Metzler Lexikon Theatertheorie Herausgegeben von Erika Fischer-Lichte, Doris Kolesch und Matthias Warstat 2., aktualisierte und erweiterte Auflage Verlag J. B. Metzler . Stuttgart Weimar IV Inhalt Vorwort S. V Vorwort zur 2. Auflage S. VI Liste der Einträge S. VII Artikel A–Z S. 1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter S. 427 Die Herausgeber/innen Erika Fischer-Lichte ist Professorin für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Direktorin des Internationalen Forschungskollegs »Verflechtungen von Theaterkulturen« (BMBF) und des Internationalen Graduiertenkollegs »InterArt« (DFG). Sie ist Mitglied der Academia Europaea, der Leopoldina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen- schaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Doris Kolesch ist Professorin für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und u. a. Mitglied im Internationalen Graduiertenkolleg »InterArt«, Gründungs- und Vorstands- mitglied des Interdisziplinären Zentrums Geschlechterforschung sowie Principal Investigator in der im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Graduate School of East Asian Studies (GEAS) an der FU Berlin. Matthias Warstat ist Professor für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Lei- ter des Forschungsprojektes »Ästhetiken angewandten Theaters« (ERC-Advanced Grant) und u. a. Mitglied des Interdisziplinären Zentrums für Historische Anthropologie. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. ISBN 978-3-476-02487-9 ISBN 978-3-476-05357-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-05357-2 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2014 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2014 www.metzlerverlag.de [email protected] V Vorwort Das vorliegende Lexikon theatertheoretischer die heutige Diskussion besonders wichtig er- Begriffe ist kein Theaterlexikon im herkömm- scheinende Begriffe ausführlicher zu erläutern. lichen Sinne. In ihm finden sich nicht die Nam en Wir haben uns aus guten Gründen für die zweite von Theaterpraktikern und -theoretikern mit Alternative entschieden. Denn das Lexikon ist nachfolgender Kurzcharakteristik ihrer bedeu- als ein Studienbuch konzipiert, das imstande tendsten Theaterarbeiten und/oder Konzepte. sein soll, seine Leserinnen und Leser in heutige Es handelt sich auch nicht um ein Lexikon von Theoriedebatten einzuführen. Wieweit es die- Theaterbegriffen. Gängige Termini wie Kostüm, sem Anspruch gerecht zu werden vermag, wer- Schnürboden, Probe oder Inspizient wird man den seine künftigen Benutzer – Studierende, vergebens suchen. In das Lexikon sind vielmehr Promovierende, Wissenschaftlerinnen und Wis- nur solche Begriffe aufgenommen, die als the- senschaftler sowie alle an der Theoriediskussion oretisch bzw. theoriefähig gelten. Das wichtigste Interessierte – entscheiden. Kriterium für die Auswahl der Lemmata stellte Wir danken dem J. B. Metzler Verlag und der Anspruch dar, mit ihnen insgesamt einen insbesondere Frau Ute Hechtfischer, die das Überblick über den heutigen Stand der Theo- Unternehmen in hervorragender Weise betreut riediskussion in der Theaterwissenschaft zu hat. Zwar hat sie immer wieder Verständnis ermöglichen. Daraus erklärt sich, weshalb und Geduld gezeigt, wenn sich die Abgabe Begriffe, die entweder für die heutige Diskus- einzelner Artikel wieder einmal – wenn auch sion kaum mehr relevant sind oder gerade erst aus guten Gründen – verzögerte. Gleichwohl