KAPITEL III DIE TREUE BÜNDNISPARTNERIN Göttin auf dem Thron Nach Cäsars Tod bändelte Kleopatra mit Marcus Antonius an, Roms neuem starkem Mann im Osten. Mit ihm wollte sie ihre Macht festigen. Kleopatra und Marcus Antonius Gemälde von Lawrence Alma-Tadema, 1883 M O RT.C A N A M GE D RI B 71 DIE TREUE BÜNDNISPARTNERIN VDonEVA-MARIA SCHNURR der beiden starken Männer in Rom. Zwar hat offiziell ein Triumvirat, ein ie Königin ist nackt. Zu- Dreimännerkollegium, die Macht inne, mindest so gut wie: Gol- aber faktisch sind es nur zwei: der ver- dene Ringe schmücken mutlich 42-jährige Antonius, der sich ihre Arme, loses Goldge- als Sachwalter von Cäsars Erbe versteht, flecht bedeckt ihre Brüste, und Octavian, gerade 21, der Adoptiv- und ihre Scham verhüllt – immerhin – sohn Cäsars. ein Perlentanga. Wie hingegossen ruht Freunde sind die beiden nicht, doch sie unter einem goldbestickten Balda- noch brauchen sie einander: Beide hat- chin, während nackte Knaben ihr ten im Bürgerkrieg nach der Ermordung Luft zufächeln. Kleopatra, die Köni- Cäsars den Kampf gegen dessen Mörder gin Ägyptens, segelt im Hafen von geführt und sie im Herbst 42 in der Tarsos ein, erscheint zum Antrittsbe- Schlacht von Philippi geschlagen. such bei Marcus Antonius, dem neu- Nun gehen sie daran, Ordnung und en Verwalter der römischen Ostpro- Stabilität wiederherzustellen. vinzen. Antonius ist für die östlichen Den Menschen, die neugierig zum Provinzen und die angrenzenden Fluss laufen, stockt beim Anblick des Staaten zuständig, für Makedo- Schiffs der Atem: Purpurrote Segel nien, für die Gebiete Anatoliens bauschen sich im Wind, das vergol - und Syriens und für Ägypten. Des- dete Heck gleitet durch das türkise halb reist er nun durch die Region, Wasser des Kydnos, silberne Ruder treibt Tributzahlungen ein und führt schlagen im Takt von Flöten und Gespräche mit den von Rom abhängigen Schalmeien, am Steuer stehen spär- Klientelfürsten. lich bekleidete Mädchen, und bis ans Eine von ihnen ist Kleopatra – aber Ufer weht der Duft von Räucherwerk. sie weiß, dass sie nicht nur irgendeine Doch das ist nur das Vorspiel. Als ist: Sie hat einen Sohn mit Gaius Julius das Schiff festgemacht hat und die Kö- Cäsar, mit ihm gemeinsam regiert sie das nigin Antonius und seine Entourage reichste Land der Mittelmeerwelt, das zum Gastmahl empfängt, ist der Bo- dazu noch einer der wichtigsten Getrei- den fast kniehoch mit Rosenblättern deproduzenten ist. Rom kann es sich bedeckt. Umgeben von golddurch- nicht leisten, sie als Bundesgenossin zu wirkten Tapisserien servieren Diener verlieren. Austern, Birkhähne und Pfauenhen- Und so demonstriert sie in Tarsus nen, man speist von edelsteinbesetz- nicht nur unermesslichen Reichtum, wie tem Goldgeschirr und trinkt erlesens- man ihn von hellenistischen Herrschern te Weine aus Kristallbechern. damals ohnehin erwartet, sondern auch Solchen Luxus erleben auch Römer ihre herausragende Stellung. Nicht ein- nur selten, und als ihnen die Ägypterin fach als Königin sucht sie Antonius auf, zum Mahl auch noch die dick gepolster- sondern sie inszeniert sich als die Göttin ten Ruhesofas verehrt, ist sogar Antoni- der Liebe, die in Ägypten als us überwältigt. Kleopatra hat ihr Ziel er- Basaltstatue im Isis, in Griechenland als Aphro- reicht. ägyptischen dite verehrt wird. Die laszive Luxus-Show im Sommer Stil, als Kleopa- Ihr Auftritt ist für die Zeit- des Jahres 41 v. Chr. ist Teil einer diplo- tra identifiziert genossen eine klare Aussage: matischen Offensive. Beim Treffen mit Weil Antonius sich im Osten Antonius, seit kurzem verantwortlich als Manifestation des Gottes Dionysos für die Provinzen und Klientelkönigrei- huldigen lässt, als siegreicher Bezwinger che Roms im östlichen Mittelmeerraum, großer Gebiete und Beglücker der geht es für Kleopatra