Zur modernen Deutung der Aristotelischen Logik herausgegeben von Albert Menne und Niels Öffenberger Band III Modallogik und Mehrwertigkeit 1988 Georg Olms Verlag Hildesheim . Zürich· New York Modallogik und Mehrwertigkeit herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Albert Menne und Niels Öffenberger 1988 Georg Olms Verlag Hildesheim . Zürich' New York Für die freundliche Genehmigung zum Nachdruck und zur Übersetzung danken wir den Autoren sowie den Verlagen Antenore, Padua (fIlr den Beitrag von M. Mignucci), Dr. Peter Deubner, Köln (für den Beitrag .Zur Anwcndbarkeit mehrwcrtiger Kalküle in der juristiscben Logik" von A. Menne), Vandenboeck & Ruprecht, Göttingen (für den Beitrag von G. Patzig) und der Academy of Atbens, Research Center of Grcek Pbilosopby (für den Beitrag.Ü ber l: 1t': T L cl A1 1111\ ~ " von N. Öffenbcrger). Die Vorlagen fIlr die Reprint-Beiträge wurden von den Autoren und Herausgebern sowie von der Universitätsbibliotbek Erlangen-NürDbcrg, der Niedersächsischen Staats-und Universitätsbibliothek Göttingen und der Niedersächsiscben Landesbibliothek Hannover zur Verfügung gestent. Das Werk ist urbeberrecbtlicb gescbützt. Jede Verwendung außerbalb der engen Grenzen des Urbebcrrechtsgesctzes ist obne die Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeichernng und Verarbeitung in elektronischen Systemen. OGeorg Olms AG, Hüdesheim 1988 All. Rechte vorbehalten Printed in Germany Herstellung: Strauss Offsetdruck GmbH, 6945 Hirschberg 2 ISSN 0176-0386 ISBN 3-48H7267-X INHALT vn VORWORT ........................................................................................... Jan l.ukaaiewicz, Über den Determinismus. Deutache Übersetzung von Gonther Patzig (Studiil Leibnitiana 6, 1973, S. 6-25) •••.••.....•. 1 Albert Menne, Modalitäten als Stufenfunktoren (Colloque "La modalitoi du jugement ehe. Aristote et dans la logique moderne-, Anal. Univ. BucuJ"I!9Ü, Seria Acta Logiea 12, 1969, S. 10~1l9) ..........•....•......••...•.......••.........•.•..•............•........... 22 Vittorio Sainati, Zu einer neuen Lesart der modalen aristotelischen Syllogistik (Vortrag 1982, obersetzt von Andrea Bernardini und Claudia Huxold) .............................................................................. 33 Wolfgang Wielencl, Zeitliche Kauzalstrukturen in der aristoteli· schen Logik (Amrl.v fi1r Geschichte der Philosophie 54, 1972, S. 22~237) ...................................................................................... 52 Wolfgang Wieland, Die aristotelische Theorie der Syllogismen mit modal gemischten PrIImiuen (Phroneais 20, 1975, S. 77-92) ...... 61 Wolfgang Wielancl, Probleme der aristotelischen Theorie über die Schlüue aus falschen PrlImiaaen (Archiv fiIr Geschichte der Philosophie 58,1976, S. 1-9) .......................................................... 77 Hermann Weidemann, Überlegungen zu einer temporalen Modal. analyse (Zeitschrift fI1r Philosophische Forschung 34, 1980, S. 405-422 und Postskript 1986) .................................................... 86 Mario Mignucci, • 'Ci; bd wr w):if und .notwendig" in der Aristote· lizchen Konzeption der Wissenschaft (Aristotle on Seience: The ,.Posterior Analytics-, [Studia Aristotelic:e, 9], Editrice Antenore, Padova 1981, S. 173-203, übersetzt von Corinna Ullrich) ........................................................................................... 105 Heinrich Scheper. . Milglichkeit und Kontingenz (Studi e Ricerehe di storia della filoaofia 55, 1963, S. 3-16) .................................... 140 M. Soreth, Zum infiniten Prädikat im zehnten Kapitel der aristo telischen Henneneutik (Islamic Philosophy and the clasaica1 tredition, OrientaI Studies 5, 1972, S. 38~24) ..........•.•.•........•. 