Nachhaltige Logistik Wolf-Rüdiger Bretzke • Karim Barkawi Nachhaltige Logistik Antworten auf eine globale Herausforderung 1 3 Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bretzke Dipl. Ing. Karim Barkawi Barkawi Management Consultants Barkawi Management Consultants GmbH & Co. KG GmbH & Co. KG Baierbrunner Str. 35 Baierbrunner Str. 35 81379 München 81379 München Deutschland Deutschland [email protected] [email protected] ISBN 978-3-642-12351-1 e-ISBN 978-3-642-12352-8 DOI 10.1007/978-3-642-12352-8 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. 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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Vorwort Obwohl wir mit dieser Arbeit ein Sachbuch vorlegen, ist es uns auch eine Herzens- angelegenheit. Angesichts der großen Herausforderungen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit nicht nur einzelnen Unternehmen, sondern ganzen Nationen und letztlich der Menschheit insgesamt stellen, möchten wir mit unserem Wissen über die uns im Alltag beschäftigenden (und gelegentlich gedanklich einengenden) Fra- gen der Effizienzsteigerung hinaus dazu beitragen, Formen und Alternativen nach- haltigen Wirtschaftens zu entwickeln, die unseren Kindern und Enkelkindern die Handlungs- und Lebensspielräume erhalten, über die wir heute verfügen. Eine alte Indianerweisheit sagt, dass wir die Erde nicht von unseren Vätern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen haben. Das verlangt ein Maß an Weitsicht und Ver- antwortung, das über das Tagesgeschäft erheblich hinausgeht und die Kurzatmig- keit des heute praktizierten Shareholder-Value-Denkens überwindet. Dem stellen wir uns mit diesem Buch, von dem wir hoffen, dass es weitere Arbeiten stimulieren wird und seine Leser zu eigenen, weiterführenden Gedanken anregen kann. Denn die vor uns liegenden Herausforderungen können nur in einer großen, gemeinsa- men Anstrengung von Wirtschaft und Politik im Rahmen eines anhaltenden Dis- kussions- und Lernprozesses gelöst werden, und sie verlangen dabei von uns, dass wir eingetretene Trampelpfade des Denkens verlassen und dabei einige Errungen- schaften der Vergangenheit in Frage stellen, die wir unter anderen Voraussetzungen zurecht als „modern“ klassifiziert haben. So, aber auch nur so, kann die Logistik auf die Frage nach ihrem Beitrag zur Nachhaltigkeit antworten: Yes, we can! Aufgrund der Breite des Themas und der Fülle der Lösungsansätze wendet sich dieses Buch nicht nur an Logistiker und Entscheidungsträger aus der Wirtschaft, sondern auch an Verkehrswissenschaftler, Politiker und generell an alle Experten, die sich auf anderen Teilgebieten um das Thema Nachhaltigkeit kümmern. Denje- nigen, die sich mangels Fachwissens mit der Rolle der Logistik noch nicht in der Tiefe auskennen, wollen wir die Gelegenheit bieten, sich ein vollständigeres Bild zu verschaffen. Die auf eine nahezu vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft hinauslaufenden, hochanspruchsvollen Zielvorgaben, auf die sich die Politik, den Empfehlungen der Klimaforscher folgend, mehr und mehr verpflichtet, werden ohne erhebliche Anpassungen innerhalb der Logistik auch nicht annähernd zu er- reichen sein. Angesichts des hohen Anteils des weltweiten Güterverkehrs an den v vvii Vorwort Schadstoffemissionen gilt auch beim Thema Nachhaltigkeit die Erkenntnis: Logis- tik ist nicht alles, aber ohne Logistik ist alles nichts. Wenn etwas besser werden soll, muss es anders werden. Unsere Erfahrung aus den Projekten mit unseren Kunden hat uns geholfen, bei der Suche nach neuen Wegen die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Machbarkeit ist allerdings insofern eine weiche Restriktion, als man vieles, was uns heute als unverrückbare Rahmen- bedingung unseres Handelns erscheint, im Prinzip durchaus als Gestaltungsvariable betrachten und damit „verrücken“ kann. Dadurch entstehen neue, weitere Lösungs- räume. Allerdings ist das gedankliche Betreten eines neuen Terrains auch mit Ri- siken verbunden. Deshalb hoffen wir auf vielfältige Anregungen und konstruktive Kritik. Bei der Entstehung dieses Textes haben uns verschiedene Mitarbeiter unterstützt. Markus Bereiter hat den gesamten Prozess begleitet, dabei mehrere Fassungen ge- lesen und wertvolle Hinweise gegeben, die insbesondere seine Lesbarkeit gefördert haben. Frank Reichert hat uns das Wissen zur Verfügung gestellt, das er in der von ihm geleiteten Barkawi-Studie „New Generation Energy“ über Elektromobilität zu- sammengetragen und entwickelt hat. Florian Hackinger hat mit seinen Simulations- rechnungen über die Auswirkungen von Ölpreissteigerungen auf die weltweite Ar- beits- und Standortteilung unser Nachdenken über die Zukunft der Globalisierung befruchtet. Aber natürlich sind für alle Schwächen dieses Buches allein die Autoren verantwortlich. Der oben zitierten Indianerweisheit folgend, widmen wir dieses Buch ausnahms- weise nicht unseren Ehefrauen, sondern unseren Kindern und Kindeskindern – auch denen, die noch nicht geboren sind. Denn es ist ihre Zukunft, die heute in unseren Händen liegt. Wir dürfen sie nicht verbauen. Krefeld und München, im Januar 2010 Wolf-Rüdiger Bretzke Karim Barkawi Inhalt Management Summary .................................................................................. xiii 1 Grundlagen ................................................................................................ 