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Modelle in der Medizin: Mit einer historischen Einleitung von Dietrich von Engelhardt PDF

259 Pages·1992·5.818 MB·German
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Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse Ja hrgang 1992, 1. Abhandlung Hans Schaefer Modelle in der Medizin Mit einer historischen Einleitung von Dietrich von Engelhardt Vorgeiegt in der Sitzung vom 30. November 1991 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Hong Kong Barcelona Budapest Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Hans Schaefer KarI-Christ-StraBe 19 W-6900 Heidelberg-Ziegelhausen Die Deuts<:he Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schaefer. Hans: Modelle in der Mediun: vorgelejt in der Sitzung vom 30. II. 19911 Hans Schaefer. Mit eiDer histori· sehen Einl. von Dietrich von Engelhardt. - Berlin; Heidelberg; New York; LoDdon; Paris; 1bk~; Hona: KOI\i; Bar Cl:lona; Budapest: Springer 1992 (Sitzul\isberichte der Heidelberger Akademie der WiS$C1lschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliehe KIllS«: Jg. 1992. Abh. I) ISDN 978-3-540-5SIB-9 ISBN 978-3-642-87515-1 (cDook) 001 10.1007/978-3-642-87515-1 NE: Heidelberger Akademie der Wissensehaften / Mathematisch_Naturwisscnschaftliche Klassc: Sitzun&$berichte der Heidelberger . Die$C$ Werk ist urheberrechtlith geschlltZ!. Die dadurch begrllndeten Rechte, insbesondere die der Obersetzuna.. des Nachdrucks, des Vonrags, der Enlnahme von Abbildungen und 11Ibellen. der funkscndung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in DatenverarbeitunpanJagen. bleiben. auch bei nur auszugs~iscr Verwtrtung. vorbehalten. Eine Vervielflltigung die$C$ Werkes oder VOn RileD dieses Werkes ist luch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesclZlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jc",eib gilltillen Fassul\i zulassig. Sic ist grunds.ltzlich verglltunp· pflichtig. ZuwiderhandlungeD unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgeseues. © Springer-Verlai Berlin Heidelbera: 1992 Die Wiederglbe von Gcbrauchsnamen, HaDdelsnlmen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk hereehtigt luch olme besondere Kenn:u:ichnunll niehl IU der Annahme, daO 50lche Namen im Sinne der Waren:u:ichen· und Marken schutz·Gcsctzgebung als frei Iu betrachten wlren und dah", von jedermann benutzt werden dllrften. f'rodUkthaftllng: Fllr Angaben llber Dosierungsan"""isungen lind Applika[ionsformen kann vom Verlag kcine Ce ",jihr Obernommen werden. Derartige Angaben mllsICn vom jeweiligen An",ender im Eiozelfall anhand andem lite· raturstellen auf ih~ Richtigkeit llberprilft """rden. SalZ: K+V Fotosat>. GmbH. Beerfelden 25/3140-5 4 3 2 1 0 - <kdruekl auf slu",freiem Papier Vorwort Die hier vorgelegte Schrift ist aus der Arbeit der Kommission fUr Theoretische Pa thologie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften entstanden und mit eini gen ihrer Mitglieder, we1che sich zur Arbeitsgruppe "Modelle" zusammenfanden, diskutiert worden. Der Verfasser ist den Herren Jlirgen Pfeiffer, Heinrich Schip perges und Friedrich Vogel fUr Durchsicht und zahlreiche kritische Anmerkungen zu besonders groBem Dank verpflichtet, ebenso wie den Kommissionsvorsitzen den Wilhelm Doerr und Volker Becker. Ohne die Hilfe und die Ermunterung der Kollegen hatte der Autor vermutlich vor der kaum lOsbaren Aufgabe einer so1chen Darstellung verzagt. Der Akademie und dem Springer-Verlag gebiihrt Dank dafiir, daB die Drucklegung erm6glicht und in so hervorragender Form durchgefiihrt werden konnte. Es ist ein besonders gliicklicher Umstand, daB der Modelltheorie eine ge schichtliche Einfiihrung durch Dietrich v. Engelhardt vorangestellt werden konnte. - 5 - Inhaltsverzeichnis Zur Rolle und Bedeutung des Modells in der Gesehichte der Naturwissensehaften und Medizin der Neuzeit. Mit einer Bibliographie zum Thema. Von Dietrich v. Engelhardt ........................................ 