Uwe Hans Wiese Neuroplastizität im Rückenmark Experimentelle Studien zur Expression von Growth-Associated Protein (GAP-43) Neuroplastizität im Rückenmark Uwe Hans Wiese Neuroplastizität im Rückenmark Experimentelle Studien zur Expression von Growth-Associated Protein (GAP-43) Uwe Hans Wiese Europa-Universität Flensburg Flensburg, Deutschland ISBN 978-3-658-27360-6 ISBN 978-3-658-27361-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27361-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail- lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. 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Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Für Mahvash Phillip, Benjamin und David V Geleitwort Es ist noch nicht lange her, dass die Begriffe ‚Neuroplastizität‘ und ‚Rückenmark‘ noch kaum in Verbindung gebracht wurden: Das Rückenmark, wie auch der phylogenetisch noch ältere Hirnstamm wurden traditionell als wenig plastisch, als ‚hard wired‘ in ihren fundamentalen, weitgehend der Motorik dienenden Funktionen angesehen. In den 1980-er Jahren wurden dann die molekularen Grundlagen von neuronalen und axonalen Wachs- tumsvorgängen zuerst im peripheren, dann auch im zentralen Nervensystem schrittweise bekannt: Das Vorkommen von Wachstumsfaktoren, die in unterschiedlicher Weise unter- schiedliche Populationen von Nervenzellen und Nervenbahnen zum Wachstum bringen und anziehen können, auch die Existenz von spezifischen Wachstumshemmproteinen und repulsiven Wegleitungs-Molekülen. Diese Faktoren wirken über Membran-Rezeptoren auf den Nervenzellen und den Wachstumsspitzen der Nervenfasern, und sie beeinflussen eine intrazelluläre Maschinerie, die der Bildung und Elongation von Fasern und dem Aufbau von synaptischen Verschaltungen dient. Das ‚growth associated protein‘ GAP-43 war eine der ersten biochemischen Komponenten dieser zellulären Maschinerie, die gefunden wurden. – Das vorliegende Buch gibt einen einmaligen Einblick in die frühen Stadien dieser Forschung, insbesondere in die Techniken und Befunde zur Lokalisation von GAP-43, Befunde, die bis heute gültig sind. Darüber hinaus beinhaltet es umfangreiche, bis dahin nicht publizierte, Originaldaten von ebenfalls hohem und aktuellem Wert. U.H. Wiese konzentriert sich dabei vorrangig auf das erwachsene Zentralnervensystem, und da insbe- sondere auf das Rückenmark, die Spinalganglien und die Auswirkungen von Verletzungen dieser Strukturen. Zwei herausragende, hier beschriebene Befunde haben unser Wissen um das als starr und fest verdrahtet angesehene Rückenmark von Grund auf verändert: Der Nachweis des Vorhandenseins von GAP-43 in gewissen Nervenzellen und Fasern des normalen, erwachsenen Rückenmarks und der Spinalganglien, und der Nachweis, dass Verletzungen zu einem starken Anstieg der GAP-43 Spiegel führen können, was oft mit Sprossung von Nervenfasern und dem Aufbau neuer Verschaltungen korreliert ist. Diese Befunde trugen wesentlich bei zu einem völlig neuen Bild des erwachsenen Rückenmarks, das heute durch einen hohen Grad an struktureller und funktioneller Anpassungsfähigkeit, Nervenfaserwachstum über kürzere Distanzen und Bildung neuer Schaltkreise insbeson- dere nach Verletzungen gekennzeichnet ist. Solche Vorgänge nennen wir Plastizität; sie VII VIII Geleitwort sind ein Fokus heutiger neurowissenschaftlicher Forschung. Die Arbeit von Uwe Wiese hat dazu einen wichtigen Grundstein geliefert. Zürich, 19. März 2019 Martin E. Schwab Professor für Neurowissenschaften Universität Zürich und ETH Zürich Vorwort Die für den allgemeinen Betrachter wie für den Spezialisten vom Zentralnervensystem (ZNS) ausgehende Faszination begründet sich in seiner immensen Leistungsfähigkeit und der ihr zugrundeliegenden