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Mieser alter Spion PDF

149 Pages·2016·0.4 MB·German
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C.H.GUENTER Mieser alter Spion ERICH PABEL VERLAG GMBH, 7550 RASTATT 8 1. Ende August dieses Jahres fanden in London die Europameisterschaften der Leichtathleten statt. Im olympischen Zehnkampf galt der Russe Oligow als Favorit. Schließlich erreichte er aber nur knapp achttausend Punkte und wurde von dem Amerikaner Sugar Ronson glatt geschlagen. Den zweiten Platz sicherte sich der deutsche Meister. Kurz vor der Siegerehrung wurde dem Russen auch noch der dritte Platz abgesprochen. Die Dopingkontrolle war bei ihm positiv verlaufen. Oligow wurde disqualifiziert und gesperrt. Lebens- länglich, Als geschlagener Mann verließ er das Wembley Stadion. Am Tag seiner größten Niederlage - er hatte sie kommen gesehen - beschloß Oligow, sein Leben zu ändern. Am Abend tat er den alles entscheidenden Schritt, der niemals mehr rückgängig zu machen war. Er lief in den Westen über. Während des gemeinsamen Abendessens im Hotel Aquitania verließ er die Mannschaft der Sowjetunion. Dies unter dem Vorwand, er habe Kopfschmerzen und gehe zu Bett. Jeder hatte Verständnis dafür, daß Oligow nicht zum Feiern zumute war. Von seinem Zimmer im ersten Stock kletterte der Athlet, unbemerkt von den Aufpassern des staatlichen 9 Sicherheitsdienstes, in den Hotelinnenhof. Als hoch- trainiertem Sportler bereitete es ihm keine Mühe, noch ein paar Mauern zu überwinden. In der Winston Road winkte er einem Taxi. Das war um 20.33 Uhr britischer Sommerzeit. Wenige Minuten später, um 20.50 Uhr, hatte Oligow die Fronten gewechselt und war drüben. Auf der Polizeistation, wo er um Asyl bat, nahm man zunächst seine Personalien auf. Dann verständigte man eine Dienststelle des MI-5. „Sie werden abgeholt und verhört", sagte der Constable. „Ich bitte darum." Der Russe war sehr blaß, aber auch sehr gefaßt. „Man versicherte mir", erklärte Oligow dem Beamten des MI-5, „daß man mir ein Handgeld von zehntausend Pfund Sterling zahlen wurde." Der Mann von der Spionageabwehr zeigte ein mitleidiges Lächeln. ,,Vielleicht gilt das vom General ab aufwärts." „Ich bin wichtiger als ein General." „Nur weil Sie schneller laufen, höher springen und weiter werfen können als andere Menschen?" fragte der Engländer spöttisch. „Weil ich euch etwas mitbringe", erwiderte Oligow. Der Verhöragent lehnte sich zurück, nahm einen Schluck Tee und einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. „Da bin ich aber neugierig." Er hatte schon zu viele solcher Fälle abgewickelt und dabei zu abenteuerliche Versprechungen gehört, als daß er diesen Mann ernst genommen hätte. 10 Der Sportler wirkte jetzt nervös. Immerzu spielte er mit der Silbermünze, die er an einer Schnur, die durch ein Loch gerührt war, um den Hals trug. „Ich muß Qu sprechen", stieß er. endlich hervor. Der Beamte zog die Brauen hoch. „Wen bitte?" „Q-U", buchstabierte der Russe in einem dürftigen Schulenglisch. „Wer ist das?" „Einer von euch." „Nie von ihm gehört." „Dann sollten Sie sich informieren, Sir." Der Engländer, ein Captain der Inland-Abwehr, war durchaus bereit, dies zu tun. Doch ehe er den Apparat anlaufen ließ, brauchte er, um den Aufwand rechtfer- tigen zu können, gewisse Informationen. Er fragte: „Wie kommen Sie, Mister Oligow, ein Sportler, wenn auch zweifellos ein prominenter, an den Code unserer...", der Engländer verbesserte sich, „... einer Person in diesem Lande, die angeblich Kontakte zu Bürgern der Sowjetunion unterhalten könnte?" Der Russe antwortete, wenn auch