um alles: Wird Menschheit, tritt sie ihm gottgleich auf Rom sie auch weiterhin als Königin Augenhöhe entgegen. Ägyptens stützen? Und wird es ihr ge- In der Mythologie tauchen Dionysos lingen, ihre Interessen bei der Groß- und Aphrodite als Paar auf. Da passt es macht zu Gehör zu bringen? nur zu gut zu dem Staatsschauspiel, das Über ihr Schicksal und das ihres Lan- Kleopatra und Antonius in Tarsus auffüh- des entscheidet künftig vor allem einer ren, dass auch ihre Darsteller mitein ander BIS – und ihn muss Kleopatra sich gewogen anbändeln: Zur ganzheitlichen Diploma- OR C machen: Marcus Antonius. tie gehören nicht nur üppige Gastmähler NI / Der kräftige Mann mit der Adlernase, und harte Verhandlungen, sondern auch NNI VA bekannt als brillanter Redner, fähiger Sex. Antonius habe sich sofort in Kleopa- O R D Militärstratege und Frauenheld, ist einer tra verliebt, wird gut 200 Jahre später der N A S 72 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 römische Historiker Cassius Dio über die Antonius-Büste Begegnung schreiben. Doch er übertreibt. Erst einmal ist braucht Antonius Ägyptens Ressour- die Koalition zwischen den Laken cen, ein stabiles Königreich hat für nichts anderes als die Fortsetzung der ihn darum oberste Priorität. Politik mit anderen Mitteln. „Liebe „Do ut des“, ich gebe, damit du und Sexualität gehörten zur Religion gibst, sagen die Römer – Kleopatra und alles zusammen zur Politik“, muss Antonius deshalb kaum drän- schreibt der Altertumsforscher Man- gen, ihre Schwester Arsinoe hin- fred Clauss. richten zu lassen, die sich in Ephe- Sex und Ehe sind damals nicht nur in sus, der Hauptstadt der römischen Rom gängige Mittel, politische Verbin- Provinz Asia, aufhält. Damit räumt dungen zu festigen. Auch Kleopatra ist Antonius seiner Verbündeten die letzte kein von Emotionen getriebenes Frau- Rivalin um die Macht am Nil aus dem chen, sondern eine kühl kalkulierende Weg. Realpolitikerin. Kleopatras Herrschaft ist nun gefes- So hatte sie nach der Ermordung Cä- tigt. Formal regiert sie gemeinsam mit sars im römischen Bürgerkrieg zunächst ihrem kleinen Sohn Kaisar, faktisch aber die Cäsarianer um Antonius und Octa- allein; Verwandtschaft, die ihr den Kö- vian unterstützt, doch als diese im Mit- nigstitel streitig machen könnte, gibt es telmeer eine verheerende Nieder- nicht mehr. lage erlitten und Ägypten Selbstbewusst empfängt die eine Invasion der repu- reichste Frau der Welt den blikanischen Cä- Römer im Winter 41/40 sar-Mörder in ihrem Palast in drohte, war Alexandria. An- sie durchaus tonius ist zum gewillt, zum ersten Mal Schutz ihres länger in Landes das Ägypten und Bündnis zu nutzt den Be- wechseln. Dazu such, das ver- war es nur deshalb bündete Land nicht gekommen, weil und dessen Metro- sich der Kriegsverlauf an- pole besser kennen- ders entwickelte und die zulernen: Er besucht Truppen nicht nach Ägyp- Heiligtümer und disku- Nten vorrückten. tiert mit Gelehrten, treibt Sport und trifft un, nach dem Mitglieder der hellenisti- Sieg der Cäsaria- schen Oberschicht. ner, geht Kleopatra Kleopatra ist Staatsfrau ge- auf volles Risiko. Sie nug, um zu wissen, dass der Auf- setzt alles auf Antonius – hen? Das Verhältnis zwischen Antonius enthalt des Römers handfeste taktische und so gesehen präsentiert sie sich in und Octavian ist spannungsgeladen, ihre Gründe hat: Von hier aus lassen sich die Tarsus auf alle Fälle nackt, selbst wenn Übereinkunft fragil. Sollte Antonius Aktionen der Parther in Syrien beobach- ihre Einfahrt in den Hafen in den Be- scheitern, läuft Kleopatra Gefahr, mit ten, und anders als die vom Bürgerkrieg richten ausgeschmückt sein sollte. Mit ihm unterzugehen. ausgelaugten römischen Provinzen kann Antonius’ Hilfe, so das Kalkül, kann sie Doch die Vorteile, die sie sich gegen- Ägypten