auftauchen und noch keine klar erkennbaren hat ihr nicht nachlassender freundlicher, aber Konturen besitzen, nicht in das Lexikon auf- energischer Druck nicht unwesentlich dazu genommen wurden. Da der Verlag eine deutli- beigetragen, dass das Unternehmen insgesamt che Beschränkung hinsichtlich des Umfangs doch in einer erfreulich kurzen Zeit realisiert vorgegeben hatte, sahen wir uns vor die Ent- werden konnte. scheidung gestellt, entweder möglichst alle the- oretischen oder theoriefähigen Theaterbegriffe mit relativ kurzen Artikeln darzustellen oder Berlin, im Juli 2005 Erika Fischer-Lichte uns im Sinne des oben genannten Anspruchs zu Doris Kolesch beschränken, so dass es möglich war, uns für Matthias Warstat Vorwort zur 2. Auflage VI Vorwort zur 2. Auflage Wir freuen uns, dass das Lexikon Theaterthe- Wir danken allen Beiträgerinnen und Bei- orie seit seinem Erscheinen im Jahre 2005 zu trägern für die Überarbeitung ihrer Texte. Un- einem Standardwerk avanciert ist, welches auf seren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am rege Nachfrage und großes Interesse derjeni- Institut für Theaterwissenschaft der Freien gen stößt, die sich mit Theatertheorie und an- Universität Berlin danken wir für ihre Mitwir- grenzenden wissenschaftlichen wie künstleri- kung bei den anfallenden redaktionellen Tä- schen Debatten beschäftigen. Dem Vorschlag tigkeiten, insbesondere Kristina Sommerfeld des Metzler Verlages, eine zweite Auflage an- für die Zusammenführung der Korrekturen zubieten, sind wir daher gerne nachgekommen. und Ergänzungen. Wie schon anlässlich der Wir haben diese Gelegenheit zum Anlass ge- ersten Auflage gebührt unser großer Dank nommen, knapp zehn Jahre nach der Erstpu- dem Metzler Verlag sowie unserer Lektorin, blikation die Lexikonartikel zu überarbeiten Frau Ute Hechtfischer, ohne deren kompe- und insbesondere bezüglich aktueller Theorie- tente, zugleich aber auch engagierte Betreuung entwicklungen und einschlägiger Literatur auf die zweite Auflage sicherlich nicht so rasch das den neuesten Stand zu bringen. Zudem wur- Licht der Welt erblickt hätte. den Begriffe aufgenommen, die in den letzten Jahren an Relevanz in der theaterwissenschaft- lichen Theoriebildung gewonnen haben; es sind Berlin, im Juni 2014 Erika Fischer-Lichte dies: Auftritt, Dinge, Gemeinschaft/Kollekti- Doris Kolesch vität, Interart, Partizipation, Probe, Reenact- Matthias Warstat ment, Sound/Klang, Wissen. VII Liste der Artikel Affekt Gefühl Gemeinschaft/Kollektivität Akteur Schauspieler Gender Performance Aktion Gesamtkunstwerk Apollinisch/Dionysisch Gesangstheorien Singstimme/Gesangs- Ästhetik theorien Atmosphäre Geste/Gestus Aufführung Auftritt Handlung Ausdruck Darstellung Happening Aktion, Performance Authentizität Natürlichkeit Avantgarde Illusion Imagination Ballett Tanz Improvisation Bedeutung Inszenierung Bewegung Interaktion Bild Interart Biomechanik Schauspieltheorie Interkulturalität Bühne Raum Intermedialität Ironie Charakter Chor Katharsis Choreographie Komisches cultural performance Performance Kommunikation Körperlichkeit Darstellung Dekonstruktion Leidenschaft Gefühl Dialog/Monolog Liminalität Dinge Liveness Dionysisch Apollinisch/Dionysisch Drama/Dramentheorie Marionette dramatis personae Figur Maske/Maskerade Dramaturgie Materialität Medialität Einfühlung Meta-Theater Emergenz Mimesis Energie Mimik Geste/Gestus Entertainment Unterhaltung Monolog Dialog/Monolog Episches Theater Montage