Hans-Peter Müller Mythos — Kerygma — Wahrheit w DE G Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Otto Kaiser Band 200 Walter de Gruyter · Berlin · New York 1991 Hans-Peter Müller Mythos — Kerygma — Wahrheit Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament in seiner Umwelt und zur Biblischen Theologie Walter de Gruyter · Berlin · New York 1991 ® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche Bibliothek — ClP-Einheitsaufnahme Müller, Hans-Peter: Mythos — Kerygma — Wahrheit : gesammelte Aufsätze zum Alten Testament in seiner Umwelt und zur biblischen Theologie / Hans-Peter Müller. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1991 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissen- schaft ; Bd. 200) ISBN 3-11-012885-3 NE: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft / Beihefte ISSN 0934-2575 © Copyright 1991 by Walter de Gruyter 8C Co., Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz und Bauer, Berlin 61 Vorwort Die aus der Entmythologisierungsdebatte geläufige Folgeordnung „Kerygma und Mythos" ist umzukehren: der Mythos ist nicht nur älter als das biblische Kerygma; er setzt sich auch mit einigen seiner wesentlichen Strukturmerkmale in das Kerygma hinein fort. Innerhalb des Alten Testaments finden wir ihn in der Urgeschichte, dem Buch Hiob, dem Hohenlied, aber auch andernorts in mannigfaltigen Abwand- lungen vor. Schon darum bemüht sich die Alttestamentliche Wissenschaft wieder stärker, als es noch vor einer Generation der Fall war, um die altorientalischen Parallelen ihrer Texte, vor allem auch um die babylonischen Schöpfungsmythen. Wenn vollends der moderne Mensch den Mythos aufsucht, wo er noch unmittelbarer lebendig ist, erfährt er zwar zunächst die Ferne und Fremdheit eines archaischen Daseinsgefühls; er erkennt aber zugleich, was in unseren eigenen religiösen und säkularen Vorstellungen und Emotionen archaisch und also dem mythischen Verste- hen und Empfinden ähnlich geblieben ist. Wenn schließlich das Kerygma von Christus den Mythos in dem bekannten doppelten Sinne, wie es G. W. F. Hegel in einer anderen, weiterreichenden Bedeutung gemeint hat, „aufhebt", so ist es nicht nur ein modisches Gemenge von Nostalgie und Anpassungsbeflissenheit, sondern ein neuer Begriff vom Zentrum der biblischen Botschaft, der nach der Wahrheit des Mythos zu fragen Anlaß gibt. Dem Leser wird nicht entgehen, daß mit einer solchen Fragestellung wie überhaupt mit der Aufgabe, zu einer Biblischen Theo- logie beizutragen, der Graben zwischen Exegese und Systematischer Theologie, wenn schon nicht zugeschüttet, so doch jedenfalls überbrückt werden kann; darüber hinaus ist es dem Verfasser ein Anliegen, nicht nur zwischen theologischen und philosophischen Vorgehensweisen, son- dern — in dem bescheidenen Maße, wie es ihm möglich ist — auch zwischen Geistes- und Naturwissenschaften zu vermitteln. In der hier vorliegenden Sammlung werden elf bereits veröffentlichte Arbeiten in thematischer Anordnung wieder abgedruckt, Aufsätze, die zwar nicht alle ausdrücklich von der Wahrheit des Mythos und des Kerygmas handeln, aber an dieser zugleich theologischen und philosophi- schen Frage ihre gemeinsame Mitte haben. Die Artikel erscheinen in unveränderter Form, obwohl sie Spuren ihrer Entstehungszeit tragen und — in ihrer zeitlichen Abfolge — einen gewissen Wandel der Einsicht ihres Verfassers bezeugen. Lediglich einige Fehler wurden verbessert; sonst wurde durch Nachträge auf neue Gesichtspunkte hingewiesen, die VI Vorwort sich seit der Erstveröffentlichung der betr. Arbeiten ergeben haben. Wie immer bei Aufsatzsammlungen ließen sich gelegentliche Wiederholungen nicht ganz vermeiden. Ein zwölfter, bislang unveröffentlichter Aufsatz berührt ein anderes Arbeitsgebiet des Verfassers: die historisch vergleichende Grammatik der semitischen Sprachen mit ihren linguistischen Konsequenzen. Gebunden- heit und Freiheit des Denkens frühantiker Völker werden ja nicht erst durch die literarischen Gattungen bestimmt, die sie benutzen, sondern schon durch die Strukturen ihrer Sprachen, die zu den Möglichkeiten und Beschränkungen ihrer Wirklichkeitswahrnahme unbewußt zwar, gerade dadurch aber um so nachhaltiger beitragen. Von daher stellt sich die Wahrheitsfrage an das altorientalische Sprechen und Denken noch einmal; sie richtet sich freilich in dem gleichen Maße an jeden neuzeitlich- europäischen