Rasche Multifokales Management GABLER EDITION WISSENSCHAFT Strategisches Kompetenz-Management Herausgegeben von Univ. -Prof. Dr. Klaus Bellmann, Universitat Mainz Univ. -Prof. Dr. Jorg Freiling, Universitat Bremen Univ. -Prof. Dr. Hans Georg Gemunden, Universitat Karlsruhe Univ. -Prof. Dr. Peter Hammann, Ruhr-Universitat Bochum (geschaftsfuhrend) Univ. -Prof. Dip!. -Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber, Universitat Innsbruck Univ. -Prof. Dr. Gunter Specht, Technische Universitat Darmstadt Univ. -Prof. Dr. Erich Zahn, Universitat Stuttgart Der Resource-based View und - in enger Verbindung dazu das Management von (Kern-}Kompetenzen haben in den ver gangenen Jahren die Unternehmungsfuhrung nachhaltig beein Flusst. Wissenschaft und Praxis beteiligen sich gleichermaBen an Fragen der ressourcenorientierten Unternehmungsfuhrung und des Knowledge Managements. Die Schriftenreihe greift diese Entwicklung auf und schafft ein Forum fur wissenschaftliche Bei trage und Diskussionen. Christoph Rasche Multifokales Management Strategien und Unternehmenskonzepte fur den pluralistischen Wettbewerb Mit Geleitworten von Prof. Dr. Heymo Bohler und Prof. Dr. Hans H. Hinterhuber Deutscher Universitats-Verlag Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Rasche, Christoph: Multifokoles Management: Strotegien und Unternehmenskonzepte fur den plurolistischen Wettbewerb / Christoph Rosche. Mit Geleitw. von Heymo Bohler und Hans H. Hinterhuber. -1. AuA. -Wiesboden : Dt. Univ. -VerI., 2002 (Gobler Edition Wissenschoft : Strotegisches Kompetenz-Monogement) Zugl.: Bayreuth, Univ., Hobil., 2001 ISBN-13: 978-3-8244-7567-4 e-ISBN-13: 978-3-322-81411-1 001: 10.1007/978-3-322-81411-1 1. AuAoge Marz 2002 Aile Rechte vorbeholten © Deutscher Universitats-Verlog GmbH, Wiesboden, 2002 Lektorot: Brigitte Siegel/Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlog ist ein Unternehmen der Fochverlogsgruppe BertelsmonnSpringer. www.duv.de Dos Werk einschlief3lich oller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung ouf3erholb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des V~rloges unzulassig und strofbor. Dos gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Veroroeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergobe von Gebrouchsnomen, Hondelsnomen, Worenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt ouch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annohme, doss solche Nomen im Sinne der Worenzeichen- und Morkenschutz-Gesetzgebung ols frei zu betrochten waren und doher von jedermonn benutzt werden durften. Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Popier. ISBN-13: 978-3-8244-7567-4 v Geleitwort Der kleinste gemeinsame Nenner des strategischen Managements bestand in den vergange nen dreiBig Jahren in der Suche nach theoriegeleiteten oder zumindest plausiblen Erkla rungsansatzen zur Fundierung dauerhafter Wettbewerbsvorteile. Jenseits der praambelhaften Bekenntnisse zur steigenden Relevanz der Strategie - in ihrer Funktion als Mittel zur Errei chung der anvisierten Untemehmensziele - besteht in der Fachwelt bis in die Gegenwart groBte Uneinigkeit beziiglich der (forschungs-)methodischen Untermauerung und tool-ge stiitzten Umsetzung komparativer Konkurrenzvorteile. Abgesehen von plakativen Empfeh lungen, wie sie dem Strategischen Dreieck oder dem SWOT-Modell zu entnehmen sind, gleicht das strategische Management in praxi einem "Ritt durch die Modewellen und My then" temporlirer Best Management Practices, die den institutionellen Erfolg auf die Be achtung weniger trivialer Grundregeln reduzieren. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundem, daB Ubersteuerungstendenzen den Manageralltag pragen. Viele Untemehmen befinden sich in der (vermeintlichen) Ara des Hyperwettbewerbs auf einer permanenten Hast nach "Managementinnovationen", urn komparative Planungs- undloder Umsetzungsvorteile zu erJangen. Der inflationlire Gebrauch des Strategiebegriffs im Kontext banaler Entscheidungsfelder hat zu dessen Entwertung geftihrt, weil Strategie nunmehr zu einem "basisdemokratischen" Diskussionsgegenstand mit Universa1charakter "mutiert". Es liegt nahe, daB der Strategie begriff und seine Abkommlinge, wie "Synergie", "Diversifikation", "Positionierung" oder "Kernkompetenzen" zu beliebten Leerformeln politischer und okonomischer Eliten ver kommen. Nicht zuletzt aus diesem Grund mutiert der Strategiebegriff zunehmend yom Mode-zum Unwort. Nicht viel besser ergeht es den unzlihligen "Managementinnovationen", die regelmiiJ3gig nach einer kurzen Phase der Euphorie relativ bald als "unbrauchbar" oder "altmodisch" diskreditiert werden. Derweilen wird allerdings klar, daB aile Planungen und Ambitionen wertlos sind, wenn nicht euphemistischen Worten kompromiBiose Taten folgen. Oder kurz formuliert: Strategische Exzellenz und operative Exzellenz bedingen sich ebenso wie der zumeist stilisierte Trade-off zwischen ressourceninduzierter Inside-out-Perspektive und markt- bzw. wettbewerbsindu zierter Outside-in-Perspektive. Okonomische Institutionen unterschiedlicher Provenienz sind gezwungen, multifokal anstatt monofokal zu handeln. Dabei gilt es, neben der von LEVITI kritisierten Marketing-Myopie vor all em auch eine Marketing-Weitsichtigkeit zu verhindem, weil unter hyperdynamischen Bedingungen langfristige Planungshorizonte leicht zur Maku latur werden. RASCHE setzt sich in seinem Untemehmens-und Fiihrungsmodell des multifokalen Manage ments selbstkritisch mit seiner in diesem Verlag erschienen Monographie Wettbewerbsvor teile durch Kernkompetenzen auseinander, indem er das zumeist thematisierte Spannungsfeld VI zwischen Resource Based View einerseits und Market bzw. Competitor Based Viewanderer seits urn den Institutional Based View und Finance Based View erganzt. Auf diese Weise wird dem fortwlihrend eingeforderten, aber selten eingehaitenen Anspruch des Forschungs und Methodenpluralismus in wesentlichen Punkten entsprochen. Der Autor distanziert sich damit nicht von der ressourcenorientierten Sichtweise, sondern mochte diese vor dem Hin tergrund des pluralistischen Wettbewerbs relativiert wissen, urn Unternehmen vor einer ge fahrlichen Innenzentrierung zu bewahren. Mit dem pluralistischen Wettbewerb entwickelt RASCHE eine sinnvolle Gegenposition zu D'AvENIS Hyperwettbewerb-Modell, das dessen globale Ausbreitung deterministisch unter stellt, obwohl Praxisevidenzen eher die Koexistenz multipler Interaktionsformen zwischen "Altruismus und Machiavellismus" indizieren. Das Schlagwort des Coop etition umschreibt die Vielfait alternativer und changierender Handlungsmuster okonomischer Mikro- und Ma kroinstitutionen. Neoklassische Normakteure im Sinne des Rationalitatsprinzips werden nunrnehr durch gleichermaJ3en situativ hyperrationale wie begrenzt rationale Agenten ersetzt. Ausdruck der mangelnden Verhaltensstabilitat sind scheinbar paranoide oder schizzophrene Strategien "am Rande des Chaos", die sich haufig nur aus der limitierten Sicht des Indivi duums entweder konstruktivistisch oder ex-post auf Basis eines verbesserten Kenntnisstan des (pseudo-)rational erklaren lassen. Das muitifokale Management stellt eine plausible Antwort auf die vorgenannten Rahmenbe dingungen des pluralistischen Wettbewerbs dar, weil die gangigen "Bubbles 'and Boxes" der strategischen Planung isoliert betrachtet lineare Losungen flir nicht-lineare Problemfelder entwerfen. Trotzdem pladiert RASCHE nicht flir die Abschaffung strategischer Planungen und ihrer Methodengeriiste, sondern fUr deren kombinierte und problemadaquate Verwendung im Kontext unscharfer Mengen. Das heil3t, die vorherrschende Methodenglaubigkeit sollte durch eine konstruktive Methodenkritik ersetzt werden, urn nicht wieder das "Kinde mit dem Bade auszuschtitten". Vielmehr miissen Fiihrungskrafte die Fiihigkeit entwickeln - ver gleichbar mit einer automatischen Kamera - fallweise eine Zoom-oder eine Weitwinkelper spektive einzunehmen. Strategische Chancen und Risiken zeichnen sich nicht selten im ope rativen Tagesgeschaft dezentraler Einheiten als schwache Signale ab, urn nach Erreichen einer kritischen Masse tektonische Verschiebungen der Corporate and Industrial Landscape hervorzurufen. Strategische