Metzler Lexikon Ästhetik Kunst, Medien, Design und Alltag Herausgegeben von Achim Trebeß Verlag J. B. Metzler Stuttgart · Weimar IV Inhalt Der Herausgeber Einleitung V–IX Achim Trebeß, geb. 1953; 1976–1981 Studium Begriffe von A bis Z 1–441 der Kulturwissenschaft, Ästhetik und Germa- Abkürzungen 442 nistik an der Humboldt-Universität zu Berlin; Autorinnen und Autoren 443–444 1982–1984 Entwicklungslektor beim Verlag Personenregister 445–468 Neues Leben Berlin; 1984–1999 Forschungs- student, wissenschaftlicher Aspirant und wis- senschaftlicher Assistent am Seminar für Ästhe- tik der Humboldt-Universität; 1987 Promotion an der Humboldt-Universität; 1993–1995 Teil- nahme am Graduiertenkolleg »Theorie der Li- teratur« an der Universität Kons tanz; 1999 Ha- bilitation an der Universität Konstanz; seit 2003 Professor für Kulturwissenschaft am Fachbereich Design/Innenarchitektur der Hoch- schule Wismar. Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. ISBN-13: 978-3-476-01913-4 ISBN 978-3-476-05204-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-05204-9 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2006 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart2006 www.metzlerverlag.de [email protected] V Einleitung 1. Ästhetik von der Architektur über das Design bis hin zu den modernen Medien. Schon wird durch Food- Moritz Geiger beschrieb 1921 die Lage der Äs- Design unser Essen ästhetisch behandelt, bald thetik folgendermaßen: »Wie eine Wetterfahne könnte es das noch ungeborene Leben sein, wird die Ästhetik von jedem philosop hischen, Paul Virilio sieht künftige Gestalter gar vom kulturellen, wissenschaftstheoretischen Wind- Körperinneren her an Gefühlen und Wahrneh- stoß herumgeworfen, wird bald metaphysisch mungen arbeiten. Fast überall müssen heute äs- betrieben und bald empirisch, bald normativ thetische Entscheidungen getroffen werden. und bald deskriptiv, bald vom Künstler aus und Immer ist es möglich, durch solche Entschei- bald vom Genießenden, sieht heute das Zen- dungen nicht nur die äußere Form zu beeinflus- trum des Ästhetischen in der Kunst, für die das sen, sondern das, was ein Ding oder Vorgang Naturschöne nur als Vorstufe zu deuten sei, und sein soll und wozu sie dienen können. Zuneh- findet morgen im Kunstschönen nur ein Natur- mend entscheiden viele unter uns nach ästhe- schönes aus zweiter Hand. Und wenn nicht alle tischen Kriterien, welchen Gebrauch sie von et- methodischen Richtungen, die in der Ges chichte was machen oder wer sie sein wollen. Ästhe- der Ästhetik angetroffen werden, heute ihre tische Entscheidungen sind Entscheidungen, die Vertreter finden, so wissen wir nicht, ob nicht Lebensmöglichkeiten eröffnen oder verschlie- die philosophische Wende der Zeiten, in der wir ßen. Doch wie soll eine undisziplinierte Dis- stehen, längst verschüttete Methoden wieder ziplin wie die Ästhetik Kriterien für solche ans Licht zieht und heute herrschende Rich- Entscheidungen zur Diskussion stellen kön- tungen der Vergessenheit anheim gibt.