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Neues Jahrbuch Dritte Welt: Globalisierung und Entwicklungsländer PDF

161 Pages·2003·3.822 MB·German
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Neues Jahrbuch Dritte Welt Joachim Betz . Stefan Brüne (Hrsg.) N eues Jahrbuch Dritte Welt Globalisierung und Entwicklungsländer Leske + Budrich, Opladen 2003 Gedruckt auf säurefreiem und alterungs beständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für die Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 978-3-8100-3668-1 ISBN 978-3-322-97579-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97579-9 © 2003 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich, Opladen Inhalt ] oachim Betz Die Globalisierung aus der Sicht der Entwicklungsländer ................... 7 Tobias Debiel Terrorismus im Zeitalter der Globalisierung ......................................... 23 Kai Haßz Globalisierung und Demokratisierung in Entwicklungsländern: Die Informationsrevolution hat die "dritte Welle der Demokratisierung" verpasst ..................................................................... 39 Hans-Joachim Spanger Die Globalisierung und der Staat: differenzierte Blicke auf uniforme Trends ............................................. 53 Amr Hamzan:y Die Gefahr der Globalisierung: Arabische Debatte nach dem 11. September 73 S iegmar S chmidt Afrika - ein marginaler Kontinent? Die Globalisierung aus afrikanischer Perspektive .......................................................................... 87 Hartmut Sangmeister Lateinamerika im Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung Wahrnehmungen, Aktionen, Reaktionen ............................................... 101 6 Inhalt Dons Fischer China auf dem Weg in die Globalisierung: Selbstverständlichkeit oder Systemgefahrdung? ................................... 115 Andreas UJ en Die Globalisierung und ihre Wahrnehmung in Südostasien .............. 133 ] oachim BeIz Indien und die Globalisierung ................................................................. 145 Tabellen und Abbildungen zur Globalisierung von Entwicklungsländern ................................................................................. 159 Autoren/Herausgeber ............................................................................... 165 Joachim Betz Die Globalisierung aus der Sicht der Entwicklungsländer 1. Einführung: Was müssten wir wissen? Das diesjährige Neue Jahrbuch Dritte Welt befaßt sich mit dem Thema Globalisierung und Entwicklungsländer. Im Gegensatz zu den nicht mehr überschaubaren Beiträgen zur Globalisierung generell, zu ihrer Auswirkung auf die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Steuerungs fähigkeit des Nationalstaates, auf die demokratische Verfassung und kulturelle Identität von Gesellschaften sowie zur Notwendigkeit und Möglichkeit globalen Regierens, sind Beiträge zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Auswirkungen der Globalisierung auf die Ent wicklungsländer rar geblieben. Sie belassen es überdies meist bei der Aus sage, daß die Verteilungswirkungen der Globalisierung auf die Dritte Welt fatal seien, stünden doch wenigen Gewinnern (den international vernetzten Unternehmern vornehmlich im asiatischen Raum) die über große Masse der Marginalisierten, von den Früchten der Globalisierung Ausgeschlossenen, gegenüber. Solche Aussagen müssen nicht unbedingt falsch sein, entbehren aber doch der notwendigen Differenzierung und lassen nicht erkennen, wie sich die Wenigen gegenüber den Vielen durchsetzen konnten. Denn auch die Globalisierung von Entwicklungs ländern verlangt ja, daß diese sich aktiv weltwirtschaftlich