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Neque quies gentium sine armis: Krieg und Gesellschaft im Altertum PDF

33 Pages·1987·0.531 MB·German
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Gerda Henkel Vorlesung Gerda Henkel Vorlesung herausgegeben von der gemeinsamen Kommission der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Gerda Henkel Stiftung Neque quies gentium sine armis: Krieg und Gesellschaft im Altertum Franz Georg Maier Westdeutscher Verlag Der Vortrag wurde am 21. November 1986 in Düsseldorf gehalten. CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Maier, Franz Georg: Neque quies gentium sine armis: Krieg und Gesellschaft im Altertum/ Franz Georg Maier. -Opladen: Westdeutscher Verlag, 1987. (Gerda Henkel Vorlesung) ISBN 978-3-531-11960-1 ISBN 978-3-322-85978-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-85978-5 © 1987 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag Inhalt Fragestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vergleichende historische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Alter Orient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Frühe Staatenbildungen in Mesopotamien und Ägypten . . . . . . . . . . . . 11 Großmachtbildung: das ägyptische Neue Reich und der assyrische Staat der Großreichszeit ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Griechenland................................................ 16 Polis und Hoplitenphalanx: der begrenzte Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Monarchie und Berufsheer im Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Rom....................................................... 20 Adelsrepublik und Bürgermiliz ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Prinzipat und stehendes Heer: Legionen und pax Romana .......... 22 Folgerungen ..................................................... 24 1. Instrumente des Konflikts: Entwicklung der Kriegsmittel .......... 25 2. Krieg als Faktor geschichtlicher Entwicklung: Wirkungen und Ur- sachen von Konflikten ........................................ 27 3. Interaktion von Gesellschaft und Streitkräften in der Konfliktaus- tragung ..................................................... 29 4. Krieg im Denken der Antike..... .. . . . ..... ......... .. . . .. . .... 30 Neque quies gentium sine armis: Krieg und Gesellschaft im Altertum von Franz Georg Maier, Zürich Fragestellung Neque quies gentium sine armis: der Satz des Tacitus geht von der Überzeugung aus, daß Gewalt vom Völkerleben untrennbar sei.! Für die Gesellschaften des Altertums scheint die antike Geschichtsschreibung in der Tat eine Allgegenwart des Krieges zu bezeugen. Vier Fünftel der erhaltenen Texte handeln nach einer Schätzung von A.J. Toynbee von Schlachten und Feldzügen;2 bedeutende histo rische Werke sind von ihrer Konzeption her die Geschichte eines Krieges oder einer Folge militärischer Konflikte - von Thukydides bis zu Prokop. Diese prominente Rolle des Krieges entspringt zum Teil einer einseitigen Per spektive der antiken Historiker - ihrer durchgängigen Fixierung auf Kriegführung und Politik als zentrales Thema geschichtlicher Prozesse. Aber gänzlich realitäts fern ist diese Perspektive dennoch nicht, wenn wir die Rolle von bewaffnetem Konflikt und Krieg in den Gesellschaften des Altertums bedenken - ob es nun um die kaum abreißende Serie von assyrischen Angriffskriegen, um die beständigen militärischen Auseinandersetzungen der hellenistischen Staaten oder um die Feld züge der römischen Republik geht, in der nach dem Zeugnis des Livius die Türen des Janustempels während sieben Jahrhunderten, von Numa Pompilius bis zu Augustus, nur zweimal geschlossen wurden.3 Die Geschichte des Altertums spiegelt aber nicht nur Krieg als Zustand, sondern ebenso Krieg in seinen vielfältigen Wirkungen. Erfolg oder Niederlage im bewaff neten Konflikt - bedingt durch stärkere Kräfte, überlegene Führung und Taktik, bessere militärische Organisation oder neue