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Neuer Staat mit alten Parteien?: Die deutschen Parteien nach der Wiedervereinigung PDF

278 Pages·1997·5.934 MB·German
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Ju rgen Dittberner Neuer Staat mit alten Parteien? J urgen Dittberner Neuer Staat mit alten Parteien? Die deutschen Parteien nach der Wiedervereinigung Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dittberner, Jiirgen: Neuer Staat mit alten Parteien? : die deutschen Parteien nach der Wiedervereinigung 1 Jurgen Dittberner. - Opladen : Westdt. VerI., 1997 ISBN-13: 978-3-531-13085-9 e-ISBN-13: 978-3-322-87305-7 001: 10.1007/978-3-322-87305-7 Alle Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden 1997 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH. Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere rur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.westdeutschervlg.de Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Bucher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf saurefrei em und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiBfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Btirkle, Darmstadt Umschlagbild: Honore Daumier: EN BALLON CAPTIF (1867) Gedruckt auf saurefreiem Papier Inhalt Vorwort. ....................................................................................................... 7 1. Der Wandel des deutschen Parteiensystems .................... 13 2. Das Innenleben der Parteien .............................................. 30 Mitglieder ................................................................................................... 31 Kleine Funktionare und Kommunalpolitiker .......................................... 55 Landespolitiker .......................................................................................... 68 Die Bundesebene ........................................................................................ 84 3. Die Aktionsfelder der Parteien .................................................. 97 Parlamentarisches ...................................................................................... 99 Verwaltungsspezialitaten ........................................................................ 119 Das Kabinett, die gute Stube. .................................................................. 146 4. Die Altparteien ............................................................................... 160 Auf dem Weg zur Staatspartei? Die CDU ............................................ 168 Das bayerische ErfolgsmodeU der CSU: Die Regionalpartei im Bund .......................................................................................................... 181 Die SPD: Zwischen Organisation und Chaos ? .................................... 191 Die FDP: Stehen oder Gehen? .............................................................. .201 5 5. Neuformierungen .......................................................................... 217 Von der Demo zum Koalitionsausscbu6: Die Griinen .......................... 218 Zwei politiscbe Kulturen in Deutscbland: 1st die PDS eine tempor are Regionalpartei? ....................................................................................... 231 Die Recbten auf der Sucbe nacb einem Platz im Parlament.. ..............2 41 6. Vom Bonner zum Berliner Parteiensystem? ..................... 254 Literatur ...................................................................................................2 68 Personeneregister .....................................................................................2 74 6 Vorwort 19. April 1996: Ich sitze in Bonn am Rheinufer auf einer Bank. Es ist 15 Uhr. Direkt vor mir hat die "Wappen von Bonn" losgemacht. Es ist ein Fahrgastschiff, gut besetzt und rahrt iiber Konigswinter nach Remagen und Linz. In Fahrtrichtung sehe ich am westlichen Ufer des Rheins das Palais Schaumburg, den "Langen Eugen" und dahinter das Siebengebirge. Gegen den Friihlingshirnmel ist deutlich der Petersberg zu erkennen. