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Neue soziale Bewegungen: Entstehung, Funktion und Perspektive neuer Protestpotentiale. Eine Zwischenbilanz PDF

207 Pages·1982·3.428 MB·German
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Karl-Werner Brand Neue soziale Bewegungen Karl-Werner Brand Neue soziale Bewegungen Entstehung, Funktion und Perspektive neuer Protestpotentiale. Eine Zwischenbilanz \Y' estdeutscher Verlag CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Brand, Karl-Werner: Neue soziale Bewegungen: Entstehung, Funktion u. Perspektive neuer Protestpotentiale; e. Zwischen bilanz / Karl-Werner Brand. - Opladen: Westdeutscher Verlag, 1982. ISBN-13: 978-3-531-11611-2 e-ISBN-13: 978-3-322-85982-2 DOl: 10.1007/978-3-322-85982-2 © 1982 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Umschlaggestaltung: Horst Dieter Biirkle, Darmstadt Satz: Hartmann-Satz, Nauheim Buchbinderische Verarbeitung: W. Langeliiddecke, Braunschweig AIle Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfaltigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Inhalt Einleitung 7 1. Neue soziale Bewegungen: ein neoromantiscber Protest? 11 1.1 Die Fragwiirdigkeit der gangigen politischen Zuordnungen ........................... 12 1.2 Die Fragwiirdigkeit marxistischer Ideologiekritik .... 16 1.3 Resiimee ........................... 24 2. Metbodiscbe Vberlegungen zur Untersucbung neuer sozialer Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.1 Zugrunde liegende These . . . . . . . . 26 2.2 Analytische Bezugsmodelle .................. 29 3. Erkliirungsansiitze zur Entstebung und zur gesellscbaftlicben Bedeutung der neuen sozialen Bewegungen ..... . . . . . . 50 3.1 Zyklische Erklarungsansatze ................. 51 3.2 Lineare (evolution are) Erklarungsansatze ......... 58 3.2.1 Politisch-institutionelle Ursachen .......... 58 3.2.2 "Oberschiegende" Erwartungen und Bediirfnisse ("rising demands") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Die Theorie des Wertwandels (R. Inglehart) 63 b) Die staatlich produzierte Anspruchsdynamik (H. Klages) ....................... 70 c) Die "sozialen Grenzen des Wachstums" (F. Hirsch) ..................... 76 d) Der Durchbruch der hedonistischen Ethik (D. Bell, LeineweberlSchibel) . . . . . . . . . . . 79 3.2.3 Reaktion auf verscharfte Problemlagen ("need defence") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) "Gesellschaftswandel und Kulturkrise" (R. Lowenthal) .................... 87 6 Inbalt b) Die "Krise der industriellen Zivilisation" 0. Raschke) .................. 90 c) Die "Kolonialisierung der Lebenswelt" 0. Habermas) ..................... 95 d) Die Geflihrdung der personalen Identitlit (W.-D. Narr, K. Horn, Th. Ziehe, St. Breuer) .. 101 e) Die "Heterogenisierung sozialer Konflikte" O. Hirsch) ....................... 111 f) tlkosozialistische Erkllirungsanslitze (A. Gorz, J. Huber) ................. 120 4. Zwischenbi/anz ............................. 129 4.1 Die gesellschaftlichen Geltungsbedingungen des industriellen Entwicklungsparadigmas ........... 130 4.2 Die Erschiitterung des industriellen Entwicklungs- paradigmas ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 6 4.3 Grenzen der konventionellen Problem- IOsungsstrategien ......................... 145 4.4 Die Infragestellung des industriellen Entwicklungs- paradigmas durch die neuen sozialen Bewegungen 149 4.5 Die sozialstrukturelle Verankerung der neuen Protestpotentiale ......................... 153 4.6 Eine "zweite Kultur?" ..................... 162 4.7 Die politische Relevanz der neuen sozialen Bewegungen ............................ 170 4.7.1 Verschiebungen im politisch-ideologischen Konfliktfeld ........................ 173 4.7.2 Die Formierung als politische Kraft . . . . . . . .. 181 4.7.3 Die politischen Durchsetzungschancen ... . . .. 189 Anmerkungen ................................ 196 Literatu, ................................... 