Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement Herbert Schubert Netzwerkorientierung in Kommune und Sozialwirtschaft Eine Einführung Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement Reihe herausgegeben von K. Grunwald, Stuttgart, Deutschland L. Kolhoff, Wolfenbüttel, Deutschland Die Lehrbuchreihe „Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement“ dient dazu, zentrale Inhalte zum Themenfeld Sozialwirtschaft und Sozialmanagement in verständlicher, didaktisch sorgfältig aufbereiteter und kompakter Form zu ver- mitteln. In sich abgeschlossene, thematisch fokussierte Lehrbücher stellen die verschiedenen Themen theoretisch fundiert und kritisch reflektiert dar. Vermittelt werden sowohl Grundlagen aus relevanten wissenschaftlichen (Teil-)Disziplinen als auch methodische Zugänge zu Herausforderungen der Sozialwirtschaft im Allgemeinen und sozialwirtschaftlicher Unternehmen im Besonderen. Die Bände richten sich an Studierende und Fachkräfte der Sozialen Arbeit, der Sozialwirt- schaft und des Sozialmanagements. Sie sollen nicht nur in der Lehre (insbesonde- re der Vor- und Nachbereitung von Seminarveranstaltungen), sondern auch in der individuellen bzw. selbstständigen Beschäftigung mit relevanten sozialwirtschaft- lichen Fragestellungen eine gute Unterstützung im Lernprozess von Studierenden sowie in der Weiterbildung von Fach- und Führungskräften bieten. Reihe herausgegeben von: Klaus Grunwald Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart, Deutschland Ludger Kolhoff Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Wolfenbüttel, Deutschland Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15473 Herbert Schubert Netzwerkorientierung in Kommune und Sozialwirtschaft Eine Einführung Herbert Schubert Köln, Deutschland Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement ISBN 978-3-658-18997-6 ISBN 978-3-658-18998-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-18998-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Stefanie Laux Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhalt Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 Zum Bedeutungsgewinn der Netzwerkmetapher in Gesellschaft und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1 Beschreibung von Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklungen mit der Netzwerkmetapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2 Überwindung der Versäulung von Funktionssystemen in der Sozialwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2 Netzwerkorientierung als Kern der Public Governance . . . . . . 17 2.1 Von der hierarchischen Steuerung der öffentlichen Verwaltung zur ökonomisch fokussierten Steuerung des Public Management . . 21 2.2 Steuerung in Netzwerken nach der Logik der Public Governance . . 22 2.3 Reframing der kommunalen Steuerung . . . . . . . . . . . . . . 26 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3 Theoretische Grundlagen der Netzwerktheorie . . . . . . . . . . 33 3.1 Das Menschenbild der Netzwerktheorie . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2 Abgrenzung des Netzwerkbegriffs vom Gruppenbegriff . . . . . . 36 3.3 Ideenarchitektur der phänomenologischen Perspektive . . . . . . 40 3.4 Definitorische Grundlagen der Phänomenologischen Netzwerktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.5 Transfer am sozialwirtschaftlichen Beispiel . . . . . . . . . . . . . 48 3.6 Ableitung einer Checkliste für die Sozialwirtschaft . . . . . . . . . 50 3.7 Akteur-Netzwerk-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 V VI Inhalt 4 Lebensweltliche und organisierte Netzwerke . . . . . . . . . . . 61 4.1 Lebensweltliche Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.2 Organisierte Netzwerke in und zwischen Funktionssystemen . . . 66 4.3 Bedeutungsgewinn der organisierten Netzwerke in der Organisations- und Managementforschung . . . . . . . . . 70 4.4 Netzwerkkooperation als Kern organisierter Netzwerke . . . . . . 72 4.5 Transfer am sozialwirtschaftlichen Beispiel . . . . . . . . . . . . . 76 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5 Netzwerke in der Kommune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5.1 Netzwerke und soziale Kohäsion im Sozialraum . . . . . . . . . . 84 5.2 Netzwerkebenen in der Gebietskörperschaft . . . . . . . . . . . . 