Speckner . Mit 50 schon zum alten Eisen? Gunther Speckner Mit 50 schon zum alten Eisen? Altere Mitarbeiter im Betrieb CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Speckner, Giinther: Mit 50 [fiinfzig] schon zum aiten Eisen?: Altere Mitarb. im Betrieb / Giinther Speckner. - Wies baden: Gabler, 1980. © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1980 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1980 Umschlaggestaitung: Horst Koblitz, Wiesbaden Satz: H. Erhart Henniger, Wiesbaden Aile Rechte vorbehaiten. Auch die fotomechanische Vervielfliltigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. ISBN-13: 978-3-409-96111-0 e-ISBN-13: 978-3-322-84194-0 DOl: 10.1007/978-3-322-84194-0 Vorwort Jeder dritte Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland ist heute zwischen 40 und 45 Jahren alt. Rechnungen der Bundesanstalt fUr Ar beit zeigen, daB die Zahl der Erwerbstatigen in den Altersklassen zwi schen 15 und 40 Jahren bis 1985 urn 1,2 Millionen abnehmen wird. Die Zahl der 40 bis 60jahrigen steigt im gleichen Zeitraum urn 2,4 Millio nen. Eine schwere Hypothek, wenn man sieht, daB Wirtschaft und Ge sellschaft schon heute nicht mit den Problemen alterer Arbeitnehmer fertig werden. Was kann getan werden? Zuallererst ist es notwendig, Vorurteile gegenuber aiteren Arbeitneh mern abzubauen. Vorurteile, die sich in den Altersbegrenzungen in Stel lenanzeigen zeigen: ein Arbeitnehmer, der alter als 40 Jahre ist, muB bei Durchsicht der Stellenteile der groBen Tageszeitungen sein Selbstver trauen verlieren! Inzwischen steht wohl eindeutig fest, daB altere Arbeitnehmer nicht weniger, sondern anders leistungsfahig sind als ihre jungeren Kollegen. Bestimmte Fahigkeiten wie Selbstandigkeit und Verantwortungsbe wuBtsein sind gerade bei alteren Mitarbeitern besonders ausgepragt. Dies fordert geradezu, daB man uber Vierzigjahrige nicht, wie hiiufig prakti ziert, vom beruflichen Aufstieg ausschlieBt, daB man mehr als bisher das wertvolle Leistungspotential dieses Personenkreises nutzt. Dazu gehort ein soziales Umfeld, das die Probleme alterer Arbeitnehmer abmildert. Der Generationenvertrag muB auch in den Betrieben Giiltigkeit haben. Zu den MaBnahmen, die aus dieser Sicht notwendig sind, gehoren u.a. - die Arbeitsplatz- und Verdienstsicherung fUr altere Arbeitnehmer; - die Teilhabe dieses Personenkreises an WeiterbildungsmaBnahmen; - die Umsetzung "Alterer" von physisch und psychisch besonders be- lastenden Arbeitsplatzen; - flexiblere Regelungen des Dberganges in den Ruhestand. Gunther Speckner beschaftigt sich 8 Jahre bei der Deutschen Ange stellten-Gewerkschaft und seit 5 Jahren bei der CSA-Arbeitnehmer union der CSU mit den Problemen aiterer Arbeitnehmer. Er hat in die- 5 .sem Buch aIle vorhandenen Materialien gesammelt und nach den Krite rien der Machbarkeit geordnet. Neben pragmatischen VorschHi.gen zur Verbesserung der Situation in den Betrieben findet er auch zum iiberge ordneten Problemfeld: die Verbindung sozialpolitischer Notwendigkeit mit wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Zukunft. Elmar Pierotb MdB. Aufsichtsrats· vorsitzender der Ferdinand Pieroth Weingut·Weinkellerei GmbH 6 Inhalt Teil I: Der iltere Arbeitnehmer in der IndustriegeseUschaft 9 1. Gesellschaftliche Entwicklung ......... 11 1.1. Jung und Alt in der Gesellschaft . . . . . . . . 11 1.2. Der iUtere Arbeitnehmer in der Arbeitslosigkeit 15 1.3. Chancen der alteren Arbeitnehmer in den 80er und 90er Jahren .......................... 17 2. Die berufliche Leistungsfiihigkeit im h6heren Lebensalter 21 2.1. Wer ist eigentlich ein iUterer Arbeitnehmer? 