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Metzler Literatur Chronik: Werke deutschsprachiger Autoren PDF

728 Pages·1993·127.983 MB·German
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METZLER LITERATUR CHRONIK Volker Meid Metzler Literatur Chronik Werke deutschsprachiger Autoren Verlag J. B. Metzler Stuttgart · Weimar Inhaltsverzeichnis Vorwort V Werke deutschsprachiger Autoren vom 8. Jahrhundert bis 1980 1-697 Literaturhinweise 699 Personen- und Werkregister von Helmut G. Hermann 703 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Meid, Volker: Metzler-Literatur-Chronik: Werke deutschsprachiger Autoren / Volker Meid - Stuttgart ; Weimar : Metzler 1993 ISBN 978-3-476-00941-8 NE: HST ISBN 978-3-476-00941-8 ISBN 978-3-476-03491-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03491-5 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und stratbar. Das gilt insbesonde re für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro nischen Systemen. © 1993 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1993 EIN VERLAG DER SPEKTRUM FACHVERLAGE GMBH Für Marianne Vorwort Die Metzler Literatur Chronik beschreibt in strik Texte; neben dem traditioneller literarhistori ter Chronologie Werke der deutschen bzw. schen Kanon (>Höhenkamm<), zu dem selbstver deutschsprachigen Literatur von der Zeit Karls ständlich auch Werke in lateinischer Sprache ge des Großen bis zum Jahr 1980, einem - vorläufi hören, werden Texte berücksichtigt, die auf ande gen - Schlußpunkt, der schon eine gewisse histo re Weise literarhistorisch bedeutsam sind, sei es rische Perspektive ermöglicht. Bei der Konzep - beispielsweise - in ideologiekritischer oder re tion der Chronik wurde von vornherein auf eine zeptionsgeschichtlicher Hinsicht. Dabei finden Gliederung nach Epochen verzichtet. Sie hätte große Übersetzerleistungen ebenso Berücksichti sich, abgesehen von der Problematik mancher gung wie - exemplarisch - Werke der Unterhal Epochenbegriffe und den damit verbundenen tungsliteratur. Zudem wurde im Einklang mit Schwierigkeiten der zeitlichen Abgrenzung, al einem erweiterten Literaturbegriff versucht, den lein wegen der zahlreichen Überschneidungen Bereich der nichtfiktiven Literatur wenigstens an nicht mit dem Prinzip einer konsequent chrono ausgewählten Beispielen zu dokumentieren. Al logischen Ordnung vereinbaren lassen. Dessen lerdings war dies, und hier zeigen sich die Gren Leistung besteht gerade darin, die Vielfältigkeit zen des Unternehmens, angesichts der ständig und Gegensätzlichkeit, ja Widersprüchlichkeit der wachsenden Produktion für die neuere Literatur literaturgeschichtlichen Vorgänge, das Nebenein immer weniger möglich. ander der verschiedenen Strömungen und Gene Die einzelnen Artikel sind nicht schematisch rationen und die >Ungleichzeitigkeit< des Gleich angelegt; sie enthalten, im Einzelfall jeweils ver zeitigen sichtbar zu machen, also eine Sicht der schieden gewichtet, Informationen über Entste Literaturgeschichte zu bieten, die die Perspektive hung, Form, Inhalt, literarhistorischen Kontext, der literaturgeschichtlichen Erzählung mit ihrer Deutungsmöglichkeiten und Wirkungsgeschichte. auf Zusammenhänge und Entwicklungslinien ge Ziel war dabei nicht nur die schnelle, sachliche richteten Darstellungsintention auf erhellende und zuverlässige Information auf der Basis des Weise ergänzt. Das bedeutet jedoch nicht, daß