90 5.3 Absicherung organisierter Netzwerke im operativen Feld der Sozialwirtschaft über die normative und strategische Verantwortungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6 Instrumente der Analyse von Netzwerken . . . . . . . . . . . . 99 6.1 Formale Analyse von Gesamtnetzwerken . . . . . . . . . . . . . 100 6.2 Empirische Erkundung von ego-zentrierten Netzwerken . . . . . . 101 6.3 Qualitative Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 6.4 Erhebung und Analyse von Akteur-Ereignis-Netzwerken . . . . . . 107 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 7 Zusammenfassung: Netzwerkorientierung in der Sozialwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 7.1 Logik der Netzwerktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 7.2 Perspektiven der Netzwerkorientierung . . . . . . . . . . . . . . 118 7.3 Interinstitutionelle Kooperation als Basis organisierter Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 7.4 Konstitution des sozialen Raums durch Netzwerke . . . . . . . . . 122 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Einführung Der Netzwerkbegriff ist in den vergangenen Jahrzehnten von einem anfänglich em- pirisch-analytischen Nischenbegriff im Wissenschaftssystem zu einem systemüber- greifenden Schlüsselbegriff aufgestiegen, weil er gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen im Übergang zum 21. Jahrhundert symboli- siert. Aus der klar umrissenen Fachterminologie ist ein verwaschener Allround- begriff geworden, der auf vielfältige Weise Phänomene von den modernen Kom- munikationstechnologien über Organisationsformen zwischen Unternehmen bis hin zu den Gestalten des gesellschaftlichen Beziehungsgefüges charakterisiert. Beim genauen Hinsehen fällt auf, dass der Netzwerkbegriff immer seltener ana- lytisch verwendet wird, um das Beziehungsgefüge zwischen Akteuren zu beschrei- ben. Mit dem Bedeutungsgewinn geht stattdessen eine programmatische Ausdeh- nung einher: Denn nun kennzeichnet er vermehrt neue Verflechtungsstile, die auf veränderten Formen der Kooperation basieren. Weil netzwerkartige Kooperations- muster einerseits weniger schwerfällig und andererseits weniger verschlossen sind als hierarchische Unternehmens- und Verwaltungsstrukturen, aber auch als patri- archalische Familienstrukturen, haben sie den Charakter eines neuen Ordnungs- prinzips erhalten: Unternehmen schotten sich beispielsweise nicht mehr ab, son- dern bilden Allianzen mit anderen Organisationen. Und in der Kommune werden keine fachlich engen Arbeitskreise mehr eingesetzt, sondern bereichsübergrei- fende Netzwerke gegründet. Statt starrer Routinen werden flexible Kooperations- muster bevorzugt, wie das Richard Sennett in seiner Monographie „Der flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus“ schon Ende der 1990er Jahre auf den Punkt gebracht hatte. Insofern steht hinter dem Netzwerkbegriff die Vorstellung von Lockerheit, Offenheit, Grenzüberschreitung und Veränderbarkeit. Das neue Ordnungsprinzip hat eine weitreichende Verbreitung gefunden, so dass sich eine Netzwerkorientierung herausgebildet hat. In nahezu allen Funk- tionssystemen werden netzwerkförmige Strukturen angestrebt: zum Beispiel die 1 2 Einführung Bildungslandschaft im Bildungsbereich, das Netzwerk Frühe Hilfen in der Ju- gendhilfe, Seniorennetzwerke im Sozialbereich, Sozialraumnetzwerke in der Ge- meinwesenarbeit, Filialnetze im Einzelhandel, um nur einige zu nennen. Vor diesem Hintergrund drängen sich Fragen auf, durch deren Beantwortung der ver- waschene Netzwerkbegriff im kommunalen und sozialwirtschaftlichen Kontext wieder einen klaren Umriss gewinnen kann: ■ Worauf ist der hohe Stellenwert der gegenwärtigen Netzwerkorientierung zu- rückzuführen ? ■ Mittels welcher theoretischen Grundlagen lässt sich der Netzwerkbegriff an- gemessen definieren ? ■ Welche Basistypologie von sozialen Netzwerken macht das Konzept handhab- bar für die Sozialwirtschaft im kommunalen Kontext ? ■ Welche methodischen Instrumente helfen, Netzwerke in der Kommune trans- parent zu machen ? In den folgenden Kapiteln der vorliegenden Publikation sollen darauf Antworten gefunden werden, die den Netzwerkansatz in der Kommune und in der Sozial- wirtschaft anwendungsorientiert einordnen und theoriebasiert absichern. Im Kapitel 1 wird deutlich gemacht, dass der Netzwerkbegriff im gegenwärti- gen inflationären Gebrauch überwiegend als Metapher bildlich benutzt wird und ein Geflecht meistens nur assoziiert, statt es tiefenscharf als konkrete Verbindun- gen zwischen einer bestimmten Anzahl