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Menschen ohne Geschichte sind Staub. Homophobie und Holocaust PDF

61 Pages·2021·0.597 MB·German
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https://doi.org/10.5771/9783835345201-1 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:29. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Anna Hájková Menschen ohne Geschichte sind Staub Homophobie und Holocaust https://doi.org/10.5771/9783835345201-1 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:29. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Hirschfeld-Lectures Herausgegeben von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Band 14 https://doi.org/10.5771/9783835345201-1 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:29. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Anna Hájková Menschen ohne Geschichte sind Staub Homophobie und Holocaust WALLSTEIN VERLAG https://doi.org/10.5771/9783835345201-1 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:29. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Wallstein Verlag, Göttingen 2021 www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond und der Myriad Umschlaggestaltung: Marion Wiebel, Friedland ISBN (Print) 978-3-8353-3769-5 ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-4520-1 https://doi.org/10.5771/9783835345201-1 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:29. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Geleitwort der Reihenherausgeberin In mehr als fünfzig lebensgeschichtlichen Interviews, die ich zwischen 2009 und 2014 für das Projekt Sprechen trotz allem als damaliger Mitarbeiter der Stiftung Denk- mal für die ermordeten Juden Europas mit Überlebenden des Holocaust führte, fragte ich nicht ein einziges Mal nach der sexuellen Identität, geschweige denn nach Homo- sexualität. Ich scheute mich nicht, einen Mann danach zu fragen, wie er es schaffte, aus einem Leichenhaufen von vor seinen Augen erschossenen Jüd_innen herauszukrab- beln, oder eine Frau um die detaillierte Beschreibung der Zustände innerhalb eines Viehwaggons auf dem Weg in ein Konzentrationslager zu bitten. Aber nach Liebe und Begehren im Konzentrationslager fragte ich nie. Wirklich bewusst wurde mir das allerdings erst, als ich – inzwischen wissenschaftlicher Referent der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld – von Anna Hájkovás Forschungen hörte. Das ist neben den konkreten Spuren von queerem Leben und Sterben, denen Hájková nachgeht, der blinde Fleck der Holocaustforschung: Von wenigen, äußerst vereinzelten Ausnahmen abgesehen, wurden die Geschehnisse in den Lagern und Ghettos aus heteronormativer Perspektive re- cherchiert, gedeutet und verstanden. Dass es jedoch auch an diesen Orten Menschen gegeben haben muss, die in heutiger Diktion als queer zu bezeichnen sind, ist schon statistisch mehr als wahrscheinlich. Anna Hájková geht es nicht darum, herauszufinden, ob einzelne Menschen homosexuell oder queer ›waren‹. Sie möchte vielmehr unseren Blick für Vorkommnisse, Hand- lungen, Beziehungsgeflechte, Abhängigkeitsverhältnisse und 5 https://doi.org/10.5771/9783835345201-5 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:56. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. textuelle Arrangements schärfen, uns sensibilisieren und dazu ermutigen, traditionelle Lesarten von vermeintlich ausgedeuteten Ereignissen oder kanonisierten Texten zu hinterfragen – zu queeren. Damit nimmt sie keiner Person ihre Geschichte, aber manchen gibt sie erst eine. Die 14. Hirschfeld-Lecture unserer Stiftung fand am 9.  Dezember 2019 im Auditorium der Universität Ros- tock statt. Durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Schließung von Archiven und Bibliothe- ken verzögerte sich die Drucklegung, und die Vortrags- fassung wurde von der Autorin weitgehend überarbeitet und erweitert. Für die Unterstützung bedanke ich mich bei der Universität Rostock, Dr. Ulrich Baumann (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas), Rabbiner Yuriy Kadnykov (Landesverband der Jüdischen Gemein- den Mecklenburg-Vorpommern), Lotte Hiller, Karolin Hansen und Christoph Behrens (alle AG Gender und Queer Studien der Universität Rostock) sowie den BMH- Kolleg_innen Liam Bley, Dr. Matti Seithe und Christine Welack. Daniel Baranowski Wissenschaftlicher Referent Kultur, Geschichte und Erinnerung 6 https://doi.org/10.5771/9783835345201-5 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:48:56. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Vorwort Eines der vielen Verdienste von Anna Hájkovás Arbeiten zum Holocaust ist ihr intersektionaler Blick auf die Ge- schichte. Bildlich gesprochen: Sie öffnet bisher verschlos- sene Schubladen und bringt deren Inhalte ans Tageslicht. Das ist für meine Arbeit bei einer Bundesstiftung, die laut ihrer Satzung zur würdigen Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus beitragen soll, erhellend und zu- kunftsweisend für die Gedenkstättenarbeit. Die folgenden, recht persönlichen Ausführungen sollen daher auch einen Teil meiner bisherigen kuratorischen Arbeiten kritisch be- leuchten. Vier nationale Denkmäler im Zentrum Berlins betreut unsere Einrichtung derzeit: das Denkmal für die ermorde- ten Juden Europas, das Denkmal für die verfolgten Homo- sexuellen, das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas sowie den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde. Diese Anlagen haben eine jeweils eigene Konflikt- und Entstehungsgeschichte, die hier für zwei der Orte noch einmal in Erinnerung gerufen werden soll. Das Vorhaben eines Holocaustdenkmals war durch eine Initiativgruppe um die Journalistin Lea Rosh und den His- toriker Eberhard Jäckel 1987!