21 2.2. Vorurteile statt Verttauen ........... 23 2.3. Berufliche Leistungsfahigkeit und Lebensalter . 26 2.4. Die Arbeitsleistungen der alteren Arbeitnehmer 28 Teil II: Der iltere Mitarbeiter im Betrieb 33 1. Mapnahmen der Personalpolitik 35 1.1. Management von Jung und Alt 35 1.1.1. Fiihrungsstil- Fiihrungssysteme 35 1.1.2. Konflikte zwischen Jung und Alt am Arbeitsplatz 42 1.1.3. Personalplanung - Innerbetrieblicher Arbeitsmarkt 57 1.2. Erhaltung der Leistungsfahigkeit ......... 62 1.2.1. Erfassung der alteren Mitarbeiter ......... 62 1.2.2. Personalausbildung - Fort- und Weiterbildung, fUr altere Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1.3. MaBnahmen am Arbeitsplatz ....... 72 1.3.1. Arbeitsanforderung und technischer Wandel 72 1.3.2. Arbeitsorganisation ............ 76 7 1.3.3. Arbeitsplatz - Arbeitsumgebung 80 1.3.4. Arbeitszeit .......... . 88 2. Mapnabmen der betrieblicben Sozialpolitik 94 2.1. Die Sicherung des Arbeitsplatzes ..... 94 2.1.1. Moglichkeiten der Arbeitsplatzsicherung 96 2.1.2. Arbeitsplatzbeschaffung und Arbeitsplatzreserven fUr altere Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . 103 2.2. Die Sicherung des Einkommens .............. 106 2.2.1. Verdienstsicherung durch Tarifpolitik ........... 109 2.2.2. Verdienstsicherung im Rahmen der betrieblichen Einkom- menspolitik .:............... 111 2.3 . Gesundheitsdienst ................. 114 2.4. Vorbereitung auf den dritten Lebensabschnitt . . 123 2.4.1. Vorbereitungsprogramme und Riistigkeitsberatung 124 2.4.2. Gleit~nder Ubergangin den Ruhestand 131 2.4.3. Betriebliche Altersversorgung .......... 137 Teil III: Rechdiche Vorschriften - Praktische Beispiele 145 1. Gesetzlicbe und tarifvertraglicbe Vorscbriften .. 147 1.1. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 . . . . . . . . . . . . . . .. 147 1.2. Arbeitsrechtliche Vorschriften . . . . . . 150 1.3. Sozialversicherungsrechtliche Vorschriften 153 1.4. Tarifvertragliche Regelungen 154 2. Praktiscbe Beispiele 156 2.1. Betriebsvereinbarung: Altere Mitarbeiter 156 2.1.1. Altere Mltarbeiter bei Pieroth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 156 2.1.2. Beabsichtigte Regelung bei Rank-Xerox zur Sicherung alterer Mitarbeiter ............................... 165 2.2. Muster einer Betriebsvereinbarung iiber Auswahlrichtlinien gemaB § 95 BetrVG ........•..................... 170 Literaturverzeicbnis ................................... 181 8 Teil I Der altere Arbeitnehmer in der Industriegesellschaft 1. Gesellschaftliche Entwicklung 1.1. Jung und Alt in der Gesellschaft Ein ungebrochenes Verhiiltnis zum Alterwerden, zur biologischen Ent wicklung des Menschen, kennzeichnet viele Gesellschaften, in denen das Ansehen des Individuums mit zunehmendem Alter steigt, unabhangig von der dadurch bedingten veranderten Leistungsf3higkeit. Bei vielen Kulturvolkern, so z. B. bei Griechen und Romern, kam dem alteren Menschen eine besondere Bedeutung zu. Sein Ansehen stand fiber dem des Jiingeren, die Erfahrung der Weisen galt als besondere Wertschat zung. Die Senatoren im alten Rom begriindeten ihren EinfluB auf die Politik und den Staat nicht ausschlieBlich auf politische Macht, sondern auf ihre Stellung, die sie wegen ihres Alters innerhalb der Gesellschaft hatten. Auch in der festgefiigten statischen Gesellschaft des spaten Mittelal ters, in der die Ziinfte und das Bfirgertum letztlich dominierten, galt die Erfahrung der Alten und ihr fiber viele Jahre hinweg gewonnenes Wis sen. Der Alte, der Erfahrene, der Meister war das