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Nation, Staat und Wirtschaft, Beiträge zur Politik und Geschichte der Zeit PDF

187 Pages·2010·12.7 MB·German
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NATION. STAAT UND WIRTSCHAFT Beiträge zur Politik und Geschichte der Zeit von Ludwig Mises Wien und Leipzig Manzsche Verlags- und Universitäts-Buchhandlung 1919 ^. Das Recht der Übersetzung in andere Sprachen bleibt vorbehalten. H (off Buchdruckerci derManischen Verlags-und Universitäts- BuchhandlunginWien Vorwort. Die Blätter, die ich hiemit der Öffentlichkeit übergebe, maßen sich nicht an, mehr zn sein als Betrachtungen über die weltgeschicht- liche Krise, in der wir leben, und als Beiträge zur Erkenntnis der politischen Verhältnisse der Zeit. Ich weiß, daß jeder Versuch, mehr zu bieten, verfrüht und daher verfehlt wäre. Selbst wenn wir in der Lage wären, die Zusammenhänge klar zu durchschauen und zu erkennen, wohin die Entwicklung führt, wäre es uns unmöglich, den gewaltigen Ereignissen unserer Tage objektiv gegenüber zu treten und sich den Blick nicht durch Wünsche und Hoffnungen trüben zu lassen. Wenn man mitten im Kampfe steht, müht man sich vergebens, kühle Ruhe zu bewahren. Es geht über Menschenkraft, die Lebensfragen seiner Zeit sine ira et studio zu behandeln. Man wird mir kemen Vorwurf daraus machen können, daß auch ich von dieser Regel keine Ausnahme bilde. Es wird vielleicht scheinen, daß die Gegenstände, die in den einzelnen Teilen dieser Schrift behandelt werden, nur äußerlich zu- sammenhängen. Boch ich glaube, daß sie innerlich verknüpft werden durch den Zweck, dem diese Studie dient. Selbstverständlich kann es sich bei derartigen Betrachtungen, die immer ein Bruchstück bleiben müssen, nicht um Vollständigkeit und Geschlossenheit des Ganzen handeln. Die Aufgabe kann nur die sein, die xA.ufmerksamkeit des Lesers auf Punkte, die in der öffentlichen Erörterung nicht genug berücksichtigt zu werden pflegen, hinzulenken. Wien, Anfang Juh 1919. L Prof. Dr. Mises. Inhaltsverzeichnis. Vorwort in Inhaltsverzeichnis IV Einleitung 1 Nation und Staat 7 I. Nation und Nationalität 7 1. Die Nation als Sprachgemeinschaft 7 2. Mundart und Kultursprache 17 3. Nationale Wandlungen 22 IL Das Nationalitätsprinzip der Politik 25 1. Der liberale oder pazifistische Nationalismus 25 2. Der militante oder imperialistische Nationalismus 31 a) Die nationale Frage in den Gebieten mit gemischter Bevölkerung . 31 b) Das Wanderproblem und der Nationalismus 45 c) Die Wurzeln des Imperialismus 62 d) Der Pazifismus 69 3. Zur Geschichte der deutschen Demokratie 79 aj Preußen 79 b) Österreich 87 Krieg und Wirtschaft 108 1. Die Wirtschaftslage der Mittelmächte im Kriege 108 2. Der Kriegssozialismus 115 3. Autarkie und Großvorratswirtschaft 119 4. Die Kriegskosten der Volkswirtschaft und die Inflation 123 5. Die Deckung der staatlichen Kriegskosten 134 6. Kriegssozialismus und echter Sozialismus 140 Sozialismus und Imperialismus 145 1. Der Sozialismus und seine Gegner 145 2. Sozialismus und Utopie 150 3. Zentralistischer und syndikalistischer Sozialismus 160 4. Der sozialistische Imperialismus 167 Schlußbetrachtungen 174 Einleitung. Nur unhistorische Denkungsart vermag die Frage aufzawerfea, ob und Yne der Weltkrieg hätte vermieden werden können. Daß es zum Kriege kam, beweist, daß die Kräfte, die wirksam waren ihn herbeizuführen, stärker waren als jene, die ihn hintanzuhalten suchten. Es ist leicht, nachträglich zu zeigen, wie man es hätte besser an- stellen können, müssen oder sollen. Daß das deutsche Volk im Krieg Erfahrungen gemacht hat, die es vom Krieg abgehalten hätten, wenn es eben diese Erfahrungen schon früher gemacht hätte, ist klar. Aber Völker wie einzelne w^erden nur durch Erfahrung, und nur durch die eigene Erfahrung klug. Jetzt