Waffentechnik - tragen immer wieder bei zu Richtungsänderungen des historischen Prozesses. Auch hier müssen Bei spiele genügen. Der Erfolg griechischer Städte gegen Persien zu Beginn des 5. Jahr hunderts v. ehr. bedeutete zwar nicht, wie eine immer noch lebendige Geschichts legende will, die "Rettung des Abendlandes"; aber er begründete jene Vorherr schaft Athens und seiner Kultur, die sich nachhaltig auf die Entwicklung der grie chischen Polis und auf die Kunst-und Bildungsgeschichte Europas überhaupt aus wirkte. Die erfolgreichen Feldzüge Alexanders d. Gr. gegen das achämenidische I Tacitus, hist. IV 74. 2 A.J. Toynbee, Greek Historical Thought (1952) XIII. 3 Livius I 19,2-3. 8 Franz Georg Maier Perserreich setzten den monarchischen Flächenstaat an die Stelle des Kleinstaates der Polis und bereiteten den Weg für die neue mittelmeerische Weltkultur des Hellenismus. Das Entstehen eines fast die gesamte antike Welt politisch einigenden Imperium Romanun beruhte ebenso auf einer Reihe erfolgreicher bewaffneter Konflikte wie das Überleben des Byzantinischen Reiches im Arabersturm. Im Altertum wie in anderen Phasen der Weltgeschichte gestaltet der bewaffnete Konflikt entscheidend die historische Entwicklung mit. Das Schicksal von Völ kern, Staaten, Einzelnen ist nicht nur bestimmt durch Ideen und Glaubensüber zeugungen, durch den Wandel politischer Systeme, sozialer Ordnungen und wirt schaftlicher Bedingungen. Es wird auch geformt durch Konflikte zwischen gesell schaftlichen Gruppen, Stämmen und Staaten. Solange kein Weltstaat mit dem Monopol der Gewaltausübung besteht, bleiben offenbar Kriege ein Stück der conditio humana. "Krieg ist ein gewalttätiger Lehrmeister", formuliert Thukydides einmal in sei nem unterkühlten Realismus.4 In der Tat gibt es gute Gründe dafür, das Problem "Krieg und Gesellschaft im Altertum" - oder präziser gesagt: die Frage nach Rolle und Ursachen bewaffneter Konflikte in den Gesellschaften der alten Welt - aus anderen als bloß antiquarischen oder kriegsgeschichtlichen Interessen aufzugrei fen. Gute Gründe schon darum, weil in den vergangenen Jahrzehnten das Thema Krieg durch die Historiker vielfach vernachlässigt, wenn nicht tabuisiert wurde. Die Ursachen dafür liegen ebensosehr in einem Wandel von Erkenntnisinteressen und intellektuellen Moden in der Geschichtswissenschaft wie in der Reaktion auf die Erfahrungen zweier Weltkriege und auf die Drohung atomarer Konflikte. In diesem Zusammenhang ließe sich fragen, ob das manchmal fast religiös anmutende Interesse, mit dem heute vergangener Alltag erforscht wird, nicht ein Stück Flucht vor als bedrohlich empfundenen Realitäten birgt. In jedem Falle ist der Versuch unzureichend, die langlebige Tradition einer einseitig kriegs- und schlachtenorientierten Ansicht der Geschichte dadurch zu bewältigen, daß man das Problem Krieg einer isolierten Spezialdisziplin Militär geschichte zuweist. Auch und gerade angesichts der gegenwärtigen Verfassung der Menschheit läßt sich der Krieg nicht in jenem Maße aus der Arbeit des Historikers ausklammern, wie es oft geschieht. Der Satz von Charles Oman gilt noch heute: "One may dislike war just as one dislikes disease: but to decry the nessecity for studying it, and estimating its meaning and effect, is no less absurd than it would be to minimize the nessecity for medical investigation because one disliked cancer or tuberculosis."s Geschichte als erweiterter Erfahrungshorizont für den Menschen als sozial han delndes Wesen kann das Thema Krieg nicht ausblenden. Sie kann aber auch nicht Thukydides m 82, 2. 