11 Einleitende Bemerkungen tiber die besondere wissensehaftstheoretisehe Lage der Medizin und ihr Modell-Bedtirfnis ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Darlegung der Eeken, an denen wir uns stoBen (der "Probleme") .... 36 1.1. Der Weg urn die Eeken ................................... 36 1.2. Der Gegenstand der Medizin ist die sehwierigste "Eeke" ....... 39 1.3. Die Medizintheorie und die "reale AuBenwelt" ............... 41 1.4. Das Grund-Modell der neuen Medizin ...................... 43 1.5. Modelle und "Gestalten" .................................. 45 1.6. Das Problem der Diagnose oder was ist Krankheit? .......... 48 1.7. Modelle sind unverzichtbar ................................ 52 1.8. Herrsehende Modelltheorien geben AniaB zur Skepsis . . . . . . . . . 53 1.9. Die Medizin braueht Modelle in allen ihren Bereichen ........ 56 1.10. Die Zie1e dieser Schrift ................................... 57 2. Allgemeine Theorie medizinischer Modelle ....................... 59 2.1. Die Kennzeichen von Modellen ............................ 59 2.2. Erster Versueh einer Begriffsbestimmung .................... 60 2.3. Was Modelle sieher nicht sind ............................. 64 2.4. Modelle beziehen sich immer auf "Systeme" ................. 66 2.4.1. Das Informationssystem der Lebewesen als Beispiel .... 66 2.4.2. Modelle maehen komplizierte Systeme "verstandlieh" ... 68 2.4.3. Modelle sozialen Verhaltens ......................... 69 2.4.4. Modelle machen Wirkungszusammenhange einsehbar .. 71 2.5. Die moglichen Formen von Modellen ....................... 72 2.5.1. Strukturale Kriterien der Modelle .................... 72 2.5.2. Ontologisehe und evolutive Modelle der Krankheit ..... 74 2.5.3. Die kybernetisehe Form von Modellen ............... 79 - 7 - 8 H. Schaefer 3. Erlauterung des Modellbegriffs an Theoremen der Philo sophie, Naturphilosophie und medizinischen Soziologie ................... 83 3.1. Die Anwendungsbereiche von Modellen ..................... 85 3.2. Modelle des Unbestimmbaren ................. . . . . . . . . . . . . . 87 3.3. Die Akausalitat im atomaren Bereich ....................... 92 3.4. Das Modell der Akausalitat hat begrenzte Gtiltigkeit .......... 95 3.5. Das Kausalgesetz wirft mehrere Probleme auf, auch das der Willensfreiheit ........................................... 96 3.6. Mythische Modelle oder Naturwissenschaft als Grundlegung einer Anti-Naturwissenschaft .............................. 102 4. Modelle der zellularen Pathogenese .............................. 105 4.1. Der Wandel der Zellmodelle bezieht sich schon auf den "Stoffwechsel" ........................................... 106 4.2. Membranmodelle......................................... 109 4.3. Membran und Zellkern, an einem Beispiel erlautert ........... 112 4.4. Hormesis ............................................... 115 4.5. Die medizinische Bedeutung der Lebensmodelle .............. 121 4.5.1. Der geisteswissenschaftliche Zugang ist rein spekulativ . 121 4.5.2. Klassifikationsmerkmale des Lebendigen .............. 122 4.5.3. Das Modell der bestimmenden Krafte ................ 122 4.5.4. Stoffwechsel und Gleichgewichte ........... . . . . . . . . . . 125 4.5.5. Das Modell des Regelkreises und die bionome GesetzmaBigkeit ................................... 128 4.5.6. Die Erythropoese als Objekt von Modellen ........... 133 4.5.7. Information und System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4.6. Zusammenfassender Oberblick tiber Zell-Modelle ...... . . . . . . . 