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Neue Wege in der Integrationstheorie: Ein policy-analytisches Modell zur Interpretation des politischen Systems der EU PDF

313 Pages·1996·11.25 MB·German
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Wolfgang Schumann Neue Wege in der Integrationstheorie Wolfgang Schumann Neue Wege in der Integrationstheorie Ein policy-analytisches Modell zur Interpretation des politischen Systems der EU Leske + Budrich, Opladen 1996 ISBN 978-3-322-95845-7 ISBN 978-3-322-95844-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-95844-0 © 1996 Leske + Budrich, OpIaden Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Vorwort Angesichts der derzeitigen Situation an der Universitäten, den vielfältigen Belastungen durch Selbstverwaltungsaufgaben und Lehrveranstaltungen, stellt die Anfertigung einer größeren Monographie ein Unterfangen dar, das sich kaum noch realisieren läßt. Das gilt um so mehr, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine sehr komplexe, gleichzeitig eng mit zwei Teildis ziplinen verbundene Thematik handelt und versucht werden soll, neue Per spektiven aufzuzeigen und neue Anstöße zu geben. Mein besonderer Dank gilt deswegen dem Leiter der Abteilung I - In nen- und EG-Politik, Politische Theorie - des Instituts für Politikwissen schaft der Universität Tübingen, Herrn Prof. Dr. Rudolf Hrbek, der mich zu dem Vorhaben ermuntert und mir im universitären Alltagsbetrieb die not wendigen Freiräume für seine Verwirklichung verschafft hat. Der Arbeitszu sammenhang der Abteilung I hat darüber hinaus aber auch insofern zu der vorliegenden Studie beigetragen, als eine ganze Reihe von in diesem Rahmen entstandenen Arbeiten die empirische Basis für die nachfolgend präsentierten Überlegungen wesentlich verbreitern helfen haben. Dies gilt namentlich für die Magisterarbeiten von Frank und Peter Berg zur Umweltpolitik, Karin Heiniein zur Währungspolitik, Christian Roth zur Sozial-und Jürgen Wagner zur Medienpolitik der EU. Wichtige Anstöße habe ich durch die Möglichkeit erhalten, Anlage des Buches und zentrale Thesen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mei nes im Wintersemester 1994/95 durchgeführten Seminars "Das politische Sy stem der Europäischen Union im Lichte politikwissenschaftlicher Theorie" ausführlich diskutieren zu können. Kritische Rückfragen, insbesondere auch die berechtigten Forderungen, die zum Teil außerordentlich komplexen Sach verhalte verständlich darzulegen, haben mich veranlaßt, diesem Aspekt be sondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ob und inwieweit es gelungen ist, dieses Anliegen auch umzusetzen, mag dem Urteil des Lesers überlassen bleiben. Zu der Arbeit beigetragen haben des weiteren wertvolle Kommentare zu einzelnen Manuskriptteilen, die ich Adrienne Heritier und Peter Mehl ver danke, sowie Anmerkungen und Hinweise von Ragnar Müller, der die mühe- 5 volle Arbeit des Korrekturlesens auf sich genommen hat. Den genannten Kolleginnen und Kollegen schulde ich ebenso Dank wie den Gutachtern (Adrienne Heritier, Rudolf Hrbek, Siegfried Müller und Roland Sturm), die sich mit der als Habilitationsschrift von der Fakultät für Sozial- und Verhal tenswissenschaften der Universität Tübingen angenommenen Studie beson ders intensivauseinandergesetzt haben. Großen Anteil am Zustandekommen der hier vorgelegten Monographie hatten aber auch das Verständnis und die Unterstützung, die ich im Freun deskreis und insbesondere bei meiner Familie gefunden habe. Ohne sie, die mir über manchen "Durchhänger" und manche Krise hinweggeholfen haben, hätte dieses Buch nicht entstehen können. Ihnen gilt deswegen mein beson derer Dank, verbunden mit dem Versprechen, mir in Zukunft wieder mehr Zeit für sie zu nehmen, als dies in den letzten beiden Jahren möglich war. Herrenberg, im Juni 1996 Wolfgang Schumann 6 Inhaltsverzeichnis Vorwort.................................................................................................. 