von Akteuren abzubilden. Auch der Be- griff der Netzwerkgesellschaft wird nur metaphorisch formuliert, um das aktuelle Verständnis einer offen verknüpften Gesellschaft von dem traditionellen einer ge- schlossenen Großgruppengesellschaft zu unterscheiden. Unter der ökonomischen Perspektive werden Begriffe wie das Netzwerkunternehmen und die Netzwerk- organisation in ähnlicher Weise metaphorisch eingesetzt, um das Zusammenwir- ken von Unternehmen, die Bündelung ihrer Ressourcen und die Verknüpfung ihrer Leistungskapazitäten zu charakterisieren. Auch in der Sozialwirtschaft ist die Metapher des Netzwerks verankert – der Zungenschlag fällt allerdings etwas anders aus, weil die Kooperation von öffentlichen Diensten und freien Trägern kritisch von der Versäulung und institutionellen Zergliederung der Funktions- systeme in der Kommune abgegrenzt wird. Durch den Einstieg in Kapitel 1 wird vermittelt, dass der Begriff des Netzwerks im allgemeinen Sprachgebrauch meta- phorisch verwendet wird. Die Leserin und der Leser wird in die Lage versetzt, die metaphorische Übertragung des Konzepts auf die Sozialwirtschaft als Versuch zu verstehen, die Versäulung der Funktionssysteme in der Kommune zu überwinden, weil man sich von der Vernetzung der Dienste und Einrichtungen einen höheren Nutzen für die Adressatinnen und Adressaten verspricht. Einführung 3 Im Kapitel 2 wird herausgearbeitet, wie die Netzwerkorientierung im Rahmen eines Entwicklungsprozesses in den vergangenen Jahrzehnten Profil gewinnt. In diesem Prozess veränderten sich die Formen der kommunalen Steuerung. Auf den traditionellen Typ der hierarchischen Kommunalverwaltung folgte in den 1990er Jahren das Neue Steuerungsmodell und im Laufe der Nullerjahre nach der Jahr- hundertwende die Public Governance. Im hybriden Mix der drei Steuerungs- prinzipien kommt dem Netzwerkkonzept gegenwärtig ein hoher Stellenwert zu. Denn der neue Stil der Governance-Steuerung nutzt vor allem die horizontale Ab- stimmung im Netzwerkverbund, um unter den interdependenten Akteuren aus der Kommune und aus Feldern der Zivilgesellschaft gegenseitiges Vertrauen auf- zubauen. Die Leserin und der Leser kann anhand der Stufen kommunaler Moder- nisierung nachvollziehen, wie sich im Zeitverlauf das kommunale Regieren vom Typ der hierarchischen Verwaltung mit dem Typ der ökonomisierten Neuen Steue- rung und mit dem Typ der Public Governance vermischt. Dabei findet das Netz- werkkonzept als Kooperationsprinzip langsam Anerkennung. Allerdings wird auch deutlich, dass die neue Netzwerkorientierung, die einen multioptionalen ho- rizontalen Einbezug der Interessen und gegenseitigen Abhängigkeiten ermöglicht, anschlussfähig an die Richtlinien der öffentlichen Verwaltung und die ökonomi- schen Prinzipien der Neuen Steuerung sein muss. Im Mittelpunkt des Kapitels 3 steht die Netzwerktheorie. Sie verlangt quasi ein neues Menschenbild, in dem das soziale Handeln mehr von der Einbettung in ein Beziehungsgefüge als von der sozialen Struktur beeinflusst wird. Dieser Mechanis- mus der Übertragung erfolgt nicht nur über die direkten Kontakte, sondern findet auch indirekt über die Kontakte der Kontakte mit weiteren Kontakten statt. In dem Kapitel wird verdeutlicht, dass im Konzept des Netzwerks neben den direkten auch die indirekten Kontakte bedeutungsvoll und einflussreich sind. Vor diesem Hin- tergrund gilt das Netzwerk als effiziente Organisationsform, weil nicht alle Akteu- re miteinander verbunden sein müssen, um die wünschenswerten Ergebnisse zu erzielen. Damit die Leserin und der Leser ein angemessenes theoretisches Grund- verständnis entwickeln können, wird detailliert die phänomenologische Netzwerk- perspektive entfaltet. Dieses theoretische Grundverständnis geht weder vom ein- zelnen Akteur noch von normativ unterlegten gesellschaftlichen Strukturen aus, sondern fokussiert auf das relationale Gefüge direkt und indirekt verbundener Ak- teure. Ergänzend wird die Akteur-Netzwerk-Theorie hinzugezogen, die neben den Menschenbeziehungen auch nicht-humane Entitäten einbezieht. Die Ausbreitung der theoretischen Grundlagen soll einer unscharfen metaphorischen Verwendung des Netzwerkbegriffs vorbeugen und ein fundiertes Grundverständnis von Netz- werken als konkrete Beziehungskonstellationen vermitteln. Im Kapitel 4 wird die Netzwerkperspektive für die Nutzung im kommuna- len und sozialwirtschaftlichen Kontext operationalisiert. Aus der Perspektive der