Rubrik Deutsche Geophysikalische Gesellschaft e.V. Kapazitive Geoelektrik zur Bestimmung frequenzabhangiger elektrischer Parameter – Anwendung in der Perma frostforschung und 2D-Inversion Seite 5 Wissenschaftliche Beiträge Kapazitive Geoelektrik zur Bestimmung frequenzabhängiger elektrischer Parameter – Anwendung in der Permafrostforschung und 2D-Inversion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 Diskussionspapier „Stand der Geogesellschaften“ .......................................13 Die Schiefe der Ekliptik und das Klima der Erde ..........................................18 Nachrichten aus der Gesellschaft ...........................................................29 Verschiedenes ......................................................................................52 Mitteilungen 2/2o18 Herausgeber: Deutsche Geophysikalische Gesellschaft e.V. ISSN o934 – 6554 DGG-Mitteilungen 2/2o18 1 Impressum Herausgeber: Deutsche Geophysikalische Gesellschaft Redaktion: E-Mail: [email protected] Layout: Dirk Biermann Grafik Design, Potsdam, < [email protected] > Druck: Druckservice Uwe Grube, Hirzenhain-Glashütten, < http://druckservice-grube.de > Beiträge für die DGG-Mitteilungen sind aus allen Bereichen der Geophysik und der angrenzenden Fachgebiete erwünscht. Im Vordergrund stehen aktuelle Berichterstattung über wissenschaftliche Projekte und Tagungen sowie Beiträge mit einem stärkeren Übersichtscharakter. Berichte und Informationen aus den Institutionen und aus der Gesellschaft mit ihren Arbeitskreisen kommen regelmäßig hinzu, ebenso Buch- besprechungen und Diskussionsbeiträge. Wissenschaftliche Beiträge werden einer Begutachtung seitens der Redaktion, der Vorstands- und Beiratsmitglieder oder der Arbeitskreissprecher unterzogen. Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Bitte beachten Sie, dass die namentlich gekennzeichneten Beiträge persönliche Meinungen bzw. Ansichten enthalten können, die nicht mit der Meinung oder Ansicht des Herausgebers und der Redaktion übereinstimmen müssen. Die Autoren erklären gegenüber der Redaktion, dass sie über die Vervielfältigungsrechte aller Fotos und Abbildungen innerhalb ihrer Beiträge verfügen. Die DGG-Mitteilungen sind als Zeitschrift zitierfähig. Bitte senden Sie Ihre Texte möglichst als Word-Datei oder als ASCII-File entweder per E-Mail oder auf CD-Rom an die Redaktion. Zeichn ungen und Bilder liefern Sie bitte separat in druckfertigem Format, Vektorgrafiken als PDF-Dateien (mit eingebetteten Schriften), Fotos als Tiff-, JPEG- oder PDF-Dateien. Vorstand der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft e.V. Präsidium (Adresse der Geschäftsstelle Beisitzer Dr. Klaus Lehmann siehe Geschäftsführer) Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen Rouven Brune – Landesbetrieb – Dr. Christian Bücker (Präsident) Universität Bremen De-Greiff-Str. 195, 478o3 Krefeld DEA Deutsche Erdoel AG Fachbereich Geowissenschaften E-Mail: [email protected] Überseering 4o, 22297 Hamburg Klagenfurter Str. 2-4, 28359 Bremen E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Wolfgang Rabbel Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Prof. Dr. Michael Weber (Vizepräsident) Prof. Dr. Stefan Buske Institut für Geowissenschaften Deutsches GeoForschungsZentrum – GFZ TU Bergakademie Freiberg Otto-Hahn-Platz 1, 24118 Kiel Telegrafenberg, 14473 Potsdam Institut für Geophysik und Geoinformatik E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Zeunerstr. 12, o9596 Freiberg E-Mail: [email protected] Dr. Katrin Schwalenberg Prof. Dr. Heidrun Kopp Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (Designierte Präsidentin) Dr. Ellen Gottschämmer Stilleweg 2, 3o655 Hannover GEOMAR Helmholtz-Zentrum Karlsruher Institut für Technologie E-Mail: [email protected] für Ozeanforschung Geophysikalisches Institut Wischhofstraße 1-3, 24148 Kiel Hertzstr. 