154 HA Wolfaon, Infinite and privative judgmente in Aristotle, Averroes and Kant (Philosophy and phenomenological research 8,1947/48, S. 173-187) ........•.........•.....•...•...•........•......•• 191 Albert Manne, Zur Anwendberkeit mehrwertiger Kalküle in der . jurietischen Logik (Festschrift; f. Ulrich Klug zum 70. Geb., hg. von G. Kohlmann, Bd. I: ReehtspbiloaophieIRechtstheorie, Köln 1983, S. 135-141) .................................................................. 206 Gflnther Patzig, Hegels Dialektik und I,ukasiewiczs dreiwertige Logik (Das Vergangene und die Geschichte, Festechrift f. Rainhard Wittram zum 70. Geb., hg. von R. v. Thadden, G. v. Pistohlkora u. H. Wsiss, Göttingen 1973, S. 443-460) •..•..• 213 Rsdu Stoichita, Der WahrhsitsbegritT. Beziehung der zwei- wertigen zur mehrwertigen Logik (Anal. Univ. BucUl""fti, Saria Acta Logica 11, 1968, S. 75-83) .......................................... 231 Rsdu Stoichita, Bemerkungen zur Erkenntnisfunktion der materialen Implikation (Revue Roumaine des Se. Sodales, Sero Philos. et Log. 10,1966, S.121>-137) ••.•.......•..........•....•....... 240 Albert Menne - Niel. Ofrenberger, Ober eine mehrwertige Darstellung der Oppositionstheorie nicht-modaler Ur- teilsarten (Philoeophia 10111, 1980181, S. 304(323) .••...••...•.•..•.•. 253 Niels Ofrenberger - Radu Stoichita, Zur Frage der aristote lischen Begriffsbestimmung ganz falscher Prämissen (Colloque,.La modalite dujugement ehez Aristote et dans la logique modeme", Anal. Univ. Bueure,ti, Seria Acta Logiea 12,1969, S. 145-151) ...•.........•.•.......•••.....•...•...••...•... 274 Niel. Ölfenberger, Ober Im on aÄ.Tj"'lc; (Proeeedings of the World Congress on Aristotle Thessa10niki August 7-14, 1978, Athen 1983, S. 224-228) ..................................................... 281 Niels Ölfenberger, Die Oppositionstheorie strikt partikulärer Urteilsarten aus der Sicht der Vierwertigkeit (Kapitel aus: Mehrwertige Begrllndung der assertorischen [nieht-modalenl Syllogistik des AristoteIes, als Band IV dieser Reihe vorge- sehen) ............•...•.....•........•.•.......•............•..........................•.....•.•... 287 PERSONENREGISTER •..••••.••••. _• •..•••...•...••...•.•...••.•.•.•..•.................. 303 SACHREGISTER ................................................................................ 306 VORWORT Wenn jemand nicht weiB, wer ein Problem als Erster angerührt hat, wo ein Begriff zum ersten Mal auftaucht, 80 klInnte man ihm den scherz haften Rat geben, einfach zu behaupten, das finde sich bereits bei Ari stotelea: In zwei Drittel aller FAlle hat er dann sogar Recht! Nun, es ist in der Tat erstaunlich, WB8 Aristoteies bereits alles ge sehen hat, auch in der Logik! Und esistfast noch erstaunlicher zu sehen, wozu Aristoteies spAter. Logiker immer wieder angeregt hat! In diesem Band bieten wir zunikhst eine Reihe von Arbeiten zur Modallogik_Aua negierten Begriffen, die auch .unbestimmte" Begriffe genannt wurden, bildete Aristotelea auch UrteUe, die seit Boathius pI'OpoBitiones infinitGe bieBan. Kant machte durch einen Übersetzungs fehler daraus sein .unendliches UrtaU". Zur Geschichte und Interpreta tion dia ... UrteUs werden hier drei Arbeiten geboten. Den Rest des Buches bilden Arbeiten zur mehrwertigan Logik, die ja ihren Ursprung hat in Peri humeneia., Kapitel 13. Daß sich auch schon in den Analyti ken dazu gewiue Enteprechungen finden, bliebbisherweitgehend unbe kannt. A. Menne - N. Öffenberger [5] Ubu den Detenoioismus Von JAN LUKASIEWICZ (Deutsche übersetzung von Gtlnther Patzig) 0 Dieser Aufaatz ist eine tlborarbeitete FassuDg der Ansprache. die ich als Rektor der Universität Warschau zur feierlich... EröffnUDg des akademischen J ohrs 1922/23 gebalten habe. Nach meiner Gewohnheit sprach ich ohDe Manuskript. Ich babe die Ansprache später schriftlich festgehalten. aber nie ver6l1entlicht. Im