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich dort an einem Abendessen teilgenommen, das Klaus Kinkel zu Ehren von Andrzej Szczypiorski gegeben hatte. Hinter mir ist die Bonner Altstadt; dort haben die Gastwirte Tische und Stiihle auf Platze und Stra13en gestellt, und die Gaste genie13en das Friihjahr bei Kaffee, Cola oder Koisch. Die Leute sind freundlich, auch zum schwarzen Kellner, mit dem sie in rheinischer Mundart scherzen. Links von mir ist die gro13e Rheinbriicke nach Beuel; ich sehe Stra13enbahnen, Autos und Fahrradfahrer hin- und heriiber fahren. Uberall bliihen iippig Forsythien und Mandelbaume. Ein Luftballonverkaufer begrii13t die Dame im Kartenkiosk der "Koln-Diisseldorfer" Ausflugsreederei: "Hallo, auch wieder da? Jetzt sehen wir uns ja wieder einen Sommer lang." Die Kiosk-Dame kauft einen rosa Luftballon, ein Schwein, das fliegen kann. "Nachste W oche bring' ich neue Tiere", sagt der Ballonhandler irn Gehen. Ein paar Meter rheinaufwarts steht in einem schrnucken Blumenbeet eine Biiste mit der Aufschrift: "Dr. h.c. Peter Josef Lenne / Generaldirektor der Koniglich Preu13ischen Garten / * Bonn 1789 + Potsdam 1866". Und an einer Seite ist ein Schild: "Geschenk des Senats von Berlin an die Stadt Bonn aus Anla13 der 2000 Jahrfeier 29.9.1989". Beschaulichkeit, Ma13 und Kultur liegt iiber der Szene. 1st das Deutschland? In Bremerhafen, haben sie gestem gemeldet, erwarte man eine Arbeitslosenquote von 25%. In Mecklenburg-Vorpommem kriselt es in der Gro13en Koalition: Wirtschaftsminister Ringstorff von der SPD wiirde geme mit der PDS gehen und Ministerprasident werden. In Bayem wackelt der Stuhl des eben erst eingekauften Supertrainers Otto Rehhagel, "Konig Otto". Dem Offentlichen Dienst steht eine harte Tarifrunde bevor, weil der Staat finanziell aus dem Ruder gelaufen ist und seinen Beschaftigten eine "Nullrunde" anbietet, was von der OTV als "Provokation" bezeichnet wird. Auch in den anderen Tarifbereichen brodelt es, von den Banken bis zum Baugewerbe - dort ganz besonders. Die Renten sind unsicher, das Wort vom "Ende des Sozialstaates" macht die Runde in der Republik. Von 7 alledem ist hier nichts zu spfuen. Eine wohlhabende, gemlichliche und sehr alte Stadt genieBt den Friihling, atmet tief die laue Luft ein. Am 26. April 1996 steige ich in Berlin am Bahnhof Zoo aus der U-Bahn. Es ist 11 Uhr vormittags. Ais ich auf den Vorplatz des Bahnhofs trete, sehe ich viele Menschen: Reisende, die zur Fem-, S- oder U-Bahn, zu den doppelstockigen Bussen oder zu den Taxis streb en. Wie aufgezogen gehen sie wer Wege. Dazwischen Touristen, meist weiBhaarige Rentner in praktischer Freizeitkleidung, die etwas hilflos auf dem Bahnhofsvorplatz bummeln. Ob sie im Innersten das Rentenproblem zwackt? An den Eingangen des Bahnhofs, im Windscharten der Buden, aus denen Fahrkarten und BratwUrste, auch Bier und Schnaps verkauft werden, haben sich Obdachlose zusammengefunden, teils selbstversunken, teils das Publikum begaffend. Die Berliner nennen diese Menschen Penner, und auf die Penner werfen die jungen Polizisten in wen schlecht sitzenden griinen Uniformen immer wieder einen strengen Blick, damit sie niemanden belastigen und sich in den Laden nicht sehen lassen. Vor einiger Zeit harte der Senat von Berlin angekiindigt, nach einem Umbau des Bahnhofs auf Weltstadtniveau wiirden auch die Penner dort verschwinden. Das ist eine der vie len Versprechungen, aus denen nichts wurde in dieser Stadt. Ich gehe durch die Hochbahnbriicke in die HardenbergstraBe zum Amerika Haus, wo ich mit einem Besucher aus den USA verabredet bin. Es ist kiihl und windig. Gegeniiber dem Amerika-Haus befmdet sich der graue Trutzbau des Bundesverwaltungsgerichtes, das auch zu West-Berliner Zeiten hier residierte. Nun solI es nach den Empfehlungen der Foderalismuskommission die Hauptstadt verlassen. 