16, 76187 Karlsruhe Dr. Joachim Wassermann E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Geophysikalisches Observatorium der Universität München Dr. Kasper D. Fischer (Schatzmeister) Dipl.-Geophys. Michael Grinat Ludwigshöhe 8, 82256 Fürstenfeldbruck Ruhr-Universität Bochum, Institut für Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik E-Mail: [email protected] Geologie, Mineralogie und Geophysik Stilleweg 2, 3o655 Hannover NA 3/174, 4478o Bochum E-Mail: [email protected] Dr. Tina Wunderlich E-Mail: [email protected] Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Prof. Dr. Katrin Huhn-Frehers Institut für Geowissenschaften Dipl.-Geophys. Dipl.-Ing. Birger-Gottfried Lühr MARUM, Universität Bremen Otto-Hahn-Platz 1, 24118 Kiel (Geschäftsführer) Leobener Str. 8, 28359 Bremen E-Mail: [email protected] Deutsches GeoForschungsZentrum – GFZ E-Mail: [email protected] Telegrafenberg, 14473 Potsdam E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Bodo Lehmann DMT GmbH & Co. KG Am Technologiepark 1, 453o7 Essen E-Mail: [email protected] Alle Mitglieder des Vorstandes stehen Ihnen bei Fragen und Vorschlägen gerne zur Verfügung. DGG-Homepage: www.dgg-online.de · DGG-Archiv: Universität Leipzig, Institut für Geophysik und Geologie, Talstraße 35, o41o3 Leipzig, Dr. Michael Börngen, E-Mail: [email protected] Inhaltsverzeichnis Vorwort der Redaktion 4 ..................................................................................................................................... Wissenschaftliche Beiträge Kapazitive Geoelektrik zur Bestimmung frequenzabhängiger elektrischer Parameter – Anwendung in der Permafrostforschung und 2D-Inversion 5 ............................................................................ Diskussionspapier „Zum Stand der Geogesellschaften“ 13 .................................................................................... Die Schiefe der Ekliptik und das Klima der Erde – Ein Vortrag von C.W.A. von Wahl, gehalten vor der literarischen Gesellschaft in Halberstadt am 6. Juli 18o8 18 ...................................................... Nachrichten aus der Gesellschaft Einladung zur Mitgliederversammlung 29 .......................................................................................................... Protokoll der Mitgliederversammlung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) am 14. Februar 2o18 in Leoben, Österreich 3o ................................................................................................... Impressionen DGG-Tagung 2o18 37 .................................................................................................................... Kinderbetreuung der besonderen Art: Tagesmuttereinsatz an der Montanuniversität Leoben 41 ........................... Karriereinterview mit Dr. Ellen Gottschämmer 42 ............................................................................................... Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen für die Preise und Ehrungen der DGG im Jahr 2o19 44 ............................ 13. C.-F.-Gauß-Lecture der DGG während der EGU-Tagung in Wien 45 .................................................................. Bericht zum GAP 2o18 in Potsdam 46 .................................................................................................................. Neue Ausrichtung des Arbeitskreises Geothermie auf der DGG-Jahrestagung 47 ................................................... Gemeinsames Seminar der Arbeitskreise ‚Hydro- und Ingenieurgeophysik‘ und ‚Seismik‘ 2o18 48 ........................ Kurzer Rückblick auf 3o Jahre DGG-Mitteilungen 49 ........................................................................................... Nachrichten des Schatzmeisters 51 ..................................................................................................................... Verschiedenes Die Österreichische Geophysikalische Gesellschaft (AGS) 52 ................................................................................ Einführung eines internationalen Masterstudiengangs Geophysik am KIT 53 ....................................................... Mein Freund Harvey oder wie ich fast in eine Fake-Konferenz geriet 54 ................................................................ Geophysikalische Messungen: Zweifelhafte Angebote mehren sich 57 .................................................................. 4th Physics of Volcanoes Workshop 2o18 – a brief summary 58 .............................................................................. In memoriam Hermann Mälzer 59 ..................................................................................................................... DGG-Aufnahmeantrag 61 .................................................................................................................................. Termine geowissenschaftlicher Veranstaltungen 2o18/2o19 63 ............................................................................. Titelbild: Spektren der Magnitude und Phase der Impedanz für je eine beispielhafte Messung vom Schilthorn und vom See Prestvannet – s. S. 5 ff.! Redaktion Ihr Kontakt zu uns: E-Mail: [email protected] Dipl.-Geophys. Dr. Klaus Lehmann Michael Grinat Geologischer Dienst Leibniz-Institut für Nordrhein-Westfalen Angewandte Geophysik – Landesbetrieb – Stilleweg 2 Dr. Silke Hock De-Greiff-Str. 195 3o655 Hannover Freiburg im Breisgau 478o3 Krefeld DGG-Mitteilungen 2/2o18 3 Vorwort der Redaktion Liebe Leserin, lieber Leser, das vor Ihnen liegende zweite und letzte Mitteilungsheft gung in Leoben ausgezeichnet wurde. BROSCHE & des Jahres 2o18 informiert Sie wieder über Aktivitäten DRUNKENMÖLLE stellen in ihrem Beitrag einen Vor- und Entwicklungen in der DGG. Es soll jedoch auch zur trag von C.W.A. von Wahl vor, der 18o8 vor der literari- Diskussion anregen. So haben wir den im Septem- schen Gesellschaft in Halberstadt zum Thema „Die ber-Heft von GMIT erschienenen GEOfokus „Zum Stand Schiefe der Ekliptik und das Klima der Erde“ gehalten der Geogesellschaften“ in dieses Heft übernommen, da wurde – in einer Zeit des Suchens nach den Ursachen die DGG an dem GMIT-Heft 73 nicht beteiligt war. für Klimaänderungen. Hans-Joachim KÜMPEL hat seinen Beitrag schon im In diesem Heft setzen wir auch die Reihe der Karrie- Titel als Diskussionsbeitrag bezeichnet. reinterviews fort. Paula RULFF hat Ellen Gottschämmer Der scheidende BDG-Geschäftsführer Hans-Jür- interviewt, die auf der Jahrestagung in Leoben mit dem gen WEYER weist auf zweifelhafte Angebote für geophy- Preis für herausragende Lehre ausgezeichnet wurde. sikalische Messungen hin und Christoph CLAUSER Darüber hinaus finden Sie in diesen Mitteilungen berichtet in seinem Beitrag „Mein Freund Harvey oder den Rückblick auf das GAP 2o18 in Potsdam, den Bericht wie ich fast in eine Fake‐Konferenz geriet“ über seine über die 13. Gauß-Lecture auf der EGU-Tagung in Wien, Negativerfahrungen mit einer Konferenz – beides sicher die Vorstellung des neuen internationalen Masterstudi- Anlass für weiterführende Diskussionen. Diese könnten engangs Geophysik am KIT, Berichte zu Aktivitäten der beispielsweise auf der kommenden Jahrestagung 2o19 Arbeitskreise Geothermie, Hydro- und Ingenieurgeo- in Braunschweig stattfinden, deren erstes Zirkular die- physik, Seismik sowie Vulkanologie und die Kurzvorstel- sen Mitteilungen beiliegt. Beachten Sie bitte auch die lung der Österreichischen Geophysikalischen Gesell- Einladung zur Mitgliederversammlung 2o19 in diesem schaft (AGS). Nachrichten des Schatzmeisters und ein Heft. kleiner Rückblick auf 3o Jahre „Rote Blätter“ runden Ergänzend zu den Beiträgen im DGG-Block des das Heft ab. Auch für dieses Heft gilt das, was Siegfried GMIT-Heftes 72 vom Juni 2o18 finden Sie hier weitere GREINWALD schon im Heft 1/1988 zum Mitteilungsblatt Berichte zur Jahrestagung in Leoben – so das Protokoll angemerkt