Ereignis Musik Erfahrung, ästhetische Mythos Event Ereignis Experiment Avantgarde Narration Natürlichkeit Fest Norm Figur Fiktion Öffentlichkeit Oper Gattungstheorie Gedächtnis Partizipation Gefühl Pathos Gefühl Liste der Artikel VIII Performance Tableau vivant Performativität/performativ Tanz Person/Persona Figur Textualität Perspektive Raum Theateranthropologie Politisches Theater Theaterbegriffe Postdramatisches Theater Theaterhistoriographie Postkoloniales Theater Theaterikonographie Präsenz Theaterpädagogik/Theatertherapie Probe Theaterwissenschaft Prozessualität Performativität Theatralität Publikum Tragik Transformation Raum Travestie Reenactment Regie Inszenierung Unterhaltung Regisseur Inszenierung Repräsentation Verfremdung Rezeption Wahrnehmung Verkörperung Rhythmus vierte Wand Raum Ritual Virtuosität Rolle Wahrnehmung Schauspieler Werk Schauspieltheorie Wirklichkeit Schein Wirkung Semiotik Wissen Singstimme/Gesangstheorien Situation Zeichen Semiotik Sound/Klang Zeit Spiel Zeremonie Ritual Stil Zuschauer Publikum Stimmlichkeit Szene Szenographie 1 Aktion A gen auf öffentlichen Plätzen entwickelt hat- ten. Die traditionelle Forderung, der Redner dürfe kein Akteur sein, wird nun ergänzt durch die These, der Akteur müsse ein Red- Affekt Gefühl ner sein. In diesem Kontext steht auch die Ab- handlung, die der Leiter des Münchner Jesu- Akteur Schauspieler itentheaters Franciscus Lang 1727 verfasst. In seiner Dissertatio de Actione Scenica artiku- Aktion (lat. actio: Handlung; gr. praxis; engl. liert sich der Einfluss rhetorischer Übungen action; frz. action). auf die actio scenica, die barocke Schauspiel- Im Rahmen theatraler Darstellung wird kunst. Darin wird eine ausdifferenzierte Ges- der Begriff als Synonym für Handlung im tik, Mimik und Stimmmodulation vorgestellt, Sinne des physischen Akts oder der Tat ge- die der gezielten Erzeugung von Affekten im braucht. Im Englischen und Französischen be- Zuschauer dient. Lang unterscheidet zwischen zeichnet der Begriff das Schauspielen im en- visuell und akustisch erfassbaren Handlungen geren Sinne. Im 20. Jh. werden außerdem und bezeichnet erstere als actiones, letztere als spezifische Formen von Aufführungen im declamationes, wobei gerade den gestischen Grenzbereich von Bildender Kunst und Thea- und mimischen A.en eine größere Wirksam- ter als A. bezeichnet, die unter der Gattungs- keit zugesprochen wird. In der Tanzkunst bezeichnung Aktionskunst ( Performance) vollzieht sich vom späten 17. Jh. bis zur Mitte zusammengefasst werden. des 18. Jh.s eine Entwicklung vom höfischen 1. Begriffsgeschichte: Der Begriff A. als Schautanz, dem Ballet de Cour, zum theatra- Darstellungspraxis geht auf die lat. Bezeich- len Handlungsballett, dem Ballet en Action. nung actio zurück. Sie steht als fünfter Teil der Im Rekurs auf altrömische Pantomimen und antiken Rhetorik neben inventio, dispositio, die Ausdrucksweisen der Commedia dell’arte elocutio und memoria. Während sich diese vier finden mimische Gesten, Gebärden und Raum- Künste auf das Ausarbeiten und das Memorie- figuren verstärkt als Bewegungsmaterial Ver- ren des mündlichen Vortrages richten, bezeich- wendung. Das Ballet en Action sucht eine An- net die actio die Art und Weise des Vortrages, näherung an das Ideal der imitatio naturae mithin die Ebene der körperlichen Darstel- über die Darstellung geschlossener narrativer lung. Hier wird der versierte Einsatz von Kör- ( Narration) Handlungszusammenhänge