Trans- und interkulturelle Politische Theorie und Ideengeschichte Die Reihe ‚Trans- und interkulturelle Politische Th eorie und Ideengeschichte‘ be- schäft igt sich mit dem im Fach bislang kaum systematisch bearbeiteten Problem- komplex der Kulturbezogenheit politischen Denkens. Im Mittelpunkt stehen dabei einige Leitfragen, die das Th emenfeld aus verschiedenen Perspektiven aufrollen: Dekonstruktionsmöglichkeiten ‚westlicher‘ Ideengeschichten werden ebenso be- handelt wie das Problem von Normativität im Spannungsfeld von Kulturrelativis- mus und Universalismus. Einen zentralen Stellenwert haben auch die Analyse von kulturüberschreitenden Transfers von Begriff en und Ideen und die Untersuchung der Machtverhältnisse, die sich in ihnen widerspiegeln. Nicht zuletzt greift die Reihe die Möglichkeit interkultureller Dialoge, die identitätsstift ende Praxis kultu- reller Selbstverortungen und die Frage der methodischen Untersuchbarkeit politi- schen Denkens in kulturübergreifender Perspektive auf. Damit zielt sie insgesamt nicht nur darauf ab, einen neuen Bereich der Politischen Th eorie zu erschließen, sondern will ihre Ergebnisse auch für andere Bereiche der Politik- und Sozialwis- senschaft sowie der Regionalforschung fruchtbar machen. Holger Zapf (Hrsg.) Nichtwestliches politisches Denken Zwischen kultureller Diff erenz und Hybridisierung Herausgeber Dr. Holger Zapf Universität Göttingen Deutschland ISBN 978-3-658-00554-2 ISBN 978-3-658-00555-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-00555-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- n a lbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Inhalt Einleitung ............................................................................................................ 7 I Perspektiven und konzeptioneUe Probleme einer transkultureUen Politischen Theorie Kulturüberschreitende Perspektiven in der Politischen Theorie ..................... 13 HolgerZapj Mind the Gap! Political Ethnography & Translations ofWestern Concepts in non-Western Contexts .................................................................................. 31 Tobias Berger Normativität und Relationen im transkulturellen Vergleich ............................ 47 JanneMende Vier Laster einer vergleichenden politischen Theorie und das Projekt einer globalen Demokratietheorie ................................................. 65 Alexander Weiß 11 Westliche und nichtwestliche politische Ideen: Analysen Vodim zwischen Religion und Politik. Zur Bedeutung der vorkolonialen politischen Strukturen in Benin ................ 77 Siinami Parfait Bokohonsi Die Aneignung der Menschenrechtssemantik ................................................. 95 Sybille De La Rosa 6 Inhalt Politiken der Übersetzung Die Haitianische Revolution als Paradigma einer Dekolonisierung des Politischen ................................................................................................ 109 Jeanette Ehrmann Westliche politische Ideen zwischen Import und Degradierung Ein Fall negativer Interdependenz am Beispiel des Liberalismus in Russland ...................................................................................................... 127 Jöm Knobloch Die Rezeption der consociational democracy in Ghanas Verfassungsdiskussion (1991-92) - eine interkulturelle Theoriedebatte? ..... 145 Ste/an Skupien ,Säkularismus' jenseits vom ,Kampf der Kulturen' und der ,Pflicht zum öffentlichen Vernunftgebrauch': Eine transkulturelle Perspektive ........ 163 Ulrike Spohn III Anschlussmöglichkeiten für die empirische Forschung Welche Bedeutung/en hat ,Demokratie' weltweit? Aktuelle Befunde aus der empirischen politischen Kulturforschung als Beispiel für eine Variante ,transkulturell vergleichender Politischer Theorie' ................. 185 Sophia Schubert Übersetzungspraktiken und die widersprüchliche Logik des Politischen Eine praxistheoretische Grundlegung der Transformationsfurschung .......... 213 Taylan Yildiz Einleitung Die Auseinandersetzung mit der kulturellen Spezifik politischer Ideen hat Kon junktur. Aus verschiedenen Gründen besteht gesellschaftlicher Aufklärungsbe darf - dazu zählen unter anderem die Intensivierung von kulturübergreifenden Kommunikationsbeziehungen, die globale Dimension sozialer und politischer Probleme und der Verdacht, Konflikte ränden vornehmlich über Kulturgrenzen hinweg statt. Daraus ergeben sich zunächst Fragen an das kulturell Andere: "Wie denken die Anderen über politische Fragen?", "Warum denken sie so?", "Wie se hen sie unsere Lösungsmodelle (und uns)?" und "Können wir uns überhaupt mit einander verständigen?" Jede dieser Fragen impliziert dabei eine Grenze, die beide Gruppen vonei nander scheidet - eine Grenze, die