203 Einleitung In den "neuen sozialen Bewegungen" schliegen sich sehr unter schiedliche Motive westlicher Zivilisationskritik zu einer heterogenen Bewegung zusammen, die ihr gemeinsames Selbstverstandnis aus der Erfahrung der enthumanisierend~n und lebenszerstorenden Folgen des industriellen Wachstums, deS industriellen Zivilisationsmodells schlechthin, bezieht. Symptome und Ursachen sind in dieser Erfah rung nicht geschieden: grogtechnische Ausbeutung und Verwiistung natiirlicher Lebensbedingungen; zunehmende Kommerzialisierung, Technisierung und Biirokratisierung sozialer Beziehungen; Zersto rung kleinraumiger, personlich iiberschaubarer Lebens- und Arbeits bereiche; wachsende Abhangigkeit von anonymen, technokratischen Kontroll- und Herrschaftsapparaten; wachsende Riistungsspirale und Kriegsgefahr; explosiv wachsende Welt-Hungerprobleme. Die in die sen Erfahrungen begtiindeten Zukunftsangste, Entfremdungsgefiihle und psych is chen Belastungen verschmelzen zu einer Widerstands und Protestbewegung, die ihre Schwungkraft und ihre Perspektive aus dem antimodernistischen Mythos des "natiirlichen", sei es des einfachen und iiberschaubaren, sei es des spontanen, bediirfnisorien tierten Lebens gewinnt. Dieser Mythos - gegen den des "technisch-industriellen Fort schritts" gestellt - und deshalb auch die Bewegung selbst, ist schein bar leicht im Umfeld der politischen Romantik, im Dunstkreis eines neuen Konservativismus zu verorten. Basisdemokratische, libertar anarchistische Vorstellungen brauchten dabei nicht zu irritieren; wenn nicht in der deutschen Tradition obrigkeitsstaatlicher politi scher Kultur, so stellen sie doch in den USA ein genuines Moment konservativer Tradition dar. Aber der dabei zugrunde gelegte analyti sche Bezugsrahmen, die Progressivitat des westlich-rationalen Zivili sationsmodells, gerat zunehmend ins Wanken; die okologischen, poli tischen, sozialen und psychischen Kosten des industriellen Verge sellschaftungsprozesses treten immer starker in Erscheinung. Konser- 8 Ein1eitrmg vativismus, sollte es sich urn einen solchen handeln, erhielte, yom restaurativen Interesse der etablierten konservativen Parteien abge koppelt, eine neue, hochst progressive Funktion: die Erhaltung von "Leben", die Wiederherstellung einer an "Lebensinteressen", an kommunikativen Bediirfnissen orientierten Lebensweise. Sozialismus erschiene in dieser Perspektive, realiter, nur als die konsequentere Variante technokratischer Industrialisierung; idealiter freilich schlie gen die Vorstellungen basisdemokratischer, bediirfnisorientierter, okologisch bewugter Lebensformen bruchlos an die Utopien des sozialistischen Denkens an ("die allseitige Entwicklung der Indivi duen"; "die freie Assoziation der Produzenten"; "das Absterben des Staats", des biirokratisch-militarischen Herrschaftsapparats). Werden die herkommlichen Kategorien somit untauglich, den politischen Stell en wert und die gesellschaftliche Funktion dieser neuen sozialen Bewegungen zu erfassen? Ich werde das im Rahmen dieser Arbeit insbesondere mit Blick auf die (jkologie- und Alterna tivbewegung zu klaren versuchen. In diesen beiden Bewegungen fand die zivilisationskritische Bewugtseinslage der siebziger Jahre ihren entschiedensten und politisch relevantesten Ausdruck - das gilt zumindest bis zur Neuformierung der Friedensbewegung im SommelO 1981, die zu einem weiteren symbolischen Kristallisationskern der neuen sozialen Bewegungen geworden ist. 1m einzelnen bezweckt die Arbeit: 1. die gangigen, durch politische Zuordnungs- oder Abgrenzungs strategien gewonnenen Bewertungen der neuen sozialen Bewe gungen kritisch zu hinterfragen (Kap. 1); 2. die vorhandenen analytischen Bezugsmodelle zur Untersuchung sozialer Bewegungen auf ihre Brauchbarkeit abzuklopfen (Kap. 2); 3. die vorliegenden Erklarungsansatze unter bestimmten analyti schen Gesichtspunkten zu sichten und sie, soweit moglich, zu einem Gesamtbild der relevanten Erklarungsdimensionen zu ver schranken (Kap. 3). 4. Die dabei gewonnenen Resultate werde ich abschliegend systema tisch auf meine eigene Interpretation der neuen sozialen Bewe gungen beziehen. Dem liegt die These zugrunde, d~ a) mit der Erosion der biirgerlichen Subjektbasis der industriellen Gesell schaft, b) mit der gestiegenen Belastung durch die Folgeprobleme Ei7lleitu7Ig 9 des industriellen Wachstums und c) mit der Erfahrung der zuneh menden Ineffizienz techno-biirokratischer Problemlosungsstrate gien die Geltung des "industriellen Entwicklungsparadigmas" grundlegend erschiittert wird. Auf diese Situation, die mit dem Zerfall der tradierten kollektiven Identitaten und mit einer zuneh mend en Heterogenisierung der gesellschaftlichen Konfliktlage ein hergeht, reagieren bestimmte soziale Kategorien besonders Be troffener oder Sensibilisierter mit Protest oder mit der Ausbil dung sub- und gegenkultureller Lebenszusammenhange. Die sozial-strukturelle Verankerung dieses Protests, seine soziale und politische Entwicklungsdynamik wird dabei etwas eingehender anhand der in der Bundesrepublik vorliegenden Bedingungen dis kutiert. Die vorliegende Arbeit ist iiber den Zeitraum von zwei J ahren hin weg, weitgehend in den grogeren Pausen des universitaren Lehrbe triebs entstanden. Bei