Für Ella Luise Inhalt Weltverbesserer gesucht 1. Freier, als du denkst 2. Von der Last der Erwartungen 3. Der Bauplan der Welt 4. Gerechtigkeit als Leitbild 5. Mut zum Frieden 6. Respekt vor der Schöpfung 7. Jedes Kind ein Wunder 8. Von der Würde des Sterbens 9. 9. In guten wie in schweren Tagen 10. Das ist unser Land Zehn Ermutigungen für Weltverbesserer Im Anschluss an den Kirchentag in Dresden war ich am 19. Juni 2011 in die Talkshow „Anne Will“ eingeladen; das Thema war „Gutmenschen“. Ich habe die Einladung angenommen, weil mich schon lange beschäftigt, dass Begriffe wie „Gutmensch“ und „Weltverbesserer“ so abschätzig verwendet werden. Ja, sollen wir denn alle „Bösmenschen“ und „Weltverschlechterer“ werden oder neudeutsch: Realisten? Die Sendung war dann ziemlich anstrengend. Der FDP-Politiker Martin Lindner erklärte, ich suggeriere, es gäbe klare (?) Lösungen, „die einfach so von Laien auf der Straße nachvollzogen werden könnten“. Als ich sagte, dass „Selig sind, die reinen Herzens sind“ nicht von mir stamme, sondern aus der Bibel, konterte er: „Das muss dann auch Bibel bleiben und darf nicht den Anspruch erheben, reale Politik zu machen.“ Ähnlich argumentierte der Medienphilosoph Norbert Bolz, der sagte: „An Gutmenschen stört mich nichts, solange das privat bleibt.“ Raus aus den Mauern Der „Tagesspiegel“ kommentierte am 20. Juni 2011: „Es ging erst um Margot Käßmann, dann um Winfried Kretschmann, dann wieder um Margot Käßmann. Um Haltungen, Haltungsnoten. Für die Abteilung Attacke hatte sich Will den FDP-Politiker Martin Lindner und den Medienphilosophen Norbert Bolz an die Seite geholt. Lindner erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen, er schimpfte, dass die Käßmänner dieser Welt die Pragmatiker der Politik belächeln, wenn nicht verunglimpfen. Die sollen die ‚Drecksarbeit‘ machen, über die andere im Engelsflug hinwegschweben. Bolz verriet am Anfang seine Klugheit, als er den Kirchenleuten wie Käßmann dringend empfahl, ihre Ratschläge, Kommentare, Bauanleitungen fürs Weltgeschehen hinter den Mauern der Kirche zu belassen. Derartiger Unsinn konnte, musste die ehemalige EKD-Vorsitzende lächeln lassen …“ Das Lächeln fiel mir allerdings schwer. Denn die Attacke empfand ich als heftig. Ich respektiere Politikerinnen und Politiker, wenn sie erkennbar darum ringen, Lösungen für Herausforderungen unserer Zeit zu finden, die sie vor den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch vor ihrem eigenen Gewissen verantworten können. Mir ist klar, dass es da auch Kompromisse geben muss, und mancher Kompromiss ist nicht faul, sondern sehr fleißig errungen. Und dabei gilt: Wer im Hinterkopf hat, was die Bergpredigt als Kontrastgesellschaft beschreibt, nämlich dass die Barmherzigen, die Armen, die mit der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden „selig“ gepriesen werden, wer ein Bewusstsein dafür hat, dass wir Salz der Erde und Licht der Welt sein sollen, gestaltet anders, hat besondere, durch lange Tradition bewährte Maßstäbe, die ihn oder sie leiten. Da geht es nicht zuerst um Sicherheit, Wachstum, Mehrheiten, sondern um Solidarität, den Blick auf die Schwachen, die Suche nach Zukunftschancen für die Jungen. Aber was soll die Aufforderung, Christinnen und Christen, insbesondere kirchliche Amtsträgerinnen und Amtsträger, sollten hinter Kirchenmauern bleiben? Glauben findet nicht im Abseits statt. Wie wir leben, im Alltag, in Familie, Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft, darin bewährt sich unser Christsein. Wir fühlen uns aufgefordert, den Mund aufzumachen für