nicht unbedingt befriedigend: „Man gab mir diesen Code mit, für den Fall, daß ich den Plan hätte zu desertieren." „Sie hatten diese Absicht also schon vor Ihrem Abflug in Moskau?" Der Leichtathlet nickte. „Das ist zutreffend, Sir." „Warum?" „Ich sah mich", es klang wie der Anfang eines Geständnisses, „nicht mehr in der Lage, die geforderte Leistung ohne Drogen zu erbringen." „Wie sich heute nachmittag zeigte, brachten Sie die 11 Leistung auch mit Dopingmitteln nicht mehr, Mister Oligow." „Meine Karriere ist zu Ende." Der Engländer verstand „Der dritte Platz würde für den Weltmeister ein normales Formtief bedeuten. Aber die Urinkontrolle förderte die Wahrheit ans Licht, bekräftigt durch den Umstand, daß Sie noch versuchten, die Urinprobe zu vertauschen." Der Russe bedeckte die Augen. „Ich fürchtete schon seit langem, daß es so kommen würde. - Andere wohl auch." „Und deshalb machte sich drüben jemand an Sie heran." „So ist es, Sir." „Wer ist dieser Jemand?" Oligow ließ sich mit der Antwort lange Zeit. Er war bereit, als Vorleistung einiges aus der Hand zu geben. Aber er war nicht bereit, sich für nichts zu verkaufen. „Ein alter Mann", sagte er. „Wo trafen Sie ihn? Auf einer Veranstaltung, auf einer Prominentenfete..." „In einem Park." Der Engländer bat um Einzelheiten und erfuhr, daß es abends in einem Moskauer Park auf einer Bank gewesen sei. Er ließ sich den Park beschreiben, die Bank sowie das Aussehen des alten Mannes. Seine Fragen wurden schmerzhaft für Oligow. „Wer sagte Ihnen, daß der alte Mann Sie sprechen wollte?" Immer wieder stockend und nach Worten suchend, berichtete Oligow. 12 „Nachdem in Moskau Gerüchte umgingen, daß ich Probleme hätte, Probleme mit allem, mit Frauen, mit Alkohol, mit der Ideologie, im Training, mit meinen Finanzen, also praktisch rundum, bekam ich einen Anruf." Oligow lieferte, soweit ihm das mit seinem Schul- englisch möglich war, eine Detailschilderung. Der Anrufer hatte erklärt, wenn er aussteigen wollte, würde er das wohl bei den Europameister- schaften tun. Im Westen brauchte jeder Startkapital, und er könnte es bekommen. Weitere Informationen von dem alten Mann, der im Park Schach spielte. Der Engländer äußerte immer wieder Zweifel. „Der alte Mann verlangte kein Erkennungswort von Ihnen?" „In Moskau kennt mich jedes Kind, Sir", entgegnete Oligow. „Was sagte der alte Mann?" Der Russe schien nachzudenken, wohl um es so genau wie möglich wiederzugeben. Dann atmete er tief. „Er sagte, wenn du es in London tust, Junge, dann fordere zehntausend Pfund Sterling. - Wofür? fragte ich. - Für das, was ich dir mitgebe, sagte der alte Mann und schenkte mir etwas. Ich wollte wissen, ob das, was er mir gab, drüben als so wertvoll anerkannt werden würde, daß ich eine große Summe Geldes dafür bekäme. Daraufhin nannte mir der alte Mann den Code. - Es gibt drüben einen Agenten, sagte er, der kann es bestätigen. Sie sollen Qu fragen." Damit war das Gespräch wieder an jenem Punkt angelangt, wo es das erste Mal steckengeblieben war. „Was gab Ihnen der alte Mann?" fragte der MI-5- Beamte nun. 13 „Das erfahren Sie, wenn ich mit Qu gesprochen habe, Sir." Der Engländer war nicht nur mißtrauisch, sondern besorgt. „Wo haben Sie es, Oligow?" „Versteckt, Sir." „Was enthält es wohl?" „Vielleicht eine Information, Sir." „Und Sie sind sicher, daß diese NKWD-Burschen, die Ihre Mannschaft bewachen, es nicht finden werden oder längst fanden?" „Absolut sicher, Sir", entgegnete der Russe. Daraufhin hob der Engländer das Telefon ab, um die Suche nach dem geheimnisvollen Agenten -Q- einzu- leiten. Achtundvierzig Stunden später