u. KirchgraberjE. Stiefel Methoden der analytischen Störungsrechnung und ihre Anwendungen Leitfäden der angewandten Mathematik und Mechanik Unter Mitwirkung von Prof. Dr. E. Becker, Darmstadt Prof. Dr. G. Hotz, Saarbrücken Prof. Dr. P. KaU, Zürich Prof. Dr. K. Magnus, München Prof. Dr. E. Meister, Darmstadt Prof. Dr. Dr. h.c. F. K. G. Odqvist, Stockholm Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Dr. h.c. E. Stiefel, Zürich herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. H. GörtIer, Freiburg Band 44 B.G. Teubner Stuttgart Methoden der analytischen Störungsrechnung und ihre Anwendungen Von Dr. sc. math. Urs Kirchgraber Eidg. Technische Hochschule Zürich und Dr. math. Eduard Stiefel o. Professor an der Eidg. Technischen Hochschule Zürich Mit 39 Figuren und zahlreichen Beispielen B. G. Teubner Stuttgart 1978 Dr. sc. math. Urs Kirchgraber Geboren 1945 in Zürich. Von 1964 bis 1969 Studium der Mathematik und Physik, 1972 Promotion an der ETH Zürich. Von 1969 bis 1975 Assistent am Seminar für Angewandte Mathematik der ETH. Seit 1975 Oberassistent und Lehrbeauftragter am Mathematik-Seminar der ETH. 1977/78 Gastaufenthalt an der Universität Würzburg. Prof. Dr. math. Eduard Stiefel 1909 geboren in Zürich. 1928 bis 1932 Studium der Mathematik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, 1932 bis 1933 Studium in Hamburg und Göttingen. 1935 Promotion, 1936 bis 1942 wissenschaftlicher Assistent, 1942 Privatdozent, 1943 ord. Professor, 1948 Direktor des Instituts für Angewandte Mathematik an der ETH Zürich. 1956 Präsident der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft. 1966 bis 1970 Präsident des Schweizerischen Komitees für Raumforschung. 1968 Professeur agree de l'Universite Libre de Bruxelles. 1970 bis 1974 Präsident der Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik. Mitglied der Deutschen und Nor wegischen Akademie der Wissenschaften. 1971 Dr. h.c. Universität Louvain, 1974 Dr. h.c. Universität Würzburg, 1975 Dr. h.c. Technische Universität Braunschweig. CIP-Kurztltelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kirchgntber, Urs: Methoden der analytischen Storungsrechnung und ihre Anwendungen/von Urs Kirchgraber u. Eduard Stiefel.-1. Aufl.-Stuttgart: Teubner, 1978. (Leitfaden der angewandten Mathematik und Mechanik; Bd. 44) ISBN 978-3-322-92148-2 ISBN 978-3-322-92147-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-92147-5 NE Stiefel, Eduard: Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. DIe dadurch begründeten Rechte, besonders die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Bildentnahrne, der Funksendung, der Wiedergabe auf photo mechanischen oder ähnlichem Wege, der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsan lagen, bleiben, auch bei Verwertung von Teilen des Werkes, dem Verlag vorbehalten. Bei gewerblichen Zwecken dienender Vervielfältigung ist an den Verlag gemäß § 54 UrhG eme Verglitung zu zahlen, deren Höhe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © B. G. Teubner, Stuttgart 1978 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1978 Satz: Universities Press LId., Belfast Vorwort Dieses Buch (es ist aus Vorlesungen und Vorträgen entstanden, die die Verfasser an der ETH, Zürich, an der Universität Texas in Austin und anderswo gehalten haben) möchte eine Einführung in die Mittelwertmethode bei gewöhnlichen Differentialgleichungssystemen geben, die auch neueren Ent wicklungen Rechnung trägt. Diese Methode hat sich in Theorie