1m Amerika-Haus wird umgebaut. Seit der APO-Zeit war es einer der prominentesten Orte der Stadt; Ziel wiitender Proteste fiir die einen, AuBenstelle der geliebten Besatzungsmacht fUr die anderen. Immer wurde das Amerika-Haus von der Polizei bewacht. Heute nicht. Der Gast ist noch nicht da. Mit einer Mitarbeiterin sehe ich mich etwas urn. Hinter dem Amerika-Haus war in einem Bfuohaus der fiinfziger Jahre das Oberverwaltungsgericht Berlin untergebracht. Es ist ausgezogen, das Gebiiude steht leer. Niemand will es haben. Uberhaupt ist das Gelande zwischen der lIardenbergstraBe und der S-Bahntrasse eine Brache. Vor kurzem harte es noch geheiBen, hier wfude gebaut werden, "anspruchsvoll". Heute ist es ein billiger Parkplatz, und in den Ecken haben sich wieder Penner niedergelassen. "Gefallt Dir wohl nicht hia, wa?" Dahinter ist das Theater des Westens. Mit Senatssubventionen spielen sie hier Musicals. Abends kommen Busse mit der Aufschrift "VIP" an der KantstraBe 8 vorgefahren, und festlich Gekleidete stromen in das Haus mit dem eklektizistischen Baustil. Heute spielen sie "Damn Yankees / 1m Stadion ist der Teufels los!" 1m Herbst wird der Intendant seinen Riicktritt erklaren, weil der Kultursenator das Geld fur das feste Ensemble nicht mehr geben will... Etwas we iter wieder in Richtung Zoo ist das Kaufhaus "Bilka". Seine Tage sind gezahlt; die neuen Eigentiimer halten es fur unrationell. 1m Herbst wird dort ein Sport-Shop erOffnen. Gegeniiber hat "Leineweber" zugemacht. Dort befmdet sich jetzt ein "Sex-Museum" von Beate Dhse. Auf der anderen Seite steht eine Abrillruine. Der Teppichhandler "Kiebeck" verhindert als Mieter den weiteren AbriB eines Geschaftshauses aus den funfziger lahren, allerdings haben die Investoren so weit vorgearbeitet, daB Kiebeck aus baulichen Sicherheitsgriinden fur lange Zeit nicht mehr verkaufen kann. Diese Ecke ist eine Ruine. 1m alten Zentrum West-Berlins tut sich zur Zeit mancher Schrotthaufen auf. Mit dem amerikanischen Besucher fahre ich nach Sachsenhausen. Wir besichtigen das ehemalige Konzentrationslager, in dem 100 000 Menschen ihr Leben lassen muBten. In der "Station ZIt wurden Haftlinge hinterriicks ermordet, gleich anschlieBend verbrannt. Das wisse er aus seiner Familie, sagt der Gast leise. Er weint. Abends gehe ich ins Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Es spielt das Berliner Sinfonie-Orchester unter seinem Chefdirigenten Micheal Schoenwandt. Der von der DDR-Regierung zur 750-1ahrfeier Berlin wiederhergestellte Schinkelbau strahlt in aller Festlichkeit. Das ist die gute Stube der neuen Bundeshauptstadt Berlin. Schon manche Staatsakte haben seit 1990 hier stattgefunden; Staatsprasidenten waren dabei. Dnd allmahlich wird der Platz davor, der "Gendarmenmarkt" mit dem Deutschen und dem Franzosischen Dom beiderseits des Schauspielhauses beeindruckend. Ringsum wird gebaut. Es sind Portugiesen, Englander und Polen, die hier rund urn die Uhr schaffen. Die deutschen Bauarbeiter treffen sich beim Arbeitsamt. Das Kaufhaus "Lafayette" in der FriedrichstraBe, nach der Wende hochgezogen, hat seine Tore geoffnet. Aber die vielen anderen irn Computer entworfenen Biirohauser rundherum stehen leer, warten auf die Hauptstadt. Nach Ende des Konzertes leert sich die Gegend rasch. Die Mitte Berlins, das Zentrum des Ostens ist jetzt eine Geisterstadt. Wachleute mit Hunden und groBen Taschenlampen machen die Runde. Dnd im 9 nahegelegenen "Hilton" treffen ab und zu Gaste ein. Berliner sind langst entschwunden: Die einen in den Osten, die anderen in den Westen. Die U Bahnstation "Stadtrnitte" miillte eigentlich "Stadtische Grenze" heillen. Ein dreiviertel Jahr spater hat sich das Bild schon verandert. In der neu errichteten urbanen FriedrichstraBe versammelt sich tagsiiber Geschaftsleben. Das Edelrestaurant "borchardt" ist mittags rappelvoll. Hier fmden sich Anwalte, Bauleute, Professoren der nahen Humboldt Universitat und Investoren ein. Mittags haben einige bereits AnlaE, Austern und Champagner zu ordern. Eintausend Meter weiter ostlich aber, am schon von Alfred Doblin als zugig beschriebenen Alexanderplatz wird manchem Passanten bange vor Hiitchenspielern und abgerissenen Ostlern mit bedrohlichen Hunden. 