«1 nen? Ästhetik ist eine Wissenschaft der Diskussi- Ästhetik ist wie eine Wetterfahne, aber den- on, der Debatten, der Brüche, der Polarisie- noch keine Veranstaltung der Beliebigkeit oder rungen und Vermittlungsversuche, der Kon- ein Passepartout, in das man alles hineinlegen frontation und Versöhnung. Daran hat sich bis kann, was man nur möchte und sonst nicht un- heute nichts geändert. Vielleicht ist das der terzubringen weiß. Ästhetik hat einen Ort, sie Grund, weshalb es in Deutschland – immerhin ist lokalisierbar. Karin Hirdina beschreibt die- das Land, in dem die Ästhetik als Wissenschaft sen Ort so: Der »Raum, in dem Ästhetik zu durch Alexander Gottlieb Baumgarten 1750 Hause ist, hat viele Türen. Vielleicht ist er ja nur begründet wurde – so wenige Lexika zur Ästhe- ein Durchgangsraum. Oder ein Gästezimmer, in tik gibt. Ästhetik lässt sich nicht gerne festlegen, dem sich nicht nur Physiker und Künstler, auch sie sperrt sich der Definition, sie kann nicht aus Soziologen, Politologen, Kunstwissenschaftler, einer Perspektive alleine erfasst werden. Lexika Literatur- und Kulturwissenschaftler oder ande- und Wörterbücher etwa zur Literaturwissen- schaft gibt es zuhauf, doch seit gut 150 Jahren sind in deutscher Sprache nur sehr wenige Wör- 1 M. Geiger: Ästhetik. In: Ders.: Die Bedeutung der terbücher erschien en, die sich vor allem Begrif- Kunst. Zugänge zu einer materialen Wertästhetik. Ge- fen der Ästhetik widmen2 – obwohl die Bedeu- sammelte, aus dem Nachlaß ergänzte Schriften zur Äs- thetik. Hg. K. Berger und W. Henckmann. Mchn 1976, tung der Ästhetik bzw. ästhetischer Phänomene S. 312 (85). ständig zunimmt. Das ist nicht erst auf dem 2 Die ersten waren: J.G. Sulzer: Allgemeine Theorie der großen Hannoveraner Kongress Die Aktualität schönen Künste, in einzelnen, nach alphabetischer Ord- des Ästhetis chen von 1992 sichtbar geworden nung der Kunstwörter aufeinanderfolgenden, Artikeln (dem sich 1993 die Gründung der Deutschen abgehandelt. 4 Bde. Lpz. 1792–794 und J. Jeittele: Äs- Gesellschaft für Ästhetik anschloss) und gewiss thetisches Lexikon, 2 Bde. Wien 1839 sowie W. Heben- nicht das letzte Mal dadurch, dass der internatio- streit: Wissenschaftlich-literarische Enzyklopädie der Ästhetik. Ein etymologisch-kritisches Wörterbuch der nale Ästhetikkongress 2002 erstmals außerhalb ästhetischen Kunstsprache. Wien 1843. – In neuer Zeit Europas und Amerikas stattgefunden hat, näm- gibt es neben der im folgenden Abschnitt genannten lich in Japan. Pub likation nur noch diese, recht schmale Veröffentli- Wir leben in einer Zeit, in der wir von ästhe- chung: W. Henckmann/K. Lotter: Lexikon der Ästhetik. tischen Gestaltungen geradezu umzingelt sind, Mchn 1992. Einleitung VI re von Zeit zu Zeit aufhalten. Die Ausblicke, 2. »Wörterbuch« und Lexikon die aus der Ästhetik heraus- oder in sie hinein- führen, sind komplex, ambivalent, auch un- Einen groß angelegten Versuch, Grundbegriffe stet.«3 der Ästhetik mit Blick auf die Gegenwart neu Eine Wetterfahne und ein Raum mit vielen zu diskutieren, stellt das von Karlheinz Barck Türen in andere Räume – diese beiden Meta- (Geschäftsführung), Martin Fontius, Dieter phern für die Ästhetik können helfen, die Anla- Schlenstedt, Burkhart Steinwachs und Friedrich ge des Lexikons zu beschreiben. Wollfzettel herausgegebene siebenbändige His- Ästhetik wird gebraucht. Das ist der Aus- torische Wörterbuch Ästhetischer Grundbegriffe gangspunkt. Gerade dass sie eine Diskussions- dar, das von 2000 bis 2005 im Verlag J.B. Metz- wissenschaft ist, könnte ihr Vorteil sein. Ästhe- ler erschienen ist (im Lexikon ÄGB abgekürzt). tik interessiert sich für die Sinne und den Sinn, Wozu dann noch ein Lexikon und noch dazu für die Veränderungen von Wahrnehmungen im selben Verlag? und deren Medien, für die Gestaltung von Ge- Dieses Lexikon unterscheidet sich konzeptio- genständen jedwelcher Art. Die sogenannte nell vom »Wörterbuch«, weil keine