4 , eh. Oman, On the Writing of History (1939) 160. Krieg und Gesellschaft im Altertum 9 einfach jene traditionelle Schlachtengeschichte fortführen, die bis heute in man cherlei Verkleidungen in der militärgeschichtlichen Forschung weiterlebt. Kriegs geschichte alter Art ist nicht mehr möglich, weil sich unsere Fragestellungen und der Krieg selbst gewandelt haben. Die Veränderung von Kriegstechnik und Kriegs führung in den vergangenenJahrzehnten schuf eine Art "Atomschwelle", die den Wert geschichtlicher Erfahrung für das Durchdenken gegenwärtiger Probleme in Frage stellt. "Whether a man can think with full wisdom and deep convictions regarding certain issues of today, if he has not reviewed in his mind the period of the Peloponnesian War and the fall of Athens": diese Frage vermögen wir nicht mehr so bedenkenlos zu bejahen wie General Marshall vor vierzig Jahren.6 Klas sische Prinzipien wie der "Vorteil der inneren Linie" sind fragwürdig geworden; strategische und taktische Lehren lassen sich kaum mehr in der Form aus der Geschichte gewinnen, wie das für Napoleon oder Clausewitz selbstverständlich war. Es geht nicht mehr um Krieg als isoliertes Phänomen - schon weil wir ihn, anders als alle antiken und viele spätere Historiker, nicht als bloßes Naturereignis nehmen können. Es geht um den bewaffneten Konflikt als universalhistorisches Thema, um die Frage, wie und warum in der Geschichte Kriege entstehen und aus getragen werden. In diesem Betracht sind grundsätzliche Bedingungen und Fakto ren vielfach gleich geblieben - das Verhältnis von Zeit, Raum und Bewegung; die Verhaltensweisen von Menschen im Konflikt; die Wechselwirkungen zwischen politischem System, wirtschaftlichen Gegebenheiten und technischer Innovation in den Konfliktformen; das Ineinandergreifen militärischer und außermilitärischer Bedingungen und Ziele in der Konfliktaustragung. In diesen Problemen fassen wir, was Jacob Burckhardt das "sich Wiederholende, Konstante, Typische" im Fluß der Erscheinungen nannte.7 Krieg und Gesellschaft: das Thema umfaßt eine Vielzahl von Fragestellungen. Wir greifen im Folgenden eine doppelte Problematik heraus. Einerseits die Rolle von bewaffnetem Konflikt und Kriegführung in ihren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wirkungen auf die Gesellschaften des Altertums. Andererseits die Frage nach Ursachen und entscheidenden Voraussetzungen für Art und Verlauf bewaffneter Konflikte in dieser Zeit. Wie bedingen sich, in Struktur und Entwick lung, militärische Machtinstrumente und gesellschaftliche Ordnungen? Wie wir ken darüber hinaus besondere Rahmenbedingungen, vor allem Technik und Geo graphie, in diesem Beziehungsgefüge? Aus der Interaktion dieser Faktoren ergeben sich die Mittel und Methoden, die jeweils für eine Durchsetzung politischer Ziele im gewaltsamen Konflikt zur Verfügung stehen. 6 General George Marshali in einer Ansprache in Princeton als Secretary of State. 7 J. Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, hrsg. von R. Marx (1935) 6. 10 Franz Georg Maier Solche Fragen, scheinbar dem Problem bewußtsein moderner Konfliktfor schung und Herrschaftssoziologie entstammend, wurden im Ansatz bereits im Altertum gestellt. Aristoteles erweist sich, wie auf vielen anderen Gebieten, auch hier als Entdecker: "da es ... vier für den Krieg brauchbare Truppengattungen gibt, die Reiter, die Schwerbewaffneten, die Leichtbewaffneten und die Bemannung der Kriegsschiffe, sind dort, wo das Gelände für Reiterei günstig ist, die Voraus setzungen für eine extreme Oligarchie gegeben ... Wo das Gelände günstig ist für Hopliten, empfiehlt es sich, eine gemäßigte Oligarchie einzurichten, denn der Hoplitendienst ist eher Sache der Begüterten als der Armen. Die Truppengattung der Leichtbewaffneten und der Seesoldaten aber ist durchaus demokratisch. "8 Aristoteles' Perspektive mag angesichts unserer Erfahrung von Geschichte als Pro zeß allzu statisch erscheinen. Aber die Grundfrage ist erfaßt, soziale Schichten, politisches System und militärische Organisation sind in einen bedingenden Zusammenhang gebracht. Ein Versuch, Fragestellungen solcher Art empirisch nachzugehen, kann sich auf keinen Geringeren als Clausewitz berufen: "Historische Beispiele machen alles klar und haben nebenher in Erfahrungswissenschaften die beste Beweiskraft. "9 Historische Analysen vermögen in der Tat die systematische Erforschung dieser