5 1. Einleitung ...................................................................... . 11 1.1. Zur Vorgeschichte: Von der Notwendigkeit und den Schwierigkeiten, den ganzen Elefanten zu erfassen .......... . 12 1.2. Erkenntnisse aus den vorliegenden Arbeiten hinsichtlich des Ergänzungsbedarfs eines policy-analytischen Konzepts zur Erfassung der EU ......................................... . 23 1.3. Die Entwicklung der Theoriediskussion im Rahmen der Policy-Analyse und der EU-Forschung ............................. . 26 1.4. Zu den Zielsetzungen und der Anlage der Arbeit .............. . 31 2. Versuche einer theoretischen Beschäftigung mit der Europäischen Union ................................. . 37 2.1. Überlegungen zu einer systematischen Erfassung und Einteilung von Theorieansätzen zur Untersuchung der Europäischen Union ........................................................... . 38 2.2. Die Perspektive der Internationalen Beziehungen: Der Ansatz von Moravcsik ....................................................... . 54 2.3. Die Policy-Analyse und ergänzende Ansätze der Vergleichenden Systemforschung ..................................... . 71 2.3.1. Der Ansatz der Policy-Analyse .......................................... . 74 2.3.2. Politikstil-und Policy-Profil-Konzept ............................... . 77 2.3.3. Der Policy-Netzwerk-Ansatz ............................................. . 81 2.3.4. Der Advocacy-COalition-Ansatz ........................................ . 86 2.3.5. Überlegungen zu einer Theorie des Policy-Lernens .......... . 91 2.3.6. Ideen, Werte und Überzeugungen in der internationalen Politik ................................................................................. . 96 7 2.3.6.1. Ideas and Foreign Policy: Grundsätzliche Überlegungen zur Rolle und Bedeutung von Ideen und Werten in der Außenpolitik ....................................................................... 97 2.3.6.2. Epistemic Communities und internationale Policy- Koordinierung..................................................................... 102 2.4. Die Policy-Analyse als Ansatz zur theoretisch- konzeptionellen Erfassung der EU....................... ...... ......... 105 3. Kernelemente des politischen Systems der Europäischen Union: Strukturen, Prozeßabläufe, Politikinhalte ................................. 111 3.1. Die Polity-Dimension: Strukturen und Akteure im EU- System................................................................................. 113 3.1.1. Die supranationale Ebene ................................................... 113 3.1.2. Die nationale und subnationale Ebene...... .... ... ................... 131 3.1.2.1. Das EU-Entscheidungssystem in den Mitgliedstaaten........ 134 3.1.2.2. Weitere relativ stabile länderspezifische Determinanten der EU-Politik der Mitgliedstaaten ..................................... 137 3.1.2.3. Relativ stabile politikbereichsspezifische Determinanten der EU-Politik der Mitgliedstaaten ..................................... 153 3.1.3. Zusammenfassung: Strukturen und Akteure im EU- Mehrebenen-System und das Zusammenspiel der Ebenen. 157 3.2. Die Politics-Dimension: Charakteristika von Prozeßabläufen und Policy-Zyklen in der Union................ 162 3.3. Die Policy-Dimension: Besondere Merkmale von EU- Policies ................................................................................ 172 3.4. Schlußfolgerungen .............................................................. 178 4. Elemente eines erweiterten policy- analytischen Modells zur Analyse und theoretischen Interpretation des EU-Systems. 