freilich ist es leicht ainzusehen, daß das deutsche Volk heute ganz anders dastehen würde, wenn es in jenem schicksalsschweren Jalii'e 1848 das Joch der Fürsten- herrschaft abgeschüttelt, wenn Weimar über Potsdam gesiegt hätte und nicht Potsdam über Weimar. Aber jeder Mensch muß sein Leben, jedes Volk seine Geschichte nehmen, wie es gekommen ist; nichts ist unnützer als das Klagen über nicht mehr gutzumachende Fehler, nichts vergeblicher als die Reue. Nicht als Richter, die Lob und Tadel verteilen, nicht als Rächer, die die Schuldigen ausfindig machen wollen, dürfen wir der Vergangenheit gegenübertreten. Wir suchen die Wahrheit, nicht die Schuld; wir wollen wissen, wie es kam, um es zu verstehen, nicht um Verdammungsurteile zu fällen. Wer an die Geschichte herantritt wie der Staatsanwalt an die Akten eines Kriminalfalles, um daraus Material für Anklagen zu gewinnen, der sollte lieber davon bleiben. Fem sei es ihr, das Bedürfnis der Menge nach Helden und nach Sündenböcken zu befriedigen. Das ist der Standpunkt, den ein Volk gegenüber seiner Ge- schichte eiinzunehmen hat. Nicht das ist ihr© Aufgabe, den Haß und die Gegensätze der Gegenwart in die Vergangenheit zurückzuproji- zieren und aus längst ausgefochtenen Kämpfen Waffen für den Streit der eigenen Zeit zu holen; sie soll uns lehren, die Ursachen zu er- kennen, die treibenden Kräfte zu begreifen; und wenn wir alles ver- stehen, dann werden wir alles verzeihen. So stehen die Engländer, Mises, Nation, Staat und Wirtschaft. 1 die Franzosen ihrer Geschichte gegenüber. Der Engländer, welcher politischen Richtung auch immer er angehört, vermag der Geschichte der Glaubens- und Verfassungskämpfe des 17. Jahrhunderts, der Ge- schichte des Abfalles der Neu-Englandstaaten im 18. Jahrhundert ob- jektiv gegenüberzutreten; es gibt keinen Engländer, der in Cromwell oder Washington nichts anderes zu sehen vermöchte als die Ver- körperung nationalen Unglückes. Und es gibt keinen Franzosen, der Ludwig XIV., Robespierre oder Napoleon aus der Geschichte seines Volkes streichen wollte, gleichviel ob er Imperialist, Royalist oder Republikaner sei. Und auch dem katholischen Tschechen fallt es nicht schwer, Hussiten und mälirische Brüder aus ihrer Zeit b.oraus zu verstehen. Von solcher Geschichtsauffassung führt dann unschwer der Weg zmn Verständnis und zur Anerkennung des Fremden. Nur der Deutsche ist noch weit entfernt von einer Geschichts- auffassung, die die Vergangenheit nicht mit den Augen der Gegen- wart sieht. Noch immer ist Martin Luther einem Teile des deutschen Volkes der große Befreier der Geister, dem anderen der leibhai'ige Antichrist. Und gar erst die spätere Geschichte. Für die moderne Zeit, die mit dem Abschlüsse des Westfälischen Friedens beginnt, hat Deutschland zwei Geschichtsschreibungen, die preußisch-prote- stantische und die österreichisch-katholische, die sich kaum in einem Punkte zu einer einheitlichen Auffassung durchzuringen wußten. Für die Zeit von 1815 an setzt dann noch ein weiterer Gegensatz der Auffassungen ein, der zwischen der liberalen und der obrigkeitlichen Staatsideei), und scliließlich ist neuerdings der Versuch gemacht worden, der „kapitalistischen" Geschichtsschreibmig eine „proletari- sche" gegenüberzustellen. In all dem tritt nicht nur ein auffallender Mangel an wissenschaftlichem Sinn und geschichtlicher Kritik, sondern auch eine betrübende Unreife des politischen Urteiles zu Tage. Wo es nicht gelingen konnte, Einheit in der Auffassung längst verklungener Kämpfe zu erzielen, da kann man noch viel v;eniger erwarten, Übereinstimmung in der Würdigung der jüngsten Vergangen- heit vorzufmden. Schon sehen wir auch hier zwei einander schroff widersprechende Legenden entstehen. Auf der einen Seite mn\ be- hauptet, das deutsche Volk hätte sich, durch defaitistische Propaganda