ihn überaus komfortabel über ihre Macht festigen und vielleicht sogar seitig verschaffen können, sind zu groß, den Winter bringen. steigern. um den Einsatz nicht zu wagen. Die Par- Die Königin unterhält Antonius bei Nicht berechnen jedoch lässt sich die ther, ein persisches Volk, das mit Rom Jagdausflügen zu Pferd, sie würfelt mit politische Situation in Rom. Das Trium- um die Vormacht im Osten rivalisiert ihm, huscht mit ihm nachts verkleidet virat ist eine Übergangslösung; offen ist, und die Cäsar-Mörder unterstützt, sind durch die Gassen der Stadt und treibt wohin sie führt. Wird die Republik in weit bis ins westliche Kleinasien vor - Scherze mit dem Römer, der kernigen Rom siegen? Oder wird am Ende ein Ein- gedrungen und bedrohen die römischen Humor schätzt: Als es ihm peinlich ist, zelner an der Spitze der Großmacht ste- Provinzen. Für den Abwehrkampf dass er beim Angeln erfolglos bleibt, Kleopatra ist kein von Emotionen getriebenes Frauchen, sondern eine kühl kalkulierende Realpolitikerin. G K A 73 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 DIE TREUE BÜNDNISPARTNERIN während sie danebensitzt, befiehlt er Dienern, unter Wasser heimlich Fische an der Angel zu befestigen. Kleopatra aber kommt ihm auf die Schliche und lässt einen Bediensteten einen Räucher- fisch an den Haken spießen. „Überlass doch, Imperator, die Angel- rute uns, dein Fang sind Städte, König- reiche und Kontinente“, schmeichelt sie Antonius, so berichtet es der antike Ge- schichtsschreiber Plutarch. Verständi- gungsprobleme haben die beiden nicht: Antonius hat mehrere Jahre in Athen ge- lebt, er beherrscht Griechisch fließend, die Muttersprache der Königin. Nichts spricht dagegen, die Zeit mög- lichst angenehm miteinander zu verbrin- gen – zumal Antonius’ Gattin Fulvia in Rom und damit weit weg ist. Die ist eine energische Frau, gefürchtet für ihre spit- ze Zunge – aber dass ihr Mann nicht treu ist, kann sie kaum erschüttern: In Rom sind seine Affären mit Schauspielerin- nen und Dirnen stadtbekannt, und Kleo- patra ist nicht die erste mächtige Frau, mit der er ins Bett steigt. Außereheliche Liebschaften sind in Rom, zumal für Männer, nicht weiter an- stößig, solange dadurch der Status des rechtmäßigen Ehepartners nicht in Fra- ge gestellt wird. Da Kleopatra aber kein römisches Bürgerrecht hat, ist sie in den Augen echter Römer trotz ihres Königs- titels eine Unperson – für Fulvia also kei- ne Gefahr. Trotzdem ist es Antonius’ Ehefrau, die die Zweisamkeit am Nil eher unsanft be- endet. Allerdings nicht aus Eifersucht: Gemeinsam mit Antonius’ Bruder Lucius, Konsul im Jahr 41, hat Fulvia in Rom ei- nen Bürgerkrieg gegen den in innenpoli- tische Schwierigkeiten geratenen Octa- vian angezettelt – und Ende Februar 40 verloren. Antonius, der den Konflikt aus Alexandria verfolgte, saß dabei zwischen allen Stühlen: Hätte er sich auf die Seite seines Triumvirats-Kollegen Octavian ge- schlagen, hätte er seine Familie düpiert; als Parteigänger von Frau und Bruder da- gegen hätte er seine Abmachungen mit Octavian gebrochen. Also wartete er ab. patra sehr gelegen: Es stärkt nicht nur und Kleopatra nennt sie die Kinder, die Nun jedoch, nach der Niederlage, symbolisch ihre Bindung an Rom, son- 40 v. Chr. zur Welt kommen, Namen von muss Antonius verhindern, dass Octavi- dern ist ein weiterer möglicher Erbe für einer Symbolkraft, als würde der fran- an ihn aus dem Rennen wirft. Er macht die Dynastie neben dem nun siebenjäh- zösische Staatspräsident heutzutage sei- sich auf nach Athen, wo Fulvia und seine rigen Cäsar-Sohn Kaisar – angesichts ne Kinder Napoleon und Johanna von Anhänger auf ihn warten, um von dort der hohen Kindersterblichkeit wäre es Orléans nennen. nach Italien überzusetzen. Auch der Um- leichtsinnig, nur auf einen einzigen Erb- Alexander