Mustererkennung und operative Detailbessenheit bilden im Sinne des multifokalen Managements keine Widerspriiche, sondern zusammengehorige Kompetenzenkomplexe. Wenn momentan die Balanced Scorecard zu dem neuen Fiihrungsmodell hochstilisiert wird, dann wird paradoxerweise gerade der Fehler begangen, den die Balanced Scorecard zu be seitigen versucht - namlich die unreflektierte Ubernahme eines dominanten Managementde signs. Der Autor wiihlt den eleganteren Weg, wei! ihm mit seiner Monographie der Briicken- VII schlag von der mechanistischen Balanced Scorecard zu einem organischen Balanced Mana gement gelingt. Das zweifelsohne berechtigte Anliegen der Balanced Scorecard wird auf diese Weise nicht negiert, sondem in einen breiter angelegten Methodenkanon als wichtiges Instrument eingereiht. So wird verhindert, daB der intrumentelle Mitte1charakter popuHirer Tools nicht zum eigentlichen Selbstzweck gerat und ein "Tanz urn das goldene Kalb" veran staltet wird, der den Blick fur die tatsachlich relevanten Entscheidungsfelder vemebelt. Ge sunder Menschenverstand, Erfahrung, Intuition, Kreativitat, Wagemut, Commitment oder Improvisationstalent als Teilkomponenten der Leadership-Kompetenz bilden die Komplen tare zur haufig technokratischen Managementkonzeption. Mit dem multifokalen Manage ment erarbeitet RASCHE ein integratives Fiihmngsmodell, das beiden Anspriichen in erstklas siger Manier gerecht wird. Die vorliegende Monographie zum multifokalen Management ist aus der Sicht des Unter nehmensberaters und Wissenschaftlers geschrieben. Sie eignet sich deshalb als interessante Lektiire an der Nahtstelle von "Theorie und Praxis". RASCHE beschreitet mit seinem Werk akademisches Neuland auf dem Gebiet der Managementforschung, wei! er die impulsgeben den, aber zumeist plakativen Konzepte der Beratungspraxis mit der Tiefenscharfe und Ak kribie der Scientific Community verbindet. Der Status quo wird dabei nicht als Feindbild be griffen, sondem als Ausgangspunkt auf dem domigen Weg zu einer multifokalen Theorie der Unternehmung. Insofem handelt es sich bei diese Monographie urn keine "dogmatische", sondem urn eine "systemoffene" Arbeit, we1che sich gegen eine oft praktizierte Bastionen bildung in der Managementforschung wendet. Als Grenzgiinger zwischen beiden Welten schafft der Autor die Grundlage fur ein General Management jenseits strategischer Patentrezepte. Professor Dr. Heymo Bohler IX Geleitwort Das Verhalten der Untemehmungen im "Hyperwettbewerb" unserer Zeit ist ein Thema, das zum einen noch weitgehend unerforscht ist, zum anderen mit einer Vielzahl von Ansiitzen bearbeitet wird. Die Heterogenitiit der Ansiitze erschwert das Entstehen eines ganzheitlichen Konzeptes, das theoretisch befriedigend und flir die Praxis brauchbar ist. Die vorliegende Arbeit geht von der These aus, daB im zunehmend hiirteren Wettbewerb nur die Untemehmungen iiberleben und ihren Wert nachhaltig und langfristig steigem, die iiber ein multifokales Management verfligen. Multifokal bezeichnet einen dialektischen Gedan kenprozess, mit dem die vielschichtigen und zum Teil kontriiren Entscheidungsfelder bewiil tigt und harmonisiert werden konnen; diese Entscheidungsfelder treten in unterschiedlichen Abstraktionsgraden, auf verschiedenen Verantwortungsebenen und in verschiedenen Wert schopfungsbereichen oft gleichzeitig auf und stellen hOchste Anforderungen an die Person oder Personengruppe, die flir die strategische Ausrichtung der Untemehmung verantwortlich ist. Herr Rasche will mit seiner Arbeit nicht die Logik des strategischen Management durch die Logik eines multifokalen Management ersetzen, sondem diese dort subsidiiir ergiinzen, wo angesichts der neuen Wettbewerbsbedingungen Integrationen und Korrekturen geboten sind. Von besonderem Interesse sind einmal die kritische Auseinandersetzung mit dem strategi schen Management unter den Bedingungen des Hyperwettbewerbs, zum anderen der neue multifokale Managementansatz, der sich theoretisch als fruchtbar flir die Gewinnung neuer Erkenntnisse und praktisch als viabel flir die Bewiiltigung der komplexen Fragestellungen der Untemehmungsleitungen