integriert, also etwa Zölle und Kapitalverkehrskontrollen abgebaut und ausländische In vestitionen erleichtert haben. Der Hinweis auf den Internationalen Wäh rungsfonds und die Weltbank als Agenturen zur Durchsetzung einer globalen Kapitallogik kann da nicht sonderlich überzeugen, erstens, weil die Durchsetzungschancen dieser Institutionen grob überschätzt werden und diese zwar in der Regel makroökonomische Stabilisierung und in terne Deregulierung verlangen, keineswegs aber voreilige und vollständi ge außenwirtschaftliche Liberalisierung. Das führt gleich zur nächsten Einschränkung: Oftmals werden die vermeintlichen oder tatsächlichen Folgen von Globalisierung mit denen von Strukturanpassung unter Ägi- 8 Joachim Setz de der Bretton Woods-Institutionen in Eins gesetzt und nicht mehr sinnvoll geschieden. Dies betrifft häufig auch die krisenhaften Verwer fungen, die weltweite Konjunktureinbrüche in Entwicklungsländern auslösen, gleichgültig, ob diese globalisierungsbedingt sind oder nicht. Es ist freilich nicht ganz leicht, die Folgen der Globalisierung vom Rest zu isolieren; dies sollte aber zummdest intellektuelles Ziel bleiben. Das setzt auch einen einigermaßen trennscharfen Begriff von Globali sierung voraus. Diese wird in der Literatur meist nur als enorme Intensi vierung der weltwirtschaftlichen Prozesse, der grenzüberschreitenden Bewegung von Kapital, Waren, Dienstleistungen und (seltener) Arbeits kräften und damit auch als Intensivierung der Unternehmens- bzw. Standortkonkurrenz verstanden. Schränkt man die Definition auf diese quantitativen Aspekte ein, fragt sich natürlich, was denn die Globalisie rung qualitativ Neues gebracht und ob der Begriff nicht nur modischen Charakter hat (Reinicke 1998; Scholte 1997). Dazu kommt, wie etliche Autoren (Hirst 1997; Hübner 1998) immer wieder betonten, daß auch das Niveau des weltwirtschaftlichen Austausches heute quantitativ jenes kurz vor dem Ersten Weltkrieg kaum übertrifft. Die wirtschaftlichen, ge sellschaftlichen und kulturellen Globalisierungsprozesse konzentrieren sich überdies auf die Länder der Triade - also die USA, die EU, Japan und ihr jeweils engeres regionales Umfeld - und dort auf eine Reihe be grenzter Wachstumszonen. Qualitativ neue Elemente der Globalisierung könnten sein das Entstehen grenzüberschreitender Netwerkstrukturen der Produk tion, die sich in immer komplexere einzelwirtschaftliche Wertschöp fungsketten aufsplittern; damit verbunden die Zunahme von in trasektoren bzw. unternehmensinternen Handel und Investitionen; der Rückgang der materiellen Produktion zugunsten informationser zeugender Aktivitäten bei Flexibilisierung des Produktionsablaufs; die zunehmende Entgrenzung von Kommunikation bei drastisch sin kenden Einheitspreisen; die Unterwerfung der nationalen Währungs-, Geld- und Fiskalpolitik unter das Diktat der Weltfinanzmärkte bei Angleichung der globalen Kapitalrenditen; damit verbunden der Rückgang staatlicher Besteue rungsfähigkeit und sozialpolitischen Gestaltungsspielraums; im Zusammenhang damit wachsende interne soziale Disparitäten und die langsame Erosion des demoktatischen Kompromisses in den stark globalisierten Staaten. Die Globalisierung aus der Sicht der Entwicklungsländer 9 Diese und ähnliche Elemente könnten mit Indikatoren vermessen und um solche eher "weichen" Zuschnitts (Abnahme kultureller Identität etc.) kombiniert werden. Leider sind entsprechende Indikatorensysteme bislang kaum entwickelt oder überprüft. In der Literatur verwendete In dikatoren sind meist die Außenhandelsquote, der Anteil ausländischer Investitionen an den Bruttoanlageinvestitionen und ähnliches, also ver gleichsweise klassische Indizes weltwirtschaftlicher Interdependenz. In Bezug auf die hier interessierenden Auswirkungen auf Entwicklungslän der kommen die üblichen Probleme der Datenverfügbarkeit und -ver läßlichkeit hinzu. Wirklich überzeugende Forschungsergebnisse über die wirtschaftlichen und sozialen, noch viel weniger über die kulturellen Globalisierungseffekte in der Dritten Welt dürfen also nicht erwartet werden. 