einem so ,fliissigen', politischen Konjunkturen und Aufmerksamkeitszyklen unterworfenen Phanomen wie dem der neuen sozialen Bewegungen hinterlagt das notwendigerweise seine Spuren. Ais ich mit der Arbeit begann, waren die (jkologie-und die Alternativbewegung die zwei einzigen, politisch unmittelbar rele van ten Kristallisationspunkte neuer Protestpotentiale. Das schlagt sich insbesondere im ersten Kapitel, in der thematischen Konzentra tion auf diese beiden Teilbewegungen nieder. Seither haben ,Jugend unruhen', Hausbesetzungen, der Flughafen-Widerstand und die Frie densbewegung einigen Wind nicht nur in die "Scene" sondern auch in die Szenerie der machtpolitischen Auseinandersetzungen gebracht - ein Wind, der vor allem die SPD arg beutelt. Wahrend diese them a tischen Verschiebungen und die politische Dynamisierung der Aus einandersetzungen fiir die Diskussion der iiberwiegend gesamtgesell schaftlich, auf der Ebene westlicher Industriegesellschaften ansetzen den Erklarungsversuche im dritten Kapitel keine wesentliche Akzent verschiebung mit sich brachte, ist das vierte, abschliegende Kapitel, insbesondere dort, wo ich auf die Entwicklung der Bundesrepublik zu sprechen komme, unvermeidlich von dieser aktuellen Erfahrung gepragt. Wie der Untertitel dieses Buchs besagt, versuche ich damit eine "Zwischenbilanz" der sozialwissenschaftlichen Diskussion iiber die neuen sozialen Bewegungen zu ziehen. Die vorliegende Arbeit ist 10 Einieitung insofern in erster Linie ein Materialband, der methodisehe Ansatze, inhaltliehe Erklarungsversuehe und empirisehe Befunde zu systema tisieren und kritiseh zu wlirdigen versueht. Eine gewisse Kenntnis oder zumindest begleitende Lektlire der einsehlagigen Diskussion ist dem Verstandnis der hier jeweils nur knapp skizzierten Argumen tationslinien sieher dienlieh, fUr manehe Teile, so vor aHem Kapitel 3, wohl unerlaglieh. Indem ieh die dabei gewonnenen Ergebnisse einer, wie ieh hoffe, klar skizzierten eigenen Erklarungsperspektive zuordne, moehte ieh darliber hinaus einen griffigen Ansatzpunkt flir die weitere Diskussion liefern. Der Leser, der sieh vornehmlieh dafUr interessiert, kann die vieHeieht etwas detaiHierte Erorterung des 3. Kapitels aueh liberspringen. Insgesamt moehte ieh mein engagiertes Interesse an der Entwiek lung der neuen sozialen Bewegungen und der Durehsetzung ihrer okologiseh inspirierten "sanften" GeseHsehaftsentwlirfe nieht ver hehlen. Insofern soH diese Arbeit - soweit sie das auf der Ebene sozialwissensehaftlieher Theoriediskussion liberhaupt vermag - aueh einen Beitrag zur kritisehen Selbstklarung dieser Bewegungen leisten. 1. Neue soziale Bewegungen: ein neoromantischer Protest? In einem ersten Zugriff auf die Thematik so11 das Spektrum der kon troversen Beurteilungen der neuen sozialen Bewegungen, insbeson dere der (jkologie und Alternativbewegung, umrissen und die darin reflektierten politischen StandorIt e deutlich gemacht werden. Das geschieht in einer doppelten Konfrontation: (a) Zum einen so11en unter den Stichworten "antimodernistische Reaktion oder geistiger Strukturbruch?" modernistische und ortho dox-marxistische Positionen auf der einen, okologische Positionen auf der anderen Seite in ihrer gegensatzlichen Beurteilung kurz cha rakterisiert und in ihrer apologetischen oder illusionaren Kurzschliis sigkeit kritisiert werden. Das so11 nicht die kritisch immanente Aus einandersetzung mit diesen Positionen, wie sie in Kapitel 3, im Zu sammenhang der Diskussion uber die verschiedenen Erklarungsan satze der neuen sozialen Bewegungen gefUhrt wird, vorwegnehmen. Ich mochte hier vielmehr nur verdeutlichen, inwieweit politische Vorentscheidungen - gerade bei einer Thematik, die existentie11e Betroffenheit provoziert - die analytischen Urteile praformieren, inwieweit die analytische Sensibilitat fur neue soziale Phlinomene durch den eigenen politischen Interessenhorizont blockiert werden kann. (Ich nehme mich davon selbstverstandlich nicht aus - mochte aber gerade deshalb auf der Notwendigkeit kritischer und selbstkriti scher Infrageste11ung politisch begriindeter Urteile beharren!) (b) Zum anderen so11 die Ideologiekritik der undogmatischen marxi stischen Linken am - aus ihrer Sicht reaktionaren - "Romantizis mus" bzw. "Irrationalismus" okologischer und alternativer Positio nen mit der industrie-kritischen Infrageste11ung der Pramissen "lin ker" Kritik konfrontiert werden. Absicht dieses Kapitels ist es, den Blick fUr die Ambivalenz der neuen sozialen Bewegungen, zugleich aber auch fur die Unangemes-

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