gegenwärtigen Forschungsstands; über ihre Funk die Literatur Chronik nicht auf ihre Weise eine tion als Nachschlagewerk hinaus möchte die Lite Charakteristik der literarhistorischen Epochen und ratur Chronik durch ihren Darstellungsstil zum Strömungen enthielte, übergreifende literarhistori Lesen und Weiterlesen anregen und so dem Be sche Zusammenhänge oder gattungs- und formge nutzer und Leser ein - hofft der Verfasser - fa schichtliche Traditionen einzubeziehen suchte: cettenreiches Bild der Literatur und Kultur im Dies geschieht an den einzelnen Werken, an signi deutschen Sprachraum vermitteln. fikanten Beispielen für die jeweilige Fragestellung. Eine wesentliche Hilfe dabei bietet das kombi Die Chronologie der Werke orientiert sich am nierte Personen- und Werkregister Helmut G. Jahr der ersten Publikation, sei es durch Auffüh Hermanns (Amherst/USA), das die Vielfalt des rung, Vorlesung oder Druck. Nur in wenigen Fäl Buches erst wirklich erschließt (und auch die len wurden Ausnahmen gemacht, etwa wenn Lebensdaten der deutschsprachigen Autoren Entstehungs- und Publikationsdatum extrem weit nennt). Dem Registermacher habe ich überdies auseinanderliegen und der späteren Veröffent für mannigfache Hinweise und Korrekturen zu lichung selbst keine literarhistorische Aussage danken. Entsprechender Dank gebührt Petra kraft zukommt (so wurde Herders Journal mei Wägenbaur, die das Buch als Lektorin betreute, ner Reise im Jahr 1769, das einen entscheiden Eva Eckstein, die beim Korrekturlesen half, und den Moment in Herders Biographie und die zum Bernd Lutz, ohne dessen Anregungen und Ge Sturm und Drang hinführende Aufbruchsstim duld die Literatur Chronik nie geschrieben bzw. mung dieser Jahre festhält, erst 1846 gedruckt). beendet worden wäre. Bestimmend für die Aufnahme in die Literatur Chronik war nicht allein der ästhetische Rang der Pruzilly, im Juli 1993 Volker Meid HILDEBRANDSLIED I 8. Jh. 8. Jh. Merseburger Zaubersprüche Hildebrandslied Die beiden Zaubersprüche, nach dem Aufbewah Das ahd. H., nur als Fragment von 68 Stabreim rungsort der Hs. benannt, sind die wohl ältesten versen erhalten, ist das einzige Zeugnis heroi Zeugnisse der ahd. Literatur. Sie entstanden vor scher germanischer Dichtung in der deutschen der Missionierung der deutschen Stämme, also Literatur. Es wurde Anfang des g. Jh.s im Kloster spätestens zu Anfang des 8. Jh.s. Aufgezeichnet Fulda von zwei Schreibern nach einer schrift wurden sie in der 1. Hälfte des rn. Jh.s, wahr lichen Vorlage auf die Vorder- und Rückseite scheinlich im Kloster Fulda. einer theologischen Hs. eingetragen. Entstanden Die Texte, ein Löse- oder Entfesselungszauber ist das H. jedoch wahrscheinlich um die Mitte des der eine, ein Heilzauber der andere, sind zwei 8. Jh.s in Oberitalien, am Hof der Langobarden. teilig: Einer erzählenden Einleitung, die einen Es gelangte über Bayern nach Fulda, wo es auch gelungenen magischen Vorgang schildert, folgt seine merkwürdige sprachliche Gestalt - eine Mi die Beschwörung, die Anwendung auf den kon schung hoch- und niederdeutscher Elemente - kreten Fall. Im 1. Spruch ist von >Idisen<, >ehrwür erhielt. digen Frauen< oder vielleicht Walküren, die Rede, Das H. setzt die Sagen um Dietrich von Bern die ein feindliches Heer hemmen und die Freun (Verona) voraus, die von der Vertreibung Dietrichs de befreien. Darauf folgt die beschwörende Zau aus Italien durch Odoaker berichten, von Diet berformel: »insprinc haptbandun, inuar uigan richs Exil am Hunnenhof und der Rückkehr in dun! (»löse dich aus den Fesseln, entflieh den die Heimat nach 30 Jahren. Der Waffenmeister Feinden!