136 5. Modelle der leiblichen Krankheit ................................ 142 5.1. Ontologische Modelle der Krankheit ........................ 143 5.1.1. Funktionsst6rungen als ontologisches Modell der Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.1.2. Das Fehlen der Zeit als Kennzeichen ontologischer Modelle .......................................... 145 5.1.3. Die klassische Medizin war monokausal orientiert ..... 148 5.1.4. Das Begriffspaar Noxe - Konstitution ............... 149 5.1.5. Der circulus vitiosus als Modell. Positive Rtickkopplung 152 5.1.6. Der "StreB" als Modell und ahnliche "Universal- Modelle" ......................................... 155 5.1.7. Biofeedback ...................................... 162 5.2. Evolutive Modelle der Krankheitsentstehung ................. 165 5.2.1. Evolutive Modelle sind vorzugsweise erdachte Modelle . 167 5.2.2. Atiologie und Pathogenese .......................... 168 - 8 - Modelle in der Medizin 9 5.2.3. Risiko als Modellbegriff ............................ 171 5.2.4. Die ,~irklichkeit" der Risikofaktoren und ihr Kausalmodell ("Zusammenhangs-Problem") ........... 173 5.2.5. Das Modell der "confounder" ....................... 179 5.2.6. Jede Epidemiologie braucht ein Modell. . . . . . . . . . . . . .. 180 5.2.7. Schwache Wirkungen .............................. 184 5.2.8. Die Hierarchie der Risikofaktoren ................... 186 5.2.9. Die Grenzen des Risikomodells (Gene, Ausloser, "escaper") ......................... 188 5.2.10. Die Grenzen des Risikomodells am Beispiel des Infarkts 193 5.3. Die Umwelt als Atiologie von Krankheit .................... 197 6. Leib und Seele als Modellbegriffe ............................... 205 6.1. Das psychophysische Phanomen ist nicht modellierbar ........ 205 6.2. Leib und Seele, vollig identisch? ........................... 206 6.3. Die Theorie des UnbewuBten .............................. 207 6.4. Die Phanomenologie ist dualistisch ......................... 210 6.5. Die zwei Formen des Dualismus ........................... 211 6.6. Die medizinischen Konsequenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. 214 6.7. Die "Reichweite" des psychophysischen Modells .............. 215 6.8. Zellulare psychosomatische Modelle ........................ 217 6.9. Die Rolle der Epidemiologie in der psychosomatischen Forschung ............................................... 221 6.10. Das Verstandliche und das Wunderbare ..................... 223 7. Metatheoretisches ............................................. 227 7.1. Das Verhaltnis von Modell und Erkenntnis .................. 227 7.2. Das Problem der Wahrheit und der Wirklichkeit ............. 228 7.3. Gibt es Modelle der "Evolution"? .......................... 231 7.4. Modelle und Paradigmata ................................. 233 Literaturverzeichnis .............................................. 235 Sachverzeichnis .................................................. 259 - 9 - Zur Rolle und Bedeutung des Modells in der Geschichte der Naturwissenschaften und Medizin der Neuzeit. Mit einer Bibliographie zurn Therna Dietrich v. Engelhardt I Voraussetzungen Modelle haben in der Geschichte der Wissenschaften eine entscheidende Rolle ge spielt. Wenn auch vor allem Naturwissenschaften und mathematische Logik mit Modellen in Verbindung gebracht werden, ist ihre Bedeutung fUr die Medizin wie ebenfalls die Sozial-und Geisteswissenschaften, die Psychologie, Soziologie, Lite ratur- und Sprachwissenschaft doch ebenso unbestritten. Wissenschaftliche Er kenntnis und empirische Forschung konnen grundsatzlich auf Modelle nicht ver zichten, zugleich muG ihre Anwendung in theoretischer und methodischer Hin sicht stets von neuem kritisch gepruft und fUr die verschiedenen Wissenschaften