erweist. Die Arbeit erweitert sowohl den theoretischen als auch den praktischen Fokus; dariiber hin aus erflillt sie die Fiihrungsprinzipien der Agilitiit und Robustheit mit neuem Leben. Die praktische Umsetzung des multifokalen Management verlangt ein neues Rollenverstandnis der Untemehmer und Fiihrungskriifte. Fiir den, der sich das Denkrnodell Rasches angeeignet hat, wird Fiihrung zu einer "Kunst", wenn man darunter sowohl die Praxis als auch die Theo rie dieser "Kunst" versteht und nicht vergisst, daB die Praxis der Strategie immer der Ge gensatz mehrerer Willen ist. x Das vorliegende Buch kann all denen wannstens empfohlen werden, die sich urn die theore tische und praktische Weiterentwicklung der strategischen Untemehmungsflihrung bemiihen; dariiber hinaus kann es eine Vielzahl von brauchbaren Orientierungen den Untemehmem und Fiihrungskraften bieten, die offen flir empirisch fundierte theoretische Konzepte sind. In diesem Sinn wiinsche ich dem Buch eine schnelle Verbreitung in der Welt der Wissen schaft und der Wirtschaft. Prof. Dr. Hans H. Hinterhuber XI Vorwort Mit dem multifokalen Management soll nachfolgend weniger eine alternative Theorie der Unternehmung aufgestellt als vielmehr der Versuch unternommen werden, die bisweilen stark stilisierenden Pramissen und forschungsmethodischen Ansatze des strategischen Managements vor dem Hintergrund unterschiedlich volatiler Umwelt- und Planungsbedin gungen zu relativieren. 1m Gegensatz zu den Protagonisten der Theorie der Unternehmung wird nicht der Anspruch erhoben, die Existenz und Evolution okonomischer Institutionen im Rahmen eines geschlossenen Konzepts zu erklaren, weil die niichterne Realitat des Mana gementalltags zumeist nur durch intellektuelle Fraktale und Partialansatze mit reduziertem Anwendungsbereich gekennzeichnet ist. Die Ableitung allgemeingiiltiger Aussagen beziig lich okonomischer Phanomene unter hyperdynamischen Bedingungen, die fur viele Bran chen und Markte bereits symptomatisch sind, mull zwangslaufig an der Komplexitat der ein zubeziehenden Variablen und ihrer Interdependenzen scheitern. Aus dem Blickfeld der Un ternehmenspraxis besteht eines der groJ3ten Probleme nicht in dem Mangel an abstrakten Managementmodellen, sondern in der Ableitung konkreter Problemlosungen mit hoher Um setzungsorientierung. Die Logik des multifokalen Managements nimmt ihren Ursprung aus meiner Tatigkeit als Unternehmensberater, in deren Rahmen zwar nicht ein generelles Versagen der gangigen Standardheuristiken des strategischen Managements konstatiert werden muJ3te, aber diese oftmals eines stark von der Lehrbuchlogik abweichenden Handlungskonzeptes bei ihrer An wendung auf konkrete Praxisprobleme bedurften. Haufig war die finale Strategie nicht das Ergebnis der strategischen Planung, sondern Produkt eines gelenkten Evolutionsprozesses. Dieser war ebenso durch Zufalligkeiten, politische Interventionen und bisweilen paradoxale Entscheidungen gepragt wie durch rationale Kalkiile und okonomische Taschenspielertricks im Rahmen einer grundsatzlich begrenzten Rationalitat der Entscheider. In diesem Zusam menhang mullte die zunehmende Auflosung okonomischer Widerspriiche festgestellt wer den, die ein Denken in "Entweder-oder"-Kategorien verbieten, weil GrautOne, Storgerausche und KompromiJ3zwange das Tagesgeschlift der Konzernsteuerung bestimmen. Auf dem Weg zu einer "pragmatischen" Unternehmensfuhrung, die gleichermaBen von Beratungsgesell schaften, Corporate Boards und professoralen Lehrkorpern abgefordert wird, ergibt sich die Notwendigkeit, puristische Modelle und Denkschulen durch pluralistische respektive multi fokale Varianten zu ersetzen. Eindimensionale Problemsichten miissen durch mehrdimensio nale bzw. multifokale ersetzt werden, urn dem Aufgaben- und Wettbewerbspluralismus in komplexen Umwelten Rechnung zu tragen. Dieser Tatsache bewuJ3t, meinten renommierte Vertreter des Resource Based View die durch die Dominanz der Industrieokonomik provozierten Schieflagen in der strategischen Dog menbildung dadurch beseitigen zu konnen, daB nunmehr nicht das Markt-und Wettbewerbs-