Laufe der folgenden zwanzig Jahre habe ich den Text meiner Rede öfters wieder zar Hand gellommen und Fonn und Inhalt verb8lsert. Die Hauptgedanken, besonders die kritische PrOfung der Argumente fDr den Determinismus. blieben indes unverän dert. Als ich meiDe Rede hielt, wareu. die Tatsachen und Theorien aus dem Bereich der Atomphysik DOch unbekannt. dle später zur Enchiltternng des Determinismus fDhrten. Um vom urspr1lnglichen Inhalt der Rede nicht zu weit abzuweichen oder ihD zn stören. habe ich den Text Dicht um Argumente ezweitert. die dem Bereich der Physik entnommen werden könnten. DubliD. November 1946 1. Es entspricht altem akademischem Brauch, daß der Rektor ein akademisches Amtsjahr mit einer Ansprache feierlich eröffnet. In einer solchen Vorlesung soll er herkömmlicherweise seine wissen- • ..4"''''''''''' tÜS Ober,IÜ'''': Der polnische Origmaltext ist unter dem. Titel OD,term.i"ilmü zuerst 1961 in einem Sammelband mit logischeD. und philosophischen Auf.itzen Lukasiewicz's im Druck enchienen (J. LVJ<ASlBWICZ. Z .",,,,,. ., 0'11 logiA, ; fil ...f U. hrsg. v. J. SLVPBCXI. Wanchau 1961). Zwei voneinander offenbat unab hängige (freilichauch in manchen PartIen erheblich voneinander abweichende) 'Obor set_gen ins Englische enchienen 1967 und 1968 (von Z. JORDAN in: PO/isA Logi. 192~1939. hrsg. von STOns McCALL. Oxfard 1967. S. 19-39; sowie von Ro." RANn in: Tb, Po/isA R ....w XIII. 1968. S. 47-61). Die hier. vorgelegte übersetznng stiltzt sich auf die englischen Texte; jedoch hat sie Dr. G. N. Öllenberger (Milnster) freundlicherweise am polnischen Original tlberpri\ft. Inhaltliche Abweichungen des deutschen Textes von beiden englischen 'Übersetzungen beruhen auf Hinweisen von Dr. Öllenberger. Angesichts des AtgnmentationsDiveaus, der philosophischen Ori ginalität und der Bedeutung des Textes fill die Geschichte der mebrwertigOD Logik bedarf die Voröllentlichung einer deutschen Übersetzung wohl keiner besonderen Bepndung. - Die Herausgeber der SIMtli. LeibniU."4 schlugen die AufDahme in diese Zeitschrift vor, was mir nicht bloß wegen der mehrfachen ausdrO.cklichen ErwiLhnuug von Leibni• • sondern besonders deshalb passend scheint, weil der Vor trag von Lukasiewicz in seiDer eigentamlichen Verkn:o.pfung von logischen und metaphysischen Argumenten an entsprechende GedankengiLnge von LeibDiz lebhaft erinnern kann. Eine sacbliche Auseinanderse.lzJlng mit Lukasiewic%' Thesen ent hlllt mein Aufaatz H.,." D,.u.kUk _ Lw.. .... ,;. .• ..d r_" Logik in: D .. V .., ...,. ........ l .. G. ..T riMl. (Festschrift f1lr R. Witttum), G6ttingen 1973. 2 [6] schaftliche Überzeugung darlegen und die Ergebnisse seiner F or schungen zusammenfassen. Eine Synthese philosophischer Unter suchungen wird in einem philosophischen System ausgedrückt, einer umfassenden Ansicht der Welt und des Lebens. Ich kann ein solches System nicht vorlegen, denn ich glaube nicht, daß man heute ein philosophisches System schaffen könnte, das den Ansprüchen wissenschaftlicher Methode schon genügte. Ich gehöre mit ~en gleichgesinnten Kollegen zu einer noch kleinen Gruppe von Philosophen und Mathematikern, die zum Gegenstand oder zur Grundlage ihrer Untersuchungen die mathematische Logik gewählt haben. Diese Disziplin ist von Leibniz, dem großen Mathe matiker und Philosophen, begründet worden; aber seine Bemühun gen waren längst vergessen, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts George Boale diese Disziplin zum zweiten Male begründete. Gottlob Frege in Deutschland, Charles Peirce in den Vereinigten Staaten und Bertrand Russell in England sind die bedeutendsten Vertreter der mathematischen Logik in unseren Tagen. In Polen hat die Pflege der mathematischen Logik reichere und fruchtbarere Ergebnisse gezeitigt als in vielen anderen Ländern. Wir haben logische Systeme