hat – wir haben sein Zitat an das Ende des der Mitgliederversammlung 2o18, einige Tagungs-Im- Rückblicks gestellt. pressionen und den Bericht der Volkshilfe Steiermark Viel Freude beim Lesen des aktuellen Heftes über die Kinderbetreuung auf der Tagung. wünscht Ihnen MUDLER et al. berichten in ihrem wissenschaftli- chen Beitrag über die kapazitive Geoelektrik. Dieser Ihr Redaktionsteam Artikel baut auf einem Vortrag auf, der auf der Jahresta- Silke Hock, Klaus Lehmann und Michael Grinat Neu (ab 2o18) Heft-Nr. Heft-Nr. Erscheinungsmonat DGG-Mitteilungen Erscheinungsmonat GMIT mit DGG-Beteiligung 1 Februar / März 1 - 2 Juni 2 Oktober / November 3 - 4 Dezember 4 DGG-Mitteilungen 2/2o18 Wissenschaftliche Beiträge Kapazitive Geoelektrik zur Bestimmung frequenzabhängiger elektrischer Parameter – Anwendung in der Permafrostforschung und 2D-Inversion J. Mudler1, G. Fiandaca2, C. Hauck3, A. Hördt1, P. K. Maurya2 & A. Przyklenk1 1 Technische Universität Braunschweig 2 Aarhus University 3 Université de Fribourg Anmerkung der Redaktion: Der vorliegende Artikel basiert auf dem Vortrag „Kapazitive Geoelektrik zur Bestimmung frequenzabhängiger elektrischer Parameter – Anwendung in der Permafrostforschung und 2D Inversion“ von J. Mudler, G. Fiandaca, C. Hauck, A. Hördt, P. K. Maurya und A. Przyklenk, der auf der 78. Jahrestagung der Deutschen Geophysi- kalischen Gesellschaft in Leoben (Februar 2018) ausgezeichnet wurde. Abstract ein gutes Anwendungsgebiet, da sie eine besonders starke Mit Hilfe der Kapazitiven Geoelektrik ist es möglich, die fre- Frequenzabhängigkeit der elektrischen Impedanz auf- quenzabhängigen elektrischen Parameter des Untergrun- weisen (PETRENKO & WHITWORTH 2oo3). Auch der Eis- des zu bestimmen. Dafür werden spektrale Messungen gehalt im Untergrund kann aus den Ergebnissen solcher über einen breiten Frequenzbereich durchgeführt. Die Messungen abgeleitet werden (BITELLI et al. 2oo4). Methode findet unter anderem in periglazialen Gebieten Derartige spektrale Messungen auf Eis und Perma- Anwendung, da dort die methodischen Vorteile und physi- frost wurden bereits von GRIMM & STILLMAN (2o15) zur kalischen Bedingungen gegeben sind. Für die Auswertung erfolgreichen Charakterisierung von Untergrundeis der breitbandigen Messdaten haben wir eine neuartige durchgeführt. PRZYKLENK et al. (2o16) nutzten zur spektrale 2D-Inversion entwickelt, mit Hilfe derer eine Bestimmung der beiden elektrischen Parameter die Strukturauflösung des oberflächennahen Untergrundes Methode der „Capacitively Coupled Resistivity“ (CCR), im erzielt werden soll. Anhand von Feldmessungen in den Deutschen „Kapazitive Geoelektrik“ genannt. Im Gegen- Schweizer Alpen und in Norwegen wird die Machbarkeit satz zur klassischen galvanischen Kopplung durch Spieße der Messmethode und der Inversion untersucht. werden hierbei Platten oder Kabel verwendet, die galva- nisch vom Untergrund entkoppelt sind und rein kapazitiv Einleitung an den Boden ankoppeln. Diese Vorgehensweise weist Angewandte Geophysik wird in der Permafrostforschung unter bestimmten Bedingungen logistische Vorteile auf. eingesetzt, um Permafrost zu detektieren und ebenso zu So ist die Methode beispielsweise absolut nicht-invasiv, analysieren, besonders in Bezug auf den Eisgehalt im was Messungen auf manchen Untergründen erst ermög- Untergrund. Mit Hilfe spektraler geoelektrischer Mes- licht, und auch Kopplungsprobleme aufgrund hoher sungen über einen breiten Frequenzbereich ist es mög- Übergangswiderstände können überwunden werden lich, sowohl den spezifischen elektrischen Widerstand ‐ (HÖRDT et al. 2o13). als auch die dielektrische Permittivität ‐ zu bestimmen. Bekannte Studien kapazitiver Geoelektrik messen Die Bestimmung der Permittivität als zusätzlichen Para- nur die Magnitude der Impedanz bei einer diskreten Fre- meter bedeutet einen Informationsgewinn gegenüber quenz und nutzen die Methode dadurch wie eine klassi- herkömmlichen