der Große war es, der das stand, dass Kleopatra ein Kind von ihm folger zu setzen. hellenistische Reich zu seiner bis dahin G K erwartet, hält ihn nicht in Ägypten. Umso mehr muss sich Kleopatra freu- größten Ausdehnung brachte, und eine A 29 Jahre alt ist Kleopatra, als sie zum en, als sie erfährt, dass sie sogar Zwillin- seiner Schwestern hieß Kleopatra. NG / zweiten Mal Mutter wird. Ein Kind von ge erwartet – wo doch Zwillingsgebur- Wenn ihre Untertanen hören, dass Kleo- H LESSI dem hochrangigen Römer kommt Kleo- ten als gutes Omen gelten. Alexander patra einen neuen Alexander geboren RIC E 74 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 „Das Gastmahl der Kleopatra“ Gemälde von Giovanni die das Land fruchtbar macht, bleibt in Domenico Tiepolo, 1743/44 einigen Jahren sogar ganz aus. Die Be- wässerungssysteme für die Felder wur- den vernachlässigt, die Beulenpest hat gewütet. Es gibt kaum Nachrichten aus der Zeit, nachdem Antonius nach Italien zu- rückgekehrt ist, aber einige Papyri zeu- gen davon, dass Kleopatra seit ihrer Rückkehr aus Rom darangeht, Landwirt- schaft und Handel wieder in Schwung zu bringen, die Erträge des Staates zu steigern, die Korruption zu bekämpfen. Der Regierungsalltag der Königin ist wenig glamourös: Kleopatra empfängt Untertanen, die mit Bittgesuchen im kö- niglichen Palast erscheinen, sie zeichnet Gesetze und Dekrete ab, die ihre Beam- ten ihr vorlegen, sie entscheidet über Steuerprivilegien und macht sich an die Modernisierung der Verwaltung. Es gelingt ihr und ihrer Verwaltung, die Lage nach den Hungersnöten zu be- ruhigen. Aber in Rom entwickeln sich die Dinge nicht ganz in ihrem Sinn. Ver- mutlich berichten ihr Spione in Antoni- us‘ Gefolgschaft, was nach seiner Abrei- se aus Alexandria geschieht: dass Fulvia kurz nach dem Zusammentreffen mit ihrem Mann gestorben ist und dass An- tonius sich mit Octavian zusammenge- Arauft hat. llerdings müssen die Zu- träger Kleopatra auch melden, dass der Vater ih- rer Zwillinge dabei an Einfluss verloren hat. Zwar ist er noch immer für den Osten zuständig, bleibt Ansprechpartner für die Ägypterin, aber Octavian hat seine Machtbasis im Westen des Römischen Reichs deutlich gestärkt. Und dann gibt es da noch eine Nach- richt, die niemand der Königin gern überbringt: Antonius hat, kaum verwit- wet, im Dezember 40 wieder geheiratet. Seine neue Frau ist Octavia, die Schwes- ter Octavians. Die Ehe ist politisch motiviert, nicht hat, dann werden sie nicht zweifeln, dass Viel Ruhezeit kann sich die Ägypterin aus Liebe heiraten die beiden, sondern sie zu Recht an der Spitze des Staates nach der Geburt allerdings nicht gönnen: um das Einvernehmen zwischen Anto- steht. Und sie dürfen hoffen, dass die Bei aller Herrschaftssymbolik erwarten nius und seinem Regierungspartner zu Königin den Traum von einer ägypti- ihre Untertanen von ihr vor allem Taten. stärken. Aber die 29-jährige Octavia ist schen Großmacht am Mittelmeer, den Zu regeln gibt es genug, denn das intelligent und schön, und trotz der ar- sie mit den Namen heraufbeschwört, ei- Land steht nicht gut da. Der Nil führt rangierten Beziehung ist sie loyal und nes Tages verwirklicht. viel zu wenig Wasser, die Nilschwemme, versteht sich gut mit Antonius; mehr- Im eigenen Land inszeniert Kleopatra den Herrscherkult um ihre Person immer stärker, lässt sich als Isis verehren. 