ebook img

Mein Arbeitstag, mein Wochenende : Arbeiterinnen berichten von ihrem Alltag 1928 PDF

285 Pages·1991·12.472 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Mein Arbeitstag, mein Wochenende : Arbeiterinnen berichten von ihrem Alltag 1928

«Mein Arbeitstag - mein Wochenende» Arbeiterinnen berichten von ihrem Alltag 1928. Neu herausgegeben J von Alf Lüdtke Ergebnisse Verlag ft CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek «Mein Arbeitstag - mein Wochenende» : Arbeiterinnen berichten von ihrem Alltag 1928 / neu hrsg. von Alf Lüdtke. -1. Aufl. - Hamburg : Ergebnisse Verl., 1991 ISBN 3-87916-002-3 NE: Lüdtke, Alf [Hrsg.] Ergebnisse Verlag GmbH Abendrothsweg 58, 2000 Hamburg 20 Umschlagentwurf: Christian Bartholl Druck und Repro: Bartels Druck, Lüneburg ©Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 1991 Inhalt Alf Lüdtke Vorwort VII Erwerbsarbeit und Hausarbeit. Arbeiterinnen in den 1920er Jahren. Zur Einleitung von «Mein Arbeitstag - mein Wochenende». IX «Mein Arbeitstag - mein Wochenende» Faksimile der Ausgabe von 1930 1 Isolde Dietrich Frauen in der Männerwelt Fabrik 234 Vorwort In den letzten Jahren haben die Texte, die das Arbeiterinnensekretariat des «Deutschen Textilarbeiter-Verbandes» 1930 über «Mein Arbeitstag - mein Wochenende» veröffentlichte, zunehmendes Interesse gefunden. Aufmerk­ sam wurden zuerst die wenigen, die sich den Alltagen von Arbeitern zuwandten. Ihnen machten diese Äußerungen von Arbeiterinnen unmißverständlich klar, wie rigoros die männliche Form «Arbeitergeschichte» beides ausblendet: die Arbeiterinnen und die Frauenarbeit, die Männer genutzt oder beansprucht haben. Mittlerweile werden die Beziehungen der Geschlechter mehr und mehrzum Bezugspunkt, wenn vergangene wie gegenwärtige Frauen- und Männerwelten ins Blickfeld rücken. Die Texte der namenlosen Textilarbeiterinnen von 1928 bzw. 1930 handeln von Frauenerfahrungen. Genaueres Lesen zeigt aber rasch, wie sehr diese Erfahrungen auf Männerherrschaft, also auf Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verweisen. Texte wie diese zeigen eine bestimmte historische Situation. Damit bieten sie eine unerläßliche Voraussetzung, Fragen nach Veränderung wie nach Kontinuität von Lebenschancen und Lebenswei­ sen angemessener zu stellen: im Blick auf die Bedürfnisse der Menschen. Die Text-Sammlung «Mein Arbeitstag - mein Wochenende» ist nur in we­ nigen Bibliotheken greifbar. Deshalb schien dem Verlag und mir eine Neu- Edition dringlich. - In einer Einleitung wird das Umfeld in einigen Aspekten ausgeleuchtet. Daneben bot sich die Chance, den Blick auf das zweite Hauptfeld von Frauenarbeit in der Fabrik zu werfen, die Elektroindustrie. Eine Sammlung von Briefen, die ehemalige Arbeiterinnen und Arbeiter der Osram GmbH Kommanditgesellschaft Berlin - auf Aufforderung durch das Unternehmen - 1938 über ihre Arbeit geschrieben haben, bot dazu eine seltene Chance. Isolde Dietrich (Humboldt-Universität, Berlin) hat sie im Stadtarchiv Berlin gefun­ den, transkribiert und in einem hier beigegebenen Aufsatz interpretiert. Für die nachdrückliche Unterstützung dieser Edition danke ich Dietrich Lüders vom «Ergebnisse» Verlag und Klaus Priegnilzvon der Gewerkschaft Textil- Bekleidung, Düsseldorf. Alf Lüdtke, Göttingen im März 1991 VII Il Èn/ •' : ÿfeif .» • #HP¡ ld 'T W?f V Í..