durch in sich homogene und stabile Kulturen bestimmt ist. Wenn die Fragen in dieser Form beantwortet werden, (re-)produ zieren die Antworten daher die vorgegebenen Grenzen. So kann die erste Fra ge nach den politischen Ordnungsvorstellungen beispielsweise mit dem Verweis aufkulturspezifische Werte beantwortet werden - die berühmten ,asian values' etwa, die bei asiatischen Völkern eine Vorliebe für Kollektivismus, Solidarität und Stabilität aufkommen lassen. Damit ist dann implizit auch schon die Ant wort auf Frage zwei gegeben - sie denken so, weil es ihnen ihre Kultur eben nahe legt - ganz im Unterschied zu unserer Kultur, die uns auf Individualismus und Freiheitsliebe verpflichtet. Die dritte Frage - "Wie sehen sie uns?" - lässt ohne Weiteres den Schluss zu, ,sie' würden ,uns' :für dekadent, materialistisch, arro gant und gotteslästerlich halten - und das wiederum, weil sie eben ihrer Kultur angehören, und wir der unseren. Und auch die Frage nach der Verständigungsrä higkeit impliziert substantielle Differenzen zwischen den Kulturen - andernfalls müsste sie ja nicht gestellt werden. All das ist freilich problematisch. Die Frage nach der Bedeutung von Kultur tendiert anscheinend per se dazu, diese zu reifizieren und zu homogenisieren - mit der Konsequenz, dass den Angehörigen bestimmter Kulturen Eigenschaften unterstellt werden, die sie keinesfalls haben müssen. Dadurch können sie zugleich zur (Negativ-)Folie der Eigenwahrnehmung werden, wodurch letztlich Konflik te wechselseitig verstärkt werden. Aus diesem Grund muss die Auseinanderset- 8 Einleitung zung mit ,nichtwestlichem' politischen Denken (die Anfiihrungszeichen markie ren die implizite Unterstellung grundsätzlicher Unterscheidbarkeit, die ihrerseits ebenfalls problematisiert werden kann) in ein Spiel mit dieser prima faeie vorge fundenen Differenz eintreten. Kulturen dürfen nicht zu ernst genommen werden, sie dürfen nicht als unhintergehbarer und determinierender Rahmen für politi sche Ideen und Orientierungen gelten. Vielmehr eröffnen sie einen vielfältigen Bezugsraum, der es oftmals ermöglicht, bestimmte Vorstellungen sowohl abzu lehnen als auch gutzuheißen. Insofern ist es die Herausforderung bei einer kulturüberschreitenden Aus einandersetzung mit politischen Ideen, einerseits die oben genannten Fragen zu bearbeiten, ohne dabei andererseits in die aufgezeigte Falle - die KuituraIismus falle, wenn man so will-zu tappen. Es geht daun darum, kulturelle Differenzen nicht zu leugnen, sie produktiv zu halten, sie aber auch nicht zum Angelpuukt der Analyse zu machen. Genau in diesem Spannungsfeld fand die Gründungsta gung der DVPW-Themengruppe "Transkulturell vergleichende Politische Theo rie" unter dem Titel "Zwischen Assimilation und Kulturkampf. Westliche Ide en im nichtwestlichen politischen Diskurs" statt, die mit dem vorliegenden Band dokumentiert wird. Alle hier versammelten Beiträge behandeln die oben aufge worfenen Fragen in der einen oder anderen Konfiguration oder stellen auf einer reflexiven Ebene die Frage danach, welche Probleme mit dem Stellen dieser Fra gen verbunden sind und wie diesen Problemen begegnet werden kann. Sie treten damit ein in das Spiel mit der kulturellen Differenz, das im Bereich der akademi schen Politischen Theorie noch daraufwartet, systematisch betrieben zu werden. Den Anfang machen drei Beiträge, die einen besonderen Fokus auf die Chan cen und Probleme legen, die sich aus transkulturellen Perspektiven auf politische Ideen ergeben. Die sechs folgenden Beiträge wenden sich auf die eine oder an dere Weise den eingangs genannten Fragen zu und zeigen exemplarisch auf, wie viele spannende und produktive Sichtweisen sich mit dem Projekt einer trans kulturell orientierten Politischen Theorie verbinden lassen - die Aneignung oder Ablehnung westlicher Konzepte ist hier der dem Tagungsthema geschuldete Fo kus. Abschließend greifen zwei Beiträge die Frage auf, welche Anschlussmög lichkeiten sich für die empirische Forschung ergeben, wenn Politische Theorie transkulturell betrieben wird. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Griindungstagung sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die sehr anregende Tagung und die konstruktiven Wortmeldungen gedankt - die Sprecherinnen und Sprecher der Themengruppe hoffen, hieran in Zukunft anknüpfen zu können. Einleitung 9 Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Walter Reese-Schäfer, der die Grün dungstagung an der Universität Göttingen ideell und finanziell unterstützt hat, und Verena Metzger, die die Publikation des Tagungsbandes beim VS-Verlag von Anfang an wohlwollend und hilfreich begleitet bat. Göttingen, den 1.8.2012 HolgerZapj
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