«). Im 2. Text - »Phol ende Uuodan uuo Hildebrand ist eine wichtige Gestalt in diesem run zi holza« - ruft die mythische Vorbildhand Sagenkreis, in dem die historische Wirklichkeit lung eine Reihe germanischer Götter auf den zugunsten Dietrichs umgedeutet wird: Der ostgo Plan. Doch allein Wodan vermag - nach zwei ver tische König Theoderich war auf Grund einer geblichen Beschwörungsversuchen anderer Göt Vereinbarung mit dem oströmischen Kaiser Zeno ter - das verletzte Pferd zu heilen. Zwei drei in Italien eingefallen und hatte den dort herr gliedrige Formeln, die die Krankheit benennen schenden Odoaker besiegt und schließlich - im und die Heilung befehlen, beschließen den Jahr 493 - ermordet. Spruch. Zahlreiche Einzelheiten freilich sind um Das Lied nun berichtet vom Zusammentreffen stritten, wohl nicht nur, weil die Überlieferung von Hildebrand und seinem Sohn Hadubrand fehlerhaft ist: Dunkelheit gehört zum Wesen ma zwischen zwei Heeren: eine Situation, die zu gischer Rede. Wortwechsel und Kampf führt, da der Sohn sei Die Christianisierung brachte zunächst nicht nen Vater für tot und sein Gegenüber für einen das Ende der Zaubersprüche, die ja Bedürfnis hinterlistigen Hunnen hält. Hildebrand sei »nach sen des Alltags dienten: Heilung von Krankhei Osten gezogen, auf der Flucht vor Odoakers Haß, ten, Abwendung von Unheil (von Mensch und zusammen mit Theoderich und vielen seiner Tier), Schutz auf der Reise. Allerdings verändern Krieger«, erklärt Hadubrand. Dabei habe er die Sprüche allmählich ihren Charakter, verwen »hilflos und ohne Erbe seine junge Frau und ein den christliche Motive und christliches Personal kleines Kind zurückgelassen«. Hadubrand fügt (Christus, Heilige, biblische Gestalten), nähern hinzu, Seefahrer hätten Nachricht gebracht, daß sich dem Segen und der Benediktion. »Kirst, sein Vater im Kampf gefallen sei (und nennt da imbi ist huze!« (»Christus! das Bienenvolk ist mit Hildebrand einen Lügner). Ein strenger Ehr ausgeschwärmt!«), beginnt der Lorscher Bienen begriff verlangt, daß Hildebrand die Herausfor segen aus dem rn. Jh. Er endet mit der Aufforde derung annimmt: »welaga nu, waltant got, quad rung: »sizi uilu stillo, uuirki godes uuillon!« Hiltibrant, wewurt skihit!« (»o waltender Gott, (»Sitz ganz still und tu, was Gott will!«) fuhr Hildebrand fort, das Schicksal will seinen Lauf!«) Mitten in der Kampfschilderung bricht der Text ab. Vom Ausgang des Kampfes - der Va ter erschlägt den Sohn - berichten andere Zeug nisse. Das tragische Ende ist eine Folge des Ehrbe griffs: Die Kriegerehre läßt es nicht zu, eine Her ausforderung abzulehnen und damit feige zu erscheinen. Hildebrand ist also gezwungen, wis- 2 HILDEBRANDSLIED send seinen einzigen Sohn zu töten. Die Beru Wortschatz erweiternd, die dem Deutschen (bzw. fung des »waltant got« bleibt ohne Konsequenz, Germanischen) fremden römischen und christ das Christentum äußerlich: »wewurt«, »Unheils lichen Begriffe an. schicksal«, geschieht unausweichlich. Dieser Diese Glossierungs- und Übersetzungsarbeit Schicksalsglaube und der von einer »barbari wird fast ausschließlich von den Klöstern getra schen Ethik« (Max Wehrli) bestimmte Verhaltens gen. Außerhalb dieses Bereichs stehen nur die kodex verweisen auf den prägenden geschicht sogenannten Malbergischen Glossen. deutsche lichen und sozialen Hintergrund: Die Dichtung Erklärungen und Zusätze in den lateinischen mit ihrer Untergangsstimmung ist Ausdruck Aufzeichnungen des fränkischen Stammesrechts der Umbruchssituation der Völkerwanderungs (Pactus legis Salicae. 