1st das Deutschland? Es ist wohl jenes Deutschland, von dem viele nichts wissen wollen. Ein Land im Urnschwung. Niemand weill, wohin dies fiihren wird. Schon wird gesagt, der deutsche Osten werde auf Dauer am Tropf des Westens hangen. Wie die meisten Berliner abends in die U-Bahn zwar mit der gleichen Linie, aber entweder nach Osten Richtung "Pankow VinetastraI3e" oder nach Westen Richtung "Ruhleben" fliichten, so verharren die meisten anderen Deutschen auf ihren Schollen. Aber selbst dort erreichen sie allrnahlich die Veranderungen iiber Sparzwange, offentliche Arrnut, Arbeitslosigkeit. So verstandlich es ist, daB mancher in Bonn denkt, am Rhein sei es besser als an der Spree: Die Berliner Republik mit ihren Problemen ist da, und sie wird ertraglicher werden, wenn man sie offen annirnrnt. Vor allem die Parteien miissen sagen, wie sie die Zukunft gestalten wollen. Sie sind die wichtigsten Trager der Politik. Und deswegen ist es interessant, wie der Zustand der politischen Parteien in Deutschland nach der Wiedervereinigung ist und ob sie Konzepte fur ihr Leben unter den neuen Umstanden entwickelt haben. Hierauf Hinweise zu geben, ist die Absicht dieses Buches. 1m Jahr 2000 werden der Bundestag und die Bundesregierung in Berlin sein. Der Bundesrat wird folgen, natiirlich auch die Botschaften. Gleichzeitig wird der TroE der Lobbyisten und Journalisten vom Rhein an die Spree ziehen. Die wohlsituierte Wissenschafts- und Beamtenstadt Bonn wird soliden, wenn auch wenig spektakularen Zeiten entgegensehen. In Berlin wird es Arger geben wegen der Sonderwiinsche der Politik im StraI3enverkehr und bei der Sicherheit. Es wird zu Streit kommen iiber Bahn-, StraBen- und Fluganschliisse. Die Bundespolitik wird in die Stadt hineimegieren, und der Senat wird klein aussehen, wenn er sich weiterhin 10 gegen die "Kanzler-U-Bahn" Unter den Linden oder die freie Fahrt durch das Brandenburger Tor sperrt. Burgerlich-konservative Beamte und erfolgsverwohnte Manager aus dem deutschen Westen werden sich unter das bunte Volkchen der Westberliner von den Kreuzberger Anarchos bis zu den Wilmersdorfer Witwen mischen, und sie werden zusammenleben mussen mit Ostberliner Proleten und roten Socken. Die egalitare Kleinburgermentalitat vieler umliegender Brandenburger wird die Neuankommlinge irritieren. Manche Kommentatoren beklagten nach dem UmzugsbeschluB des Bundestages, die Berliner seien nicht "hauptstadtreif'. Wie sollten sie auch, wenn die Hauptstadt bei ihnen noch gar nicht angekommen ist? Erst die interessante Mischung von Einheimischen und Zuwanderern wird den Typus des Hauptstadters im vereinten Deutschland schaffen. Die Einrichtung der Hauptstadt wird nicht ohne Konflikte und Nervereien abgehen. Alle Beteiligten werden sich dabei verandern. Die deutschen Parteipolitiker werden spritziger, frecher und direkter als in Bonn auftreten mussen, wollen sie sich in der Millionenstadt durchsetzen. Diesen groBstadtischen Stil werden sie uberall hin in ihre Parteien tragen, wo sich das Klima allrnahlich verandern wird. Zur groBeren Verantwortung in der Politik des vereinten Deutschlands wird wohl ein scharferer Umgangston der Verantwortlichen kommen. Der Ortswechsel der Hauptstadt ist ein einmaliges sozialpsychologisches und politisches Experiment. Zum vorliegenden Text sind zwei Anmerkungen wichtig: 1. Das Kapitel 3, "Aktionsfelder der Parteien", enthalt uberarbeitete Teile meines Buches "Berlin Brandenburg und die Vereinigung", das 1994 in der Edition Hentrich in Berlin erschien. 2. Besonders im Kapitel 2, "Das Innenleben der Parteien", - gelegentlich auch an anderen Stellen - werden Parteimitglieder erwahnt, deren Namen frei erfunden sind. Meiner Ehefrau Elke Dittberner danke ich sehr, daB sie mir neben ihren eigenen Aufgaben geholfen hat, den vorliegenden Text zu erstellen. Meinem Sohn Jan Dittberner bin ich dankbar, daB er mir manche Muhen der Computertechnik abgenommen hat. Berlin-Kladow 1996/97 11

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