Vorent- »schöne Kunst« ist lange nicht mehr ihr ein- scheidung zugunsten der »Aisthetis« gegenüber ziger oder zentraler Gegenstand, wiewohl Kunst der »philosophischen Ästhetik« getroffen wur- zu dem gehört, wofür sich Ästhetiker sehr inter- de. Das »Wörterbuch« geht erfreulicherweise in essieren, denn Ästhetik ist entstanden, um den seinen Artikeln über diese Vorentscheidung weit Defiziten reiner ›Verstandeswissenschaften‹ ab- hinaus, zeigt stattdessen eine Spannung zwi- zuhelfen. Subversiv war sie von Anfang an, ob- schen diesen beiden Polen, die eher zur Ästhetik wohl sie es nicht immer geblieben ist. Ästhetik gehört als eine Festlegung. Im Lexikon wurde ist, wenn sie gut ist, dicht am Körper und dicht von Anfang an der Weg gegangen, Ästhetik vor an den Gegenständen und fragt nach den Wand- allem in ihren Widersprüchen darzustellen, als lungen der Verhältnisse, die wir zu uns selbst Diskussion und Konfrontation von Positionen, und den Ergebnissen unseres Tuns haben, sie die mit dem Spagat der Ästhetiker zwischen fragt nach den Folgen dieser Wandlungen für Sinnlichkeit und Sinn, Form und Inhalt, Klassik Menschen. Sie guckt besonders aufmerksam auf und Avantgarde, Funktionalismus und Ästheti- Oberflächen und Strukturen und findet kom- sierung und vielem anderen zu tun haben. plexe Zusammenhänge in ihnen und über sie Das Lexikon stellt dennoch nicht den hoch- hinaus. Sie interessiert sich für die offenen Wun- mütigen Anspruch, dieses »Wörterbuch« über- den und Probleme meist mehr als für eine ge- bieten zu wollen. Es unterscheidet sich in ande- schlossene Begrifflichkeit – sie versucht, etwas rer Hinsicht, es will die Begriffe der Ästhetik für zu entdecken, an dem wir bei unseren Gestal- den Alltagsgebrauch erschließen. So vermag es, tungsentscheidungen ansetzen können. Begrei- für sich alleine zu stehen. Der Physiker, Künst- fen in der Ästhetik braucht ebenfalls Begriffe, ler, Soziologe, Politologe, Kunstwissenschaftler, aber weniger, um Denken festzustellen, sondern Literatur- und Kulturwissenschaftler ist ebenso um Denken, Wahrnehmen und Handeln auszu- zur suchenden Lektüre eingeladen wie die Desi- lösen. gnerin, Architektin, Kulturpolitikerin und alle, Doch besser als andere Wissenschaften ist die sich dem Studium der Ästhetik annähern die Ästhetik auch nicht: Manchmal schnappt möchten oder müssen. Auch im Lexikon soll sie über und hält sich für die wichtigste Wissen- der geschichtliche Rückblick versucht werden, schaft überhaupt, dann wieder macht sie sich aber seinen Fokus bildet die Gegenwart seit klein und will gar keine Wissenschaft mehr sein; dem 20. Jahrhundert. in anderen Zeiten spricht sie aus, was andere zu Doch kann das »Wörterbuch« ergänzt wer- sagen sich nicht trauen, und manchmal schweigt den. Das »Wörterbuch« erörtert ca. 150 Be- sie, wenn es darauf ankäme, zu reden. Wie soll griffe in großer Ausführlichkeit, im Lexikon diese Wissenschaft und die Phänomene, denen konnte mit 414 Artikeln weiter ausgegriffen sie sich bevorzugt zuwendet, lexikalisch aufbe- werden, nicht selten bis über die unscharfen reitet werden? Ränder der Ästhetik hinaus. Der Umfang ist ge- ringer, aber möglicherweise können dennoch mehr Türen in andere Räume geöffnet, mögli- cherweise mehr Blicke in die Ästhetik hinein 3 K. Hirdina: Einleitung. In: Dies./J. Augsburger (Hg.): Schönes, gefährliches Licht. Studien zu einem kultu- und aus ihr heraus geworfen werden. Schwer- rellen Phänomen. Stgt 2000, S. 13. punktsetzungen