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Neudeutsche Metrik PDF

117 Pages·1972·8.985 MB·German
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Sammlung Metzler Fritz Schlawe Neudeutsche Metrik REALIEN ZUR LITERATUR ABT. E: - POETIK FRITZ SCHLAWE Neudeutsche Metrik MCMLXXII ].B.METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART ISBN 978-3-476-10112-9 ISBN 978-3-476-03832-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03832-6 M 1I2. © Springer-Verlag GmbH Deutschland 1972 Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1972 VORWORT Der folgende Versuch einer Einführung in die neuere deut sche Metrik kann natürlich nur die Hauptpunkte berühren und einen überblick geben. Erschwert war die Aufgabe durch die bekannte Tatsache, daß es keine allgemein anerkannten me trischen Grundlagen gibt. Die vorliegende Arbeit vertritt eine - wenn man so sagen darf - inhaltsbezogene Metrik: sie be schäftigt sich mit den metrischen Elementen im Hinblick auf deren sprachgegebene rhythmische Prägungen; weil die me trischen Elemente erst in der Umprägung ihrer jeweils indivi duellen sprachlichen Verwirklichung zu ästhetischen Phäno menen werden. Der enge Rahmen bietet keinen Raum für eine Geschichte der Metrik als Wissenschaft; eine übersicht gibt ULRICH PRETZEL (>Dt. Philologie im Aufriß<, III, 21962, Sp. 2359- 2367, 2521ff.), ältere Literatur im Überfluß JACOB MINOR (»Neuhochdt. Metrik«, 21902, S. 511-537). Auch die Literatur angaben werden hier beschränkt, weil sie bei Pretzel ausführ lich und leicht zugänglich sind (Sp. 2521-2546); nur die neuen, dort nicht verzeichneten Arbeiten werden möglichst vollstän dig genannt. Reichhaltige Bibliographie findet sich auch in den Artikeln des >Reallexikons< (s. u. S. 6). Für die ältere deutsche Metrik darf auf das Parallel-Bändchen »Altdeutsche Metrik« der >Sammlung Metzler< von WERNER HOFFMANN verwiesen werden; vgl. ferner die »Germanische Verskunst« von KLAUS v. SEE, SM Bd 67,1967. Allgemeinere Literatur, die man über die bibliographischen Hilfsmittel-ARNOLD, KÖRNER, HANSEL, EpPELSHEIMER usw. - leicht feststellen kann, wird grundsätz lich nicht aufgeführt. Um Indemnität habe ich zu bitten wegen ungewöhnlich häufiger Zitate im theoretischen Teil; sie schienen mir wegen des Fehlens einer communis opinio an vielen Stellen wün schenswert, um dem Leser eigenes Urteil zu erleichtern. Auch wird man verstehen, daß ich einige Dinge, über die man Le xika nachschlagen kann, kürzer behandelt habe zugunsten an derer, bei denen das nicht ohne weiteres möglich ist. TübingenjCincinnati, März 1972 F. S. V INHALT I. Einführung. . . • • . . . • . 1 1.1. Aufgabenbereich der Metrik 1 1.2. Geschichte der Metrik 2 1.2.1. Vorstufen. 2 1.2.2. Endstufe . . . 4 + 1 Grundfragen der Metrik 7 1.3.1. Metrum-Vers. . . 7 1.3.2. Metrum-Rhythmus 8 1.3+ Metrum-Sprache . 9 1 +4. Metrum-Schallform . II 1 + 5. Metrische Deskription II 2. Grundbegriffe. • . . . . . 2.1. Der metrische Rahmen. 2.1.1. Hauptphänomene 2.1.1.1. Hebung und Senkung 2.1.1.2. Akzent. • . 2.1.2. Konkrete Einheiten 19 2.1.2.1. Versfuß 19 2.1.2.2. Verszeile 20 2.1.2.3. Strophe. 21 2.1.3. Das Metametrische 2.2. Die übermetrische Prägung 2.2.1. Hauptphänomene 2.2.1.1. Takt. . . 2.2.1.2. Rhythmus 2.2.2. Konkrete Einheiten 47 2.2.2.1. Wortfuß • 47 2.2.2.2. Kolon . . 49 2.2.2.3. Satzeinheit 54 VII 3· Formen. . . . . . . . . . . . . . . 55 3.1. Versmaße der deutschen Dichtung. 55 3.1.1. Strophische Maße 55 3·1.1.1. Jamben 55 3.1.1.2. Trochäen. 60 3.1.1.3. Alternierende Langzeilen. 62 3.1.1.4. Daktylen (Doppelsenkungen) 62 3.1.2. Nichtstrophische Maße 63 3.1.2.1. Madrigalverse . 63 3.1.2.2. Freie Verse. . 