Ivonne Küsters Narrative Interviews Hagener Studientexte zur Soziologie Herausgeber: Heinz Abels,Werner Fuchs-Heinritz Wieland Jäger,Uwe Schimank Die Reihe „HagenerStudientexte zur Soziologie“ will eine größere Öffentlichkeit für Themen, Theorien und Perspektiven der Soziologie interessieren.Die Reihe ist dem Anspruch und der langen Erfahrung der Soziologie an der FernUniversität Hagen verpflichtet.Der Anspruch ist,sowohl in soziologische Fragestellungen einzuführen als auch differenzierte Diskussio- nen zusammenzufassen.In jedem Fall soll dabei die Breite des Spektrums der soziologi- schen Diskussion in Deutschland und darüber hinaus repräsentiert werden.Die meisten Stu- dientexte sind über viele Jahre in der Lehre erprobt.Alle Studientexte sind so konzipiert, dass sie mit einer verständlichen Sprache und mit einer unaufdringlichen,aber lenkenden Didaktik zum eigenen Studium anregen und für eine wissenschaftliche Weiterbildung auch außerhalb einer Hochschule motivieren. Ivonne Küsters Narrative Interviews Grundlagen und Anwendungen 2. Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 2.Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH,Wiesbaden 2009 Lektorat:Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16153-2 Danksagung Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung eines Studienbriefes, den ich für die FernUniversität in Hagen geschrieben habe. Das Forschungsbeispiel, an dem die Anwendung des narrativen Verfahrens hier exemplarisch demonstriert wird, basiert auf einer biographie- und musik- soziologischen Untersuchung, die ich durchgeführt habe. Mein ganzer Dank gilt meinen Interviewpartnern, die bereit waren, mir ihre Lebensgeschichten zu er- zählen. Rat und Anregungen erhielt ich von Nicole Burzan (Dortmund), Werner Fuchs-Heinritz, Wieland Jäger, Sylvia M. Wilz (alle Hagen) und Karl-Heinz Mamber (Stuttgart). Bei Korrekturarbeiten und Layout halfen mir Heide-Marie Hutschenreuter und Christian Kurrat (beide Hagen). Ihnen allen sei herzlich gedankt. Ivonne Küsters Für die zweite Auflage wurden einige Textkorrekturen vorgenommen. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.............................................................................9 2 Das Forschungsbeispiel.....................................................11 3 Theoretische und methodologische Grundlagen zum narrativen Verfahren...............................................17 3.1 Hintergrund für die Entwicklung des narrativen Interviews...................................................................18 3.2 Erzähltheorie..............................................................24 3.3 Einsatz, Grenzen und Kritik des Verfahrens.............29 4 Das narrative Interview im Forschungsprozess.............39 4.1 Fragestellung, Erhebungsinstrument und Forschungsdesign.......................................................39 4.1.1 Forschungsbeispiel........................................42 4.2 Stimulus, Sampling und Einstieg ins Feld.................44 4.2.1 Forschungsbeispiel........................................50 4.3 Erhebung....................................................................53 4.3.1 Der Verlauf eines narrativen Interviews.......54 4.3.2 Das Misslingen von Interviews, Komplikationen, Forschungsethik.................66 8 Inhaltsverzeichnis 4.3.3 Sekundäranalysen und Datenarchive.............69 4.3.4 Forschungsbeispiel........................................70 4.4 Auswertung................................................................72 4.4.1 Transkription und Anonymisierung..............73 4.4.2 Auswertungsverfahren nach Schütze............76 4.4.3 Auswertungsverfahren nach Rosenthal.........83 4.4.4 Weitere Auswertungsverfahren.....................85 4.5 Auswertung des Forschungsbeispiels........................87 4.5.1 Typus 1 des Forschungsbeispiels..................88 4.5.2 Typus 2 des Forschungsbeispiels................134 4.5.3 Typus 3 des Forschungsbeispiels................162 4.6 Typologie und theoretische Ergebnisse...................168 4.6.1 Forschungsbeispiel......................................170 5 Einsatzbereiche des narrativen Interviews in der Forschung..................................................................177 6 Internationalität und Kulturabhängigkeit des Verfahrens.................................................................187 7 Der Einstieg in die eigene Forschungspraxis................193 Literatur....................................................................................197 1 Einleitung Dieses Buch führt praxisnah in die Forschungsarbeit mit dem narrativen Inter- view (nach Fritz Schütze) als Erhebungsmethode und in die zugehörigen Aus- wertungsverfahren ein. Daneben werden auch die theoretischen Grundlagen des Verfahrens und die methodologische Diskussion ausführlich behandelt. Beides zusammen soll die selbständige sozialwissenschaftliche Forschung mit dieser vielfältig einsetzbaren, aber natürlich auch Begrenzungen unterliegenden Me- thode anleiten und anregen. Um einen umfassenden Einblick in die Forschungspraxis zu geben, wird die Anwendung des narrativen Verfahrens hier an einem durchgehenden Beispiel dargestellt: einer empirischen Studie, in der ich explorativ eine biographie- theoretisch-musiksoziologische Fragegestellung untersucht