strukturellen Komplexität. Nach langer Zeit vorausgegangener spekulativer Betrachtungen, hypothetischer Erwägungen und schlussendlich Nachweises der Zuordnung definierter Strukturen des ZNS zu bestimmten Funktionen auf der Basis experimenteller und klinischer Studien, wie der Lokalisation zuständiger Areale des Gehirns für die Steuerung der Motorik oder der Sprache, eröffnete sich ein neues Interessenfeld neurowissenschaftlicher Forschung: Die Frage nach der Modifizierbarkeit funktionstra- gender struktureller Bestandteile des ZNS durch äußere und innere Einflüsse auf den sich entwickelnden oder vollständig ausgereiften Organismus, seien sie durch Läsionen, Deprivation sensorischer Eingänge oder intensivierte normale Aktivitäten, zum Beispiel das Lernen bestimmter Bewegungsabläufe, ausgelöst. So kam es bald zu der Erkenntnis, dass sich die ohnehin schon äußerst komplexe Struktur des ZNS mit ihren elementaren Bausteinen, den Neuronen, deren Verbindungen untereinander sowie ihrer Anordnung zu neuronalen Netzwerken auch im adulten Zustand biochemisch, physiologisch und mikrostrukturell – wenn auch in erheblich eingegrenztem Maß – als veränderbar erwies, sich also plastisch verhält. Dieser phänomenologische Aspekt, begrifflich gefasst als Neu- ronale Plastizität oder Neuroplastizität, ist ohne Umschweife geknüpft an die Frage nach seiner funktionellen Relevanz, aus klinischer Perspektive dem Potential zu postläsionellen reparativen Prozessen mit dem Effekt der Wiederherstellung von Funktion, oder alter- nativ, zu inadäquat ausgerichteter, den ursprünglichen neuronalen Verbindungen nicht entsprechender, Reinnervation mit der Konsequenz von Fehlfunktion, wie zum Beispiel Schmerz, Spastik oder Epilepsie. Das strukturell neuroplastischen Prozessen zugrundeliegende Aussprossen von Axonen, Axon-Terminalen und die Ausbildung synaptischer Kontakte von Neuronen während der Entwicklung, ebenso wachstums-kompetenten adulten Nervenzellen mit Fortsätzen im Bereich des peripheren Nervensystem sowie verschiedenen Neuronengruppen innerhalb des ZNS unter normalen und postläsionellen Bedingungen ist verbunden mit der Expression wachstums- und regenerations-assoziierter Gene, denen auch das Gen zuzuordnen ist, welches das „Growth-associated Protein 43“ oder „GAP-43“ enkodiert. Dieser Eiweiß- IX X Vorwort körper etablierte sich rasch als ein vorrangiger Marker für neuroplastische Prozesse im ZNS, sowohl das Gehirn als auch das Rückenmark betreffend. Die vorliegende Monographie trägt die Ergebnisse meiner Studien zur Expression von GAP-43 im Rückenmark von Albinoratten zusammen, die vorrangig am Institute of Animal Physiology and Genetics Research, Babraham, Cambridge, U.K. (The Babraham Institute, Universität Cambridge) und auch am National Institute of Neurological Dis- orders and Stroke (NINDS)/National Institutes of Health (NIH), Bethesda, MD, U.S.A. erstellt wurden. Die Fokussierung der Untersuchungen auf das Rückenmark ergab sich aus meinen langjährigen Eindrücken und Erfahrungen mit zahlreichen querschnittgelähmten Patienten, die ich als klinisch tätiger Neurochirurg gesammelt habe (siehe dazu auch Kap. 2 der vorliegenden Schrift). Die nun hier vorgebrachten Daten stellen selbstredend und zweifelsfrei keine vollends abgeschlossene oder gar komplette Darstellung zum gewählten Thema der Neuroplastizität im Rückenmark unter dem Aspekt der Expression von GAP-43 dar. Dennoch erhoffe ich mir, mit ihnen einen Beitrag zur Translationalen Medizin leisten zu können. Sie mögen des Weiteren am Rückenmark interessierten Neurologen, Neurochirurgen und in der Paraple- giologie tätigen Rehabilitationsmedizinern, ebenso Studenten der Biologie und Medizin Einblicke in die vorgebrachte Thematik eröffnen