verführt, des Willens zur flacht begeben, ,mid so sei durch den „Zusammenbruch der iimeren Front" der unausbleibliche Endsieg, der ihm die Erde Untertan gemacht hätte, in die fürchterlichste Niederlage verwandelt worden. Vergessen ist, daß die Verzweiflung sich des Volkes erst bemächtigte, als die vom Generalstab an- gekündigten entscheidenden Siege ausblieben, Millionen deutscher Mäimer sich in zwecklosen Kämpfen gegen einen an Zahl weit über- legenen und besser ausgerüsteten Gegner verbluteten und der Hunger 1) Vgl darüber Preuß, Das deutsche Volk und die Politik. Jena 1915. S. 97ff. — — 3 Tod und Krankheit unter die Daheimgebliebenen trug.2) Nicht raindr-?r weit von der Wahrheit entfernt sich die andere Legende, die die Schuld am Krieg und damit auch an der Niederlage dem Kapitalis- mus, dem auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln be- ruhenden Wirtschaftssystem, zuschreibt. Vergessen ist, daß der Libe- ralismus stets pazifistisch und antimilitaristisch war, daß erst seine Niederwerfung, die nur den vereinten Bemühungen des preußischen Junkertums und der sozialdemokratischen Arbeiterschaft gelungen ist, den Weg für die Politik Bismaxcks und Wilhelm II. frei legte; erst mußte die letzte Spur des liberaJen Geistes aus Deutschland ver- schwinden, mußte der Vorwurf liberaler Gesinnung zu einer Art Ehren- kränkung werden, ehe das Volk der Dichter und Denker zum willen- losen Werkzeuge der Kriegspartei werden konnte. Vergessen ist, daß die deutsche sozialdemokratische Partei wie ein Mann zur Kriegs- politik der Regierung gehalten hat, und daß das Abschwenken zuerst einzelner, dann inuner größerer Massen erst in dem Maß erfolgte, in dem die militärischen Mißerfolge die ünvermeidbarkeit der Nieder- lage immer deutlicher zeigten und in dem die Hungersnot stärker fühlbaj wurde. Vor der Marneschlacht und vor den großen Nieder- lagen im Osten gab es im deutschen Volke keinen Widerstand gegen die Kriegspolitik. Aus solcher Legendenbildimg spricht der Mangel politischer Reife, die nui" der erwirbt, der politische Verantwortung zu tragen hat. Der Deutsche hatte keine zu tragen; er war Untertan, nicht Bürger seines Staates. Wir hatten freilich einen Staat, der sich das Deutsche Reich nannte und den man uns als die Erfüllung der Ideale der Paulskirche empfahl. Doch dieses Großpreußen war ebensowenig der Staat der Deutschen wae das italienische Königreich Napoleon I. der Staat der Italiener oder das polnische Königreich Alexander I. der Staat der Polen gewesen waren. Dieses Reich war nicht aus dem Willen des deutschen Volkes hervorgegangen; gegen den Willen nicht nur des deutschen, sondern auch der Mehrzahl .des hinter seinen Kontlikts- abgeordneten stehenden preußischen Volkes war es auf dem Schlacht- felde von Königgrätz geschaffen worden. Es umschloß auch Polen und Dänen, aber es schloß viele Millionen Deutschösterreicher aus; es war ein Staat deutscher Fürsten, aber nicht des deutschen Volkes. Viele der Besten haben sich nie mit diesem Staat ausgesöhnt, die anderen spät und widerwillig. Doch es war nicht leicht, grollend -) Damit soll nicht etwa behauptet werden, daß das Verhalten des radikalen Flügels der sozialdemokratischen Partei im Oktober und November 1918 nicht die fürchterlichsten Folgen für das deutsche Volk nach sich gezogen hat. Ohne den völligen Zusammenbruch, den die ßevolten im Hinterlande und in derEtappe herbeigeführt haben, wären die Wat'enstillstandsbedingungen und der Frieden wohl ganz anders ausgefallen. Aber die Behauptung, daß wir gesiegt hätten, wenn wir nur noch kurze Zeit aus gehalten hätten, ist ganz unbegründet. abseits zu stehen. Es kamen glänzende Tage für das deutsche Volk, an äußeren Ehren und an militärischen Siegen reich. Die preußisch- deutschen Heere siegten über das kaiserliche und über das