und Anwen dung als so fruchtbar erwiesen, daß es gerechtfertigt erscheint, ihr auch ein Buch in der LAMM-Reihe zu widmen. Es gliedert sich wie folgt: Formale Untersuchungen (erstes und drittes Kapitel), Anwendungen (zweites Kapitel), mathematische Begründung der Methode (viertes Kapitel). Das Buch besitzt folgende Merkmale, auf die hingewiesen sei: (i) Wir ent wickeln die Mittelwertmethode konsequent auf der Grundlage der Lieschen Reihen und befassen uns ausführlich mit den Implikationen dieses Grundkon zepts. (ii) Wir versuchen, anwendungsnahe Beispiele vorzuführen, insbe sondere werden auch höherdimensionale Probleme behandelt. Wann immer möglich leiten wir die zu Grunde liegenden Differentialgleichungen her oder interpretieren sie zumindest. (iii) Obwohl wir uns mit diesem Buch an anwendungsorientierte Mathematiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler richten, haben wir es für richtig gehalten, im theoretischen Teil des Buches auch tieftiegende Resultate herzuleiten. Wir haben uns jedoch um einfache und durchsichtige Beweise bemüht, die wir ausführlich darlegen. Auch in den theoretischen Teilen wird immer wieder die Brücke zu den Anwendungen geschlagen. An Vorkenntnissen setzt das Buch die üblichen Vorlesungen über Analysis und Lineare Algebra voraus, wie sie in den ersten vier Semestern an Hochschulen geboten werden. Die Verfasser haben die Freude, sich bei verschiedenen Persönlichkeiten zu bedanken, die in der einen oder anderen Weise zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen haben und zwar bei: Herrn H. Rüssmann, Mainz, für einen neuen Beweis des Twist-Theorems, der in dieses Buch Eingang gefunden hat; Herrn H. W. Knobloch, Würzburg, für Anregungen zu den Fehlerabschätzungssätzen und Diskussionen über die Theorie der Integralmannigfaltigkeiten; Herrn J. Henrard, Namur, für Gespräche über die formalen und mathematischen Aspekte der Störungstheorie; Herrn N. Sigrist, Zürich, für seine Untersuchungen zur kanonischen Störungstheorie und zu den Anwendungen des Twist-Theorems, die uns beeinftußt haben; Herrn M. Vitins, Zürich, für seine Beiträge zur Kreisel- und Satellitentheorie, die verwendet wurden und endlich bei Herrn F. Spirig, Zürich, für seine Arbeiten über algebraische Aspekte der Störungstheorie, die wir benutzt haben. VI Vorwort Die folgenden Herren haben Teile des Manuskripts überprüft und Druck fahnen gelesen: F. Spirig, K. Flöscher, W. Hein, K. Nipp. Ein Wort des Dankes gebührt unserer Sekretärin, Frau C. Blum, die die Reinschrift dieses typographisch anspruchsvollen Buches mit Einfühlung und speditiv besorgt hat. Schließlich danken wir dem Verlag für seine Geduld und die gute Zusam menarbeit. Zürich, im Sommer 1978 U. Kirchgraber E. Stiefel Inhalt Einführung. 1 Kapitel I. . 15 1 Transformation von Ditlerentialgleichungssystemen, Elemente 15 1.1 Autonome Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 Das Transformieren von Ditlerentialgleichungssystemen 15 1.3 Elementtransformationen 17 2 Die Störungsgleichungen .. . . 21 2.1 Notationen . . . . . . . . 21 2.2 Die grundlegenden Formeln 22 2.3 Die Störungsgleichungen . . 26 2.4 Der Zusammenhang mit der Mittelwertmethode 30 3 Integration der Störungsgleichungen . . . . 32 3.1 Mittelwert-und Integrationsoperator 32 3.2 Die Integration der Störungsgleichungen 34 3.3 Unwesentlich ausgeartete Systeme 38 Kommentare und Literaturhinweise zu Kapitel I 47 Kapitel U . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4 Kreiselprobleme . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1 Dynamische Grundlagen der Kreiseltheorie 49 4.2 Der schnelle Kreisel . . . 58 5 Das Satellitenproblem .... 69 5.1 Die Bewegungsgleichungen 70 5.2 Elemente ....... 78 5.3 Die Störungsrechnung . . 81 5.4 Diskussion der Bewegung 85 5.5 Verschwindende Nenner . 87 6 Bifurkation periodischer Lösungen 88 6.1 Ein, autonomes System mit einer Familie von Gleich- gewichtslösungen , . . , . . . . . . . . 88 6.2 Die Hauptbetrachtung . . . . . . . . . . . 90 6.3 Beweis des Lemmas . . . . . . . . . . . . 94 6.4 Anwendung auf ein neuro-biologisches Problem 98 Kommentare und Literaturhinweise zu Kapitel 11 101 Kapitel UI . ..... . 103 7 Strukturbetrachtungen 103 7.1 Vorbereitungen . 104 VIII Inhalt 7.2 Erste Resultate . . . . . . . . . . 106 7.3 Unwesentlich ausgeartete Systeme 110 8 Hamiltonsche Differentialgleichungssysteme 111 8.1 Kanonische Systeme und Transformationen 112 8.2 Störungsprobleme, Elementtransformationen 114 8.3 Die Störungsgleichungen . . . . . . . 116 8.4 Die Integration der Störungsgleichungen 118 8.5 Gekoppelte harmonische Oszillatoren 121 9 Singularitäten . . . . . . . . . 129 9.1 Einführende Betrachtungen l30 9.2 Modifizierte Störungstheorie 133 9.3 Anwendungen ...... 143 9.4 Begründung der modifizierten Störungstheorie 145 10 Algebraische Aspekte der Störungstheorie 158 10.1 Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . 159 10.2 Die Hausdorff-CampbelI-Formel .... 161 10.3 Die Zusammensetzung zweier Lie-Reihen 167 10.4 Eine Herleitung der Störungsgleichungen 170 Kommentare und Literaturhinweise zu Kapitel 111 171 Kapitel IV . . . . . . . . . . . . . . 173 11 Fehlerabschätzungen . . . . . . . . 173 11.1 Transformation durch Lie-Reihen 173 11.2 Ein Approximationslemma . . . . . . . . . 181 11.3 Fehlerabschätzungen für die Mittelwertmethode 184 11.4 Anwendungen .............. ...... 190 11.5 Fehlerabschätzung unter Benutzung einer Liapunov-Funktion 196 11.6 Ein Resonanzproblem . . . . . . . . . . . . 200 12 Invariante Mannigfaltigkeiten bei dissipativen Systemen ..... 207 12.1 Invariante Mannigfaltigkeiten für Abbildungen. ..... 207 12.2 Diflerenzierbarkeitseigenschaften der invarianten Mannigfaltig- keit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 12.3 Existenz invarianter Tori . . . . . . . . . . . . . 226 12.4 Anwendung .................. 235 13 Invariante Mannigfaltigkeiten bei Hamiltonschen Systemen 239 13.1 Einführende Betrachtungen, das Twist-Theorem 239 13.2 Der Beweis des Twist-Theorems ..... 246 13.3 Stabilität periodischer Lösungen ..... 268 Kommentare und Literaturhinweise zu Kapitel IV 284 Referenzliste . 286 ......................... Sacbverzeidmis 293 Einführung Gegenstand dieses Buches sind Systeme von gewöhnlichen Differential gleichungen (fortan DGI.-Systeme genannt), wie sie z.B. in der Technik und Physik, aber auch in der Biologie und Chemie oft vorkommen. Während die Frage nach der Existenz von Lösungen bei Anfangswertproblemen für gewöhnliche Differentialgleichungen vollkommen geklärt ist und zur appro ximativen Berechnung einzelner Lösungen wirksame numerische Methoden zur Verfügung stehen, erfordert die Beschreibung des qualitativen Verhaltens der Gesamtheit der Lösungen in jedem Fall gesonderte Untersuchungen. Die vollständige Diskussion der geometrischen Eigenschaften eines Systems ist ein hochgestecktes Ziel, das am ehesten noch für Probleme des folgenden Typs erreicht werden kann: Betrachten wir ein DGl.