-. «Hti tWU'ï ’ Alf Lüdtke Erwerbsarbeit und Hausarbeit: Arbeiterinnen in den 1920er Jahren. Zur Einleitung von «Mein Arbeitstag - mein Wochenende» Preisausschreiben - Mittel gewerkschaftlicher Agitation ? In der letzten Juliwoche 1928 veröffendichte die Beilage zum «Textil-Arbeiter» ein Preisausschreiben freien», also des sozia- listisch-sozialdemokratischen «Deutschen Textilarbeiter-Verbandes» (DTAV) forderte «hiermit die Kolleginnen auf, einmal wahrheitsgetreu und ausführlich den Verlauf eines Arbeitstages und eines Wochenendes (Sonnabendnachmittag und Sonntag) zu beschreiben (Hervorhebung im Orig.)»1. Das Sekretariat bat, «ge­ naue Einzelheiten» vor allem über drei «Verpflichtungen» mitzuteilen: die der «Hausfrau (Haustochter), Mutter, Arbeiterin». Tagesläufe und Zeiteinteilun­ gen sollten berichtet werden; aber auch Wohnungs- und Verkehrsverhältnisse, Einkaufsmöglichkeiten und Kinderversorgung wurden erfragt. Ausführlich­ keit war erwünscht-sie schien unerläßlich, sollten die Schilderungen «der Wirk­ lichkeit entsprechen» und als «wahrheitsgetreu» einleuchten. Den Schreiberinnen wurden fünf Wochen eingeräumt; zum 1. September sollten ihre Texte den beiden Arbeiterinnensekretärinnen2, Emma Ritsche und Elsa Krummschmidt, vorliegen. Dabei hatte jede Einsenderin auf einem «be­ sonderen Blatt» vom «zuständigen Vertreter der örtlichen Verbandsgeschäfts­ stelle» die Angaben zur Person, vor allem die «Verbandsmitgliedschaft» beglau­ bigen zu lassen. Wie es sich für ein Preisausschreiben gehört, waren Preise aus­ gesetzt. Der erste Preis betrug 15 Reichsmark sowie ein Buch; für den zweiten waren 10 Reichsmark und ein Buch vorgesehen, für den dritten 5 Reichsmark und ein Buch. Überdies sollte es 12 weitere Buchpreise geben. Gedacht war an «brauchbare Frauenbücher», zum Beispiel «Dr. Erna Meyer: Der neue Haushalt». IX Einen Monat später, am 31. August, kam der «Textil-Arbeiter», die Wochenzei­ tung des DTAV, auf das Preisausschreiben zurück: Der Einsendeschluß sei bis zum 15. September verlängert worden. Ganz offenbar war bis dahin die Reso­ nanz eher mäßig. Den Arbeiterinnensekretärinnen oder auch der Redaktion des «Textil-Arbeiters» schien es unerläßlich, der Neugier und dem Interesse der Kolleginnen nachzuhelfen. Ein fiktives Gespräch mochte anspornen. Was hat­ ten sich einige gedachte Kolleginnen in der Mittagspause im «SpeTsesaal der Textilfirma Garn, Stoffe und Farbe» zu sagen? Zunächst ging es um Zweifel an der Form. Gewiß, ein Preisausschreiben in der Gewerkschaftszeitung war unge­ wohnt. Es sei aber wichtig, auch die zum «Nachdenken, zur Mitarbeit» anzure- gen^diesonst «bürgerlich »-kom Tn erziel le Illustrierte bevorzugten3. Insofern sei auch ein «bürgerliches Reklamemittel» in dieser «proletarischen Zeitung» durchaus gerechtfertigt. Würden sich aber nicht «Hinz und Kunz» um einen Preis bewerben ? Dem stünde entgegen, daß die jeweilige Ortsverwaltung die Gewerkschaftsmitgliedschaft bestätigen müßte. Vielleicht plagten manche In­ teressentin auch ganz andere Sorgen ? «Anna», die Erklärerin in dem fiktiven Gespräch, suchte zu beruhigen: Weder «Schreibfehler» noch «schlechte: Schrift» oder «mangelhafte [s] Papier» würden bei der Beurteilung eine Rolle spielen. Diejenigen, die sich vielleicht über die 15 Mark für den 1. Preis, über­ haupt über die Geldsummen gewundert hatten, wurden von «Frieda, Martha und Klara» daran erinnert: «Das ist bei Kurzarbeit unser ganzer Wochenver­ dienst»4. Und den meisten mußte nicht erst gesagt werden, daß der Bruttowo­ chenlohn