republi- kanische Frankreich, Elsaß-Lothringen wurde wieder deutsch (oder richtiger preußisch), der altehrwürdige Kaisertitel wurde wieder her- gestellt. Das Deutsche Reich nalim unter den europäischen Mächten eine geachtete Stellung ein, deutsche—Kriegsschiffe befuhren den Ozean—, die deutsche Flagge wehte über freilich ziemlich wertlosen afrikanischen, polynesischen und ostasiatischen Besitzungen. All diese Romantik mußte den Sinn der Menge gefangen nehmen, die bei Auf- fahrten und Hoffesten gafft. Sie war zufrieden, weil es zu schauen gab, und weil sie satt war. Denn zu gleicher Zeit stieg der deutsche .Wohlstand wie nie zuvor. Es waren die Jahre, da die wundervolle Erschließung der entferntesten Gebiete durch die Entwicklung des modernen Verkehres für Deutschland ungeahnte Reichtümer brachte. Das hatte nichts mit den politischen und militärischen Erfolgen des deutschen Staates zu tun, aber man urteilt bald post hoc ergo propter hoc. Die Männer, die im Vormärz die Kerker gefüllt hatten, die 1848 auf den Barrikaden gestanden waren, die dann ins Exil gehen mußten, waren mittlerweile alt und weich geworden; sie schlössen entweder ihren Frieden mit der neuen Ordnung oder schwiegen still. Ein neues GeschJecht kam auf, das nichts anderes sah und merkte als das un- ausgesetzte Wachsen des Wohlstandes, der Bevölkerungszahl, des Handels, der Schiffahrt, kurz all das, was man Aufschwung zu nennen pflegt. Und sie fingen an, der Armut und der Machtlosigkeit der Väter zu spotten, sie hatten nur mehr Verachtung für die Ideale des Volkes der Dichter und Denker. In Philosophie, Geschichte und National- ökonomie kamen neue Ideen zum Durchbruche; die Machttheorie trat in den Vordergrund. Die Philosophie wurde zur Schutzgarde von Thron und Altar, die Geschichte verkündete den Ruhm der Hohen- zollem, die Nationalökonomie pries das soziale Königtum und den lückenlosen Zolltarif mid nahm den Kampf auf gegen die „blutleeren Abstraktionen der englischen Manchesterschule". Der etatistischen Schule der Wirtschaftspolitik erscheint die sich selbst überlassene Volkswirtschaft als ein wüstes Chaos, in das nur das staatliche Eingreifen Ordnung zu bringen vermag. Der Etatist tritt an jede wirtschaftliche Erscheinung prüfend heran, um sie zu verwerfen, wenn sie seinem sittlichen und politischen Empfinden nicht zusagt. Der Staatsgewalt obliegt es daim, das Urteil, das die Wissenschaft gesprochen hat, zu vollstrecken, und an Stelle des Miß- gebildes, das die freie Entwicklung geschaffen hat, das zu setzen, was der Allgemeinheit frommt. Daß der Staat, allweise und allgerecht, auch stets nur das Allgemeinbeste will, und daß er die Macht hat, alle Übelstände wirksam zu bekämpfen, wird überhaupt nicht be- — — 5 zweifelt. Soweit auch die x4.nsichten der einzelnen Vertreter dieser Schule im übrigen auseinander gehen mögen, in dem einen Punkte stimmen sie überein, daß sie die Existenz ökonomischer Gesetze be- streiten und alle wirtschaftlichen Vorgänge auf die Wirksamkeit von Machtfaktoren zurückführen.3) Der ökonomischen Macht kann der Staat seine politisch-militärische Übermacht gegenüberstellen. Für alle Schwierigkeiten, die sich dem deutschen Volk im Innern und im Äußern entgegenstellen, wird die kriegerische Lösung empfohlen, rück- sichtsloser Gebrauch der Macht allein wird als vernünftige Politik be- zeichnet. Das waren die Ideen der deutschen Politik, die die Welt Militaris- mus genannt hat.*) Dennoch hat die Formel, die den Weltkrieg einfach auf die Machenschaften dieses Militarismus zurückführt, Unrecht. Denn der deutsche JVIilitarismus entspringt nicht etwa den gewalttätigen In- stinkten der „teutonischen Rasse", wie die englisch französische Kriegs- literatur meint; er ist nicht letzte Ursache, sondern das Ergebnis ^) In meisterhafter Weise überprüft diese Lehre Böhm-Bawerk, Macht oder ökonomisches —Gesetz (—Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. 