Probleme durch die Sozialwissenschaften zu ergänzen, da die Geschichte ein längst noch nicht ausgeschöpftes Reservoir nachprüfbarer, wenn auch vermittelter Erfahrungen über den Menschen als sozial handelndes Wesen - auch als im Kon flikt handelndes Wesen - bereitstellt. Wo fassen wir in der Interaktion von Konflikt und Gesellschaft im Altertum Konstanten oder gleichgerichtete, sich wiederholende Entwicklungen - wo Ver änderung und Innovation? Tradition und Wandel, Typisches und historisch Bedingtes lassen sich nur in epochenübergreifenden Vergleichen unterscheiden. Solche vergleichenden Analysen zwingen in hohem Maß zu Auswahl und Genera lisierung. Grundsätzlich aber ist ein Vergleich der Phänomene über den zunächst sehr weit erscheinenden Zeitraum von 3000 Jahren möglich: was wir angesichts unserer eigenen, entgegengesetzten Erfahrung gerne vergessen, ist die Langsamkeit des Wandels sozialer Grundstrukturen im Altertum. Aus den drei großen Geschichtsregionen der alten Welt greifen wir - als vor läufiges Resume einer größeren Studie - exemplarisch je zwei Erscheinungen her aus: im Alten Orient die frühen Staaten bildungen und die Entstehung von Groß reichen; in Griechenland die Polis und die hellenistischen Monarchien; in Rom die Republik und den Prinzipat. 8 Aristoteles, Pol. 1321a 5-15; in ähnlichem Sinne Pol. 1297b 16-24. 9 C. v. Clausewitz, Vom Kriege, hrsg. von F. v. Cochenhausen (1935) 203. Krieg und Gesellschaft im Altertum 11 Vergleichende historische Analyse 1. Alter Orient Frühe Staatenbildungen in Mesopotamien und Agypten Die sumerischen Stadtstaaten und die späteren akkadischen Reiche ebenso wie das Alte und Mittlere Reich der Pharaonen weisen in politischem System und gesellschaftlichem Gefüge gemeinsame Grundzüge auf: es sind theokratische Monarchien mit bürokratischer Organisation, straff zentralisiert und autoritär regiert. Auch Mittel und Formen des Konflikts sind in Mesopotamien und Ägypten in dieser Phase ähnlich. Zur sozialen Organisation dieser Gesellschaften gehören neue Instrumente der Kriegführung: zum ersten Mal erscheinen anstelle des primitiven Aufgebots der waffenfähigen Krieger in Stammesverbänden regel rechte Milizen, die in gleichartig bewaffneten, geschlossenen taktischen Forma tionen operieren. Gleichgerichtete Entwicklungen sind dabei kenntlich. Bei der dominierenden lanzenbewaffneten Infanterie, die zum Teil durch ebenfalls in regelmäßigen Formationen fechtende Bogenschützen ergänzt ist, werden die traditionellen Waf fen funktional verstärkt durch Organisation und (wenn auch rudimentäre) Ausbil dung. Die neu erscheinende phalanxartige Kampf-Formation beeinflußt direkt die Taktik: anstelle des Gefechts als Summe von Duellen im primitiven Stammeskrieg tritt langsam die Schlacht im Sinne von Manöver und Massenangriff. Mit der Lanzenkrieger-Phalanx entsteht ein militärisches Instrument von unerhörter Lebenszähigkeit. Schwerbewaffnete Infanterie beherrscht mit Ausnahme kürzerer Phasen, in denen Reiterheere dominieren, für mehr als 4000 Jahre das Schlachtfeld. Wenn wir Krieg nicht nur mit Clausewitz als "Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen",10 sondern als Akt der Gewalt mit organisierten Streitkräften verstehen, dann läßt sich spätestens an diesem Punkt der Entwicklung der Übergang vom Kampf zum Krieg ansetzen. Die Vermutung liegt zwar nahe, daß bereits der umfassende soziale Wandel der "Neolithischen Revolution" - der Übergang vom Sammler und Jäger zum seßhaften Nahrungs produzenten - die Formen bewaffneten Kampfes zwischen Menschen nachhaltig veränderte. Doch angesichts unserer ungesicherten Kenntnis prähistorischer Gesellschaften muß dies Vermutung bleiben. Im Alten Orient dagegen sind zwar Taktik, Strategie und Kriegsverlauf noch vielfach dunkel, doch lassen sich bereits bestimmte Grundformen der Krieg führung erfassen. Typen des Konflikts bilden sich aus und differenzieren sich. 10 Clausewitz a. a. O. 59.

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