konstruiert, die nicht nur der tradi tionellen Logik, sondern auch den bisherigen Systemen der mathe matischen Logik weit überlegen sind. Wir haben, vielleicht besser als andere, verstanden, was ein deduktives System ist und wie solche Systeme aufgebaut werden können. Wir haben zuerst den Zusammenhang zwischen der mathematischen Logik und den anti ken Systemen der formalen Logik durchschaut. Vor allem haben wir Standards der wissenschaftlichen Präzision errreicht, die weit iiber die bisher anerkannten Forderungen hinausgehen. Gegenüber diesen neuen Präzisionsforderungen hat sich die Exaktheit der Mathematik, die früher als unerreichbares Vorbild betrachtet wurde, nicht behaupten können. Der Präzisionsgrad, mit dem sich der Mathematiker zufrieden gibt, kann uns nicht mehr genügen. Wir verlangen, daß jeder Zweig der Mathematik ein korrekt aufgebautes deduktives System sei. Wir wollen die Axiome, auf die jedes System sich grundet, und die Beweisrege1n kennen, von denen in ihm Gebrauch gemacht wird. Wir fordern, daß alle Beweise diesen Beweisrege1n entsprechen und daß sie vollstiindig und mechanisch iiberprüfbar seien. Mit den herkömmlichen mathe matischen Ableitungen sind wir nicht mehr zufrieden, die irgendwo .. in der Mitte" anfangen, häufig Liicken aufweisen und fortgesetzt an die Anschauung appellieren. Wenn die Mathematik den Test [7] 3 der neuen Präzisionsstandards nicht unangefochten überstanden hat, wie sollen ihn dann andere Disziplinen bestehen, die doch der Mathematik an Exaktheit nachstehen? Wie soll endlich die Philo sophie davonkommen, in der doch so oft phantastische Spekula tionen jede gründliche Untersuchung zum Erliegen bringen? Wenn wir an die großen philosophischen Systeme eines Platon oder Aristoteles, Descartes oder Spinoza, Kant oder/ Hegel mit den Kriterien der Präzision herangehen, die wir der mathematischen Logik verdanken, dann fallen diese Systeme wie Kartenhäuser in sich zusammen. Ihre Grundbegriffe sind nicht geklärt, ihre Haupt thesen sind unverständlich, ihre Argumente und Beweise sind un präzise, und die logischen Theorien, die ihnen oft zugrunde liegen, sind so ziemlich ohne Ausnahme fehlerhaft. Die Philosophie muß darum von ihren Fundamenten her neu aufgebaut werden. Sie sollte sich dabei von wissenschaftlichen Methoden inspirieren lassen und die neue Logik zur Grundlage nehmen. Diese Aufgabe zu mei stern, kann kein Einzelner hoffen. Es handelt sich vielmehr um eine Arbeit für Generationen und für Köpfe, die in ihrer Leistungs fähigkeit denen, die bisher geboren wurden, überlegen sind. 2. Die skizzierte Auffassung ist meine wissenschaftliche Grund überzeugung. Da ich kein philosophisches System vorlegen kann, möchte ich heute den Versuch machen, ein einzelnes Problem zu erörtern, an dem keine philosophische Synthese vorbeigehen kann und das außerdem mit meinen logischen Untersuchungen eng zu sammenhängt. Ich möchte gleich zu Beginn sagen, daß ich dies Problem nicht mit allen seinen Teilfragen in der wissenschaftlichen Präzision behandeln kann, die ich sonst von mir fordere. Was ich vorlegen kann, ist nur ein sehr unvollkommener Versuch, den viel leicht eines Tages jemand benutzen kann, um auf der Grundlage dieser vorläufigen Untersuchungen eine exakte und ausgereiftere Synthese zu entwickeln. Ich möchte über den Determinismus sprechen. Ich verstehe unter .. Determinismus" mehr als die bloße Ansicht, daß es keine Willens freiheit gibt. Zunächst will ich durch ein Beispiel klar machen, was ich meine: . Hans hat gestern mittag auf dem Altstädter Platz in Warschau Paul getroffen. Das Ereignis dieser gestrigen Zusammerikunft existiert heute nicht mehr. Aber die Tatsache von gestern ist heute nicht eine bloße Illusion, sondern ein Teil der Wirklichkeit, der Hans und Paul beide Rechnung tragen müssen. Beide erinnern