64 3.1.2.3. Knittelverse 65 3.1.2.4. Vers irreguliers 67 3.1.2.5. Freie Rhythmen. 67 3.1.2.6. Hexameter/Pentameter 69 3.1.2.7. Trimeter . . . . . . 71 3.2. Strophenformen der deutschen Lyrik. 72 3.2.1. Antike Formen . . . . . . . 72 3.2.1.1. Oden (alkäische, sapphische, asklepiade- ische Strophe) 72 3.2.1.2. Distichon 76 3.2.1.3. Neuantikes . . 77 3.2.2. Orientalische Formen. 77 3.2.2.1. Arabische Formen (Ghazel, Kasside; Ma- kame) . . . . . . . . 78 3.2.2.2. Persische Form (Rubäi) 79 3.2.3. Romanische Formen . . . . . 79 3.2.3.1. Italienische Strophen (Sonett, Stanze, Terzine, Sestine, Triolett, Ritornell, Ma- drigal, Kanzone) . . . . . . . . .. 80 3.2.3.2. Spanische Strophen (Dezime, Kanzion) 3.2.3.3. Französische Strophen (Quatrain, Ron- 85 deau) 86 + 3 Quellen 87 3+1. Das Kirchenlied 88 3.3.2. Das Volkslied 89 4. Anhang 92 5. Register 104 VIII I. EINFÜHRUNG 1.1. AUFGABENBEREICH DER METRIK Die Metrik beschäftigt sich mit den Bauelementen der Vers dichtung, vor allem der Lyrik. Diese Bauelemente und ihre Verbindung, sodann ihr Zusammenwirken mit dem sprach lichen Sinn-Kontinuum bilden einen wesentlichen Teil der ästhetischen Sphäre und damit des Wertes einer Dichtung. Da es sich vor allem um formale - nicht gehaltliche, auch nicht sinnliche - Phänomene handelt, ist das Gebiet der Metrik be grenzt; aber weit. Eine Grenze bildet die oft eindeutige In differenz der Formensprache; eine andere, die gefährlichere, ist der Abgrund des Individuellen. Urteile physiognomischen Charakters sind überhaupt nur aufgrund eines ausgedehnten und eindeutigen Materials erlaubt. Die Aufgabe ist zuerst eine präzise Analyse der metrischen, sodann der rhythmischen Verhältnisse einer gegebenen Dich tung, eventuell mit Hilfe der Statistik. Eine konzise Deskrip tion ist bereits ein Ergebnis: man suche zu begreifen, was uns ergreift - freilich auf eine objektivere, zurückhaltendere Art als der Erfinder dieser schönen Maxime selbst. Darauf wird man den ästhetischen Wert der formalen Gestaltungsleistung im Hinblick auf den geformten Gegenstand zu bestimmen su chen; historische Blickweise ist hierbei unerläßlich. Metrische Untersuchung ist also Grundlage und Stütze der Interpretation und führt zur Erkenntnis und Würdigung der Schöpfung als ästhetisches Gebilde. Der Bereich metrischer Sprache erstreckt sich über alle Gat tungen. Um 1600, als der Einbruch der westlichen Kunstdich tung unseren Zeitraum eröffnete, waren Verse gebräuchlich in der Lieddichtung (Meistedied, Kirchenlied, Volkslied), in der Spruch- und Fabeldichtung, im Fastnachtsspiel und Reforma tionsdrama. Der epochebildende Einfluß der Renaissancepoe tik, der zugleich eine Abwendung von der Volkspoesie her beiführte, bereicherte dann die metrische Formenwelt, beson ders auf dem lyrischen Gebiet. Die moderne Dichtung seit 1900 verfügt, im Dienste sprachlicher und rhythmischer Be schwörung, über die metrischen Bauelemente in gegenstands bezogener Freiheit. 1.2. GESCHICHTE DER METRIK Vorstrifen 1.2.1. Metrik ist auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten be trieben worden: zunächst normativ; später, erst seit dem 19. Jh. deskriptiv und analytisch. Das für unseren Zeitraum wichtigste normative Werk, über haupt ein Meilenstein deutscher Literatur-Geschichte, war das »Buch von der deutschen Poeterei« (1624) von MARTIN OPITZ. Es ist nicht so sehr eine schöpferische Leistung; viel mehr erscheinen hier aufs wirksamste geklärt und zusammen gefaßt zeitgenössische Lehren und Praktiken. Opitz vertrat im 7. Kapitel nachdrücklich die wichtige Unterscheidung zwischen der antiken quantitierenden und der deutschen ak zentuierenden Dichtweise : ,,[. ..] nicht zwar