187 4.1. Grundlegende Anforderungen an Modelle zur theoretisch- konzeptionellen Erfassung der EU...................................... 190 4.2. Voraussetzungen der Policy-Analyse zur Erfüllung der Anforderungen bei der Analyse und theoretischen Konzeptualisierung des EU-Systems.................................. 195 4.2.1. Möglichkeiten der Policy-Analyse zur analytischen Erfassung und Erklärung der politikfeldübergreifenden Dynamik des EU-Systems .................................................. 196 4.2.2. Verbesserung des Erklärungspotentials der Policy- Analyse durch eine gemeinsame Nutzung von Policy- 8 Netzwerk-, Advocacy-Coalition-, Epistemic Communities-Ansatz und der Überlegungen zum PoIicy- Lernen ................................................................................ . 204 4.2.3. Zum Verhältnis von Policy-Netzwerken, Advocacy Coalitions und Epistemic Communities im EU-System ..... 207 4.2.4. Zur Erfassung des Zusammenhangs zwischen politikfeldinternen und politikfeldübergreifenden Einflußfaktoren .................................................................. . 213 4.3. Kernelemente eines erweiterten policy-analytischen Modells .............................................................................. . 217 4.3.1. Zur systematischen Konzeptualisierung unabhängiger Variablen ............................................................................ . 220 4.3.1.1. Vorhandene Überlegungen ................................................ . 220 4.3.1.2. Elemente des Rasters ......................................................... . 229 4.3.1.2.1. Vorhandene institutionelle Arrangements ......................... . 231 4.3.1.2.2. Art und Eigenschaften der Akteure .................................... . 235 4.3.1.2.3. Charakteristika der Akteursbeziehungen ........................... . 249 4.3.1.2.4. Situationsstruktur ............................................................... . 263 4.3.1.2.5. Problemstruktur ................................................................. . 269 4.3.2. Zur Erfassung der Policy-Dimension: EU-Policies in ihrer Wirkung als unabhängige Variablen .................................. . 279 4.3.3. Konstellationen unabhängiger Variablen und Wirkungen von EU-Policies: Das policy-analytische Modell als Rahmen zur Analyse und Erklärung der Dynamik des EU- Systems .............................................................................. . 288 5. Anhang ........................................................................... . 303 5.1. Literaturverzeichnis ........................................................... . 303 5.2. Verzeichnis der Schaubilder und Übersichten ................... . 316 9 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit wurde durch eine ganze Reihe von Elementen beein flußt und geprägt, deren Kenntnis eine wichtige Voraussetzung darstellt, um ihre Zielsetzungen und Fragestellungen sowie den Argumentationsgang zu verstehen. Im Zentrum dieser einleitenden Ausführungen steht deswegen das Anliegen, den Leser mit diesen Zusammenhängen vertraut zu machen und zu zeigen, wie sie Anlage und Vorgehensweise bestimmt haben. Zu den in diesem Sinne wesentlichen Determinanten gehört einmal die Vorgeschichte. Dazu zählen eine ganze Reihe von in den letzten Jahren ent standenen Publikationen des Verfassers, die sich mit der Notwendigkeit und den Perspektiven einer policy-analytischen Herangehensweise an die EU be schäftigten. Dazu gehören des weiteren ein über sechs Jahre laufendes DFG Forschungsprojekt1, in dessen Mittelpunkt ähnliche Fragestellungen standen, und die innerhalb dieses Rahmens entstandenen Studien der Projektmitar beiter. Eine wesentliche Rolle haben, im engen Zusammenhang damit, die aus diesen Arbeiten gewonnenen Erkenntnisse gespielt und zwar insofern, als die damit verbundenen Hinweise