2. Globalisierung und Marginalisierung von Entwicklungsländern Dessen ungeachtet soll im Folgenden versucht werden, die bisher vorlie gende Empirie darzustellen. Sie bildet den Hintergrund für die Länder bzw. Regionalpapiere dieses Bandes, die sich darin einig sind, daß nicht nur die tatsächlichen oder vermeintlichen negativen sozialen und wirtschaft lichen Folgen für eine kritische Einstellung zur Globalisierung maßgebend sind. Das muß auch deswegen so sein, weil diese Folgen teilweise nur an satzweise eingetreten sein können, da etwa die Kapitalmarktliberalisie rung in vielen Entwicklungsländern noch nicht oder erst teilweise umge setzt worden ist, die Zollsätze noch vergleichsweise hoch liegen, Aus landskapital nur in Maßen zugeflossen ist, Internetanschlüsse nur privi legierte Städter nutzen können usw. Inhalt der Debatte in Entwick lungsländern sind denn auch mehr befürchtete Effekte, denn eingetrete ne. Dazu kommt, daß diese Effekte vermutlich deutlich weniger negativ sind, als die Mehrheitsmeinung in den Entwicklungsländern (und auch bei uns) nahelegt. Mehrheitsmeinung ist dabei natürlich als veröffent lichte Meinung von Eliten zu verstehen, da sich die große Masse in der Dritten Welt unter Globalisierung wenig vorstellen und sich publizi stisch nicht äußern kann (vgl. Beitrag Siegmar Schmidt). Diese Eliten haben oftmals von der bisherigen kulturellen und wirtschaftlichen Ab schließung ihrer Heimatländer profitiert, sei es, daß ihnen dadurch Ex- 10 Joachim Betz traprofite auf dem Binnenmarkt ermöglicht, ihnen die wirtschaftliche, kulturelle oder intellektuelle Konkurrenz vom Leibe gehalten oder inter national Abstinenz bei der Verurteilung von Mißwirtschaft, Menschen rechtsverletzungen und Korruption geübt wurde (vgl. Beitrag des Verfas sers zu Indien). Die Gruppe der "Globalisierungswinnler" ist in Ent wicklungsländern zwangsläufig zunächst gering oder politisch wenig oder gar nicht organisationsfähig; sie besteht aus den exportorientierten Unternehmern, aus Vertretern des Finanzsektors, aus den Konsumenten von Importgütern und den Landwirten, die mehr als den Eigenbedarf erwirtschaften. Von daher verwundert es nicht, daß der Chor der Oppo nenten dominiert, vor allem in jener Ländern und Ländergruppen, die schwache wirtschaftliche Leistungen aufweisen und/oder sich in der Globalisierung nur schlecht positionieren konnten. Zunächst zur Behauptung, große Teile der Dritten Welt würden durch die Globalisierung wirtschaftlich marginalisiert. Damit kann der Anteil der Entwicklungsländer am internationalen Handel nicht gemeint sein, denn der ist in den 90er Jahren gestiegen. Ebenso wenig ihr Anteil an den privaten internationalen Kapitalströmen, denn auch dieser ist kräftig (zumindest bis zur Asienkrise) gewachsen. Betrug der auf die Dritte Welt entfallende Teil der privaten internationalen Direktinvesti tionen 1990 gerade 15%, so stieg er bis 1997 auf 40%, um dann im Gefolge der Asienkrise wieder auf 20% zu fallen. Vor Anfang der 90er Jahre waren überdies Entwicklungsländer nur in sehr moderatem Maße Empfänger von Portfolioinvestitionen oder in der Lage, Anleihen an in ternationalen Kapitalmärkten zu platzieren. Heute liegen - um ein letztes Beispiel zu nennen - die Devisenreserven einiger Entwicklungsländer (etwa Taiwans oder der