23, S. 205 271). Die etatistische Schule der deutschen Nationalökonomie hat ihren Höhepunkt wohl in der staatlichen Geldtheorie Georg Friedrich Knapps erreicht. Nicht das ist an ihr das Bemerkenswerte, daß sie aufgestellt wurde; denn das, was sie lehrte, hatten ja schon seit JahrhundertenKanonisten, Juristen, Eomantiker und manche Sozialisten vertreten. Bemerkensw^ert war vielmehr der Erfolg des Buches. In Deutsch- land und Österreich fand es zahlreiche begeisterte Anhänger und grundsätzliche Zu- stimmung selbst bei jenen, die sich zurückhaltender zeigten; im Auslande wurde es nahezu einmütig abgelehnt oder überhaupt ni6ht beachtet. Ein vor kurzem in den Ver- einigten Staaten veröffentlichtes Werk sagt über die „Staatliche Theorie des Geldes": "This book has had wide influence on German thinking on money. It is typical of the tendency in German thought to make the State the centreofeverything." (Anderson, The Value of Money. New York 1917. S. 433.) *) In Deutschland ist die Meinung sehr verbreitet, daß das Ausland unter Mili- tarismus die Tatsache starker militärischer Rüstungen verstehe; daher wird darauf hin- gewiesen, daß England und Frankreich, die zu Wasser und zu Lande gewaltige Flotten undHeere unterhalten haben, mindestens ebenso militaristischgewesen seienwieDeutsch- land und Österreich-Ungarn. Das beruht auf einem Irrtum. Unter Militarismus sind nicht die Rüstungen und die Kriegsbereitschaft zu verstehen, sondern ein bestimmter Gesellschaftstypus, eben jener, der von alldeutschen, konservativen und sozialimperia- listischenAutorenals der des „deutschenStaates" und der „deutschenFreiheit" bezeichnet wurde und den andere als die „Ideen von 1914" gepriesen haben. Als Gegensatz dazu erscheint der industrielle Gesellschaftstypus, d. i. jener, den man im Kriege in Deutsch- land von gewisser Seite als Ideal der „Händler", als Verwirklichung der „Ideen von 1789" gescholten hat. Vgl. Herbert Spencer, Die Pri—nzipien der Soziologie. Deutsch von Vetter. Stuttgart 1889. Bd. III, S. 668—754. In der Herausarbeitung und Gegenüberstellung der beiden Typen besteht zwischen Deutschen und Angelsachsen ziemliche Übereinstimmung, doch nicht in der Terminologie. Die Bewertung der beiden Typen ist natürlich keine einheitliche. Es gab schon vor und in dem Krieg in Deutsch- land neben Militaristen auch Antimilitaristen und in England und Amerika nebenAnti- militaristen auch Militaristen. — — 6 der Verhältnisse, in denen das deutsche Volk gelebt hat und lebt. Es gehört nicht allzu viel Einsicht in den Zusammenhang der Dinge, um zu erkennen, daß das deutsche Volk den Krieg von 1914 ebenso- wenig gewollt hätte wie das englische, französische oder amerika- nische, weiui es in der Lage Englands, Frankreichs oder der Ver- einigten Staaten gewesen wäre. Den Weg vom friedlichen Nationalis- mus und Kosmopolitismus der Klassikerzeit zum militanten Imperialis- mus der Wilhelminischen Ära hat das deutsche Volk unter dem Drucke von politischen und wirtschaftlichen Tatsachen zurückgelegt, die ihm ganz andere Probleme stellten als den glücklicheren Völkern des Westens. Die Verhältnisse, unter denen es heute an die Neuordnung seiner Wirtschaft und seines Staates zu schreiten hat, sind wieder durchaus verschieden von jenen, unter denen seine Nachbarn im Westen mid im Osten leben. Wenn man diese Verhältnisse in ihrer Besonderheit erfassen will, darf man es nicht scheuen, auf scheinbar entfernter liegende Dinge einzugehen.

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Ludwig Mises. Wien und Leipzig . Mises, Nation, Staat und Wirtschaft. 1 Antichrist. Und gar erst diespätere Geschichte. Für die moderne. Zeit,.
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