waren möglich, so stellen All- VII Einleitung tag und Medien einen Schwerpunkt dar, ebenso worden ist. Dazu gehört nicht nur die ge- Design, Architektur und Kunst. Aufgenommen schichtliche Herleitung vieler Begriffe (die in werden konnten über die Einträge des »Wörter- jeder Gegenwart bekanntlich anders erfolgt, buchs« hinaus wissenschaftliche, künstlerische also selbst eine eigenständige Information und gestalterische Schulen und Richtungen so- darstellen kann), sondern auch die Frage, wie Stilbegriffe. Der Charakter des Lexikons ist welche der traditionellen Begriffe heute noch wissenschaftlich, doch es wurde darauf geach- – und wie heute – verwendet werden bzw. tet, dass die Artikel auch dem interessierten und obsolet geworden sind (und warum), und suchenden Laien Aufschluss ermöglichen. welche neuen Phänomene oder Begriffe Phä- nomene oder Begriffe der Ästhetik sind oder wenigstens interessant für sie. Die Gegen- 3. Konzeptionelle Entscheidungen wart bildete also weniger ›thematisch‹ den Schwerpunkt, sie ist vielmehr die Perspektive Bei der Auswahl der Begriffe wurde nicht nur unter der die Artikel geschrieben wurden. darauf geachtet, die historisch unterschiedlichen Deswegen gibt es Artikel, in denen die Ge- Kerngebiete der Ästhetik zu umgreifen, sondern schichte im Mittelpunkt steht (etwa wenn es so viele Türen als möglich nach außen zu öff- um »Schönheit« geht), und andere, bei denen nen: zur Kulturwissenschaft, zu theoretischen, die Gegenwart unmittelbar angesprochen ist gestalterischen und künstlerischen Schulen, zu (so bei »Hypertext«). Stilformationen, zu Medien und Medientheo- – Es sollten so viele Positionen/Richtungen/ rien, zur Soziologie, Literaturwissenschaft, zu Schulen etc. als möglich in den Texten ge- Naturwissenschaften und vielem anderen. Es nannt und erklärt werden. Es konnten nicht wurde versucht, das Spektrum der ästhetischen alle sein, doch die wichtigsten, die Brüche Begriffe und Phänomene so weit als möglich zu vor allem, die Wendungen sollten erkennbar umreißen, ohne jedes Detail würdigen zu kön- sein. Darum wurden die Autorinnen und Au- nen. Hier können die Artikel des Lexikon je- toren gebeten, unabhängig davon, welche doch den Ausgangspunkt weiterer Suche bil- Positionen von ihnen selbst jeweils geteilt den. werden, was dennoch nicht verschwiegen werden musste. So sollte bspw. auch die äs- Die wichtigsten Prinzipien bei der Arbeit am thetische Diskussion des ehemaligen und Lexikon waren die folgenden: noch existenten ›Ostens‹ (also der Länder – Es sollten nicht nur Begriffe und Schulen, des ›realen‹ Sozialismus) nicht fehlen, da sol- sondern auch Phänomene des Ästhetischen che Positionen das 20. Jahrhundert mitbe- Aufnahme finden (vom »Salon« über das stimmt haben und z.T. auch heute noch Pro- »Theater« bis zum »Radio«). Den Schwer- duktivität freisetzen können oder sie bis heu- punkt sollten Begriffe bzw. Phänomene aus te verhindern. dem Bereich der ästhetischen Theorie, der – Bevorzugt wurde ein nicht auf Kunst be- Kunst, des Designs, der Architektur, der Me- schränktes Ästhetikverständnis. Auf einen dien und des Alltags bilden. Begriff des Ästhetischen ist niemand festge- – Gewünscht war eine Konzentration auf den legt worden, aber es wurde angestrebt, ein ästhetischen Aspekt, auf die ästhetische Rele- weites und offenes Ästhetikverständnis in vanz des jeweiligen Gegenstands oder Be- den Artikeln zum Ausgangspunkt zu neh- griffs. Mitunter musste aber zuerst ausführ- men. lich