zu per ( Körperlichkeit), Stimme ( Stimmlich- verwirklichen. Der Begriff der A. umfasst hier keit) und Bewegung eingeübt, der sowohl »nicht nur kleine, in sich abgeschlossene Af- Gesten, Gebärden und Mienenspiel als auch fektdarstellungen, sondern eine zusammen- die stimmlichen Modulationen wie Laut- hängende Folge unterschiedlicher Affekte […] stärke, Tonfall und Rhythmus umfasst. Da innerhalb eines durchgehenden Handlungs- die Rhetorik als Wirkungslehre konzipiert ist, stranges. Zudem bezieht er sich nicht nur auf gelten die Übungen der actio der Evokation stoffliche Vorlagen, sondern auch auf die tän- von Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit, zerischen Bewegungen (als ›Bewegungsaktio- durch die kalkulierte Affekte beim Publikum nen‹)« (Schroedter 2004, S. 412). erzeugt werden sollen. Darin überschneiden Auch wenn sich in der Übernahme des aus sich die Darstellungstech niken des Rhetors dem Französischen stammenden Begriffs ›Ak- nicht nur mit denen des Schauspielers, son- teur‹ für die im Deutschen bis dahin übliche dern werden von diesen auch beeinflusst. Bezeichnung ›Komödiant‹ ein Rekurs auf die Wird in Antike und Mittelalter zwischen rhe- Rhetoriktradition andeutet, so beginnt im torischer actio und Schauspielkunst unterschie- 18. Jh. eine endgültige Loslösung des Begriffs den, so verschwindet diese Differenzierung zu- aus dem rhetorischen Kontext. In Theater- nehmend in Humanismus und Renaissance. und Schauspieltheorie treten an die Stelle des Im Schultheater der Humanisten treten die Begriffs A. Differenzierungen wie Gebärde, Akteure vor allem als Redner auf. Ihr maßvol- Geste oder Mimik. Nur vereinzelt taucht er ler Einsatz von Stimme und Gebärde, der mit als verallgemeinernder Ausdruck für schau- einer Betonung der Gesichtsmimik verbunden spielerisches Handeln auf und meint dabei ist, tritt an die Stelle der ausladenden Bewe- zumeist Formen der körperlichen Bewegung. gungen und lauten Sprechweisen, die sich im So etwa 1767 in Gotthold Ephraim Lessings mittelalterlichen Theater aus den Darstellun- Hamburgischer Dramaturgie, wo unter A. die Aktion 2 Bewegungen der Arme und Hände subsum- sionistische Wirkung, sondern haben, wie in miert werden oder in Johann Wolfgang von den Varietés der Futuristen oder den Dadais- Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre aus dem tischen Soireen, zumeist Provokations- oder Jahr 1796, wo zwischen Stellung, A. und Rede Spektakelcharakter. Künstler wie der österrei- des Schauspielers unterschieden wird. A. kann chische Dadaist Raoul Hausmann erklären die unter Umständen auch als Bezeichnung für Tat zur eigentlichen Wahrheit der Kunst. Ziel die dramatische Handlung verwendet werden aller aktionistischen Theaterformen ist eine (vgl. Lessing: Briefwechsel über das Trauer- Aktivierung des Zuschauers. Konnte der Zu- spiel, 1756/57), in den zeitgenössischen Dra- schauer im bürgerlichen Theater die Handlun- menpoetiken ( Drama) findet sich jedoch gen und Bewegungen des Darstellers auf der überwiegend der Begriff ›Handlung‹. Mit dem Bühne aus ihrer Ähnlichkeit zur Alltagswirk- Begriff ›Haupt- und Staatsaktion‹ polemisiert lichkeit heraus interpretieren, so sollen die Johann Christoph Gottsched 1730 in seinem neuen ästhetischen Praktiken zur Irritation, Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Steigerung und Befragung der eigenen Wahr- Deutschen gegen die Repertoirestücke zeitge- nehmung führen. Ihr provokatorischer