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Mein Chef Gorbatschow. Die Wahre Geschichte eines Untergangs PDF

200 Pages·2016·1.24 MB·German
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Impressum ISBN eBook 978-3-360-50052-6 ISBN Print 978-3-360-02168-7 © 2013 Verlag Das Neue Berlin, Berlin Titel der russischen Originalausgabe: Главный свидетель. Дело о развале СССР, Moskau: Algoritm 2012 Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin, unter Verwendung eines Motivs von ullsteinbild – Nowosti Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe. www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de www.LuL.to Nikolai Ryschkow MEIN CHEF GORBATSCHOW Die wahre Geschichte eines Untergangs Aus dem Russischen von Albert Duda Das Neue Berlin Vorwort Im Dezember 1991 zerfiel die UdSSR endgültig. In den Jahren danach wuchs eine neue Generation russischer Staatsbürger heran, für die diese Ereignisse so weit in der Vergangenheit zurückliegen wie vielleicht die Oktoberrevolution 1917 oder sogar die polnische Intervention zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Diese neue Generation, die im Vergleich zu den Generationen vorangegangener Jahre auf die Hälfte geschrumpft ist, trat ins Leben in einem schwer gezeichneten, mit unerhörter Korruption, Leid und Lügen belasteten Land. Der heutige Kampf der Parteien um die Macht hat sie zum Spielball von Politikern gemacht und bringt sie auf die Straßen. Sie tragen das Zeichen »naschi« (»Unsere«) auf ihrer Kleidung oder auf Transparenten – als gäbe es auch noch »nje-naschi« (»Nicht Unsere«). In Marschkolonnen herumziehend und sich wie Narren aufführend erlernen Studenten und Schüler ihre »aktive« staatsbürgerliche Haltung. Eine einzige Farce! Wenn man sie so sieht, kommt einem unwillkürlich die Demonstration der Hunderttausend auf dem Manegeplatz am 16. September 1990 auf dem Höhepunkt der »Perestroika« in den Sinn. Das waren erwachsene und gebildete Jelzin-Anhänger aus den Wissenschaftszentren in der Umgebung von Moskau. Mehr Bildung und Klugheit geht nicht! Aber wie verrückt geworden zerrissen und zertrampelten sie in einer allgemeinen Psychose die zuvor verteilte Sondernummer der Prawda mit dem Artikel eines italienischen Journalisten über die Ausfälle des betrunkenen Boris Jelzin in Amerika. Ihr Abgott in der Toga des Vaters der Demokratie, ihre Lichtgestalt, der makellose Name des neuen Führers nahm ihnen die Sicht für alles, sie waren nicht imstande, irgendeine andere Wahrheit anzunehmen. Der Prawda-Redakteur wurde wenige Tage später entlassen. Die Aufschreie der Redner und das dumpfe Gedröhn der elektrisierten akademischen Willensbekundung habe ich bis heute als extrem vulgär im Ohr, obwohl ich sowohl davor als auch danach im Kongresspalast des Kremls und auf den Straßen mehr als genug davon zu sehen und zu hören bekam. Wir – Wassili Below, Wladimir Krupin und ich – waren auf dem Manegeplatz in Begleitung mehrerer kräftiger Burschen, die unseren Schutz übernommen hatten, falls wir erkannt und als Feinde behandelt werden sollten. Wir hatten diesen Begleitschutz erst als überflüssig abgelehnt, aber … »für alle Fälle«, sagte man uns und duldete keinen Widerspruch. Später, im September 1991, als sich der Kongress der Volksdeputierten selbst aufgelöst hatte, verließ ich, erleichtert darüber, dass meine Teilnahme daran ein Ende hatte, den Kreml durch das Spasski-Tor. Da stürzte sich eine Meute aufgebrachter Frauen auf mich. Sie hätten mich glatt zu Boden gerissen, aber gerade noch rechtzeitig kam Hilfe. Ich erinnere an diese Vorfälle, um die Atmosphäre und den Irrsinn jener »verfluchten Tage« zu verdeutlichen. Wahrhaftig: Wen der Herr strafen will, dem nimmt er den Verstand. Nikolai Iwanowitsch Ryschkow spricht in seinem Buch nur nebenbei und auch nur vorsichtig über die negative Rolle, die der Kongress der Volksdeputierten bei den Ereignissen dieser Jahre gespielt hat. Als Abgeordneter dieses »Organs der Volksherrschaft«, der bei keinem der Kongresse und bei keiner Sitzung gefehlt hat, kann ich es deutlich sagen: Der Boden war bereitet für den teuflischen Geist, der dieses »Denken« säte. Vor allem in den großen Städten und nationalen Randgebieten – die zweiwöchige Übertragung des Ersten Kongresses im Mai/Juni 1989 verbreitete überall den Geist zügellosen Hasses. Unsere »Revolutionäre« waren darauf bestens vorbereitet und hatten ihre Rollen genau einstudiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die blutig niedergeschlagenen Aufstände in Tbilissi, anderthalb Monate vor dem Kongress, provoziert und zeitlich abgestimmt waren, kamen sie dem hasserfüllten Angriff auf die Unionsmacht doch sehr entgegen. Im ganzen Land wurde sichtbar, dass die Macht schwach und zu Zugeständnissen bereit war. Tbilissi, der Kongress und gleich danach im Juni das Gemetzel in Fergana, dann im Januar 1990 das noch schrecklichere Massaker in Baku und schließlich die Provokation durch »Entflohene aus dem Völkergefängnis« am Fernsehturm in Vilnius mit Waffeneinsatz und Toten. War dieser blutige Gürtel um Russland etwa zufällig entstanden? Auf den Sitzungen des Kongresses herrschte unbeschreibliche Primitivität. Der Sieg in einer ungerechten Sache erfordert nicht nur Unmoral und Schamlosigkeit, sondern auch Torheit. Was war das dort für eine Demokratie, was für eine zivilisierte Diskussion! Abgeordnete vereinigten sich in den interregionalen Gruppen wie in Kampfgruppen, waren berauscht von ersten Erfolgen und stießen nicht auf ernsthaften Widerstand. Unterstützt von bekannten und heimlichen Feinden Russlands im Ausland stürmten sie ans Mikrofon, beleidigten die Anwesenden und wandten sich mit ihren Statements eher an die Fernsehkameras als an den Saal. Andere ließen sie gar nicht erst zu Wort kommen. Auf diejenigen, in denen sie eine Gefahr für sich sahen, die ihrem zerstörerischen Enthusiasmus widerstanden – darunter Nikolai Iwanowitsch Ryschkow, Jegor Kusmitsch Ligatschow und Armeegeneral Igor Rodionow –, stürzten sie sich wie rasende Köter mit erfundenen Beschuldigungen, machten schamlos falsche Aussagen, lieferten Szene für Szene im Stil des Psychoterrors. All das erfasste auch die Provinz, wo sie mit der gleichen Taktik vorgingen. Am Ende nahmen sie sich die Macht und wurden zu Russlands neuen Herren. Wie sie Russland herunterwirtschafteten, ist bekannt – bis jetzt sind wir aus dieser Ohnmacht nicht erwacht. Als sich die neuen Herren 1993 nach der Beschlussfassung des Weißen Hauses1 im Kreml versammelten, um ihren vermeintlichen Wahlsieg zu feiern, schrie einer ihrer Schamlosesten, der Schriftsteller Juri Karjakin, in die Kamera: »Wie bist du verblödet, Russland!« Und das heruntergekommene, halbtote Land begann, ein ganz klein wenig zu sich zu kommen, gegen die ihm aufgebürdete Rolle einer Närrin aufzubegehren. Nikolai Iwanowitsch Ryschkow war kein Verteidiger der alten Ordnung und des Systems, das seine verschlissenen Schwungräder nur noch mit Mühe in Bewegung hielt. Er plädierte für den allmählichen, möglichst reibungslosen Übergang zur modernen Wirtschaft. Wäre das Regierungsprogramm von Ryschkow zur Umstellung auf die Marktwirtschaft innerhalb der nächsten sechs bis acht Jahre – nicht in 500 Tagen, wie es die Hochstapler forderten – angenommen worden, wäre das seiner Stützpfeiler beraubte, schwergewichtige Staatsgebäude sicher nicht zusammengebrochen und hätte nicht Millionen Leben unter sich begraben. Wie kein anderer hat Nikolai Iwanowitsch ein Recht auf dieses traurige Erinnerungsbuch. Nicht nur das, er ist sogar verpflichtet, es zu schreiben. Für das Vorgefallene hat er sich keinerlei Vorwürfe zu machen. Michail Gorbatschow lavierte, war bemüht, es diesen und jenen mit unvereinbaren Auffassungen recht zu machen. Eduard Schewardnadse sympathisierte insgeheim, Alexander Jakowlew sogar offen mit den Verderbern und half ihnen. Ligatschow musste sich gegen falsche und