hatten sie -Q- immer noch nicht. Als sich schon die Gewißheit abzuzeichnen begann, daß es -Q- wohl gar nicht gab, kam einer auf die Idee, sich mit dem Auslandsgeheimdienst, dem MI-6, in Verbindung zu setzen. Aber auch dort wurde kein Agent mit dem Code -Q- geführt. „Nicht unter den Aktiven und nicht bei den Inakti- ven", versicherte man den Leuten der Spionageab- wehr. Höflich wie sie waren, bezichtigten die Engländer den Überläufer nicht gleich des versuchten Betrugs, sondern sagten: „Sie müssen da einer Provokation aufgesessen sein, Mister Oligow." 14 „Inwiefern Provokation, Gentlemen, das verstehe ich nicht" „Ihre vorgesetzte Behörde ahnte wohl, daß Sie in London abspringen würden. Man hoffte, daß Sie es dort versuchen würden, weil man wenig Lust ver- spürte, ständig und überall ein Dutzend Leute für Ihre Überwachung abzustellen. Han ging davon aus, daß Sie es tun würden, und wollte es erledigt haben. Man glaubte, Sie auf frischer Tat ertappen zu können, denn auf eine bloße Vermutung hin konnte man einen Olympiasieger nicht in Sibirien verschwinden lassen." „Warum hat man mich dann nicht geschnappt, als ich aus dem Fenster sprang", wandte der Russe ein. Der. Engländer lächelte. ,,Weil Sie eben doch ein fixer Junge sind." Oligow schüttelte verzweifelt den Kopf. „Und Sie glauben, was Sie sich da zurechtphanta- sieren?" Der Engländer hob sein kantiges Kinn. „Es gibt keine andere Erklärung, Mister Oligow." Der Busse sackte zusammen, als würde man allen Druck aus ihm herauslassen. „Was nun?" murmelte er. „Ich habe so fest daran geglaubt." „An Ihr eigenes Märchen über den Mann im Park?" Seufzend steckte sich der Engländer eine Zigarette an. „Hören Sie mal zu, Oligow. Wir haben in den vergangenen zwei Tagen nicht nur nach Ihrem geheim- nisvollen Mister Qu gesucht, sondern uns auch mit Ihrem Leben befaßt. Wenn Sie kein von der Natur begnadeter Leichtathlet wären, dann wären Sie ver- mutlich ein Ganove, um nicht zu sagen ein Gangster. Wir entdeckten allein ein Dutzend Fälle von Betrug, Schieberei, Devisenvergehen, Zuhälterei, Handel mit verbotenen Anregungsmitteln und so fort, wofür Sie 15 hierzulande der Staatsanwalt verfolgt hatte. Drüben in der UdSSR wurde das vertuscht, solange Sie Goldmedaillen einheimsten." „Alles, was Sie sagen, stimmt", stieß der Russe hervor. „Alles." „Dann geben Sie doch bitte zu, daß Sie uns zu leimen versuchten." „Aber der Anrufer, der Mann im Park, der Qu-Code, das ist die Wahrheit, Sir. So wahr wie ich hier sitze." „Und natürlich auch das Ding, das Sie uns für zehntausend Pfund Sterling übergeben wollten." Der Sportler schien völlig niedergeschlagen zu sein. „Was werden Sie mit mir tun?" Der Engländer grinste jetzt. „Sie ausliefern. Unverschämtheiten lassen wir uns nicht bieten." „Das wäre mein Ende." „Darauf können wir keine Rücksichten nehmen. Wenn die drüben Sie einsperren, geht das auf Moskaus Kosten. Wenn wir Sie einsperren, und dazu würde es irgendwann bestimmt kommen, ginge das auf Kosten Ihrer Majestät Kasse. So läuft nun einmal das Geschäft, Mister Oligow. Für nichts kriegt man nicht nur nichts, sondern auch noch Ärger. Wenn Ihre Story wenigstens gut wäre, aber leider ist sie ziemlich miserabel." Der Engländer gab dem Leibwächter, der sich um den Russen kümmerte, einen Wink. „Abführen." In diesem Moment läutete das Telefon. Der MI-5-Beamte hob ab, meldete sich, lauschte und reagierte mit einem ungläubigen Grinsen. „Das ist unmöglich." Offenbar wurde ihm übermittelt, daß es wohl doch möglich sei. Er legte auf und rief den Leibwächter und 16

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