6. Jh.; Lex Salica. 8. Jh.). zeit, kunstvoll stilisierte Selbstdarstellung der Die hier überlieferten Ausdrücke und Formeln führenden Kriegerschicht. gehören zu den ältesten Zeugnissen der germa Neben der fast ausschließlich von den Klöstern nischen Rechtssprache. getragenen schriftlichen Überlieferung, der das H. seine - eher zufällige - Erhaltung verdankt, bestand durch das ganze Mittelalter hindurch 790-800 eine kontinuierliche mündliche Tradition. Auch das H. blieb lebendig, was auch bedeutet, daß Althochdeutscher Isidor es sich den wandelnden gesellschaftlichen und religiösen Bedingungen anpaßte. Anspielungen Dieser Titel bezeichnet die fragmentarische Über bei mhd. Dichtern und die nordische Thidrekssa setzung eines Traktats des 636 verstorbenen Isi ga (um 1250) bestätigen die Kontinuität des Stof dor von Sevilla: De fide catholica [. . .] contra fes. Eine Zeitlang konkurrierten Fassungen mit ludaeos. eine Auseinandersetzung mit dem jüdi tragischem und glücklichem Ausgang miteinan schen Glauben. Der Verfasser entwickelt auf der der, bis schließlich mit der Volksballade des 15. Grundlage v. a. alttestamentarischer Prophetien und 16. Jh.s., dem sogenannten Jüngeren Hilde Grundzüge einer christlichen Dogmatik. Dabei brandslied. eine gefühlvolle Heimkehrergeschich geht es insbesondere um den Nachweis, daß sich te mit glücklichem Ausgang zutage trat. in Christus, dem Sohn des dreieinigen Gottes, die Messiasprophetien erfüllten und daß nicht die Juden, sondern die Heiden zum Volk Gottes be rufen seien. Die dogmatischen Positionen, insbe um 750 sondere über die Trinität, behielten auch in an Abrogans, deutsch derem Kontext ihre Aktualität. Als Übersetzerleistung kommt dem Ahd. I. eine Der A. gilt als das >älteste deutsche Buch<. Es Ausnahmestellung in seiner Zeit zu. Während handelt sich um ein lateinisches Synonymenwör man anderswo noch glossierte und sich mühsam terbuch, dem um die Mitte des 8. Jh.s im ober an Vater-Unser-Übersetzungen versuchte, wird deutschen Sprachgebiet eine deutsche Überset hier - von einem unbekannten Übersetzer aus zung beigegeben wurde. Seinen Namen verdankt dem westlichen südrheinfränkischen Bereich das Werk dem ersten lateinischen Stichwort: (Lothringen) - einem schwierigen lateinischen »abrogans« (dheomodi: demütig). Text eine präzise, verständliche ahd. Version zur Dieses lateinisch-ahd. Wörterverzeichnis mit Seite gestellt. Ein Zusammenhang mit den Be rund 3670 volkssprachlichen Wendungen, für strebungen Karls des Großen um die Grundle sich genommen von geringem Rang, steht am gung einer Grammatik der Volkssprache gilt als Anfang der Bemühungen, die deutsche Sprache wahrscheinlich. zum schriftlichen Ausdruck zu führen. Dem A. folgen zahlreiche andere >Glossen<, das sind - so definiert es Jacob Grimm - »deutsche Überset um 830 zungen einzelner Wörter oder Sätze, welche den Althochdeutscher Tatian Handschriften interlinearisch oder am Rande beigefügt oder auch in besondere Verzeichnisse geordnet sind«. Man beginnt mit Wörterbüchern, Tatian ist der Name