unverschämte Beschuldigungen verteidigen und war zeitweilig seiner aktiven Rolle beraubt. Nur Ryschkow betrat wieder und wieder die öffentliche Bühne und rief zur Vernunft auf, solange es noch nicht zu spät war. Bei den interethnischen Konflikten (die bereits zu blutigen Auseinandersetzungen ausarteten) war Ryschkow mitten in der Hölle dabei. In Fergana entriss er hunderte, ja tausende Meskheti-Türken dem Tod und brachte sie per Flugzeug nach Russland. In Baku organisierte er dringende Luft-und Landtransporte mit geretteten Armeniern und Russen. Die tragischen Ereignisse Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre werden in diesem Buch auf ihre Ursachen zurückgeführt. Vom Zerfall des Unionsstaates hat niemand profitiert, es gibt keinen Frieden und keinen Wohlstand, weder im Kaukasus noch im Baltikum, weder in der Ukraine noch im asiatischen »Unterleib«. Bei den einen finden wir Dünkel, Prahlerei und die damit verbundene Kraftlosigkeit. Andere sind vor dem Westen auf die Knie gefallen, zu kleinkarierten Vasallen geworden, denen erst noch bevorsteht zu spüren, was all das bedeutet. Und Dritte können ihr wahres Gesicht noch immer nicht finden. Valentin Rasputin, Moskau 2012 Regierungsgebäude der Russischen Föderation am Krasnopresnenski-Ufer in Moskau. 1 Teil I: Stagnation und wachsende Spannungen Bekanntlich gibt es auf der Welt keinen besseren Lehrmeister als das Leben selbst. Es zeigt, wohin sogenannte demokratische Veränderungen tatsächlich geführt haben, vor allem bezüglich der sozioökonomischen Situation von Millionen Menschen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich viele immer häufiger fragen: War die Perestroika überhaupt erforderlich, war sie historisch notwendig und unvermeidbar? Es verwundert auch nicht, dass viele sich respektvoll an die sowjetische Vergangenheit erinnern – nicht besonders reich war sie, aber mit dem garantierten Recht auf Arbeit, Erholung, Bildung, medizinische Behandlung, Ausstattung mit sozialen Rechten usw. Die Menschen haben am Ende gemerkt, dass sie von den »Demokraten« bitter betrogen wurden und sich deren blumige Versprechen eines baldigen paradiesischen Lebens wie Morgennebel auflösten. Andere dagegen, ein bedeutend kleinerer Teil der Bevölkerung, haben alles bekommen, selbst das, wovon sie nicht einmal zu träumen gewagt hatten. Faktisch geschah das durch unverfrorene Ausplünderung der Mehrheit. Meine Position zur Perestroika war und bleibt unverändert: Jedes gesellschaftliche System ist hinreichend stabil, wenn es sich allseitig entwickelt und dabei ständig auf neue Anforderungen der Zeit reagiert. Stagnation ist das erste Anzeichen seines Verfalls, des herannahenden Untergangs. Eben deshalb war die Reformierung der sowjetischen Gesellschaft notwendig und unvermeidlich. Sicher hätte sie einige Jahrzehnte eher beginnen müssen, unter für diesen komplizierten Prozess ungleich günstigeren ökonomischen, sozialen und sonstigen Bedingungen. Aber sie begann bekanntlich erst im Jahr 1985, und ihr Weg war weniger von Rosen als von Dornen besät. Von der Tragödie der »Perestroika« und ihrer Architekten – ich stand im Brennpunkt der Ereignisse jener Jahre –, von der ungeheuren Tragödie unseres Volkes möchte ich erzählen. Zunächst will ich jedoch kurz darüber berichten, was damals in den grundlegenden Lebenssphären wirklich geschehen ist und wie es von den destruktiven Kräften für ihre eigenen Ziele ausgenutzt wurde, so dass die Spannungen in der Gesellschaft schnell zunahmen. 1. Wirtschaft Es lässt sich nicht leugnen, dass die Regierung mit der Reformierung des Landes

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Berlin: Neue Leben, 2013. Перевод: Альберт ДудаOriginaltitel: Главный свидетель. Деле о развале СССР.Nikolai Ryschkow, sowjetischer Ministerpräsident unter Gorbatschow, hat den Untergang der UdSSR aus nächster Nähe miterlebt. Aus dieser Perspektiv
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