/88 aus der Taufe gehoben worden. Nach zwei Wettbewerben und langen öffentlichen Debatten fand der Entwurf eines Stelenfeldes (Peter Eisen- man!/!Richard Serra) im Jahr 1999 eine parlamentarische Mehrheit. Zuvor war noch ein Vorschlag der neuen rot- grünen Bundesregierung gescheitert, auf einem Teil der Denkmalfläche ein großes Holocaustmuseum zu errichten. Bei der Eröffnung des Denkmals im Mai 2005 betonte der damalige Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, 7 https://doi.org/10.5771/9783835345201-7 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:49:04. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. die jüdischen Orte der Trauer und des Gedenkens seien die historischen Tatorte. Er setzte auf die Wirkung des zeitgleich eröffneten Ortes der Information, der Daueraus- stellung unter dem Stelenfeld, »als unerlässliche Ergänzung des Denkmals«. Mit jährlich etwa 500"000 Besuchern und Besucherinnen (vor der Corona-Pandemie) ist dieser heute einer der wichtigsten Vermittlungsorte zu diesem Thema in Deutschland. Das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma hinge- gen entstand aus einem Akt der Selbstermächtigung. Ein- zelne Angehörige der Minderheit stellten in den 1990er Jahren mit Unterstützung von Nichtsinti immer wieder ein symbolisches Bauschild neben dem Reichstagsgebäude auf. Sie erreichten dann bei der Bundesregierung die Be- auftragung des Künstlers Dani Karavan zur Gestaltung des Ortes. Das Denkmal bleibt ein politischer Ort, auch unterschiedliche Standpunkte innerhalb der Minderheiten der Sinti und Roma werden hier sichtbar. Dies zeigte sich bei seiner Besetzung am 22. Mai 2016, der Sonntag nach dem jährlich begangenen »Tag des Romawiderstandes« (16.  Mai), als Aktivisten der gegen Abschiebungen von Roma ins Leben gerufenen Initiative »Alle bleiben!«, ge- flüchtete Familien und Angehörige der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die Anlage besetzten. Nach Rücksprache mit dem Bundestagspräsidenten als Kuratori- umsvorsitzendem der Stiftung und mit Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, die in der Haltung übereinstimmten, der Ort dürfe nicht politisch instrumentalisiert werden, wurde das Denkmal noch in der Nacht polizeilich geräumt. Augenscheinlich wurde in den letzten drei Jahrzehnten in der deutschen Hauptstadt viel für die Sichtbarmachung der Verbrechen des Nationalsozialismus erreicht. Anstelle eines von manchen Stimmen geforderten gemeinsamen 8 https://doi.org/10.5771/9783835345201-7 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:49:04. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Mahnmals für alle Opfer des Nationalsozialismus sind nun getrennte Erinnerungsorte entstanden. Ihre Durchsetzung ist eine politische Erfolgsgeschichte. Einige Verfolgten- gruppen und jene, die sich ihnen verbunden fühlen, haben nun eigene Identifikationsorte. Andere kämpfen nach wie vor für diese Form der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Nur zwei der vier Gedenkanlagen weisen allerdings ein größeres Informationsangebot zu den historischen Zusam- menhängen auf. Es handelt sich um das Holocaustdenk- mal bzw. den bereits erwähnten Ort der Information und den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der »Eu- thanasie« in der Tiergartenstraße. Nur bei diesen beiden konnte die Stiftung inhaltlich überhaupt mitreden. Inter- sektionale Brechungen alter Sichtweisen auf die Verfolgten, so wie sie Anna Hájková immer wieder einfordert, sind bisher nur schwach präsent. Sie finden sich am ehesten noch in der Tiergartenstraße  4, wo die Darstellung der »Rassenhygie ne« breiten Raum einnimmt und wo mit dem Kurzportrait von Mary Pünjer an eine Frau erinnert wird, die aus einer jüdischen Familie stammte und unter der Kategorie »asozial« in das KZ Ravensbrück verschleppt wurde. Nach Darstellung der Verfolgungsbehörden hatte sie lesbische Lokale besucht und Zärtlichkeiten mit einer Frau ausgetauscht. Sie wurde 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet. Der gut zehn Jahre zuvor entwickelte Ort der Informa- tion beim Holocaustdenkmal weist zwar sehr viel mehr Ausstellungsfläche auf, orientiert sich aber an einem re- duzierten inhaltlichen Raumprogramm. So zeigt er im Eingang eine multiperspektivische Ereignisgeschichte des Holocaust, verzichtet dabei jedoch auf eine Darstellung des Antisemitismus in Deutschland und Europa. Dies ist auch dem damaligen Ringen um die Tiefe des Informati- onsangebotes geschuldet, das an diesem Ort gezeigt wer- 9 https://doi.org/10.5771/9783835345201-7 Generiert durch Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, am 10.08.2021, 11:49:04. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.

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