aus bekannten Systemen nicht ableitbar sind bzw. mit ihnen in Widerspruch stehen. U¨ber diese – und andere – Folgerungen wird nun im Zusammenhang mit der praktischen Anwendung, den Experimenten usw. entschieden. F¨allt die Entscheidung positiv aus, werden die singul¨aren Folgerungen anerkannt, verifiziert, so hat das System die Pru¨fung vorl¨aufig bestanden; wir haben keinen An- lass, es zu verwerfen. F¨allt eine Entscheidung negativ aus, werden Folgerungen falsifiziert, so trifft ihre Falsifikation auch das System, aus dem sie deduziert wurden. Die positive Entscheidung kann das System immer nur vorl¨aufig stu¨tzen; es kann durch sp¨atere 8 negative Entscheidungen immer wieder umgestoßen werden. Solang ein System eingehenden und strengen deduktiven Nachpru¨fungen standh¨alt und durch die fortschreitende Entwicklung der Wissen- schaft nicht u¨berholt wird, sagen wir, dass es sich bew¨ahrt. Karl Raimund Popper Diese Vornehmtuerei gegen ¨achte Verdienste ist freilich ein be- kannter Kunstgriff aller Scharlatane zu Fuß und zu Pferde, verfehlt jedoch, Schwachk¨opfen gegenu¨ber, nicht leicht ihre Wirkung. Da- her eben auch n¨achst der Unsinnschmiererei die Vornehmtuerei der Hauptkniff auch dieses Scharlatans war, so daß er bei jeder Gelegenheit nicht bloß auf fremde Philosopheme, sondern auch auf jede Wissenschaft und ihre Methode, auf Alles was der menschliche Geist im Laufe der Jahrhunderte durch Scharfsinn, Mu¨he und Fleiß sich erworben hat, vornehm, fastidi¨os, schn¨ode und h¨ohnisch herabblickt von der H¨ohe seines Wortgeb¨audes. Arthur Schopenhauer Fordert der Gegner uns ausdru¨cklich auf gegen irgend einen be- stimmten Punkt seiner Behauptung etwas vorzubringen; wir haben aber nichts rechtes; so mu¨ssen wir die Sache recht ins Allgemeine spielen und dann gegen dieses reden. Wir sollen sagen warum einer bestimmten physikalischen Hypothese nicht zu trauen ist: so reden wir u¨ber die Tru¨glichkeit des menschlichen Wissens und erl¨autern sie an allerhand. Arthur Schopenhauer 9 10
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