Ges- nössischer deutscher Wandertruppen, deren tus erfüllt sich in den interventionistischen kontrastreiche Montage affektgeladener Sze- Reaktionen des Publikums. nen vom reformierenden Ansatz der Gott- 2. A. als Aufführungsform der Neoavant- sched’schen Regelpoetik kategorisch abge- garde: Die Wendung der A. vom gestischen, lehnt werden. Wie Johann Heinrich Zedlers mimischen Ausdruck einer literarischen Bot- Grosses allgemeines Universallexikon (1732) schaft hin zum ereignishaften, wirklichkeits- jedoch zeigt, ist der Begriff A. im Deutschen genierenden Handlungsvollzug findet in der stärker durch einen finanzökonomischen und Kunst der Neoavantgarde ihre radikale Wei- juristischen als durch einen theatralen Bedeu- terführung. Dabei kann unterschieden werden tungshorizont dominiert. Sowohl seine poli- zwischen einzelnen Handlungs- oder Bewe- tische Aufladung im Zuge der Französischen gungssegmenten, die als A. bezeichnet werden, Revolution als auch seine zunehmende Ver- und der Verwendung von A. als Synonym für wendung im Kontext des Militärischen können bestimmte Formen der Aufführung. So bestim- als Katalysatoren für die Karriere des Begriffs men Künstler wie Joseph Beuys, Wolf Vostell im Rahmen der künstlerischen Avantgarden oder die Wiener Aktionisten ihre Darbietun- ( Avantgarde) des 20. Jh.s angenommen wer- gen vor Publikum als A., und die Bezeichnung den. Der Begriff wandelt sich von einer Ka- Aktionskunst oder Action-Art wird zum tegorie des inneren Ausdrucks zu der eines Leitbegriff einer neuen Kunstgattung. Ausge- äußeren und ereignishaften Handlungszu- hend von der Kritik am traditionellen Ideal sammenhangs. Synonym der A. wird die in- des künstlerischen Werkes und der mit ihm dividuelle oder kollektive dynamische Tat. verbundenen Institutionen wie Galerie, Mu- Dieser politische Kontext des Dynamismus seum oder Theater rücken in verschiedenen und Aktivismus bleibt ein wesentlicher Be- Kunstrichtungen prozess- und handlungsori- zugspunkt für die Begriffsverwendung in den entierte Kunstformen in den Vordergrund. In künstlerischen Diskursen des 20. Jh.s. So ver- so divergenten Richtungen wie Action-Pain- steht sich etwa die von Franz Pfemfert her- ting, Happening, Fluxus, Body-Art oder Ac- ausgegebene Literatur- und Kunstzeitschrift tion-Poetry verbindet sich die Abkehr vom Die Aktion (1911–1933) als Publikationsorgan traditionellen Werkbegriff mit einer Hinwen- eines ästhetischen und politischen Radikalis- dung zum Ereignis als prozessualer und mus. Auch im Theater erfährt das Prinzip der kontingenter ästhetischer Form. Die A. bil- Handlung mit der zunehmenden Loslösung det dabei den strukturellen und diskursiven vom Drama als zentraler Form- und Bedeu- Bezugspunkt der verschiedenen ästhetischen tungsinstanz eine folgenreiche Neubewertung. Praktiken und kann als Anzeichen für das Per- An die Stelle eines fiktional ausgerichteten formative ( Performativität) angesehen wer- und in sich geschlossenen Handlungszusam- den, auf das sowohl bildende Kunst als auch menhangs rücken nun konkrete Handlungs- Theater und Musik seit den 1960er Jahren ver- vollzüge im Hier und Jetzt der Aufführung, stärkt Bezug nehmen. Als zentrale Struktur- die durch disparate Strukturen und semanti- merkmale der A. lassen sich Prozessualität, sche Offenheit charakterisiert sind. Die A.en Körperbezogenheit und Selbstreferentialität auf der Bühne zielen nicht mehr auf eine illu- nennen. Als Geschehen im Hier und Jetzt sind