das wir auff art der griechen unnd lateiner eine gewisse grösse der sylben können inn acht nemen; sondern das wir aus den accenten unnd dem thone erkennen, welche sylbe hoch unnd welche niedrig ge setzt werden soll" (>Neudrucke dt. Literaturwerke< I, 61955, S. 36). Mit Rücksicht auf das germanische Betonungsprinzip der Übereinstimmung von Vers- und Wortakzent - in Hol land damals längst Dichtungsnorm - untersagte Opitz die zu vor ignorierten Tonbeugungen. Kürzlich hat Christian Wagenknecht vertreten, daß der deutsche Renaissance-Vers nicht alternierend, das heißt: nicht tonbeugend gelesen worden sei, und daß daher Opitz' Haupt verdienst nicht die Beseitigung der Fehlbetonungen bilde, sondern "die alternierende Gleichverteilung der zuvor freier verteilten Wortakzente" (S. 74). So einleuchtend die Beweis führung für Weckherlin ist, so müssen doch Tonbeugungen verbreitet vorgekommen sein; bei Opitz steht ausdrücklich: "Denn es gar einen übelen Klang (!) hat" in Bezug auf den offenbar alternierend gelesenen Vers ,Venus die hat Juno nicht vermocht zue obsiegen' (ebd~). Nach ersten Versuchen von PAUL REBHUHN um 1530 und von dem Danziger Neulateiner HEINRICH MOELLER (»Ein neu weltlich Spiel vom Nabal I. Sam 22 in Deutsche Reime über setzt durch H. M.«, 1564) waren Verse mit richtiger Betonung auch in JOHANN CLAJUS' weitverbreiteter »Grammatica Ger maniae« 1578 (7. Aufl. 1625, II. Aufl. 1720!) publiziert worden. Clajus teilte zwar den noch lange herrschenden Irrtum der Identifizierung ,langer' und ,betonter' Silben; aber da er den 2 Wortakzent prinzipiell beachtete, enthalten seine Beispiele fast keine Tonbeugungen, z. B.: Im Gesetze steht geschriben Du solt Gött den Herren lieben. (»Die dt. Grammatik des Joh. Clajus«. Hrsg. v. Fr. Weidling, 1894, S. 167; Beispiele S. 168-173, 177-179). Schwierigkeiten mit der antiken Metrik hat es gleichwohl bis ins 19. Jh. hinein gegeben. Ferner verlangte OPITZ die strenge Alternation, ebenfalls nach westlichem und holländischem Vorbild; Daktylen (Dop pelsenkungen) waren nur ausnahmsweise zugelassen. Seine These: "Nachmals ist auch ein jeder verss entweder ein iam bicus oder trochaicus" (ebd.) führt Kabell (S. 207) zurück auf Trissino (»Divisioni della poetica«, 15 29ff.), doch ist sie auch bei Clajus vorgebildet ("et carmen fit vel Iambicum vel Tro chaicum" etc., S. 167). Dieses Alternationsgesetz hat über ein Jahrhundert geherrscht; als erster entschiedener Gegner gilt BREITINGER (»Critische Dichtkunst«, 1740; Neudruck: >DN<, 1966, Bd II, S. 440). Als Ausdrucksmittel empfahl OPITZ romanische Formen: Sonett, Ode, Epigramm; als Formelemente: den Vers com mun und vor allem den Alexandriner, der nun ebenfalls über hundert Jahre herrschen sollte. - Daneben forderte Optiz Reinheit der Reime. Literatur: AAGE KABELL, Metrische Studien II: Antiker Form sich nähernd, Uppsala 1960. - eHR. WAGENKNECHT, Weckherlin und Opitz. Zur Metrik der dt. Renaissancepoesie, 1971 (wichtig). Die nächste Stufe der Metrik bildeten die deskriptiven und historischen Arbeiten; sie setzten ein mit KARL LACHMANNS Untersuchungen »über althochdeutsche Betonung und Vers kunst« (1831/34; wiederabgedruckt in: K. L., Kleinere Schrif ten z. Dt. Philologie, 1876, S. 358-406). Hier ging es nicht um Vorschriften für die Poeten, sondern um die Kenntnis älterer Dichtung aus dem philologischen Geist der ,Historischen Schule'. Darauf bot - der geistes geschichtlichen Entwicklung des Jahrhunderts gemäß - die naturwissenschaftliche Denkweise den nächsten Fortschritt in Form der sog. akustischen Metrik: um 1870 konnte ERNST BRÜCKE experimentell die zeitlichen 3

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