eines syrischen Christen, der glossiert die Bibel und Bibelkommentare, Schrif im 2. Jh. eine >Evangelienharmonie< verfaßte, ten der Kirchenväter, Legenden und Hymnen eine Darstellung der Lebensgeschichte Christi (z.B. die Murbacher Hymnen, 800-25), aber auf der Basis der Evangelien. Tatians Diatesse auch Vergil. So eignet man sich, allmählich den ron (»Durch die vier [Evangelien]«) wurde unter EINHARD • VITA KAROLI MAGNI 3 der Leitung von Hrabanus Maurus, von 822 bis gleichwohl die unkriegerischen christlichen Tu 842 Abt des Klosters Fulda, in einer Gemein genden. Daß der Dichter seinem Publikum äu schaftsarbeit ins Ahd. übersetzt. Es ist die erste ßerlich so weit entgegenkommt, läßt auf missio umfassende Darstellung des Lebens Christi in narische Absichten schließen. Erst 804 waren die deutscher Sprache. Die meist recht eng der Vor Sachsenkriege Karls des Großen beendet wor lage folgende Übersetzung ist von großer sprach den, und die Christianisierung hatte noch keine geschichtlicher Bedeutung, da hier zum ersten allzutiefen Wurzeln geschlagen. mal »ein großes sprachgeschichtlich einheitliches deutsches Textkorpus dokumentiert ist« (Ernst Hellgardt). um 835 Der T. ist die Grundlage des altsächsischen He liand (um 830), und auch die zweite große Evan Einhard geliendichtung des 9. Jh.s, Otfrids Evangelien Vita Karoli Magni buch (um 863-71), ist ohne Fuldaer Anregungen kaum denkbar: Fulda war unter Hrabanus Mau Das Leben Karls des Großen rus, einem Schüler Alkuins (der wiederum die Hofschule Karls des Großen geleitet hatte), zum Der im Kloster Fulda erzogene E., hoher Beam Zentrum der Bildungsarbeit in Deutschland ge ter und Vertrauter Karls des Großen und seiner worden. Nachfolger, verfaßte diese lateinische Biographie nach seinem Rückzug vom Hof. Vorbild waren die Kaiserbiographien des Römers Sueton (2. Jh. n. um 830 Chr.). Nach einem kurzen Abriß der fränkischen Ge Heliand schichte vor Karls Regierungsantritt berichtet E. zunächst über die zahlreichen Kriegszüge Karls, Der Titel, den die Dichtung im 19. Jh. erhielt, ist wendet sich dann seinem Charakter und seinen das altsächsische Wort für Heiland, dessen Ge Neigungen zu und endet nach Hinweisen auf sei schichte in dieser poetischen >Evangelienharmo ne Gesetzgebung mit dem Tod des Kaisers. Karl nie< in etwa 6000 Stabreim-Langzeilen erzählt erscheint als großmütiger, tapferer, frommer wird. Das in altsächsischer Sprache verfaßte Herrscher, als begabter, fremder Sprachen (aber Werk ist neben einer nur fragmentarisch erhalte nicht des Schreibens) mächtiger Redner, als ein nen Altsächsischen Genesis (ebenfalls um 830) den Wissenschaften zugetaner Mann, der die be die einzige christliche Dichtung der sächsischen sten Geister seiner Zeit um sich versammelte und Frühzeit. Der Hinweis in der lateinischen Einlei eine planvolle Bildungspolitik betrieb. Zu dem tung, daß Kaiser Ludwig die Dichtung angeregt letzten Aspekt gehören auch seine Bemühungen habe, bezieht sich wahrscheinlich auf Ludwig um die Volkssprache. E. schreibt, daß Karl den den Frommen (814-40). Der Verfasser besaß Monaten und Winden einheitliche deutsche Na eine beträchtliche geistliche Bildung, zugleich men gegeben habe und die ungeschriebenen stand ihm die angelsächsische Stabreimdichtung Gesetze der von ihm beherrschten Stämme auf als Vorbild vor Augen. Seine Quellen - u. a. Tatian zeichnen ließ: »Auch die uralten heidnischen Lie und der Matthäus-Kommentar (821-22) des Ful der, in denen die Taten und Kriege der alten Kö daer Abts Hrabanus Maurus - verweisen auf das nige besungen wurden, ließ er aufschreiben, um von dem Angelsachsen Bonifatius 744 gegründe sie für die Nachwelt zu erhalten. Außerdem be te Kloster Fulda als möglichen Entstehungsort gann er mit einer Grammatik seiner Mutterspra der Dichtung. che.