75 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 DIE TREUE BÜNDNISPARTNERIN mals kann sie als Vermittlerin auf ihren Bruder einwirken, der zunehmend ver- sucht, Antonius in Rom ins Abseits zu drängen. Das Paar, das bald darauf nach Athen zieht, bekommt innerhalb von nur drei Jahren zwei Töchter. Ist Kleopatra eifersüchtig, als sie von der Hochzeit hört? Wütend? Traurig? Fremd ist den Menschen damals Leiden- schaft, wie wir sie heute verstehen, nicht. Zu Lebzeiten von Antonius und Kleopatra melden sich in Rom echte Ro- mantiker zu Wort: Dichter wie Catull und Ovid lehnen die ehernen Prinzipien der römischen Gesellschaft und deren Moralvorstellungen – Krieg und Ruhm, standesgemäße Heiraten und ein bieder- keusches Frauenbild – ab. Stattdessen verzehren sie sich in ih- ren Gedichten in romantischer Liebe zu besonders frei lebenden Frauen. Die Religionshistorikerin Hildegard Cancik- Lindemaier nennt sie die „Blumen - kinder des alten Rom“ – sie propagieren leidenschaftliche Liebe, die sich über alle gesellschaftlichen Konventionen hinwegsetzt. Doch Antonius und Kleopatra kön- nen sich so etwas nicht erlauben. Die Frage, ob sie das schönere Paar gewesen wären, stellen sie sich nicht: Die Ehe ist keine Privatangelegenheit, Antonius muss Octavia heiraten, will er sich in der komplizierten römischen Innenpolitik nicht selbst sabotieren. Auch Kleopatra hätte nicht anders ge- handelt, hätte ihre Stellung als Königin auf dem Spiel gestanden. Gut möglich, dass sie gar nicht mehr damit rechnet, dass Antonius in ihrem Leben noch eine große Rolle spielen wird. Doch dann taucht er plötzlich wieder auf. Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit sich der Römer und die Ägypterin zum letzten Mal gesehen haben, und tischer Einfluss in Rom beruht ganz ent- Der Deal ist wieder typisch römisch: nicht Sehnsucht treibt sie zueinander, scheidend auf militärischem Erfolg. Wer Antonius gibt, dem wird gegeben wer- sondern Außenpolitik: Mehrmals sind Dazu aber braucht er Kleopatra – und den. Der Triumvir installiert ihm er gebene die Parther in die römische Provinz Sy- ihr Geld. Männer als Könige in den wichtigen rö- rien eingefallen, nur mühsam konnten Sie treffen sich in der syrischen Ha- mischen Klientelstaaten Judäa, Galatien, römische Feldherren sie wieder zurück- fenstadt Antiochia, und sie sind nicht al- Pontos und Kappadokien, erweitert ihre treiben. lein: Zwar hat Antonius Octavia nach Gebiete, damit sie ihn mit Geld, Truppen Nun will Antonius sie entscheidend Rom geschickt, damit sie dort seine In- und Material unterstützen. GE schlagen – nicht nur, um die römischen teressen vertritt, aber auch andere Stadt- Auch Kleopatra ist Teil seiner Rüs- MA YI Gane bdieente O zsutg sriecnhzeernn udnesd Reneidclhicsh z fuü sro Rrguehne, otebnesr hfiänudpetne rs,i Fchü risnt eSny ruiennd eKinön, siigee a dleles sOosl-- tteunn gssosltlerant megöieg:l iDchies pt vtoielelem Säcihscifhfeen fü Wr iehrnf- RCE, N U O sondern auch um seine Position gegen- len Antonius bei der Vorbereitung des bauen, dafür erweitert Antonius das RES über Octavian zu verbessern, denn poli- Kriegszugs unterstützen. ägyptische Herrschaftsgebiet um Land- RT A RY / A Mit den Namen ihrer Kinder beschwört Kleopatra den Traum BR RE LI U von einer ägyptischen Großmacht am Mittelmeer. CT A PI DE 76 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 Handel und Schifffahrt auf dem Nil (Altägyptisches Die Menschen im Osten sollen dies Grabgemälde in Luxor) wohl als Hoffnung auf ein neues golde- nes Zeitalter verstehen – und in Kleopa- tra und Antonius diejenigen sehen, die dieses Zeitalter bringen. Die politische Nähe der beiden wird bald auch wieder zu persönlicher: Als Antonius zum Par- therfeldzug aufbricht, ist Kleopatra er- neut von ihm schwanger. Octavian, Antonius’ Mit-Triumvir in Rom, müssen die Meldungen, die ihn aus Ägypten erreichen, nervös machen: Klingt es nicht so, als wollten Kleopatra und Antonius gemeinsam eine römisch- ägyptische Herrscherdynastie begrün- den? Hat Kleopatra nicht langsam ein bisschen viel Einfluss? Und dann ist da ja noch Kaisar – der einzige leibliche Sohn Cäsars und damit eine latente Kon- kurrenz für Octavian, der nur dessen Adoptivsohn ist. Schwer