die ›eigentliche‹ Bedeutung des Begriffes erörtert werden, bevor seine ästhetische Di- Bei der Arbeit am Lexikon wurden immer wie- mension beschrieben werden konnte. der zwei Wünsche geäußert. Die einen meinten: – Die Autorinnen und Autoren der Artikel Da fehlen noch so viele wichtige Begriffe – und wurden gebeten, sich auf die jüngere und die anderen: Warum so viele Begriffe? Lieber jüngste Gegenwart, also das 20. und 21. weniger, die aber ausführlicher. Das war gewiss Jahrhundert, zu konzentrieren. Konzentrati- keine Erbsenzählerei, doch sollte versucht wer- on auf die Gegenwart bedeutet nicht, dass den, von den wichtigen Begriffen die zu finden, nur das aufgenommen werden sollte, was an die noch oder schon im Gebrauch sind, und vor Begrifflichkeit oder an Phänomenen in dieser allem den Leser/innen, die sich in die Diskussi- Zeit entstanden ist, sondern das, was in die- onen der Ästhetik erst hineinfinden möchten, ser Gegenwart relevant geblieben oder ge- ein Buch anzubieten, mit dem sie arbeiten kön- Einleitung VIII nen, das ihnen möglichst viele Zusammenhänge bei Sackgassen nicht resigniert und Seitenpfade aufschließt, die aber gründlich genug. nicht scheut, entspräche dem Lexikon und sei- Um diese Balance halten zu können, mussten nem Gegenstand. Dennoch schälen sich einige die Begriffe hierarchisiert werden: Es gibt eini- Grundrichtungen und historisch bedeutsame ge, die zentral erschienen, die vergleichsweise Modelle heraus (etwa der antiken Ästhetik, der viel Platz bekommen haben, andere, die in ihrer von Hegel, Kant und Adorno), aber auch ge- Bedeutung für die Diskussion ebenfalls wichtig genwärtige Konfrontationen bzw. Linien, etwa sind, haben mittleren Umfang erhalten und wei- der Diskussion um Aisthesis versus philoso- tere, die ergänzend wirken können, die helfen, phische Ästhetik, der unterschiedlichen Hal- das Feld zu verbreitern, die Beschränkungen des tungen zur marxistischen oder postmodernen Umfangs durch das Hinzufügen von neuen Fa- Ästhetik, mit der viele Artikel enden. cetten und anderen Perspektiven zu konterka- rieren, mussten sich mit weniger Platz begnü- Autorinnen und Autoren gen. Die Anzahl der Begriffe, ihre Auswahl, deren Damit das überblickte Feld trotz des be- Gewichtung, die Art der Anlage der Artikel, die grenzt bleibenden Umfangs so weit als möglich von den Autoren erbetenen Informationen so- sein kann und damit die mitunter abstrakten wie die Zahl der vertretenen Autorinnen und Erläuterungen Konkretheit bekommen können, Autoren – es sind 139 – setzen der pluralisti- wurden bedeutsame stilistische Richtungen der schen Anlage Grenzen und bieten also Orien- Kunst, Schulen des Designs und der ästhetischen tierung. Soweit Begriffe mit einer bestimmten Theorie aufgenommen. theoretischen Schule oder Methode verbunden Die schon verwendete Metapher des Spagats sind (wie z.B. bei der »Warenästhetik«) oder es wäre der der Wetterfahne und der der Türen um die Darstellung der Schulen selbst ging noch hinzuzufügen. (etwa der »Warburg-Schule« oder der »Dekons- truktion«) ist versucht worden, nicht alleine Experten, sondern Autorinnen und Autoren zu 4. Anlage des Lexikons finden, die diesen Schulen auch nahestehen – was einschließt, dass häufig deren Sprachgestus Verweise die Artikel bestimmt. Die Aufgabe des Heraus- Das Lexikon ist ein Medium, das zum Hyper- gebers bestand dann darin, die Verständlichkeit text manche Ähnlichkeit aufweist. Was ihm des Textes für möglicherweise ›uneingeweihte‹ mangelt, ist die Unendlichkeit der möglichen Leser so weit als möglich zu gewährleisten und Verknüpfungen, was es bietet, ist ein wenig Ge- darauf zu achten, dass auch Einwände gegen wissheit, dass man seriöse Informationen erhält. den jeweiligen Ansatz (bzw. ›Fremdbeobach- Dafür stehen die Autorinnen und Autoren so- tungen‹) in die Darstellung aufgenommen wer- wie Verlag und Herausgeber ein. Lexika ermög- den. lichen die Vernetzung der in ihnen enthaltenen Die Inter- und Transdisziplinarität der Ästhe- endlichen Informationen, deswegen ist auf die tik spiegelt sich in den Spezialisierungen der Verweise von einem Artikel zu vielen anderen Autor/innen. Neben wenigen, die sich Ästheti- besonderer Wert gelegt worden. Das nimmt der ker nennen würden, finden sich Literaturwis- Lesefreundlichkeit ein bisschen, gibt aber dem senschaftler aller Sparten, Philosophen, Kunst- Leseertrag hoffentlich viel. Jeder Artikel bietet historiker, Architektur-, Design- und Medien- einen festen Punkt, von dem aus man zu ande- theoretiker vieler Schattierungen sowie Leute, ren festen Punkten kommen kann, an denen die eher praktisch arbeiten denn als Wissen- manches bestätigt, in anderem widersprochen, schaftler/innen tätig sind. Entscheidend war im- Drittes relativiert oder Neues hinzufügt bzw. mer die Kompetenz für den Artikel und die Be- eine andere Perspektive oder Frage eröffnet reitschaft, die ästhetische Spezifik des jeweiligen wird oder auch nur eingängiger formuliert. Je- Gegenstandes deutlich zu machen. Einige Auto- der Artikel steht für sich und weist über sich rinnen und Autoren des großen »Wörterbu- hinaus. So hoffe ich, die Benutzer/innen des Le- ches« haben am Lexikon mitgearbeitet, z.T. mit xikons in die Diskussion der Ästhetik hineinzie- anderen, z.T. mit denselben Begriffen. Letztere hen und dennoch Halteseile bieten zu können. sind dabei nicht nur kürzer geraten, sondern Die Information, die man erhalten kann, bleibt häufig auch deutlich anders, so dass der Ver- vom Weg abhängig, den man als Leser ein- gleich für Interessenten zusätzliche Informati- schlägt. Eine suchende Lektüreweise, die auch onen zu bieten vermag. IX Einleitung Sehr froh bin ich, dass es ohne besondere 5. Blicke Anstrengung gelungen ist, in ziemlicher Ausge- wogenheit Frauen und Männer, Leute aus Ost Ist es nicht die rechte Zeit für ein Lexikon der und West, etablierte Wissenschaftler und junge Ästhetik? Kann die Eule der Minerva nicht ge- Menschen aus Graduiertenkollegs, gar einige rade jetzt, da die postmoderne Theorie sich ent- Studierende zur Mitarbeit zu gewinnen. Das er- faltet und weithin durchgesetzt hat, also am höht die Vielfalt der Perspektiven, wie die Din- Ende ist und immer bessere Kritik erfährt, ihren ge, bei denen viele sich einig sind, mehr Gewicht Flug beginnen und noch einmal über die Jahr- bekommen. hunderte schauen, vor allem auf das jüngst ver- gangene? Aber auch der dämmernde Morgen Personenregister, Bibliographie, Lemmata bietet erste Ausblicke: Jetzt, da die neuen Medi- Das Personenregister am Ende des Bandes folgt en uns den Körper noch gelassen haben, lohnt den beiden grundlegenden Motiven des Lexi- vielleicht der Blick in die von der Medientheo- kons ebenfalls: Angebote zur Orientierung zu rie angedeuteten Richtungen, damit sie noch – machen, ohne Positionen festschreiben oder falls nötig – rechtzeitig gewechselt oder, opti- eine Diskussion entscheiden zu wollen. Das mistischer, gestaltet werden