geoelektrischen Messungen, der für die sche geoelektrische Messung (TABBAGH et al. 1993, Interpretation des Untergrundes von Nutzen sein kann. KURAS et al. 2oo7, HAUCK & KNEISEL 2oo6). Um jedoch Besonders Gebiete geringer elektrischer Leitfähigkeit beide elektrische Parameter bestimmen zu können, sind sind für die Bestimmung beider Parameter geeignet. Eis zusätzliche Messungen der Phase vonnöten. Bei unseren oder gefrorene Böden, wie etwa Permafrost, sind dabei Messungen nutzen wir ein breites Frequenzspektrum DGG-Mitteilungen 2/2o18 5 Wissenschaftliche Beiträge Vorteile der zweidimensionalen Auswertung aufgezeigt werden, durch die Strukturen im Untergrund reprodu- ziert werden können. Theorie hochfrequenter Wechselstrom-Messungen Durch die Einspeisung eines zeitlich variierenden Stroms in den Untergrund werden zwei verschiedene physikali- sche Mechanismen angeregt: der Leitungsstrom, der mit dem spezifischen elektrischen Widerstand ρ einhergeht, und der Verschiebungsstrom, der durch die relative die- lektrische Permittivität ε beschrieben wird. Aus dem r Ampèreschen Gesetz werden die Größen der komplexen elektrischen Leitfähigkeit σ* bzw. der komplexen Permit- tivität ε*, die beide Mechanismen vereinigen, wie folgt definiert: Abb. 1: Phasenverschiebung der Impedanz über der Frequenz für einen Bereich von 1 mHz bis 1 GHz nach ZORIN & AGEEV (2017). Dar- gestellt sind fünf synthetische Kurven für verschiedene Kombinatio- nen aus spezifischem Widerstand und relativer Permittivität. Beide Dabei ist i die imaginäre Einheit. Die drei variablen Grö- Größen werden in diesem Fall als frequenzunabhängige Parameter ßen Winkelfrequenz ω, spezifischer Widerstand ρ und angenommen. relative Permittivität ε bestimmen in gegenseitiger r Abhängigkeit die Gewichtung der beiden Stromanteile. und messen den spektralen Verlauf von Magnitude und Abbildung 1 zeigt die Phasenverschiebung einer Phase der Impedanz. Impedanzmessung, also den Versatz des gemessenen Wenn man größere Areale und Tiefenbereiche unter- Spannungssignals gegenüber dem Signal des eingespeis- sucht, ist es üblich, eine Auswertung der Daten in einer ten Stroms, aufgetragen über der Frequenz nach ZORIN & zwei- oder sogar dreidimensionalen Inversion vorzuneh- AGEEV (2o17). Der Verlauf der Phasenverschiebung, oder men. Für die Auswertung der Gleichstromgeoelektrik sind kurz Phase, ist für fünf verschiedene Produkte aus Wider- derartige Inversionen sehr verbreitet, während für fre- stand und Permittivität für den Fall eines homogenen quenzabhängige geoelektrische Messungen erst relativ Untergrundes dargestellt. Der Strom und die Spannung neuartig 2D-Inversionen für die spektrale induzierte Pola- sind für den Anteil der Leitungsströme in Phase (Phasen- risation (SIP) existieren (GÜNTHER & MARTIN 2o16, verschiebung o°) und für den Verschiebungsstromanteil MAURYA et al. 2o17). Basierend auf der SIP-Inversion des um 9o° phasenverschoben. Für kleine Frequenzen domi- Inversionstools AarhusInv, eines Programmes zur Model- niert dabei immer der Leitungsstrom. Der Übergang zum lierung und Auswertung verschiedener geophysikalischer Verschiebungsstrom befindet sich bei umso niedrigeren Methoden, wurde eine zweidimensionale Inversion für Frequenzen, je höher Widerstand und Permittivität sind. CCR-Daten entwickelt. Diese basiert auf dem Cole-Cole- Die Wahl des Frequenzbereiches, in dem die Messungen Modell (COLE & COLE 1941), welches eine zweckmäßige stattfinden, bestimmt damit maßgeblich, in welchem Parametrisierung der dielektrischen Relaxation liefert. physikalischen Bereich gemessen wird und welcher Para- Die Methode, in der Form wie wir sie anwenden, meter extrahiert werden kann. Die meisten geophysikali- nämlich die Erfassung und Nutzung der gesamten spekt- schen Methoden, die frequenzabhängige Felder nutzen, ralen Information, ist noch relativ jung und es liegen fokussieren sich auf einen Strommechanismus und ver- wenig