-System ;i = f(x) (1) (Hierbei ist x = (x1o' •• , xnl eine 1-kolonnige Matrix (welche wir aus Platzgründen als transponierte Zeile schreiben), f(x) = (/1(X), 12(X), ... , In (X»T eine auf einem Gebiet GeRn definierte Funktion mit Werten in Rn, von der wir voraussetzen, daß sie bezüglich x mindestens stetig differenzierbar ist; unter einer Lösung von (1) verstehen wir eine auf einem offenen Intervall I eR definierte Funktion x(t) mit Werten in Rn, die bezüglich t stetig differenzierbar ist und für die ;i(t) = dx(t)/dt = f(x(t», tEl, gilt). Nehmen wir an, für f(x) gelte eine Aufspaltung der Form: f(x) = g(x) + Ia(x), (2) wobei IIa(x)1 "klein" sei im Vergleich zu Ig(x)1 (I I bezeichnet eme Norm im Rn), und überdies könne das Verhalten des Systems ; = g(y) (3) ermittelt werden; ferner sei garantiert, daß die Lösungen von (1) und die jenigen von (3) für alle Zeiten "wenig" voneinander abweichen. Dann ist das Ziel erreicht. Die Mittelwertmethode, der dieses Buch gewidmet ist, kann als Algorithmus verstanden werden, der für gestörte schwingende Systeme eine Aufspaltung der Form (2) liefert. Bevor wir die Grundidee der Mittelwertmethode skizzieren, zeigen wir anhand einiger Beispiele ihren Anwendungsbereich. Beispiel 1 Betrachten wir das in Fig. 1 gezeigte Modell eines Fundaments, das durch die Asymmetrien eines auf dem Fundament gelagerten, gleichförmig drehenden Motors zum Schwingen angeregt wird. Die Auslenkung x gehorcht 2 Einführung Fig.l folgender DGI.: i = -(x + Bx3)-2Di+ A cos wt. Hierbei bedeutet die unabhängige Variable t die Zeit, -(x + Bx3) beschreibt die nicht -lineare Rückstellkraft der Feder, - 2Di die Reibung, A cos wt die durch den Exzenter bewirkte Anregung des Systems. Es soll vorausgesetzt werden, daß die Nichtlinearität, die Dämpfung und die Anregung klein sind. Um das auszudrücken, führen wir einen Störungsparameter e ein, indem wir B = eb, D = ed, A = ea setzen. Dann lautet die DGI.: i + x = e[ -2di - bx3 + a cos wt] ~f ef(wt, x, i) (4) Im Spezialfall e = 0 ist (4) die DGI. des harmonischen Oszillators x+x=O (5) Seine Lösungen x(t) = a cos cp, i(t) = -a sin cp, cp = t+ -& (6) (a, -& bezeichnen Integrationskonstanten) sind alle periodisch mit Periode 21T. Den zu e proportionalen Term in (4) bezeichnen wir als Störung, die DGI. (5) nennen wir das zu (4) gehörige ungestörte Problem. Man könnte an dieser Stelle vermuten, daß eine Aufspaltung im Sinne von (2), (3) möglich ist, einfach indem man e = 0 setzt, so daß das approximierende System (3) das ungestörte Problem (5) wäre. Es ist jedoch nicht wahr, daß die Systeme (4) und (5) für alle Zeiten dasselbe Verhalten zeigen. Beispielsweise besitzt die GI. (4) unter geeigneten Voraussetzungen einzelne isolierte periodische Lösungen; im Gegensatz dazu sind, wie wir schon festgestellt haben, sämtliche Lösungen von (5) periodisch. Für ein endliches Zeitintervall allerdings unterscheiden sich die Systeme (4) und (5) wenig, wie der folgende Satz über die stetige Abhängigkeit der Lösung eines DGI.-Systems von der rechten Seite zeigt. Seien x(t) bzw. y(t) Lösungen von (4) bzw. (5) mit: x(O) = y(O), i(O) = y(O). Dann gibt es zu jedem T>O Zahlen eo>O, k>O, so daß für tE[O, T], eE[O, eo] gilt: Ix(t)- y(t)l,,;;;; ke. Bevor wir zum nächsten Beispiel übergehen, wollen wir zeigen, daß das DGI.-System (4) durch Transformation der abhängigen Variablen auf eine für gestörte schwingende Systeme typische Form gebracht werden kann.
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