eines-männlichen! - Textilfacharbeiters bei 35 bis 40 Mark lag3. Aber das Ziel wäre ja auch nicht, materielle Sehnsüchte zu befriedigen. Jedenfalls sei der Vorteil, daß 15 oder 5 Mark nicht «zum unnützen Gebrauch» verführten. Freilich, entscheidend sei auch nicht die Preissumme, sondern die «verdien­ te Anerkennung» und die «kleine Entschädigung für aufgewandte Mühe». Wer schreibe, würde es gewiß nicht «des Geldes wegen» tun. Im Vordergrund stünde doch der Zweck - «Millionen erwerbstätiger Frauen zu helfen». Die schon ge­ nannte «Anna» hob hervor, daß «unsere Preisaufgabe Mittel zum Zweck, sogar zu einem sehr edlen, sehr wichtigen Zweck» sei. Denn aus den Schilderungen würden Forderungen zum Abbau von Wohnungsnot, zur Regelung von Arbeits­ zeit und Arbeitspausen, zur Neufassung des Arbeitsschutzes abgeleitet werden. Deshalb sei es dringlich, «gerade die Bedrücktesten, die von der Not fast zum Schweigen gebrachten Kolleginnen zum Reden zu bringen». Entscheidend sei «persönlich geschildertes Leid»; nur damit lasse sich «vielleicht noch die Gleich­ gültigkeit der Öffentlichkeit und die mangelnde Einsicht derer zu beseitigen, die über eine Linderung jener Not zu befinden haben». Mitte September waren schließlich 158 Einsendungen eingetroffen. Die Ar­ beiterinnensekretärinnen verbargen ihre Enttäuschung nicht. Noch nicht ein- mal jede Tausendste der 172 600 Frauen, die der DTAV in seinen Reihen regi­ strierte, hatte geschrieben. Diese niedrige Zahl sei durchaus ein «Mangel» (Tex- til-Arbeiter, 21. Dez. 28). Dennoch aber hielt das Sekretariat fest, daß die «Antworten... allesamt die allgemeinen Verhältnisse wiedergeben und sie erset­ zen durch ihren Inhalt vielfach das, was durch die Menge von uns erhofft wurde»6. - Emma Ritsche und Elsa Krummschmidt hoben in diesem ersten Bericht besonders hervor, daß die Frauen, die sich hier gemeldet hatten, im Durchschnitt in Haushalt und Betrieb 13 3/4 Stunden arbeiteten. Belegt würde, daß Frauenleben bestimmt sei vom «Schuften, schuften, schuften - und niemals wissen warum !»7 Anderthalb Jahre später, im Sommer 1930, legte das Arbeiterinnensekreta­ riat eine «Broschüre» mit 150 der Texte 8 vor: Sie wird hier als Faksimile erneut herausgebracht. Daß die Texte veröffentlicht werden könnten, war im Preisaus­ schreiben nicht angekündigt worden.-Einige Monate danach brachte die Bei­ lage zum «Textil-Arbeiter» (14. Nov. 1930) eine Reihe von positiven Stellung­ nahmen zum Erscheinen der Textsammlung. Sie reichten vom Lob einer lo­ kalen Arbeiterinnen-Kommission über zustimmende Briefen einzelner Ge­ werkschafterinnen und Rezensionen aus gewerkschaftlichen Zeitungen bis zu Anerkennungsschreiben von «Autoritäten», hier dem «Landesgewerbearzt» Dr. Teleky, einem arbeitsmedizinischen Gewährsmann der freien Gewerkschaften. Sozialpolitik als Frauenpolitik ? Die Einsendungen der Textilarbeiterinnen sollten sozialpolitische Forderun­ gen begründen und rechtfertigen. In diesem Sinne formulierte das Arbeiterin­ nensekretariat das «Nachwort» der Broschüre von 1930 (5. 