praktische Erfahrungen vor. Daher ist es das Ziel nachlässigen den anderen. So wird bei der Induzierten dieses Beitrages (erstmals nach PRZYKLENK et al. 2o16), Polarisation (IP) und der Magnetotellurik (MT) beispiels- Ergebnisse von verschiedenen Messgebieten zu diskutie- weise im Frequenzbereich des Leitungsstroms gemessen ren und die Anwendbarkeit der Methode zu bewerten. und der Widerstand bestimmt, während beim Georadar Dafür wurden Feldmessungen auf dem Berg Schilthorn in (GPR) Verschiebungsströme genutzt werden und die Per- der Schweiz und auf dem gefrorenen See Prestvannet, mittivität des Untergrundes bestimmt werden kann. Nur nahe der norwegischen Stadt Tromsø gelegen, durchge- durch Messungen im Frequenzbereich des Überganges führt. Erste Ergebnisse der neuartigen 2D-Inversion wer- beider Strommechanismen ist es möglich, beide elektri- den präsentiert. Es soll gezeigt werden, dass die Auswer- schen Parameter zu bestimmen. tung des gesamten spektralen Signals, in Form der Der Phase aus Abbildung 1 liegt die Annahme Bestimmung der Permittivität als zusätzlichen Parame- zugrunde, dass die elektrische Permittivität und der ter, zu einem Gewinn an Information beiträgt und für die Widerstand konstante Werte annehmen. Dies ist aller- Interpretation der Daten nützlich ist. Zudem sollen die dings für viele Materialien nicht der Fall, sondern viel- 6 DGG-Mitteilungen 2/2o18 Wissenschaftliche Beiträge Abb. 2: Fotografie einer Messung auf dem Schilthorn, Schweiz, im Jahr 2016. Zu sehen sind die vier Plattenelektroden, die in Reihe entlang des Profils liegen und über Verstärker und Wandler an die Haupteinheit angeschlossen sind. Diese ist mit einem Laptop verbunden, über den die Messungen gesteuert werden. mehr sind beide Parameter sowohl von der Frequenz als zu einer Überlagerung der Signale der einzelnen Materi- auch von der Temperatur abhängige Größen. Polarisier- alien. Um die Signale derartiger komplexerer Strukturen bare Untersuchungsmaterialien, wie z.B. wassergesät- zu reproduzieren, kann eine Erweiterung des Modells tigte Sedimente oder mineralisierte Gesteine, weisen vonnöten sein. Für die oberflächennahe Anwendung hat eine starke Frequenzabhängigkeit für die elektrischen sich aber gezeigt, dass das einfache Cole-Cole-Modell Parameter auf (ZORIN & AGEEV 2o17). Ebenso ist in peri- (Gl. 2) ausreichend ist, weshalb wir es für unsere Studien glazialen Gebieten für Untergründe aus reinem Eis oder verwenden. anteiligem Eisgehalt bekannt, dass eine starke Frequenz- abhängigkeit des Materials besteht (PETRENKO & Kapazitive Geoelektrik WHITWORTH 2oo3, BITELLI et al. 2oo4, STILLMAN et al. Anfang der 199oer-Jahre wurde die Theorie einer kapazi- 2o1o). Für die Auswertung solcher Messdaten ist es daher tiv an den Boden angekoppelten 4-Elektroden-Auslage notwendig, eine Parametrisierung für die Frequenzab- von GRARD (199o) formuliert und später von KURAS et al. hängigkeit der elektrischen Größen zu finden. Eine voll- (2oo6) vertieft. In den folgenden Jahren kamen erstmals ständige Beschreibung der dielektrischen Relaxation entwickelte Geräte im Feld zum Einsatz (u.a. TABBAGH et kann durch die Cole-Cole-Formel (COLE & COLE 1941) al. 1993, KURAS et al. 2oo7). Dabei werden galvanisch ent- gegeben werden, die für die komplexe Permittivität fol- koppelte Elektroden in Form von Platten oder Kabeln an gende Form hat: der Grenzfläche zwischen zwei Medien aufgelegt, wobei es sich dabei in der Regel um die Grenze zwischen Luft und Untergrund handelt. Ein Vorteil der Methode ist, dass sie nicht-invasiv Die Gleichung beschreibt das Verhalten der komplexen und dadurch nutzbar auf extrem harten Untergründen Permittivität anhand von fünf Cole-Cole-Parametern: (z.B. Gestein, Eis) ist, auf denen es nur sehr schwer mög- dem Gleichstromwiderstand ρ , einem niederfrequen- lich ist mit Spießen zu arbeiten, und dann oftmals nur DC ten Grenzwert für die Permittivität ε , einem