zu sagen, ob Kleopatra und Antonius die Beinamen ihrer Kinder als Provokation beabsichtigen. In Rom aber kann man das durchaus so auffassen, zu- mal das Einvernehmen zwischen Octa- vian und Antonius bröckelt: Octavian hatte Antonius Truppen für seinen Feld- zug gegen die Parther versprochen, ihn aNber immer wieder hingehalten. och sind die beiden keine offenen Rivalen, doch Octavian achtet sehr ge- nau darauf, das Gleich - gewicht der Kräfte zwi- schen ihnen zu wahren. Und die Inter - essengemeinschaft mit der mächtigen Kleopatra ist ein schweres Pfund in An- tonius’ Waagschale. Die Königin aber denkt gar nicht dar- an, sich zurückzunehmen, das wäre das falsche Signal an ihre Untertanen, nun, da sie ihre politischen Ziele fast erreicht striche in Kilikien, im Libanon, an der ren fügt sie nun die Zahl der Jahre an, hat. Im eigenen Land inszeniert sie den Küste Phöniziens, am Toten Meer und die sie über die neuen Länder gebietet, Herrscherkult um ihre Person immer auf Kreta sowie die römische Provinz so, als sei eine neue Ära angebrochen: stärker, lässt sich als Isis verehren, tritt Kyrenaika, die westlich an Ägypten „Das Jahr 16, welches auch das Jahr 1 bei offiziellen Anlässen im typischen Ge- grenzt. Diese Länder sollen die ägypti- ist“, heißt das Jahr 37/36 in Ägypten, wand der Göttin auf: einem enganliegen- schen Flottenbauer mit Zedernholz, Bi- die Königin nutzt zudem den Beina - den farbigem Untergewand mit einem tumen und Bargeld versorgen. men „Philopatris“, die, die ihr Vaterland schwarzen Übermantel, der zwischen Das ägyptische Reich ist dadurch so liebt. den Brüsten geknotet ist. groß wie seit Generationen nicht mehr. Kleopatra ist dem Traum von der Stolz begleitet sie Antonius auf dem Stolz lässt Kleopatra Münzen prägen, da- ägyptischen Großmacht ein entschei- ersten Teil seines Feldzuges bis an den mit alle Untertanen von der neuen dendes Stück näher gekommen – dank Euphrat, auf dem Rückweg besucht sie Macht ihrer Königin erfahren, sie zeigt ihrer Allianz mit Marcus Antonius. die lokalen Regenten in den ihr nun un- darauf nicht nur sich, sondern auch An- Im Gegenzug nutzt der den gemein- terstellten Ländern, regelt die Abgaben, tonius als Imperator und Triumvir – samen Nachwuchs zur Propaganda für die diese fortan an Ägypten zahlen sol- eine Verbeugung vor der eigentlichen seinen Feldzug gegen die Parther: Er er- len. Ihrem vierten Kind, das Ende 36 Macht in der Region. kennt die Zwillinge als seine Kinder an, geboren wird, gibt sie den Namen Pto - Sogar die Zeit wird in Ägypten nun sie erhalten die Beinamen „Helios“, Son- lemäus Philadelphos, der Geschwister- neu gezählt. Zu ihren Herrscherjah - ne, und „Selene“, Mond. liebende. 77 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 PORTRÄT Marcus Antonius sah sich als Erbe Cäsars, doch sein Konkurrent Octavian verfolgte seine Interessen entschlossener. Duell der Rivalen Da war dieser Moment,da hätte Marcus Antonius gar Osten und nach Kleinasien. Dort konnte er an Klientel- nichts tun müssen, und er wäre seinen Kontrahenten Octa- beziehungen seiner Familie anknüpfen, die ihren mythi- vian losgewesen. Anfang der dreißiger Jahre war es, in Rom schen Ursprung auf einen Sohn des griechischen Helden herrschte Hungersnot, denn Sextus Pompeius blockierte Herakles zurückführte. die Getreidelieferungen aus Sizilien und Nordafrika. Das Ihm, der gern feierte, luxuriöse Gelage schätzte und sich hungrige Volk meuterte, weil sich die Bürgerkriegsparteien in der griechischen Kultur zu Hause fühlte, fiel es leicht, auf ihre Kosten um Ehre und Ruhm stritten. Als Octavian mit den Bundesgenossen, zu denen auch Kleopatra ge- auf das Forum eilte, um die Menge zu beruhigen, warfen hörte, gutes Einvernehmen herzustellen. Er galt als un- die Menschen Steine auf ihn, gerieten