« Beide Werke sind nicht erhalten. Tatians >Evangelienharmonie< bildet die Grund E.s Vita Karoli Magni, die der Reichenauer Abt lage des H., der sich gelehrt-exegetische Exkurse Walahfrid Strabo bald nach 840 mit einer Kapi versagt und den Akzent auf den >diesseitigen< teleinteilung und einem Prolog mit Angaben über »Christ« legt: den Herr, den Lehrer, den Gesetz den Verfasser versah, ist die erste große biogra geber, den Verkünder der Bergpredigt. Der Dich phische Darstellung seit der Antike. Weit verbrei ter richtet sich an die sächsische Oberschicht und tet - sie ist in mehr als 80 Hss. überliefert -, verwendet, um sein Publikum zu erreichen, im prägte sie das mittelalterliche Karlsbild für eine ausladenden Stil der Stabreimdichtung Begriffe lange Zeit. und Vorstellungen aus ihrer Welt - Christus als Gefolgsherr, die Jünger als Gefolgsleute, die Männer Palästinas als >Degen< usw. -, und preist 4 WALAHFRID STRABO • LIBER DE CULTURA HORTORUM um 845 Fall in der Überlieferung mittelalterlicher Litera tur. Es ist nach Tatian und Heliand die dritte Walahfrid Strabo >Evangelienharmonie< im 9. Jh., und wie diese Liber de cultura hortorum Werke verweist auch O.s Dichtung auf das Kloster Fulda. Hier, unter Hrabanus Maurus, hatte er Buch über den Gartenbau studiert, hier hatte er das wissenschaftliche Rüstzeug - und vielleicht auch schon die Anre W., von 842 bis zu seinem Tod 849 Abt des Bene gung - für sein Vorhaben erhalten. diktinerklosters auf der Reichenau im Bodensee, Vier Widmungen stehen voran, darunter die war ein fruchtbarer Schriftsteller, der neben Bi erste an den weltlichen Herrscher, Kaiser Ludwig belkommentaren, Heiligenviten und einer Schrift den Deutschen, die zweite an sein geistliches zur Liturgie und ihrer Geschichte eine Reihe von Oberhaupt, den Mainzer Erzbischof. Hier recht lateinischen Versdichtungen hinterließ. Darunter fertigt er sein Werk als Beitrag im Kampf gegen befinden sich versifizierte Heiligenleben, ein Vi verderbenbringende weltliche Literatur und be sionsbericht (Visio Wettini, 826), Gelegenheitsge schreibt zugleich seine Schwierigkeiten mit der dichte und das während seiner Abtszeit entstan barbarischen deutschen Sprache, die sich nicht dene Buch über den Gartenbau. der Grammatik, der lateinischen nämlich, füge. Bei diesem Hortulus (»Gärtchen«), wie das Ein ganz anderer Ton herrscht in dem einleiten Werk in den Drucken des 16. Jh.s heißt, handelt den Kapitel, das die Frage beantwortet: »Warum es sich um eine 444 Verse umfassende Hexame der Autor dieses Buch in der Volkssprache (theo terdichtung, in der W. in 27 unterschiedlich lan disce) geschrieben hat.