217-227d. Orig.). Freilich - diese Zuordnung verschwieg oder überging, daß es Sozialpolitik in frauenpolitischer Absicht und Zuspitzung war. Zunächst die Hauptpunkte der Argumentation; sie sollen anschließend in den Zusammenhang frauenpolitischer Ansätze und Praxis der (Textil-) Gewerk­ schaften gestellt werden. Zentral war die Ausgangsthese: Es zeige sich überdeutlich «die Tragik im heutigen Arbeiterinnenleben». Die Frauen sähen sich nicht nur zwischen zwei Anforderungen; vielmehr erlebten sie einen mehrschichtigen Konflikt «zwi­ schen dem Ich, der Wirtschaftsfunktion und der Gattungsaufgabe». Es folgten plastische Zitate. Sie variierten die Gleichzeitigkeit von unausgesetztem Sich- Abmühen und ebenso unausgesetztem Gefühl des Versagens, des Ungenügens vor allem gegenüber Mann und Kindern. Vorausgesetzt war ein Frauenleben, in dem Erwerbsarbeit, Heirat und Kinder das <Normalmaß> bestimmten.Jeden- falls höre für diese Frauen der «mühe- und sorgenvolle Trott» nie auf, verkürze XI ihr Leben, führe aber auch zu Unzufriedenheit in Familie oder Haushalt. Quälend fühlbar würden die Grenzen des «rastlosen» Sich-Plagens Tag für Tag -wenn zum Beispiel an den sechs Wochentagen «jahrein, jahraus fast nur ge­ wärmte und zusammengekochte Speisen» auf den Tisch kommen. Es sei nur zu verständlich, daß nicht wenige der Frauen forderten: «Eine Arbeit muß ver­ schwinden!» Und für die beiden Arbeiterinnensekretärinnen war auch «erklär­ lich», daß die meisten damit «die Erwerbsarbeit meinen». In diesem Punkt folgten Emma Ritsche und Elsa Krummschmidt ihren Ge­ währsfrauen freilich nicht. Die beiden Funktionärinnen räumten ein, daß die Forderung vieler Frauen zwar dem Prinzip des Männer-Familienlohnes folgte. Übersehen würden jedoch dessen strukturelle wie konjunkturbedingte Unsi­ cherheiten - diese aber machten die «Mitarbeit» der Frauen immer wieder unabdingbar. Schlecht bezahlte Frauen könnten erst recht keine Familienlöh­ ne erbringen. Niedrige Frauenlöhne wären also kein Mittel, ein stetiges Fami­ lieneinkommen zu sichern, wenn etwa der angebliche Alleinernährer er­ werbslos werde. «Frauenlöhne», die um «ein Bedeutendes» - in der Regel um ein Drittel 9 - unter den «Männerlöhnen» lägen, erleichterten aber auch den Unternehmern einen «Sonderprofit». Unerläßlich sei also für Frauen und Männer: «Weg mit der Minderbezahlung von Frauenleistung». Die Forderung «gleicher Lohn für gleiche Leistungen» müsse «tarifpolitischer Grundsatz», werden. b. Die zweite Hauptforderung richtete sich an staatliche und kommunale Politik. Es komme darauf an, Arbeitsschutzmaßnahmen einzuführen (z.B. für Schwangere) oder zu erweitern und vor allem nachdrücklicher zu kontrollie­ ren, Arbeitszeit- und Pausenregelungen zu verbessern (etwa den freien Sams- tagnachmittagvorzuschreiben^Darüberhinausmüssevielesgetan werden, um die Wohnverhältnisse zu heben. Aber auch der Dienstleistungsbereich sei durch öffentliche Leistungen so zu gestalten, daß die Frauenbelastung vermindert würde. c. Es folgte ein Forderungspaket, das «nach innen» zielte, auf die Arbeiterbe­ wegungen selbst. So wären die zeitlichen Belastungen beim täglichen Einkauf! erheblich zu vermindern: Konsumgenossenschaften müßten «Dienst am I Kunden» betreiben, also das Arbeiten der Konsumenten (um den Konsum zu ermöglichen) erleichtern, z.B. durch Bestellmöglichkeiten, Lieferungen nach Hause oder fahrbare Läden. Maschinengenossenschaften könnten Staubsau­ ger oder elektrische Nähmaschinen für die Haushalte zur Verfügung stellen - wesentliche Mittel zur «rationellen Haushaltsführung», wie sie danach auch und gerade in Arbeiterhaushalten angestrebt werden sollte. Verbesserungen müßte es freilich ebenfalls im «Organisationsleben der ge­ samten Arbeiterbewegung» im engeren Sinn geben. Stets wäre davon auszuge­

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.