differenziert werden. Wie Wissenschaftstheorie allgemein kann auch das Verstandnis des Modells aus der Geschichte der Wissenschaften wicbtige Anregungen erhalten; ebenso las sen sich umgekehrt aus der Wissenschaftstheorie den Analysen der wissenschafts historischen Entwicklung mit Gewinn wichtige Impulse geben. Die Verbindung von Theorie und Geschichte ist fUr eine historische Wissenschaftswissenschaft ohnehin fundamental. In diesem knappen Beitrag sollen an wenigen Beispielen aus der Geschichte der Naturwissenschaften und Medizin der Neuzeit einige zentrale Positionen und Di mensionen des Verstandnisses und der Anwendung des Modells skizziert werden. Das Spektrum der Moglichkeiten ist groG. Das recht umfangreiche Literaturver zeichnis bietet dem Interessierten vielfaltige Moglichkeiten der Erganzung und Vertiefung. Eine ubergreifende monographische Stu die zum Modell in der neu zeitlichen Entwicklung der Naturwissenschaften und Medizin liegt im ubrigen bislang noch nicht vor. - 11 - 12 H. Schaefer II Positionen nnd Dimensionen im historischen Verlanf Die sprachliche Herkunft des Wortes Modell (engl. model, franz. modele, ital. modello) von lat. ,modulus' mit der Bedeutung von MaB und Vorbild findet ihre Entsprechung in dem praktischen und theoretischen Sinn, der sich mit dies em Be griff verbinden laBt. Das Kausalprinzip kann Praxis und Theorie in einen Zusam menhang setzen, insofern die Naturerscheinungen hervorbringen konnen solI, wer ihre Ursache, ihr Vorbild erfaBt hat. Seit der Drucklegung von VITRUVS ,De ar chitectura' (1487) laBt sich die Geschichte des Fachausdruckes verfolgen, wahrend die Begriffsgeschichte viel weiter zuriickreicht. Unter Modell wird in Zedlers Un versial-Lexikon (1739) das konkrete Vorbild verstanden, "darnach man etwas ma chet"; der MaBstab kann verkleinert, vergroBert, auch verjiingt sein. In der Male rei heiBt Modell der Mensch, der abgemalt wird. Die franzosische Enzyclopedie vertritt eine weitere Auffassung: "Ce mot se prend au simple et au figure, au physi que et au moral" (1765). Gleich zu Beginn der Neuzeit manifestieren sich Bedeutung und Spannweite des Modells in den Naturwissenschaften und der Medizin. Mit dem Hinweis auf den hypothetischen Charakter der von KOPERNIKUS entwickelten heliozentrischen Vorstellungen iiber die Planetenbewegungen will der protestantische Theologe Andreas OSIANDER in seiner beriihmt-beriichtigten Vorrede zu ,De Revolutioni bus Orbium Coelestium' (1543) eigenmachtig und entgegen der Auffassung des KOPERNIKUS einen Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Theologie vermei den: "Neque enim necesse est, eas hypotheses esse veras, imo ne veri similes qui dem". Das Konzept des Modells soll auch GALILEI ein Jahrhundert spater vor dem Verdikt durch die Kirche und Theologie bewahren konnen. Die Abweichun gen zwischen Modell und Wirklichkeit fiihrt GALILEI auf die noch unzulanglich entwickelte Mathematik zuriick (Dialogo, 1632). Noch einmal ein Jahrhundert spater sieht NEWTON fiir diesen Konflikt zwischen Wissenschaft und Glaube ei nen Ausweg in seiner Auffassung der zwei Wahrheiten, wahrend der Naturfor scher BUFFON auf brisante Passagen iiber die Historisierung der Natur seiner ,Histoire Naturelle' (1749ff) verzichtet, um ihren Druck durch die Theologen der Sorbonne nicht zu gefahrden. DARWIN hat sich dann bekanntlich im 19. Jahr hundert in der Publizierung seiner Erkenntnisse von Theologie und Kirche nicht mehr einschranken lassen. Der ZusammenstoB der Evolutionisten und Creationi sten in der Gegenwart zeigt, daB iiber den Status der naturwissenschaftlichen Aus sagen wie Offenbarung ein beiderseitiger Konsens offensichtlich noch nicht ge funden wurde. Naturwissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse zu Modellaussagen zu erklaren, muB aber nicht nur auf theologische Griinde zuriickgehen. Mit dem Modell verbindet sich die Frage nach den Moglichkeiten der Erkenntnis. Hinter den Diskussionen steht seit der Renaissance bis in die Gegenwart PLATOS philo sophisches Hohlengleichnis; Modelle sind in dieser Perspektive die Schatten der Dinge, die der Mensch an der Wand der Hohle allein zu sehen in der Lage ist. - 12 - Modelle in der Medizin 13 Bereits in PLATOS Philsosophie zeigt sich das zweifache Verstandnis von Modell als Reprasentation von Ideen oder von Realitaten. Die nominalistische Tradition der neuzeitlichen Naturwissenschaft gibt die mimetische Position der ,Realisten' vollends auf und vertritt noch grundsatzlicher einen subjektabhangigen oder fik tionalen Erkenntnisbegriff. Die entsprechenden Auseinandersetzungen zwischen LOCKE (Nominalismus) und LEIBNIZ (Realismus) erhalten ein medizinisches Pendant in der Kontroverse zwischen dem Philosophen LEIBNIZ und dem Medi ziner Georg Ernst STAHL; im Gegensatz zu LEIBNIZ will STAHL jede Modellbil dung tiber die Leib-Seele-Beziehung (Psychosomatik) ausschlie13lich empirisch und unabhangig von jeder metaphysischen Begrtindung verstanden wissen (Nego tium otiosum, 1720). Die spekulative Naturphilosophie eines SCHELLING und HEGEL hat urn 1800 mit ihrem ,realistischen' Ideenverstandnis Naturwissen schaft und Medizin nur kurzfristig zu beeinflussen vermocht. Die Ablehnung der metaphysischen Position durch die Naturwissenschaftler und Mediziner des 19. und 20. Jahrhunderts hat aber nicht zu einem einheitlichen Modellstandpunkt ge fUhrt. Die Interpretation von Modellen als ,schematischen Fiktionen' durch den Philosophen H. VA I HINGER hat sich auf die Auseinandersetzungen unter den Medizinern tiber den Ursachenbegriff (Kausalismus-Konditionalismus) ausge wirkt, die bis in die Gegenwart zu keinem Abschlu13 gekommen sind. Neben der philosophischen und theologischen Dimension spielt die interdiszi plinare Dimension des Modells durchgangig in der Neuzeit eine zentrale Rolle. Modelle erfUllen nicht nur sinnvolle heuristische Funktionen in den verschiedenen Wissenschaften; Modelle konnen auch zu Vorbildfunktionen oder Herrschaftsin strumenten einzelner Wissenschaften tiber andere Wissenschaften werden wie schlieJ31ich ebenfalls tiber den unmittelbaren Umgang mit der Wirklichkeit, tiber Einstellung und Verhalten des einzelnen Menschen, tiber Entscheidungen und Ma13nahmen der Politiker. Mit der Ausbreitung der cartesianischen Philsosophie wird der Mechanismus oder die Maschine zu einem Modell fUr aIle Naturwissenschenschaften und auch die Medizin erhoben; das gilt fUr das 17., 18. und 19. Jahrhundert; selbst im 20. Jahrhundert ist die Macht des mechanistischen Denkens in Biologie und Medizin noch groB. Iatromechanik oder Iatromathematik charakterisieren im 17. und 18. Jahrhundert eine derart beeinfluBte Medizin zutreffend; ihre graBen Vertreter sind BELLINI, BORELLI, PITCAIRNE, KEIL. Auch heute interpretieren Arzte und selbst Laien Gesundheit und Krankheit nach der Logik der Maschine. Neben der interdisziplinaren Funktion des Modells steht die intradisziplinare Anwendung. Auch hier lassen sich mehrere Dimensionen unterscheiden: das Mo dell kann sich auf Funktion, Struktur, realen Korper, Schema oder Idee beziehen; selbst in dies en verschiedenen Dimensionen offnen sich wieder mehrere Moglich keiten. Strukturen konnen die Oberflache oder innere Verhaltnisse meinen; reale Modelle konnen das relevante Objekt in gleichem oder verandertem MaBstab ab bilden; die Anzahl der Entsprechungsmomente kann hOchst abweichend ausfal len. Modell tiberschneidet sich mit Metapher und Analogie. Die Differenz der ver- - 13 -

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