« Die Antwort-ein Doku gen Abschnitten die einzelnen Pflanzen seines ment auch des fränkischen Machtanspruchs - Klostergartens aus eigener Beobachtung be wird zu einem Hymnus auf die Franken, die in schreibt und - auf antike Quellen gestützt - ihre nichts den anderen Völkern nachstehen, freilich heilenden Kräfte charakterisiert: Arznei- und bisher versäumt haben, Christus auf Fränkisch Heilpflanzen herrschen daher vor (Salbei, Wer zu preisen. Daher wolle er mit seinem Werk da mut, Fenchel, Schlafmohn, Minze usw.), aber für sorgen, daß »die Franken nicht als einzige auch Kürbis und Melone (»nicht wird solcherlei davon ausgeschlossen sind, wenn in der Mutter Speise die harten Backenzähne erschrecken«) sprache Christi Lob gesungen wird«. und die damals bekannten Zierpflanzen (Rose, O.s Lebensgeschichte Christi in fünf Büchern Lilie, Iris) finden sich in seinem Garten. Doch stützt sich auf den Text der lateinischen Bibel selbst den Zierpflanzen werden heilende Wirkun (Vulgata) und die Kommentare von Hrabanus gen zugeschrieben; außerdem geben Lilie, ein Maurus, Beda und Alkuin. Sie ist nicht fortlau Christussymbol, und Rose, Zeichen für Blut und fend erzählt wie der Heliand. 0. fügt vielmehr Leiden der Märtyrer für den Glauben, in der Mit immer wieder Kapitel ein, die den Text nach der te und am Ende des Gedichts Hinweise auf eine Methode des mehrfachen Schriftsinns allegorisch christliche Bedeutungsschicht des Gedichts, das auslegen oder moralische Lehren ziehen. Die mit einer Anspielung auf den antiken Gartengott eigentliche Bedeutung des Evangelienbuchs für Priapus beginnt. die deutsche Literaturgeschichte liegt jedoch in Der Humanist Joachim von Watt edierte 15m seiner Form: Mit O.s Werk und seinen binnenge das reizvolle, durch die Verbindung von eigener reimten Langzeilen setzt sich der Endreimvers in Beobachtung und überliefertem Wissen auch kul der deutschen Literatur durch. Vorbild war die tur-und medizingeschichtlich bedeutsame Werk. lateinische Hymnendichtung, über deutsche Vor läufer ist bis auf vereinzelte Verse nichts be kannt. Dem Endreimvers, wie ihn 0. zum ersten um 863-71 mal systematisch erprobte, gehörte als neuer Otfrid von Weißenburg >christlicher< Form die Zukunft, während die Kunst der Stabreimdichtung verlorenging. Evangelienbuch Bald nach O.s Werk, bevor die deutschsprachi ge Dichtung für anderthalb Jh.e verstummte, 0., Mönch und Lehrer im Kloster Weißenburg im entstanden noch einige kleinere geistliche Reim Elsaß (Wissembourg), vollendete sein Liber evan dichtungen: Christus und die Samariterin (um geliorum zwischen 863 und 871. Die umfangrei 900), eine biblische Einzelszene, das Petruslied che Dichtung in ahd. Sprache (südrheinfrän (um 900), das man als das älteste deutsche Kir kisch) ist u. a. in einer vom Verfasser durchkorri chenlied bezeichnet, ein Lobgesang auf den HI. gierten Reinschrift erhalten, ein äußerst seltener Gallus (um 880) von dem St. Gallener Mönch NOTKER I. VON ST. GALLEN • LIBER YMNORUM 5 Ratpert und das Georgslied (um 900), die erste der Somme-Mündung. Der »Rithmus teutoni Legendendichtung in deutscher Sprache. cus«, so nennt die Hs. das L., muß innerhalb eines Jahres nach der Schlacht entstanden sein, denn es preist den am 5. August 882 verstorbe um 875 nen König als Lebenden. Die historischen Quel len berichten, daß bei einem überraschenden Muspilli Ausfall der Normannen das Beispiel und die Wor te Ludwigs die Franken entscheidend beflügelt Das M. ist das einzige größere christliche Stab hätten. reimgedicht in ahd. Sprache (rn3 Verse des frag Das Lied besteht aus 59 binnengereimten mentarisch überlieferten bayrischen Textes sind Langzeilen in der Art Otfrids, die in zwei- oder erhalten). Annäherungen an den Endreimvers dreizeilige Strophen gegliedert