immer mehr in Rage. kompliziert und verlässlich, seine Soldaten hingen an Antonius hätte einfach abwarten können, bis das Volk sei- ihm, weil er leutselig war und in schwierigen Situationen nen Konkurrenten lynchte. Doch er eilte herbei, rettete die richtigen Worte fand. Octavian aus höchster Not und Doch welche Pläne er mit dem Os- versteckte ihn in seinem Haus, er- ten des römischen Reichs hatte, zählt der griechische Geschichts- ist strittig. Dachte er an ein eige- schreiber Appian. nes Königreich, losgelöst von Es war der Augenblick, in dem Rom? Gar an eine gemeinsame man die spätere Niederlage des Herrschaft mit Kleopatra? Half- Antonius hätte ahnen können. mann meint, dass Antonius im- Denn Octavian scheute keine mer auf Italien orientiert blieb, Tricks und Intrigen, seinen Riva- dort die Anerkennung für seine len niederzuringen. Verdienste im Osten erwartete. Nach Cäsars Tod schien es zu- Die Chancen hätten nicht nächst, als würde Antonius der schlecht gestanden. In der römi- neue führende Kopf in Rom. Er schen Bevölkerung war Antonius war Cäsars Vertrauter und Feld- beliebt, die Menschen lächelten herr gewesen, zudem ein entfern- über seine Affären mit Schauspie- ter Verwandter. Doch dann erfuhr lerinnen und Gattinnen von Bun- er bei der Testamentseröffnung, desgenossen, mit denen er seine dass Cäsar nicht ihn, sondern vier Ehefrauen betrog, und selbst Octavian zum Haupterben er- seine Beziehung zu Kleopatra war wählt hatte. für viele eine Nebensache. Zahl- Antonius wäre ein würdiger reiche Senatoren setzten ihre Nachfolger gewesen, meint Hel- Hoffnung in ihn, als Octavian die mut Halfmann, der die neueste Alleinherrschaft immer rück- Biografie über den Spross einer sichtsloser vorbereitete. bis dahin eher erfolglosen Politi- Doch in diesem Duell fehlte An- kerfamilie geschrieben hat. Der tonius wohl die letzte Entschlos- lebensfrohe Politiker, damals senheit, der letzte Wille zur etwa 40 Jahre alt, der in Athen Porträtkopf des Marcus Antonius Macht, den Octavian im Übermaß Rhetorik studiert und danach eine aus Kalkstein hatte. Aus bis heute nicht ganz ge- glänzende militärische Karriere klärten Gründen versuchte er gemacht hatte, sei auf Ausgleich zwischen Gegnern und nicht, mit seinen Truppen nach Italien vorzustoßen, son- Anhängern Cäsars bedacht gewesen. Erst seit Octavian dern ließ sich auf die am Ende verhängnisvolle Schlacht immer unverhohlener seinen Anspruch auf Alleinherr- bei Actium ein. schaft zeigte, habe auch Antonius konsequenter eigene Antonius verlor – und Octavian setzte alles daran, den Interessen verfolgt. Gegner aus der Geschichte zu verdrängen: Er verhängte A Mal gemeinsam mit Octavian, zunehmend jedoch in Kon- eine „Damnatio memoriae“, ließ alle Bildnisse von Anto- HAIF M kurrenz zu ihm, rang Antonius zunächst mit den Mördern nius zerstören und dessen Namen aus Urkunden und In- U Cäsars, dann mit Sextus Pompeius. Während seine Macht- schriften tilgen. An die Macht in Rom schafften es erst MUSE basis anfangs in Gallien lag, verschob sich der Schwer- ein Enkel und zwei Urenkel des Antonius: die Kaiser Clau- RITIME punkt seiner Politik immer stärker in den griechischen dius, Caligula und Nero. Eva-Maria Schnurr MA AL N O ATI N 78 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012 DIE TREUE BÜNDNISPARTNERIN KLEOPATRAS MÜNZEN Geld mit Botschaft Münzen waren in der Zeit Kleopatras nicht nur Zahlungsmittel. Herrscher nutzten sie, um ganz nebenbei dem Volk ihr Selbstverständnis kundzutun. Kleopatra war die erste Ptole - mäerin auf einer ägyptischen Münze. Ohne ihren männlichen Mitregenten ist sie auf einem Geldstück aus Alexandria zu sehen (oben l.), die Rückseite ziert ein Adler. Die Königin ist immer im Profil, mit einem Haarknoten im Nacken und einem stirnbandähnlichen Dia- dem