Thomas Meyer Moclernisierung cler Privatheit Sfudien zur Sozialwissenschaft Band 110 Thomas Meyer Modernisierung der Privatheit Differenzierungs- und Individualisierungsprozesse des familialen Zusammenlebens Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Meyer, Thomas: Modernisierung der Privatheit: Differenzierungs-und Individualisierungsprozesse des familiăren Zusammenlebens / Thomas Meyer. - Opladen: Westdt. VerI., 1992 (Studien zur Sozialwissenschaft; Bd. 110) ISBN 978-3-663-01680-9 ISBN 978-3-663-01679-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01679-3 NE: GT Alle Rechte vorbehalten © 1992 Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprOnglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Op1aden 1992 Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung augerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulăssig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Dbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Christine Niisser, Wiesbaden Gedruckt auf săurefreiem Papier ISBN 978-3-663-01680-9 Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht abgeanderte Fassung meiner Dissertation, welche im Dezember 1990 abgeschlossen und yom Fachbereich 1 (Sozialwissenschaften -Philosophie -Theologie -Ge schichte -Geographie) der Universitat -Gesamthochschule Siegen angenommen wurde. Fur Anregungen, Kritik und Untersrutzung danke ich Stephan Schrage, Dr. Bernd Plaum, Jurgen Daub, Dagmar Meiswinkel, Dr. Hartmann Tyrell, Prof. Dr. Eugen Bu1S, vor allem aber Prof. Dr. Rainer GeifSler, dessen Betreuung und Vertrauen mir im Fortgang der Arbeit entscheidend geholfen hat. Siegen, im November 1991 Thomas Meyer Inhalt 1. Einleitung 9 2. Funktionale Differenzierung als zentrale Dimension gesellschaftlicher Modernisierung 19 3. Struktur-und Funktionswandel der Familie 26 3.1 Theoretische Vorbemerkungen 26 3.2 Der Funktionszusammenhang des «ganzen 31 Hauses« 3.2.1 Familiengr61Se 32 3.2.2 Soziale Beziehungen im «ganzen Haus« 33 3.2.2.1 Geschlechtsrollen und Arbeitsteilung 34 3.2.2.2 Stellung der Kinder 36 3.3 Die biirgerliche Familie -VorUiuferin der Moderne 37 3.3.1 Funktionale Spezialisierung der Familie 38 3.3.2 Romantische Ehe 41 3.3.3 Funktionale Geschlechtsrollen- spezialisierung 43 3.3.4 Stellung der Kinder 45 3.4 Die Arbeiterfamilie 46 3.4.1 Rollenstruktur und Binnenmilie 48 4. Universalisierung des biirgerlichen Familienmodells 52 4.1 Das Monopol der biirgerlichen Familie: ein institutionalisiertes, segmentar differen- ziertes und funktional spezialisiertes Teilsystem der Gesellschaft 62 6 5. Demographische Entwicklungslinien und Veranderungsprozesse im familialen Zusammenleben 67 5.1 Geburtenentwicklung 68 5.2 EheschlieBungsquoten und Heiratsbereitschaft 72 5.3 Nichteheliche Lebensgemeinschaften 74 5.4 Ehescheidungen 78 5.5 Einelternfamilien 80 5.6 Alleinlebende und "Singles" 82 5.7 W ohngemeinschaften 84 6. Differenzierungsmerkmale des familialen Zusammenlebens 86 6.1 Vorbemerkung: Vom Teilsystem Familie zum Teilsystem privater Lebensformen 86 6.1.1 Partnerschaftsorientierter Privatheitstyp 89 6.1.2 Kindorientierter Privatheitstyp 102 6.1.3 Indiv id ualistischer Pri va thei tstyp 108 6.2 Ausdifferenzierung der Privatheit: das Ende des institutionellen Familienmonopols 111 6.3 Entdifferenzierungsaspekte familialer Lebensformen 118 7. Individualisierung des familial en 129 Zusammenlebens 7.1 Vorbemerkung: Der Zusammenhang von Differenzierung und Individualisierung 131 7.2 "Individualisierungsprozesse": Ubedegungen zum Modernisierungsschub von Gesellschaft und Familie 133 7.3 Differenzierung familialer und privater Biographiemuster 138 7.3.1 Individualisierung des Lebenslaufs 139 7.3.2 Differenzierung der Privatheitsbiographie 140 7 7.3.3 Strukturwandel der Jugend 144 7.4 Individualisierung und weiblicher Lebenszusammenhang 148 7.4.1 Wandel der Frauenrolle 148 7.4.2 Frauen-Individualisierung und familiale Entwicklung 156 7.5 Individualisierung und Wertdynamik 160 7.5.1 Enttraditionalisierung und Differenzierung des Wertsystems 161 7.5.2. "Neuer Individualismus" 164 8. SchluBbetrachtung 170 9. Literaturverzeichnis 176 8 1. Einleitung Die Familie ist wieder ins Gerede gekommen: Geburtenriickgang, Scheidungsquoten, Nichteheliche Lebensgemeinschaften (NELG), eine allgemeine «Heiratsmiidigkeit« sowie Verlobungen als ein zunehmend «atavistisches Relikt« - urn nur einige Stichworte zu nennen - sorgen in Massenmedien wie sozialwissenschaftlichen Fachpublikationen fur mannigfaltige Irritationen. Auch in diesen wurde die Familie bislang vielfach, ganz im Einklang mit dem Alltagsbewu1Stsein, als ein der sich rasch wandelnden Gesellschaft entgegengesetzter "Stabilitatsrest" (Schelsky; kritisch zu dieser Sichtweise: Rosenbaum 1976) gesehen. Dies galt trotz der sich schon langer als ein Leitmotiv historisch-sozialwissenschaftlicher Aufklarung durchsetzenden Erkenntnis der «Geschichtlichkeit des scheinbar Ungeschichtlichen« nicht zuletzt auch in bezug auf die Familie. Auch fur die systemtheoretische Familiensoziologie gilt die Klein familie als der «Normalfall« familialen Zusammenlebens. Tyrell (1979) spricht von der "Kleinfamilie als der «normalen«, d.h. kulturell institutionalisierten Familienform der Moderne" (18). Damit leistet diese bislang theoretisch elaborierteste Variation der Familiensoziologie der in Anlehnung an Goode (1963) und Parsons (1955) weit verbreiteten Hypostasierung des Denkmodells einer in modernen Industriegesellschaften ubiquitar einheitlichen Familien form ebenfalls einen gewissen Vorschub. Aber auch die in den 60er Jahren das Grundmuster des familialen Zusammenlebens reprasentierende «Normalfamilie« ist als historisch spezifische Sozialform zu begreifen. Schon langer kann nicht mehr iibersehen werden, daB das iiber lieferte und zeitweise durchaus berechtigte Bild von der «Normalfamilie« zunehmend mit der gegenwartigen faktischen und normativen Situation der Familie in der Bundesrepublik kollidiert.1 1 Die in den demographischen Entwicklungen sich abzeichnende Trendwende ist ein die Bundesrepublik ubergreifendes westeuropaJsches Phanomen. Einschlagige Befunde zu 17 europruschen Uindern und deren Spezlfika finden sich bei Hopflinger (1987; vgl. auch: Ries 1982). 9