sind. Nach prei sind freilich nicht zu übersehen, und wenn senden Eingangsworten wird knapp vom Leben man einen Einfluß Otfrids (Evangelienbuch, um des christlichen Herrschers bis zur Schlacht be 863-71) annimmt, ergibt sich eine Datierung richtet: früher Tod des Vaters, Gott als Erzieher nach 871 (ältere Ansätze gehen bis 790 zurück). des jungen Königs, gemeinsame Herrschaft mit Der Titel ist folgendem Vers entnommen: »dar ni Karlmann. Dann kommt das Gedicht zum eigent mac denne mak andremo helfan uora demo lichen Gegenstand: Gott sendet die heidnischen muspille« (»da wird kein Verwandter dem ande Normannen, um den jungen Herrscher zu prüfen ren beistehen können angesichts des Muspilli«). und »um das Volk der Franken seiner Sünden Die Herkunft des Wortes >muspilli< - christlich wegen zu mahnen«. Gott gebietet Ludwig, der in oder heidnisch - ist nicht geklärt. Es verbindet der Feme weilt, seinem Volk zu Hilfe zu kommen, hier die Vorstellung vom Tag des (Jüngsten) Ge und nach einer Rede, in der er den Auftrag Got richts mit der des Weitendes, durchaus im Ein tes betont, führt er die Franken in die Schlacht: klang mit den apokalyptisch-eschatologischen Vi »Ther kuning reit kuono, Sang lioth frono, loh al sionen der jüdisch-christlichen Tradition und den le saman sungun: Kyrrieleison« (»Kühn sprengte zeitgenössischen Endzeitspekulationen. Der Text der König voran, ein heiliges Lied auf den Lip hat nichts Heidnisch-Germanisches (wie früher pen, und alle fielen ein mit >Kyrie eleison<.«). häufig angenommen wurde). Gott und den Heiligen gilt der Dank: »Hluduig Der Anfang des predigthaften Gedichts schil uuarth sigihaft.« dert den Rechtsstreit zwischen Engel und Teufel Ludwig erscheint als Werkzeug Gottes, Kriegs um die Seele eines Verstorbenen und malt dabei dienst und Gottesdienst sind eins. Das weltliche die Schrecken der Hölle und die Freuden des Pa Kriegertum erhält damit eine christliche Legiti radieses aus. Im weiteren Verlauf des Gedichts mation, die geschichtlichen Ereignisse werden wendet sich der Blick von der Einzelseele zum als Heilsgeschichte begriffen: So erscheint das L. Ganzen: Aufruf zum letzten Gericht, Kampf des als das erste christliche Heldenlied in deutscher Elias mit dem Antichrist, Untergang der Welt Sprache. durch Feuer und Darstellung des Jüngsten Ge richts. Das Gedicht über das Schicksal der Seele nach um 885 dem Tod mit seiner apokalyptischen Vision von Notker /. von St. Gallen Gericht und Weitende ist als Mahnung zur geist lichen Einkehr des Menschen zu verstehen. Es (N. Balbulus, N. der Stammler) weist so, ohne daß eine direkte Nachwirkung Liber Ymnorum faßbar wäre, auf die Tradition predigthafter Dichtung im Frühmhd. voraus (Ezzolied, um Hymnenbuch ro6o; Memento mori, um rn70-90). N., Lehrer an der St. Gallener Klosterschule, führte die Sequenz zu ihrer ersten Vollendung, 881-82 eine dichterische und musikalische Form, die als Einschub an einer bestimmten Stelle der Messe, Ludwigslied nach dem Allelujah des Graduale, entstanden war. Seit etwa 860 beschäftigte er sich mit dieser Das Lied feiert den Sieg des westfränkischen Kö >Erfindung< nordfranzösischer Mönche und stell nigs Ludwig III. des Jüngeren über die Norman te schließlich seine eigenen Sequenzen in der nen am r. oder 3. August 881 bei Saucourt an Ordnung des Kirchenjahres zusammen und ver-

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