können. Gestaltung Personenregister macht sichtbar, wer in der Äs- ist die privilegierte Aufgabe der Ästhetik, die, thetik offenbar eine große Rolle spielt, man für die sie die schärfsten Begriffe zur Verfügung kann darüber hinaus Namen zu Richtungen hat. Da kann es von Nutzen sein, die Begriffe und Auffassungen zuordnen, sich ein kom- ein weiteres Mal zu schärfen und dem Publi- plexeres Bild der Arbeit einzelner Personen ver- kum zum Gebrauch anzubieten. schaffen, als es in nur einem Artikel möglich ist, »Für die Ewigkeit«, sagte einer meiner Leh- und man kann den roten Faden von hier aus rer, »ist gar nichts«. Ärger wird es also trotzdem legen: Wo an der einen Stelle über einen Autor, geben – weil etwas fehlt, was man suchte, oder eine Künstlerin, einen Designer oder eine Theo- weil man ganz anderer Meinung ist, weil vieles retikerin vielleicht weniger gesagt wird als er- zu kurz kommt, wenn man nur so wenig Platz wartet, kann sich woanders mehr oder Ergän- zur Verfügung hat, etwas aufzuschreiben, was zendes oder Widersprechendes finden. wichtig genug wäre, Bände zu füllen. Das Lexi- Dagegen wurde auf eine übergreifende Bib- kon kann – in der philosophischen Zeitenwen- liographie verzichtet. Zum einen bieten die je- de, die seit Moritz Geiger andauert – nicht alle weiligen Artikel Literaturhinweise, zum ande- Wünsche erfüllen, deswegen sind der Verlag, die ren lässt sich auf das Wörterbuch »Ästhetische Autorinnen und Autoren sowie der Herausge- Grundbegriffe« zurückgreifen. ber neugierig auf jede Kritik, die sie nutzen Als Lemmata wurden nicht nur selbständige wollen zu verbessern, was ein Lexikon an Ver- Begriffe aufgenommen (wie »Wahrnehmung«), besserungsmöglichkeiten hergibt – so der Sou- sondern auch ähnliche bzw. synonyme Worte verän ›Leser‹ das Angebot nutzt und seine Ver- oder Begriffe zusammengefasst (»Abbildung/ besserung wünscht. Widerspiegelung«) und auf unterschiedliche Wortverwendungen Rücksicht genommen (»Passion/Leidenschaft«) oder Gegenbegriffe in Dank einem Artikel behandelt (»Chaos – Ordnung«) sowie Adjektive aufgenommen, wenn sie dem Mein erster Dank gilt den Autorinnen und Au- Substantiv gegenüber eigenständige Bedeutung toren für ihre gründliche Arbeit, für die Geduld in der Ästhetik gewonnen haben (»Musik/Mu- und die fruchtbaren Diskussionen, auch für die, sikalisch«). Auf etymologische Herleitungen die schwierig verliefen. Karin Hirdina möchte wurde weitgehend verzichtet, doch finden sich ich danken, dass sie mich überzeugt hat, die häufig die griechischen und lateinischen Ent- Herausgabe zu wagen, und Bernd Lutz dafür, sprechungen der Lemmata, die in vielen Fällen dass er mir das Projekt anvertraut hat. Michael auf den Ursprung von Begriffen verweisen. Suckow soll gedankt sein, weil ohne sein Ein- springen das Buch nicht möglich geworden wäre. Dank gebührt all jenen, die mir geholfen haben, für viele Artikel kompetente Leute zu finden, die sie schreiben konnten – es sind zu viele, um sie alle namentlich zu nennen. Den Pionieren des Internet sei gedankt für die Erfin- Einleitung X dung der E-Mail. Ute Hechtfischer möchte ich ich durch sie nicht vergessen konnte, dass man für die unkomplizierte, freundliche und sehr über Ästhetik nur nachdenken kann, wenn man produktive Zusammenarbeit danken, für Ver- sich Zeit zum Leben nimmt. trauen und Geduld angesichts der ständigen Verzögerungen des Erscheinungstermins. Diese Berlin, im Juni 2006 Achim Trebeß Verzögerungen verdanke ich zuerst A. B., weil