Sprachbenutzer, nicht zuletzt auch an den Sprachwissen- schaftler, der über die Denkkategorien (früh) antiker Sprachen mit den Instrumentarien einer modernen Sprache zu sprechen und zu schreiben genötigt ist. Dieser abschließende Artikel mutet dem Leser eine Reihe von Detailinformationen zu, ohne die die Reflexion über die in eine Sprache eingegangene „Weltansicht" (W. von Humboldt) nicht aus- kommt; er erhebt freilich auch den Anspruch, eine neue Theorie zur Semantik und Syntax des umstrittenen althebräischen Verbalsystems zu bieten und so zur alttestamentlichen Grundlagenforschung beizutragen. Herrn Kollegen Otto Kaiser danke ich für die Aufnahme des Buches unter die „Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft" sowie Herrn Dr. Diethard Römheld, Assistenten am Alttestamentlichen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, für die Her- stellung des Computersatzes des letzten Beitrages dieses Bandes, dessen sich der Verlag Walter de Gruyter &c Co. mit anerkennenswerter Sorgfalt angenommen hat. Abkürzungsverzeichnis und Register wurden von Herrn Volker Kluft zusammengestellt, dem dafür ebenfalls mein Dank gilt. Münster, den 15. April 1991 Hans-Peter Müller Inhaltsverzeichnis Vorwort V Quellenverzeichnis IX Abkürzungsverzeichnis XI Altes Testament und Alter Orient Exegetische Beiträge 1. Mythische Elemente in der jahwistischen Schöpfungserzählung 3 2. Eine neue babylonische Menschenschöpfungserzählung im Licht keilschriftlicher und biblischer Parallelen — Zur Wirklich- keitsauffassung im Mythos 43 3. Erkenntnis und Verfehlung. Prototypen und Antitypen zu Gen 2 —3 in der altorientalischen Literatur 68 4. Das Motiv für die Sintflut. Die hermeneutische Funktion des Mythos und seiner Analyse 88 5. Babylonischer und biblischer Mythos von Menschenschöpfung und Sintflut. Ein Paradigma zur Frage nach dem Recht mythi- scher Rede 110 6. Keilschriftliche Parallelen zum biblischen Hiobbuch. Möglich- keit und Grenze des Vergleichs 136 7. Die lyrische Reproduktion des Mythischen im Hohenlied . . . 152 Mythos und Transzendenz Beiträge zur Biblischen Theologie 8. Mythos, Ironie und der Standpunkt des Glaubens. Zur Phäno- menologie biblischer Religion 175 9. Mythos und Kerygma. Anthropologische und theologische Aspekte 188 VIII Inhaltsverzeichnis 10. Segen im Alten Testament. Theologische Implikationen eines halb vergessenen Themas 220 11. Neue Aspekte der Anfragen Hiobs 253 12. Zur Wechselbeziehung von Wirklichkeitswahrnahme und Sprache 264 Register 311 1. Sachbegriffe und Namen 311 2. Lexeme und Kontextformen 315 3. Belegstellen 317 Quellenverzeichnis Mythische Elemente in der jahwistischen Schöpfungserzählung • zuerst in: ZThK 69, 1972, 259-289, hier wieder abgedruckt in der Fassung aus: H.-P. Müller (ed.), Babylonien und Israel (Wege der Forschung Band 633), 1991, 114- 153; die ursprüngliche Paginierung ist im Text mit eckigen Klammern beigefügt. Eine neue babylonische Menschenschöpfungserzählung im Licht keil- schriftlicher und biblischer Parallelen — Zur Wirklichkeitsauffassung im Mythos • in: Or. 58, 1989, 61-85. Erkenntnis und Verfehlung. Prototypen und Antitypen zu Gen 2 —3 in der altorientalischen Literatur • in: T. Rendtorff (ed.), Glaube und Toleranz. Das theologische Erbe der Aufklärung, 1982, 191-210. Das Motiv für die Sintflut. Die hermeneutische Funktion des Mythos und seiner Analyse • in: ZAW 97, 1985, 295-316. Babylonischer und biblischer Mythos von Menschenschöpfung und Sint- flut. Ein Paradigma zur Frage nach dem Recht mythischer Rede • in: W. Strolz (ed.), Vom alten zum neuen Adam. Urzeitmythos und Heilsgeschichte, 1986, 43-68. Keilschriftliche Parallelen zum biblischen Hiobbuch. Möglichkeit und Grenze des Vergleichs • in: Or. 47, 1978, 360-375 (Festfaszikel zum 70. Geburtstag Wolfram von Sodens), wieder abgedruckt in: Müller (ed.), Babylonien und Israel, 400 — 419. Die lyrische Reproduktion des Mythischen im Hohenlied • in: ZThK 73, 1976, 23-41. Mythos, Ironie und der Standpunkt des Glaubens. Zur Phänomenologie biblischer Religion • in: ThZ 31, 1975, 1-13. Mythos und Kerygma. Anthropologische und theologische Aspekte • in: ZThK 83, 1986, 405-435. Segen im Alten Testament. Theologische Implikationen eines halb verges- senen Themas • in: ZThK 87, 1990, 1-32. Neue Aspekte der Anfragen Hiobs • in: R. Albertz u. a. (edd.), Schöpfung und Befreiung. Für Claus Westermann zum 80. Geburtstag, 1989, 178-188.