1 1.1 Ausgangssituation und Zielsetzung .................................................... 1 1.2 Was bedeutet eigentlich „Nachhaltigkeit“? ........................................ 9 1.3 Was uns zur Anpassung zwingen wird ............................................... 27 1.3.1 Steigende Energiekosten und Treibstoffpreise ....................... 30 1.3.2 Zunehmende Verkehrsinfrastrukturengpässe ......................... 33 1.3.3 Wachsender öffentlicher Druck und massive staatliche Interventionen ........................................................ 40 Literatur ....................................................................................................... 45 2 Strategien und Konzepte zur Förderung der Nachhaltigkeit ............... 47 2.1 Kann man „Nachhaltigkeit“ messen? ................................................. 47 2.1.1 Die Messung von Wirtschaftsleistung und Wohlstand ........... 48 2.1.2 Die Messung von Verkehrsintensität und Mobilität ............... 51 2.1.3 Die Messung der Schadstoffintensität der Wirtschaft ............ 58 2.2 Technologische Ansätze für einen effizienteren Energieeinsatz ........ 69 2.3 Die Spielfelder von Staat und Politik ................................................. 84 2.3.1 Telematik ................................................................................ 86 2.3.2 Road Pricing ........................................................................... 88 2.3.3 Sonstige Steuern und Abgaben ............................................... 97 2.3.4 Bedarfs- und Verbrauchskontingentierung ............................. 99 2.3.5 Änderung des Verkehrsträgermixes („Modal Split“) ............. 107 2.3.6 Kapazitätserweiterungsmaßnahmen ....................................... 118 2.4 Modelle für eine nachhaltige Logistik in Unternehmen .................... 121 2.4.1 Anpassungen in Industrie- und Handelsnetzen ...................... 121 2.4.2 Anpassungen in offenen Transportnetzen von Logistikdienstleistern ............................................................. 174 2.4.3 Elektronische Transportmarktplätze ....................................... 182 2.4.4 Citylogistik ............................................................................. 190 2.4.5 Kooperationsmodelle ............................................................. 207 vii vviiiiii Inhalt 2.5 Anpassung von Geschäftsmodellen .................................................... 210 2.5.1 Kundennahe Produktion und Beschaffung ............................. 211 2.5.2 Nachhaltigkeit durch Vereinfachung ...................................... 229 Literatur ........................................................................................................ 239 3 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................. 243 Literatur ........................................................................................................ 263 Glossar .............................................................................................................. 265 Sachverzeichnis ................................................................................................ 271 Abkürzungsverzeichnis CP Carbon Footprint CDP Carbon Disclosure Project ECCP European Climate Change Programme EEG Erneuerbare Energien Gesetz IEA Internationale Energieagentur IOPC I nternational Oil Pollution Compensation Fonds IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change TEHG Treibhausgas-Emissionshandelgesetz UNFCC United Nations Framework Convention on Climate Change(Im Juni 1992 in der Rio-Konferent von 166 Staaten unterzeichnetes Rahmenab- kommen, das erstmalig die Verpflichtung enthält, die Treibhausgaskon- zentration in der Atmosphäre so zu begrenzen, dass“ eine gefährliche anthrpogene Störung des Klimasyszems verhindert wird“ (Artikel 2). UNEP Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltorganisation für Meteorolo- gie (WMO) gründen den Weltklimarat (IPCC). Der IPCC selbst betreibt keine Wissenschaft, er sammelt stattdessen Daten zum Klimawandel und entwickelt Strategien zur Anpassung. Das Gremium hat bisher vier so genannte Sachstandsberichte verfasst, der nächste ist für 2014 geplant. Der IPCC ist nicht direkt in das Klimasystem der Uno eingebunden, lie- fert aber den wissenschaftlichen Hintergrund für die Verhandlungen.) WBCSD World Business Council for Sustainable Development WHO Weltgesundheitsorganisation WMO World Meteorological Organization WTO W orld Trade Organization WWF World Wildlife Fund ix Abbildungsverzeichnis 1.1 Grundlegende Gestaltungsfelder ............................................................ 12 1.2 Referenzobjekte der Nachhaltigkeit ....................................................... 15 1.3 Grundlegende Wirkzusammenhänge ..................................................... 29 1.4 Treibstoffkostenanteile nach Verkehrsträgern ........................................ 33 1.5 Die wachsende Lücke ............................................................................ 36 1.6 Engpassdynamik .................................................................................... 37 2.1 Trade-Off Produktionskosten vs. Emissionen ........................................ 48 2.2 Durchflusskapazität und Kraftstoffverbrauch in Abhängigkeit von der Verkehrsnachfrage ..................................................................... 