und mit ihr befassten Neurowissenschaftlern einen Grundstock für fortgesetzte Studien bieten. Insofern erschien es mir auch sinnvoll, neben den zahlreichen Abbildungen im Text zusätzlich einen Anhang mit sequentiell angeordneten Darstellungen von GAP-43-immunhistochemischen Gewebsschnitten des normalen adulten Rückenmarks der Ratte in Form eines Atlas als Referenz einzufügen. – Der oben bereits erwähnte Aspekt meiner Provenienz als klinischer Neurochirurg be- gründet umso mehr, dass ich nachfolgend aufgeführten Personen und Institutionen zu tiefstem Dank verpflichtet bin: Herrn Dr. Piers C. Emson, Emeritus, ehemaliger Leiter der MRC Molecular Neuro- science Group, Department of Neurobiology, Institute of Animal Physiology and Genetics Research, Babraham, Cambridge, U.K. für die umfassende Einführung in die methodischen Aspekte der Molekularen Neurobiologie, anhaltende geduldige Beratung im Fortverlauf der umfangreichen Studien sowie die anregenden Diskussionen in weiten Feldern der Molekularen Genetik und Zellbiologie, darüber hinaus für die Herstellung von persön- lichen Kontakten zu Dr. Raisman, Mill Hill, London und Dr. Frankel, Stoke Mandeville; Herrn Prof. Dr. Hiroshi Kiyama, Direktor des Dept. of Functional Anatomy and Neu- roscience, Universität Nagoya, Japan, für die dezidierte Beratung in Fragen der Histoche- mie, insbesondere der in situ-Hybridisierungs-Histochemie, und darüber hinaus für seine persönliche Freundschaft während der gemeinsamen Zeit in Cambridge, U.K.; Herrn Prof. Dr. Igor Klatzo (verstorben am 5. Mai 2007), ehemals Leiter des Laboratory of Neuropathology and Neuroanatomical Sciences, National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS), National Institutes of Health (NIH), Bethesda, U.S.A. für die ehrenvolle Einladung zur gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeit in seiner Abteilung sowie für seine persönliche Freundschaft; Vorwort XI Herrn Prof. Dr. Achim Wolff, Emeritus, ehem. Direktor des Institutes für Klinische Anatomie und Entwicklungsneurobiologie der Universität Göttingen, für die „Keim- setzung“ vertieften Interesses an den Neurowissenschaften und der neurobiologischen Grundlagenforschung; Herrn Prof. Dr. Martin E. Schwab, Emeritus, ehem. Direktor des Instituts für Hirnfor- schung der Universität Zürich, Schweiz, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich, für seine intensive und zugleich freundschaftliche Unterstützung, die gemeinsame Zeit an seinem Institut sowie weitergehende Stimulation auf dem Gebiet der Neurorege- nerationsforschung ebenso, wie die Förderung meines Ansinnens zur Erstellung der hier vorliegenden Monographie; dem International Spinal Research Trust (ISRT) für das tiefe Interesse sowie die daraus resultierende umfassende finanzielle Unterstützung des Forschungsprogramms, dessen Ergebnisse zu weiten Teilen in die vorliegende Schrift eingeflossen sind, in Form eines Stipendiums; Herrn Peter Banyard, M.A., ehemaliger Scientific Director des ISRT für die persönliche Unterstützung einschließlich meiner Aufnahme in das Scientific Committee des ISRT; der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie für die hohe Ehrerbietung, die mir mit der Verleihung des Ludwig-Guttmann-Preises zuteilwurde. Mein Dank gilt auch Frau Hinrichsen und Frau Bell vom Springer Verlag für ihre freund- liche und geduldige Wegweisung bei der Fertigstellung der nun vorliegenden Monographie. Abschließend sei meiner lieben Ehefrau Mahvash Wiese herzlich gedankt für die un- erschöpfliche Solidarität und liebevolle Unterstützung in der Realisierung der vorgelegten Schrift, die ihr wie auch unseren Söhnen Phillip, Benjamin und David gewidmet ist. Glücksburg (Ostsee), im März 2019 Uwe H. Wiese XI