VR China) auf auch für Industriestaaten re spektablem Niveau. Nun kann man berechtigterweise einwenden, daß sich die Anteilsgewinne am Außenhandel und bei den privaten Kapital transfers auf nur wenige Schwellenländer konzentrieren. Das provoziert die Gegenfrage, ob man die VR China, Indien, Indonesien, Vietnam, Mauritius und eine ganze Reihe anderer Länder (die Anteilsgewinne ver zeichneten) als Schwellenländer ansprechen darf und den noch gewichti geren Hinweis, daß der Anteil dieses ungefähren Dutzend erfolgreicher "Schwellenländer" an den außenwirtschaftlichen Transaktionen ziemlich exakt ihrem Anteil an der Wirtschaftskraft oder der Bevölkerung der Dritten Welt entspricht. Meist meint man aber beim Hinweis auf die marginalisierenden Ef fekte der Globalisierung eigentlich ihre Verteilungswirkungen: Es gilt in kritischen Kreisen als ausgemacht, daß die Globalisierung die Disparitä- Die Globalisierung aus der Sicht der Entwicklungsländer 11 ten zwischen Staaten und Staatengruppen, innerhalb dieser, zwischen Arbeit und Kapital sowie zwischen gering und hochqualifizierten Ar beitskräften erhöht hat. Ein klassischer Text dazu ist der Trade and De velopment Report der UNCTAD (1997): Ihm zufolge hat die Kluft zwi schen Nord und Süd im Zuge der Globalisierung zugenommen, begün stigt wurden im Süden allenfalls wenige Schwellenländer. Die Finanziers gewännen überall die Oberhand über die Industrie, die Rentenbezieher über die Investoren. Die Profitquote habe zu Lasten der Löhne zuge nommen, die Lohnkluft zwischen Nord und Süd (mit Ausnahme der Schwellenländer) und innerhalb des Südens wachse, die Mittelschichten sähen sich vielfach einem Erosionsprozeß ausgesetzt, Armut und Infor malität nähmen zu. Dieser Diagnose würden sich die Mehrzahl der Nichtregierungsorganisationen im enrwicklungspolitischen Bereich und sämtliche kritischen Dritrweltforscher im Norden anschließen. Dabei werden zumeist die Aussagen des Human Development Report (UNDP 1999) popularisiert, demzufolge die reichsten 20% der Weltbevälkerung 1960 über das 30-fache Einkommen der ärmsten 20% verfügten, 1997 aber das 74-fache; gleichzeitig habe auch innerhalb der Staaten die Un gleichheit fast überall zugenommen. , Gegen diese Diagnose kann allerdings schweres Geschütz aufgefahren werden: Dem neuesten Globalisierungsbericht der Weltbank zufolge wiesen die Enrwicklungsländer, die sich stark in die Welrwirtschaft inte griert haben, in den 90er Jahren ein ungleich schnelleres Wirtschafts wachstum (5% pro Jahr) als die Enrwicklungsländer mit geringer Inte gration (- 1%) oder die Industrieländer (2%). Die welrwirtschaftliche Integration habe der Masse der Armen bessere Arbeitsplätze verschafft und die volkswirtschaftliche Produktivität erhöht. Die Einkommensverteilung habe sich (jedenfalls im Durchschnitt) bei den Globalisierungswinnlern nicht verschlechtert, Malaysia und die Philippinen erwa zeigten gar eine Verbesserung, China und ganz Latein amerika allerdings nicht. Die Verschlechterung in Lateinamerika sei al lerdings bedingt durch grobe Ungleichgewichte beim Bildungszugang schon vor der welrwirtschaftlichen Integration, in China sei sie eher durch regionale Einkommensunterschiede bedingt, erkläre sich durch die starke Gleichverteilung vorher und werde kompensiert durch eine massi ve Abnahme der absoluten Armut (World Bank 2001). Die Weltbank, der IWF und die WTO suggerieren, daß diese positi ven Wachstums- und Armutseffekte Folge einer marktfreundlichen, ex portorientierten Politik und vorsichtiger Kapitalmarktliberalsierung sei en; Unternehmen in offenen Volkswirtschaften sähen sich stärkerer, lei-

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