hochfre- unter Beeinflussung der Struktur des Untergrundes DC quenten Grenzwert ε , der Relaxationszeit τ und dem (HAUCK & KNEISEL 2oo6). Zudem ist es möglich schnelle HF Relaxationsexponenten c. Kartierungen durchzuführen, da die Elektroden nicht im Das Modell kann die Relaxation eines einzelnen Boden verankert sind und somit mobile Anwendungen Materials beschreiben. Bei Materialgemischen kommt es realisiert werden können (KURAS et al. 2oo7). Des Weite- DGG-Mitteilungen 2/2o18 7 Wissenschaftliche Beiträge Abb. 3: Spektren der Magnitude und Phase der Impedanz für je eine beispielhafte Messung vom Schilthorn (a, b) und vom See Prestvannet (c, d). Die Punkte geben die Messdaten für 19 diskrete Frequenzen an, die Linie ist die Anpassung des Cole-Cole-Modells durch die Inversion aus PRZYKLENK et al (2016). Die entsprechenden fünf Cole-Cole-Parameter sind jeweils rechts neben den Spektren aufgelistet. ren kann mithilfe der kapazitiven Kopplung auch auf schreibt die Höhenabhängigkeit der Elektroden. Da Untergründen hohen Widerstandes eine Ankopplung schon bei geringer Unebenheit keine vollständige Auflage erreicht werden, auf denen galvanische Kopplung auf- der Elektroden auf dem Untergrund (besonders im Fall grund hoher Übergangswiderstände gar nicht oder nur starrer Platten) gewährleistet werden kann, entsteht eine durch bestimmte Lösungen an den Elektroden möglich effektive Höhe der Elektrodenfläche über dem Boden. ist (HÖRDT et al. 2o13). Die CCR-Methode findet daher Diese ist schwer messtechnisch erfassbar, kann aller- unter anderem Anwendung im urbanen Bereich, in der dings bereits für geringe Höhen zu großen Abweichungen Weltraumforschung und in der Permafrostforschung. in den Messungen führen. Die Höhenabhängigkeit wurde Die komplexe Impedanz in der kapazitiven Geoelek- schon in verschiedenen Arbeiten untersucht. Die trik kann wie folgt beschrieben werden (PRZYKLENK et Erkenntnis war dabei, dass die Abhängigkeit umso schwä- al. 2o16): cher ist, je größer Widerstand und Permittivität des Unter- grundes sind (KURAS et al. 2oo6, PRZYKLENK et al. 2o16). Im Fall der hier vorgestellten Messungen ist der Effekt vernachlässigbar und es kann eine ideale Auflage der Der Reflexionsfaktor α beinhaltet die elektrischen Para- Elektroden angenommen werden, wodurch man einen meter ρ und ε des Untergrundes, K ist der Geometriefak- Höhenfaktor H = 1 erhält. Damit lassen sich die elektri- r tor der Elektrodenauslage. Der Höhenfaktor H(h) be- schen Parameter für jede Frequenz direkt aus dem Real- 8 DGG-Mitteilungen 2/2o18 Wissenschaftliche Beiträge Abb. 4: Ergebnisse der 2D-Inversion mit dem Programm AarhusInv für das Messprofil vom Schilthorn. Dargestellt sind die Sektionen für die drei Cole-Cole-Parameter spezifischer Widerstand ρ, niederfrequenter Grenzwert der Permittivität ε, und Relaxationszeit τ. Die gestrichelte rDC Linie gibt die separat gemessene Schneetiefe wieder, der Pfeil markiert die Lage der Spektren (a, b) aus Abbildung 3. Die heller dargestellten Bereiche für größere Tiefen sind die nicht mehr hinreichend gut aufgelösten Bereiche der Inversion. und Imaginärteil der Impedanz bestimmen (PRZYKLENK spektralen Verläufe der Magnitude |Z(f)| und der Phase et al. 2o16). ϕ(f) der Impedanz erfasst werden. Für die Bestimmung beider elektrischer Parameter Feldmessungen müssen sowohl Leitungs- als auch Verschiebungsströme Die Messungen wurden mit der Apparatur Chameleon einen signifikanten Anteil ausmachen. Um dies in unse- von Radic Research durchgeführt, die extra für die rem Frequenzbereich zu gewährleisten, müssen hohe An wendung breitbandiger Messungen der Impedanz Widerstände (und Permittivitäten) im Untergrund vorlie- ausgelegt ist (RADIC 2o13). Das Gerät arbeitet mit einer gen (vgl. Abb. 1). Diese Bedingungen liegen insbesondere 4-Elektroden-Anordnung. Durch schrittweises Verschie- in periglazialen Regionen mit hohem Eisvorkommen vor ben und Vergrößern der Auslage können