53 2.3 Mobilitäten im städtischen Individualverkehr ....................................... 53 2.4 Mobilität als Erreichbarkeit ................................................................... 54 2.5 Reaktionsfunktionen von Güter- und Individualverkehr ....................... 55 2.6 Umweltschutz als Regelkreis (1) ........................................................... 59 2.7 Umweltschutz als Regelkreis (2) ........................................................... 62 2.8 Break-even-Analyse Zustellfahrzeug ..................................................... 72 2.9 Logische Verknüpfung Transport/Verkehr/Logistik ............................... 84 2.10 Verkehr und Logistik als aufeinander bezogene Teilsysteme ................ 85 2.11 Mögliche Maubesandteile und -erhebungsziele ..................................... 90 2.12 Trade-Offs zwischen Luft- und Seefracht .............................................. 108 2.13 Nachfragevarianz als Funktion der Lieferzeit ........................................ 112 2.14 Kostenstruktur des Kombinierten Verkehrs ........................................... 115 2.15 Transportmuster in Industrie- und Handelsnetzen ................................. 124 2.16 Beispiel für eine softwaregestützte Tourenplanung ............................... 127 2.17 Tourenverdichtung durch Rahmentourenpläne ...................................... 129 2.18 Erweiterte Zielkonflikte ......................................................................... 130 2.19 Zusammenhang von Fahrzeugleistung und Infrastrukturkapazität ........ 133 2.20 Push- vs. Pullprinzip .............................................................................. 136 2.21 Pull-Prinzip mit Zeitreserven ................................................................. 139 2.22 Auslastungsverstetigung durch Puffer ................................................... 143 2.23 Integrierte Bestellpolitik und Transportdisposition ............................... 144 2.24 Trade-Off Transport- vs. Bestandskosten ............................................... 146 xi xxiiii Abbildungsverzeichnis 2.25 Standzeiten als Folgen erhöhter Transportzeitvarianzen ....................... 149 2.26 Schema eines zweistufigen Distributionssystems .................................. 154 2.27 Bedarfsaggregation über die Zeit ........................................................... 156 2.28 Das Transshipmentpoint-Modell im Systemvergleich ........................... 157 2.29 Netzstrukturoptimierung ........................................................................ 161 2.30 Transportkostensensibilität von Distributionssystemen ......................... 162 2.31 Hemmnisse der Dezentralisierung ......................................................... 163 2.32 Simulation Trade-off Transport- vs. Bestandsführungskosten ............... 165 2.33 Cluster für die Strategieanpassung ......................................................... 167 2.34 Standortvorteil Hubnähe ........................................................................ 168 2.35 Kombinationen logistischer Designprinzipien ....................................... 170 2.36 Merge-in-Transit .................................................................................... 171 2.37 Formen und Intensitäten der Bedarfsaggregation .................................. 172 2.38 Das Leerfahrtenproblem ........................................................................ 181 2.39 Tätigkeitsfelder elektronischer Transportmarktplätze ........................... 183 2.40 Unternehmensübergreifende Redisposition ........................................... 185 2.41 Dispositive Hubnachbildung mit Teilladungen ...................................... 188 2.42 Stadtbezogene Systematisierung von Verkehrsarten .............................. 192 2.43 Verteilertour in einem zweistufigen Distributionssystem ...................... 194 2.44 Ungebündelte Stadtversorgung im Ist-Zustand ...................................... 196 2.45 Entflechtung und Verdichtung durch Citylogistik ................................. 197 2.46 Citylogistik in Megacities ...................................................................... 203 2.47 Der Launhardt’sche Trichter .................................................................. 214 2.48 Produktions- vs. Transportkosten ........................................................... 217 2.49 Flexibilisierung der Fertigung ................................................................ 219 2.50 Globalisierung am Beispiel einer Jeansproduktion ................................ 222 2.51 Entwicklung des „Off-Shoring“ ............................................................. 224 2.52 Auswirkungen des Zertifikatehandels am Beispiel der Luftfracht ....... 227 2.53 Steigende Prognoserisiken ..................................................................... 231 2.54 Förderliche und hinderliche Kausalitäten .............................................. 235 3.1 Ökologie vs. Ökonomie ......................................................................... 248 3.2 Priorisierung von Maßnahmen ............................................................... 259 3.3 Nachhaltiges Denken als Paradigmenwechsel ....................................... 262