dargestellt. So auch auf dem römischen Silberdenar (unten), den Antonius nach sei- nem Sieg über Armenien prägen ließ. Um ihr Porträt läuft die lateinische Umschrift: „Der Kleopatra, der Königin der Könige und der königlichen Söhne“, auf der Rückseite zeigte Antonius sich selbst. Von den mindestens acht Münzen, die das Paar gemeinsam ab - bilden, ist dies die einzige mit lateinischer Schrift –sie sollte wohl in Italien vom gemein- samen Triumph künden. Kleopatra war damit die erste Nichtrömerin auf römischem Geld. Nicht lange nach der Geburt segelt seine Ehefrau und so auch deren Bruder Allenfalls ist es eine Demonstration sie mit ihrer Flotte nach Leuke Kome an Octavian mit seinem Schreiben krass – seiner Unabhängigkeit von Octavian, er der libanesischen Küste, um Antonius und bekannte damit seine Liebe zu Kleo- will nicht um Soldaten betteln müssen. zu treffen, der zermürbt vom Feldzug patra. Nüchtern betrachtet ist an dieser Noch im Jahr 36 oder 35 aber werden in zurückkehrt, sie unterstützt seine Trup- BEehauptung wenig dran. Rom Münzen geprägt, die Antonius und pen mit Kleidern und Geld. Octavia gemeinsam zeigen. Sie beweist ihre Bündnistreue, obwohl igentlich hatte Antonius Dichterische Freiheit sind deshalb der Partherfeldzug eine Enttäuschung vor, nach seinem Feldzug wohl auch die Berichte der römischen war. Denn es ist Antonius nicht gelungen, nach Italien zu reisen, wo Historiker über eine heftchenromanrei- die Parther, die ja auch das ägyptische zu entscheiden war, wie es fe Vorstellung Kleopatras: Diese habe Reich bedrohen, entscheidend zu besie- nach dem Ende der Bürger- gefürchtet, dass Antonius wieder zu gen. Krankheiten und Kälte haben seine kriege in Rom weitergehen sollte, denn Octavia zurückkehre, schreibt Plutarch: Soldaten aufgerieben, mehr als 30000 die Notstandsregierung des Triumvirats „Sie stellte sich also entsetzlich verliebt U.) CE ( sind gestorben, völlig entkräftet haben es war nun überflüssig. in Antonius und suchte sich durch UR die anderen zurück ans Mittelmeer ge- Doch weil Antonius wegen des un- schmale Kost magerer zu machen. Ihr O RES schafft, wo Kleopatra zu ihnen stößt. entschiedenen Kampfes gegen die Par- Blick war überaus betroffen, sooft er ART Sie ist nicht die Einzige, die ihm jetzt ther noch einmal nach Osten aufbre- kam, und verriet, wenn er ging, etwas UM / Hilfe anträgt. Auch Octavia, Antonius’ chen musste, schickte er Octavia, damit Schmachtendes, Niedergeschlagenes. USE loyale Ehefrau, rüstet eine Hilfsexpedi- sie in Rom seine Interessen vertritt. Auch richtete sie die Sache so ein, dass M BRITISH ttiioenre, nu,m G ihelrde nu Mnda nGne msciht Kenlekiednu nfgü,r Z duige- der„eD aiels R eüicnkek Berhürs nkaiecrhu Rnogm ge iwste aslelens, asine- mabaenr sscieh nheälul fdigie w Teriänneenn s aabh ,u snied wveirsbchartge OF THE Offiziere sowie 2000 Soldaten zu unter- war Ausdruck von Antonius’ uneinge- sie, als ob sie es ihn nicht wollte merken USTEES Ostcüttazveinan. 2A0n0to0n0i uSos ldjeadteonc hz uwgeasraegnt wvoorn- saclsh rWänakhtreemri nV esretirnaeure np oinli tiihsrceh Feunn Iknttioe rn- lassHeant.“ sie das nötig? Kaum zu sagen, HE TR den. Er bittet seine Frau in einem Brief, essen und in ihre Loyalität“, schreibt welche Gefühle im Spiel sind, ob es Lie- K (O.); T nacIhn Rdeorm D zaursrtüeclkluznugk edherr ernö.mischen Ge- dneerr nHeiusteonr iBkieorg Hraefilem üubt eHr aMlfamrcaunsn Ainn teoi-- bbein idset,t .d Diei eA nütboenriluiesf eurntden K Qleuoeplaletnra svinerd- GES / BP schichtsschreiber brüskierte Antonius nius. nicht neutral, sie geben sich alle Mühe, A M M I Kaum zu sagen, welche Gefühle im Spiel sind, ob es Liebe ist, U USE M H die Antonius und Kleopatra verbindet. RITIS B 79 SPIEGEL GESCHICHTE 2 | 2012
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