Vorbild der jiingeren Generation. Er allein hatte das Sagen und die Verantwortung. Nicht nur in seinem Handwerksbetrieb, sondern auch in seiner Zunft, die weite Bereiche des gesellschaftlichen Lebens regelte. Lehrlinge und Gesellen waren nicht nur seine Arbeitskrafte, sie gehorten zur Familie, der Mei ster hatte die Verantwortung ffir ihr beruflicheswie auch ihr persOnli ches Wohlergehen. Innerhalb der bauerlichen Gesellschaft war die Drei-Generationen-Fa milie die Regel. Die altere Generation, eingebunden in den Familienver band, hatte in der Sippe ihren Platz und ihre Aufgabe. Ihre Versorgung, ihre Aufgabenstellung und ihre Anerkennung waren gesichert. Niemand wurde wegen seines Alters an den Rand der Gesellschaft gedrangt, son dern jeder stand inmitten des Lebens, war eingebettet in ein gesell schaftliches Geffige und hatte von da her auch die Sinnerfiillung seines Lebens noch bis ins hohe Alter. 11 Durch die erste industrielle Revolution zu Ende des vorigen Jahrhun derts und der mit ihr einhergehenden Technisierung und Mechanisie rung der Produktion hat die Auflosung des Familienverbandes begon nen, die bis dahin bestehende GroBfamilie ist langsam zerfallen. Jede Generation muBte nun fiir ihre eigenen Zukunftserwartungen selbst sor gen. Die industrielle Gesellschaft und die durch sie bedingte hochgra dige Arbeitsteilung in der V olkswirtschaft sowie der damit einherge hende schnelle technische Wandel haben diese Entwicklung noch be schleunigt. Der Alte hat damit seine dominierende Stellung innerhalb der Sippe'verloren, in vielen Bereichen wurde er an den Rand der Ge sellschaft gedrangt. "Traue keinem liber DreiBig", ein Slogan der jugendlichen Protestbe wegung der sechziger Jahre, wurde schnell zu einem geflligelten Wort und hat zu einer weiteren negativen Entwicklung innerhalb der Gesell schaft gefiihrt. Jugend war von da an Trumpf, die gesamte Wirtschaft, die Werbung und die gesellschaftliche Umwelt haben sich darauf einge stellt. In'Stellenangeboten tauchte immer Ofters die Einschrankung "Be werber unter 30 Jahren" auf: Der Wiederaufbau der Bundesrepublik nach 1945 und das damit einsetzende Wirtschaftswunder hatten zur Folge, daB in der Leistungsgesellschaft nur derjenige, der jung und dy namisch seinen tiiglichen Arbeiten nachging, sicher sein konnte, auch seinen gesellschaftlichen Aufstieg zu finden. Der schnelle technische Wandel der Nachkriegsjahre, die enormen Leistungen und die neuen Erkenntnisse in der Naturwissenschaft und der beginnende RationalisierungsprozeB in der Wirtschaft hatten zur Folge, daB das einmal Erlernte immer schneller durch neues Wissen ersetzt wurde. So ist z. B. das Wissen, das an Ingenieurschulen bis 1975 gelehrt wurde, bereits nach flinf J ahren vollig liberholt. Ergebnis dieser schnellen technischen Entwicklung ist, daB die neuesten Erkenntnisse gerade noch der Jiingere beherrscht, wiihrend die Vorigen fUr den augen blicklichen Entwicklungsstand der Produktion schon relativ veraltet sind. Eine Wirtschaft, deren Dynamik stiindig Neuerungen und Verande rungen schafft, verschlieBt sich in vielen Zweigen der Berufserfahrung. Es kommt letztlich darauf an, immer auf dem neuesten technisch-wis senschaftlichen Stand zu sein, urn innerhalb der gesamten sich anbah nenden Entwicklung mithalten zu konnen. Erkenntnisse, Fertigkeiten liber die Dinge, wie man es frliher machte, sind bei diesem raschen technischen Wandel ohne Belang. Daran erinnert sich bei den neuen Produktionsbedingungen niemand. Erkenntnisse und Erfahrungen aus vergangener Zeit haben scheinbar keinen Wert mehr. 12