habe. Dieses For- schungsbeispiel wird im Kapitel 2 eingeführt. Darauf folgt in Kapitel 3 die Erläuterung der theoretischen und methodolo- gischen Grundlagen, aus denen sich das narrative Verfahren nach Fritz Schütze ableitet und begründet. Dazu gehört vor allem Schützes Erzähltheorie, deren Kenntnis für die Erhebung und die Auswertung narrativer Interviews unerläss- lich ist. Dieses Kapitel informiert auch über die Einsatzgrenzen und die Kritik am narrativen Verfahren. Das Kapitel 4 widmet sich der praktischen Durchführung von Untersuchun- gen. Zunächst wird in jeden einzelnen Schritt eines qualitativen Forschungspro- zesses mit narrativen Interviews – von der Entwicklung der Fragestellung über die Erhebung bis hin zur Auswertung, Typenbildung und zum Theoriebezug der empirischen Ergebnisse – allgemein eingeführt. Darauf folgend wird jeder die- ser Schritte anhand des in Kapitel 2 vorgestellten Forschungsbeispiels ausführ- lich in der Anwendung gezeigt. Auf diese Weise kann der Leser1 einen empiri- schen Forschungsprozess zusammenhängend nachvollziehen und sich daran in seinen künftigen eigenen Forschungsarbeiten mit dem narrativen Verfahren orientieren. Diese Darstellungsweise trägt dem Charakter der Methode Rech- nung: Man kann nicht abstrakt lehren, was beispielsweise das Abbrechen eines 1 Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird im Text auch dann nur die männliche Variante aufgeführt, wenn beide Geschlechter gemeint sind. 10 1 Einleitung Wortes oder ein acht Sekunden dauerndes Schweigen im Interview für die Aus- wertung bedeuten. Dies muss immer an der konkreten Interviewstelle gezeigt und entschieden werden. Kapitel 5 informiert anhand einiger ausgewählter Studien über die Einsatz- möglichkeiten des narrativen Interviews bei verschiedenen Fragestellungen und in unterschiedlichen Forschungsfeldern, um ein Bild von der Einsatzbreite des Verfahrens zu geben. Dabei werden sowohl Studien vorgestellt, in denen das Verfahren entwickelt oder weiterentwickelt wurde, als auch solche, die es als etabliertes Instrument der qualitativen Sozialforschung verwenden; einige wei- sen Besonderheiten in der Anwendung des Verfahrens auf. Des Weiteren wer- den Hinweise auf sich neu entwickelnde Anwendungsbereiche gegeben. Das Kapitel 6 befasst sich mit dem Phänomen, dass der Einsatz narrativer Interviews bisher auffällig auf den deutschsprachigen Raum begrenzt geblieben ist. Erst in jüngerer Zeit gewinnt dieses Verfahren an Internationalität, sowohl was seine Verbreitung bei Forschern als auch die Anwendung auf Unter- suchungsgegenstände anbelangt. Aus den diesbezüglich vorgeschlagenen Erklä- rungen ergeben sich weiterführende Gedanken zum Einsatz des narrativen In- terviews in anderen kulturellen Kontexten bzw. zur Begrenztheit seiner Einsatzmöglichkeit aus kulturellen Gründen. Im abschließenden Kapitel 7 werden einige Hinweise gegeben, wie man sich über die Lektüre dieser Einführung hinaus auf die Forschungsarbeit mit dem narrativen Interview vorbereiten kann, insbesondere auf die Erhebung der ersten Interviews. 2 Das Forschungsbeispiel Am Beginn einer empirischen Untersuchung, die ich mit narrativen Interviews durchgeführt habe, stand die Lektüre einer Veröffentlichung des Musikpädago- gen Hans Günther Bastian (1991). Er hatte den Wettbewerb „Jugend musiziert“ mit verschiedenen quantitativen und qualitativen Erhebungen begleitet. Dabei ging es um Fragen der Hochbegabungsforschung, ein wenig auch um die Bio- graphien der Preisträger und den Einfluss des Wettbewerbs auf ihren Werde- gang, letztlich auch um eine Evaluation des Wettbewerbs – alles aus musikpä- dagogischer Perspektive. In der quantitativen Studie findet sich der folgende Abschnitt über die so- ziale Herkunft der Wettbewerbs-Teilnehmer: „(…) daß trotz aller bildungspolitischen Aufklärungskampagnen und Reformen in den 70er und 80er Jahren, daß trotz eines gestiegenen allgemeinen Wohlstandes das Lernen eines In- strumentes im ausgehenden 20. Jahrhundert noch immer ein Privileg gehobener Schichten ist. (...) Die Parole bleibt aktuell: ‘Sage mir, aus welcher Schicht Du kommst, und ich sage Dir, ob Du musizierst!’ (...) Das Erlernen eines Instrumentes (...) bleibt ein soziales Privileg“ (Bastian 1991: 65) Dieser Befund ist von Musikwissenschaftlern vielfach bestätigt worden (z.B. von Shuter-Dyson 1997: 307; Oerter/Bruhn 1998: 337), ebenso von soziologi- scher Seite (Bourdieu 1982: 40-43, 134f). Doch mich beschäftigte ein anderer Aspekt: Kurz zuvor hatte ich in einer Zeitung gelesen, dass eine Musikschule ein Konzert ausschließlich mit ihren erwachsenen Schülern veranstaltet hatte; mit Menschen also, die, ohne in ihrer Kindheit ein Instrument erlernt zu haben, im Alter von 20, 30, 40 oder gar mit über 60 Jahren damit begonnen hatten. Und so entstanden aus diesen beiden Lektürefunden die Fragen: „Was aber ist mit Menschen, die erst als Erwachsene ein Instrument erlernen? Welche soziale Herkunft haben die? Hat das überhaupt etwas mit Status-Aspekten zu tun? Aus welchen Gründen tun die das?“ Die Zahl dieser Menschen ist gering; zumal im Vergleich zur Zahl derer, die bei Befragungen angeben, sie würden gerne ein Instrument beherrschen, daraus aber keine entsprechenden Handlungen folgen lassen. Eine weitere Frage
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