Raik Heckl (Hg.) Methodik im Diskurs Neue Perspektiven für die Alttestamentliche Exegese Mit Beiträgen von Oliver Dyma, Ulla Fix, Raik Heckl, Andreas Kunz-Lübcke, Thomas Wagner und Kristin Weingart 2015 Neukirchener Theologie Biblisch-Theologische Studien 156 Herausgegeben von Jörg Frey, Friedhelm Hartenstein, Bernd Janowski, Matthias Konradt und Werner H. Schmidt © 2015 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Andreas Sonnhüter, Niederkrüchten Lektorat: Volker Hampel DTP: Raik Heckl Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978–3–7887–2835–9 (Print) ISBN 978–3–7887–2836–6 (E-Book-PDF) ISSN 0930–4800 www.neukirchener-verlage.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Da- ten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Vorwort In den Naturwissenschaften steht vor der experimentellen Arbeit oft ein Modell oder eine Theorie, die mit Beobach- tungen überprüft werden können. „Wenn die Beobachtun- gen mit den Vorhersagen übereinstimmen, ist die Theorie damit noch nicht bewiesen, aber sie überlebt und macht weitere Vorhersagen, die dann wieder an Beobachtungsda- ten überprüft werden. Stimmen die Beobachtungen nicht mit den Vorhersagen überein, gibt man die Theorie auf.“1 In den Bibelwissenschaften gibt es weder eine alles bestim- mende Theorie noch die Möglichkeit, Theorien mit Beob- achtungen zu falsifizieren. Doch fällt in der stark philolo- gisch dominierten Exegese alttestamentlicher Texte auf, dass die Ergebnisse der literarhistorischen Rekonstruktionen und die Beurteilung der Texte sehr differieren. Man könnte darin analog zu dem Konzept der naturwissenschaftlichen Forschung einen Hinweis sehen, dass bei den methodischen Grundannahmen Probleme bestehen. Die Situation ver- schärft sich dadurch, dass neben der traditionellen Bibelex- egese und besonders auch außerhalb des europäischen Kon- textes die Anwendung von bestimmten Literaturtheorien und philosophischen Konzepten zu einer regelrechten Me- thodenvielfalt geführt hat, was die Vielfalt der Auslegungs- ergebnisse noch vergrößert. Weil das Verstehen der biblischen Texte als Grundlagentex- ten von Judentum und Christentum nach wie vor von be- sonderer Bedeutung ist, scheint eine kritische Reflexion der angewendeten Methodik und Methoden geboten zu sein. Das Ziel könnte eine Synthese von traditionellen philologi- schen und modernen literaturwissenschaftlichen sowie so- zialwissenschaftlichen Konzepten sein. Eine Reflexion der Methodik kann sich daher nicht auf die Exegese des Alten Testaments oder die Bibelwissenschaften beschränken, son- dern muss interdisziplinär ausgerichtet sein. 1 Stephen Hawking, Einsteins Traum, Reinbek, 1993, 56. VI Vorwort Diese Überlegungen haben uns im Kontext des Kongresses des European Association of Biblical Studies (EABS) in Leipzig im Jahr 2013 zusammengeführt, so dass nun in die- sem Band die Ergebnisse der kritischen Reflexion und des Dialogs veröffentlicht werden können. Die Beiträge des Bandes haben die methodischen Probleme jeweils im Blick und suchen, ausgehend von bestimmten Fragestellungen Verbindungslinien zwischen unterschiedli- chen methodischen Ansätzen aufzuzeigen. Der am Anfang platzierte Beitrag von U. Fix ist „überdisziplinär“ als Ange- bot an die Analysepraxis der Textfächer gedacht, greift aber dabei spannenderweise klassische Ergebnisse der Methoden- diskussion im Alten Testament auf. Es geht um die Unter- suchung von Texten mit Bezug auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten, kulturell verfestigten Textsorte. Es dürfte für die Frage nach der Funktion der Gattungen bei der an- tiken Textproduktion und -rezeption von Bedeutung sein. Ebenfalls interdisziplinär ist der Beitrag von Oliver Dyma angelegt. Darin wendet er sich der Diskussion über die An- wendung von Methoden zu, die für fiktionale Texte entwi- ckelt werden, und zeigt auf, wie man das Konzept der Fik- tionalität auch auf biblische Erzähltexte anwenden kann. Der Beitrag von R. Heckl ist als empirische Studie konzi- piert. In ihm wird in Bezug auf die beiden erzählerischen Abschnitte zu Hiskia und Josia in der Chronik gefragt, wie in der alttestamentlichen Literargeschichte mit Schlüsseltex- ten umgegangen wurde und ob das übliche Modell der Fortschreibung in solchen Bereichen anwendbar ist. A. Kunz-Lübcke wendet sich der Multidimensionalität der Interpretationen der Jonageschichte zu, die in den Leerstel- len der Erzählung angelegt ist. Für die redaktionsgeschichtliche Analyse der Meerwunder- erzählung wird von Th. Wagner deren Rezeption in ande- ren Zusammenhängen zu Hilfe genommen, um die Inten- tionen der literarischen Veränderungen zu bestimmen. Angesichts des Erscheinens einer Fülle von Arbeiten, die Texte auf ihre literarischen Querbeziehungen zu anderen Texten hin untersuchen (Intertextualität), stellt K. Wein- gart am Beispiel von Zitaten vor, wie derartige Querbezie- Vorwort VII hungen in alttestamentlichen Texten markiert, und damit für die intendierten Rezipienten erkennbar gemacht wur- den. Der Band entwickelt somit den Dialog, der auf dem EABS- Kongress in Leipzig begonnen hat, weiter, bietet Einblick in Probleme und sucht, neue Perspektiven für die Exegese aus- zuloten. Die Diskussionsplattform auf dem EABS Kongress hat sich inzwischen bewährt und wird in den nächsten Jah- ren weiterhin zur Verfügung stehen. An dieser Stelle seien alle Interessierten herzlich eingeladen. Dank gilt an dieser Stelle den Verantwortlichen bei der EABS, allen voran Frau Dr. Ana Valdez, die das Panel erst möglich gemacht haben. Großer Dank gilt auch den Her- ausgebern, den Herren Prof. Bernd Janowski und Fried- helm Hartenstein, die den Band für die Aufnahme in die Reihe empfohlen haben, sowie den Herren Dr. Volker Hampel und Hans Hegner für die sachkundige Betreuung des Bandes. Leipzig, im September 2015 Raik Heckl Inhalt Vorwort........................................................................... V Ulla Fix Überdisziplinäres Textsortenwissen: Voraussetzung für die Arbeit von »Textfächern«............................................. 1 Oliver Dyma Wahre Geschichten: Zwischen Fiktionalität, Gattung, Weltbild und Geltungsanspruch..................................... 32 Raik Heckl »Keiner war wie er« – Die Unvergleichlichkeit von Hiskia und Josia im Konzept der Chronik: Zur Trans- formation von Vorlagen in der Literargeschichte von Schlüsseltexten................................................................ 52 Andreas Kunz-Lübcke Jona – verschluckter Held oder abenteuerlustiger See- reisender? Das Jonabuch im Meer der Interpretationen... 82 Thomas Wagner Impulse für die Redaktionsgeschichte: Quellen- kompilation im Kontext der Rezeption......................... 113 Kristin Weingart Erkennst du auch, was du liest? Zur Markierung von Zitaten im Alten Testament.......................................... 143 Register......................................................................... 171 Autorinnen und Autoren.............................................. 175
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