zweidimensio- (HAUCK & KNEISEL 2oo6). Für die Anwendung der nale Messungen entlang eines Profils und tiefenorientiert Methode wurden daher entsprechende Untersuchungs- realisiert werden. In Abbildung 2 ist beispielhaft eine gebiete ausgewählt. In diesen Gebieten ist zudem oftmals Messung auf dem Schilthorn dargestellt. Die Plattenelekt- der logistische Vorteil kapazitiver Kopplung in Bezug auf roden, die für die galvanische Entkopplung mit isolieren- harte Untergründe und hohe Übergangswiderstände der Kaptonfolie beklebt sind, liegen in Reihe in Profilrich- gegeben. tung. Sie sind über Kabel mit verschiedenen Verstärkern Es wurden zwei Messkampagnen durchgeführt, von und Wandlern verbunden, die an die Haupteinheit gekop- denen je ein ausgewähltes Profil präsentiert wird. In Nor- pelt sind. Von dort aus können die Messungen über einen wegen wurden 2o15 Messungen auf dem zugefrorenen Laptop gesteuert werden. Die Messungen wurden in See Prestvannet nahe der Stadt Tromsø durchgeführt. einem Frequenzbereich von 1 Hz bis 24o kHz bei 19 dis- Das Profil mit einer Länge von 33 m verläuft über die kreten Frequenzen durchgeführt. Dadurch können die Grenze des Sees hinweg, sodass sowohl die Eisdecke des DGG-Mitteilungen 2/2o18 9 Wissenschaftliche Beiträge Abb. 5: Ergebnisse der 2D-Inversion mit dem Programm AarhusInv für das Messprofil vom See Prestvannet. Dargestellt sind die Sektionen für die drei Cole-Cole-Parameter spezifischer Widerstand ρ, hochfrequente Permittivitätszahl ε, und Relaxationszeit τ. Die vertikale gestri- r HF chelte Linie gibt die oberflächliche Lage des Überganges vom See zum Ufer wieder. Die gefrorene Seeoberfläche befindet sich auf der linken Seite, das schneebedeckte Ufer auf der rechten Seite. Der Pfeil markiert die Lage der Spektren (c, d) aus Abbildung 3. Sees als auch das schneebedeckte Ufer messtechnisch dell (Gl. 2). So können für jede 4-Punkt-Messung aus der erfasst wurden. Dafür wurde eine Wenner-Konfiguration Modellanpassung die Werte der fünf Cole-Cole-Parame- mit konstantem Elektrodenabstand (a = 1,5 m) genutzt. ter gezogen werden. In Abbildung 3 werden beispielhaft Das Ziel ist es, die Unterschiede in den Messungen auf die Spektren für je eine Messung beider Profile gezeigt. verschiedenen Materialien und die Ufergrenze zu erfas- Die Punkte sind die gemessenen Daten und die durchge- sen. Die andere Messkampagne wurde im Jahr 2o16 auf zogenen Linien stellen die Anpassung durch die Inver- dem Berg Schilthorn, nahe der Stadt Interlaken, auf einer sion dar. Es handelt sich dabei um die Inversionsmethode Höhe von etwa 2.7oo m ü. NN in einem Gebiet alpinen Per- aus PRZYKLENK et al. (2o16), die jede 4-Punkt-Messung mafrostes durchgeführt. Die Oberfläche war von einer separat behandelt und noch keine gemeinsame Inversion Schneeschicht bedeckt. Die Mächtigkeit dieser Schicht verschiedener Messungen beinhaltet, wie die später fol- wurde zusätzlich im Abstand von einigen Metern durch gende 2D-Inversion. Neben den Spektren sind rechts manuelle Messungen erfasst. Entlang des Profils von jeweils die Cole-Cole-Parameter aus der Anpassung der 28 m Länge wurde eine Sondierungs-Kartierung Inversion aufgelistet. (Dipol-Dipol, a = 1 m, n = 1-6) mit dem Ziel durchge- Es ist zu erkennen, dass die spektralen Signale bei- führt, die zweidimensionale Struktur im Untergrund der Messungen sehr verschieden sind. Während im Bei- zu erfassen. spiel vom Schilthorn (a, b) auf der Schneedecke gemessen wurde, zeigen die Spektren aus Norwegen (c, d) eine Mes- Ergebnisse und Inversion sung auf der Eisdecke des Sees. Die Phasenverschiebun- Die Auswertung der gemessenen Impedanz (Gl. 3) in Form gen beider Messungen zeigen Schwankungen über den der spektralen Messungen von Magnitude und Phase gemessenen Frequenzbereich, je mit einem lokalen erfolgt unter Parametrisierung durch das Cole-Cole-Mo- Maximum und Minimum. Durch den Vergleich mit den 10 DGG-Mitteilungen 2/2o18