auf Grenzen der bisherigen Vorgehensweise und die Richtung des Ergänzungsbedarfs die Fragestellungen und die Ziel richtung der vorliegenden Studie ganz wesentlich geprägt haben. Den dritten Einflußfaktor bildeten schließlich eine Reihe von neueren Entwicklungen in der Theoriediskussion und zwar sowohl der innerhalb der Policy-Analyse wie der in der EU-Forschung. Diese sollen nachfolgend im einzelnen etwas ausführlicher besprochen werden. Daran schließen sich zum Abschluß des Kapitels Erläuterungen zum Aufbau der Monographie an. Im Rahmen der interdiszplinären Tfibinger DFG-Forschergruppe "Europäische und inter nationale Wirtschaftsordnung aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland" an der als Oründungsmitglieder die Ökonomen Molsberger und StaJbatty, die Völkerrechtler Op permann und Oraf Vitzthum sowie, als Leiter des politikwissenschaftlichen Teilprojekts, Rudolf Hrbek beteiligt waren. 11 1.1. Zur Vorgeschichte: Von der Notwendigkeit und den Schwierigkeiten, den ganzen Elefanten zu erfassen Eines der zentralen Probleme der EG-Forschung bestand von Anfang an in der enormen Komplexität des Forschungsgegenstands, die sich erst in einem langjährigen, immer sehr eng mit der realen Gemeinschaftsentwicklung2 ver knüpften, bis auf den heutigen Tag andauernden Diskussionsprozeß, in dem immer wieder neue Perspektiven zugrundegelegt und immer wieder andere Elemente der Gemeinschaft in den Vordergrund des Interesses rückten, nach und nach zu erschließen begann. Das zeigte eine BESTANDSAUFNAHME DER INTEGRATIONSTHEORETISCHEN DISKUSSION in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, die den Ausgangspunkt für das politikwissenschaftliche Teilprojekt der oben erwähnten Forschergruppe bildete, und deren wichtigste Ergebnisse nachfolgend kurz zusammengefaßt werden sollen3, sehr deutlich. So war die Zeit direkt nach der Gründung der EWG einmal stark durch die Aktivitäten der neu geschaffenen Gemeinschaftsorgane geprägt. Schon bald jedoch wurde deutlich, daß nicht nur diese Institutionen sowie die Re gierungen der Mitgliedstaaten in den Integrationsprozeß einbezogen waren und ihn prägten, sondern auch nichtstaatliche Akteure. Die Zusammenarbeit von Verbänden der EG-Mitgliedstaaten, die ihren Niederschlag unter ande rem in der Gründung einer ganzen Reihe von Euro-Verbänden fand, war ein wichtiges Indiz für diese Entwicklung, die sich fortsetzte und nach und nach auch zur Konstituierung EG-weiter Zusammenschlüsse anderer Akteure, wie beispielsweise der Parteien, führte. Diese beiden zentralen Entwicklungslinien der ersten Dekade der Exi stenz des regionalen Zusammenschlusses haben - im Sinne des oben ange deuteten Zusammenhangs - auch deutliche Spuren in der integrationstheore tischen Diskussion hinterlassen. So stand beim föderalistischen Ansatz das Endziel des Integrationsprozesses im Mittelpunkt des Interesses4• Die Ver treter dieses Ansatzes gingen davon aus, daß es sich dabei nur um ein bun desstaatsähnliches Gebilde handeln konnte und beschäftigten sich in erster Linie mit seiner möglichen institutionellen Struktur und den notwendigen normativen Vorgaben. Die auf Friedrich (1972) zurückgehende neoföderali stische Variante bezog zwar auch die Frage nach dem Föderalisierungspro- 2 Eine ausführliche Analyse der Gemeinschaftsentwicklung findet sich unter anderem in Arter (1993), Dinan (1994: 9-195) und Nugent (19943: 1-56). 3 Die Darstellung basiert im wesentlichen auf Burkhardt-ReichlSchumann (1983a: 9-37) und Schumann (1992a: 1-8). 4 Dem föderalistischen Ansatz werden in der wissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl von Autoren zugeordnet. Vergleiche dazu vor allem die zusammenfassenden Darstellungen von Pentland (1973: 147-186) und Harrison (1974: 42-47). 12

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