Beiträge zur Inneren Sicherheit, Band 40 Raimund Jokiel / Christine Brost / Andreas M. Mark (Hrsg.) Nachrichtendienstpsychologie 8 Psychologische Aspekte des Terrorismus Brühl / Rheinland 2018 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-938407- 86-8 ISSN 0946-5782 Druck: Statistisches Bundesamt Zweigstelle Bonn Impressum: Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Willy-Brandt-Straße 1 50321 Brühl www.hsbund.de Inhalt 1. Einleitung der Herausgeber 7 2. Terrorismus: Annäherung an einen vielschichtigen 9 Begriff (Christine Brost) 3. Terrorismusentwicklung und sicherheitspolitische 17 Ausrichtung (Marcus Wiesen) 4. Terrorismus vs. Amok – same, same but different? 31 (Stephanie Kohl) 5. Psychologische Aspekte der Risikoeinschätzung 52 (Gerhard Storm) 6. Auswirkungen einer möglichen Gewöhnung an den 68 Terrorismus (Christine Brost) 7. Der Weg zur Radikalisierung - wie wird jemand zum 97 Terroristen? (Andreas Michael Mark) 8. Motivation islamistischer Selbstmordattentäter 111 (Raimund Jokiel) 9. Einzelfallanalysen: Radikalisierungsprozesse aus 125 Sicht der klinischen Psychologie (Eva Hammelstein) 10. Auswirkungen des Hidden Profile Phänomens auf 150 den Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbe- hörden (Britta Brodersen) 11. Methoden der Terrorismusbekämpfung 169 (Andreas Michael Mark) 12. Operative Medienarbeit und die Möglichkeiten medi- 183 aler Gegenstrategien (Marcel W. Schmitt) Herausgeber 219 5 1. Einleitung der Herausgeber Nachdem sich der Arbeitskreis Nachrichtendienstpsychologie in sei- nen letzten beiden Bänden mit innerdienstlichen Aspekten der nach- richtendienstlichen Arbeit beschäftigte, befasst sich die vorliegende Arbeit mit einem Thema, das in den letzten beiden Jahren die westeu- ropäischen Gesellschaften stark beunruhigte und verunsicherte, dem internationalen Terrorismus. Zunächst wird in Kapitel 2 von Brost der vielschichtige Begriff „Ter- rorismus“ erläutert. Hierzu werden verschiedene, international ver- wendete Definitionen vorgestellt und miteinander verglichen. Der internationale Terrorismus von heute unterscheidet sich stark von den Tatbegehungen nationaler Terrorgruppen der vergangenen Jahr- zehnte. Diese Entwicklungen führten zu neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen und zu einer neuen Ausrichtung der damit befass- ten Behörden. Wiesen beleuchtet in Kapitel 3 diese Veränderungen. Viele terroristische Taten der letzten Jahre ähneln Amokläufen von Einzeltätern. In Kapitel 4 grenzt daher Kohl „Terrorismus“ von „Amok“ ab. Ihre Analyse basiert auf einer Vielzahl internationaler Studien und der Betrachtung von Einzelfällen. Die mediale Aufmerksamkeit, die terroristische Täter in Westeuropa erhalten sowie das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung entsprechen vielfach nicht der tatsächlichen Gefährdung. Storm be- fasst sich in Kapitel 5 mit psychologischen Aspekten der Risikoein- schätzung. Inwieweit es durch diese mediale Verbreitung zu einer Gewöhnung an terroristische Anschläge kommt und zu welchen Auswirkungen dies führen kann, beschreibt Brost in Kapitel 6. Kapitel 7 ist nach Kapitel 4 das zweite, das sich mit psychologischen Aspekten der Täter befasst. Mark untersucht hierzu das Phänomen der Radikalisierung und wirft die Frage auf, wie jemand zum islamisti- schen Terroristen wird. In diesem Zusammenhang geht Jokiel in Kapitel 8 speziell auf die Motivation islamistischer Selbstmordattentäter ein und analysiert de- ren Persönlichkeitseigenschaften, vorangegangene Lernprozesse und psychopathologische Faktoren. In Kapitel 9 stellt Hammelstein Einzelfälle dar und beleuchtet sie hin- sichtlich der individuellen Radikalisierung, ihrer Sozialisation und psychologischen Entwicklung. Die letzten drei Kapitel befassen sich mit möglichen Bekämpfungsan- sätzen. Hierzu beleuchtet Brodersen in Kapitel 10 die Auswirkungen des Hidden Profile Phänomens auf den Informationsaustausch zwi- schen Sicherheitsbehörden. Anschließend geht Mark in Kapitel 11 auf Möglichkeiten und Metho- den der Terrorismusbekämpfung ein. Dabei stellt er Handlungsoptio- nen der Behörden dar, ohne auf die derzeitige rechtliche Umsetzbar- keit einzugehen. Der Erfolg von Terror basiert, wie in Vorkapiteln auch schon teilweise beleuchtet, auf der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit. Schmitt stellt in Kapitel 12 die sogenannte „Operative Medienarbeit“ vor, die als mediale Gegenstrategie der Sicherheitsbehörden wirken könnte. Der Redaktionsschluss für die Manuskripte dieses Bandes lag im Frühjahr 2017. 8 2. Terrorismus: Annäherung an einen vielschichti- gen Begriff (Christine Brost) 2.1 Einleitung Praktisch täglich taucht in den unterschiedlichsten Medien der Begriff Terrorismus auf. Er wird weltweit verwendet. Sei es aus direkter oder indirekter Betroffenheit, oder um über Terrorismus in anderen Staaten zu berichten. Eine Google-Suche mit diesem Wort ergibt 367.000 Treffer, mit „Terrorismus Definitionen“ immerhin noch 22.000 Fund- stellen. Vor diesem Hintergrund erstaunt umso mehr, dass es bis heute (April 2017) noch keine international anerkannte Definition von Ter- rorismus gibt. Stattdessen existieren zahlreiche unterschiedliche Defi- nitionen. 2.2 Die Problematik Terrorismus besitzt zahlreiche Erscheinungsformen. So kann Staats- terrorismus nicht gleichgesetzt werden mit dem islamistischen Terro- rismus. Dieser wiederum unterscheidet sich zum Beispiel erheblich vom Terrorismus, wie ihn die RAF verkörperte. Eine allgemeingültige Definition müsste die unterschiedlichen Motive der Attentäter berück- sichtigen, ihre ideologischen Ziele, ihre Opferauswahl ebenso wie Charakteristika der Terroristen. Handeln sie für eine Organisation, ein Netzwerk, einen Staat, oder auf „eigene Rechnung“ (lone wolves)? Und selbst wenn man eine Definition zur Hand hätte, die offensicht- lich alle angesprochen Bereiche abdecken könnte, würde sich immer noch das Problem der Perspektive stellen. Während mancher ein be- obachtetes Ereignis unter den Begriff Terrorismus subsumieren könn- te, würden andere, bei Anwendung der gleichen Definition zu dem Schluss kommen, dass es sich nicht um Terrorismus sondern um einen (legitimen) Freiheitskampf handelte. (vgl. hierzu Pfahl-Traughber 2016). Im Folgenden soll schlaglichtartig auf verschiedene Definitionen hin- gewiesen werden, ohne auf die möglichen juristischen Dimensionen der unterschiedlichen Ansätze und verwendeten Begriffe einzugehen. 9