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medien & zeit 3/2001 – Comic PDF

76 Pages·2014·6.63 MB·German
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ISSN 0259-7446 ÖS 60 - medien Kommunikation in Vergangenheit und Gegenwart Thema: Comic Comics und das Prinzip Bildgeschichte On the Language of Comics and the Reading Process Populärkultur und Kongo „façonner la façon même" - Die Gestalt selbst gestalten Comics zum Bosnienkrieg Karikaturen zur Revolution 1848/49 in Deutschland Spuren und Überbleibsel: Anton Winkelhöfer Jahrgang 16 Uni-Shop im NIG Deine Fachbuchhandlung für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften Uni-Shop im NIG 1010 Wien l Iniversilütsslraße 7 Tel.: 42 77/208 15 Dein Vorteil ist unser Ziel: Öffnungszeiten Montag 8.50 bis 18.50 l Ihr mehr Iliicher,mehr Skripten ,mehr Service Dienstag bis Donnerstag 8.50 bis 17 Uhr PYeitag 8.50 bis 15 Uhr | Fachbücher_____________ | Wir haben unsere Publizistik-Abteilung erweitert! Ah sofort lindest Du bei uns eine noch gröbere Auswahl an Fachliteratur für Dein Studium. Sollte trotzdem einmal ein Tilel nicht lagernd sein, bestellen wir natürlich jedes gewünschte Buch. 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Ä zeit Inhalt Comics und das Prinzip Bildgeschichte Impressum Zur Theorie der Bildgeschichte als Medieninhaber. ^ Herausgeber und Verleger: eigenständiger Kunstform Verein „Arbeitskreis für historische Komiminikationsforschung Dietrich Grünewald (AHK)“, A-l 180 Wien, Postfach 442 http://muz.pub.univie.ac.at WAP: http://muz.pub.univic.ac.at/wap/ On the Language of Comics and the © Die Rechte für die Beiträge in diesem Heft liegen beim Reading Process ^ ^ „Arbeitskreis für historische Kommunikationsforschung (AHK)“ Mila Francisca Bongco Vorstand des AHK: Univ.Doz. Dr. Wolfgang Duchkowitsch (Obmann), Gisi Icha (Obmann-Stv.), Populärkultur und Kongo Barbara Pilgram (Obmann-Stv.), Mag. Fritz Randl (Geschäftsführer), Zwischen der Bande Dessinée von Hergé Claudia Spitznagel (Schriftführerin). Mag. Michaela Lindinger (Schrifrführerin-Stv.), und den Bildern von Chéri Samba 22 Mag. Wolfgang Monschcin (Kassier), Bernd Beut), Mag. Bettina Brixa, Mag. Edith Dörfler, Thomas Fillitz Dr. Norbert P. Feldingcr, Gerhard Hajicsck, Herbert Hirner, Mag. Peter H. Karall, Mag. Silvia Nadjivan, Mag. Wolfgang Pensold, Dr. Thomas Steinmaurer, „...façonner la façon même Dr. Herwig Walitsch Die Gestalt selbst gestalten Redaktion: Bettina Brixa, Gerhard Hajicsek, Peter H. Karall Der Comicautor, Journalist und Wissenschaftler Pierre Christin im Interview Korrespondenten: Prof. Dr. Hans Bohrmann (Dortmund), mit Bettina Brixa und Peter Fl. Karall 31 Univ. Prof. Dr. Hermann Haarmann (Berlin), Prof. PhD. Fxl Mc Luskie (Boise, Idaho), Dr. Robert Knight (London), Comics zum Bosnienkrieg Univ. Prof. Dr. Arnulf Kutsch (Leipzig), Dr. Pxlmund Schulz (Leipzig), Herbert Hrachovec Prof, einer. Dr. Robert Schwarz (S. Palm Beach, Florida) Druck: „Im Eise der Grundrechte" Buch- und Offsetdruckerei Fischer, 1010 Wien, Dominikanerbastei 10 Die Karikaturensammlung des Instituts für Erscheinungsweise: Zeitungsforschung der Stadt Dortmund zur Medien & Zeit erscheint vierteljährlich Revolution 1848/49 in Deutschland als Bezugsbedingungen: Fundgrube für die Auseinandersetzung F.inzclheft (cxkl. Versand): öS 60,- / € 4,36 mit der Zensur 51 Jahresabonnement: Österreich (inkl. Versand): öS 220,- / € 15,99 Walter Lindner Ausland (inkl. Versand auf dem Landweg): öS 300,- / € 21,80 Studentinnenjahresabonnement: Spuren und Überbleibsel: Österreich (inkl. Versand): öS 160,- / € 11,63 Anton Winkelhöfer 64 Ausland (inkl. Versand auf dem Lmdwcg): öS 240,- / € 17,44 Bestellung an: Eckart Früh Medien & Zeit, A-1180 Wien, Postfach 442 oder über den gut sortierten Buch- und Zcitschriftenhandcl Rezensionen 66 ISSN 0259-7446 Publizistik-Shop Ein Buch-Shop des WUV Publizistik-Shop 1180 Wien Kutschkergasse 23 Tel.: 407 77 80 Willkommen in der Welt Öffnungszeiten des Wissens Mo - Fr 9.30 bis 17 Uhr Fachbücher und Skripten ■ Rezeptionsforschung ■ Journalismus ■ Radio ■ Film und Fernsehen ■ Neue Medien ■ Medien allgemein ■ PR und Werbung ■ Medienpädagogik ■ Technologie und Ökologie ■ Recht ■ Information und Dokumentation ■ Kultur und Cultural Studies ■ Gender ■ Theorie ■ Philosophie und Semiotik ■ Medienpsychologie Copycards Mit einer WUV | Copycard kannst Du sämtliche Kopiergeräte am Institut sowie 200 weitere in ganz Wien (z. B. an der UB) benutzen. m&Z 3/2001 Editorial In meiner Comic-Strip-Phantasie Künstlers Chéri Samba das Verhältnis von Ist die Welt so klar wie nie: Comics/Bande dessinée bzw. bildender Kunst zur Im All wimmelt es von Superhelden. Populärkultur. Amerika schläfi ruhig,. Gute Nacht. Der französische Comicautor und Professor für Extrabreit: Superhelden. In Rückkehr der Journalismus Pierre Christin beschreibt in dem phantastischen 5! Hamburg: Metronome 1982 Interview „... façonner la façon meme ... “ - Die Gestalt seihst gestalten neben seinen persönlichen Comics: bei uns oftmals unterschätzt. Scheuen Erlebnissen und Arbeitsweisen mit der Bande sich Fachleute im frankophonen Raum dessinée auch seine neuesten Projekte, in denen nicht, Bande dessinée, die französische Form des die Grenzen zu anderen Vermittlungsformen Comic, als „neunte Kunst“ zu bezeichnen und immer fließender werden. diese durch zahlreiche Fachpublikationen zu wür­ digen, findet im deutschsprachigen Bereich bis Der Philosoph Herbert Hrachovec zeigt in dato kaum eine ernsthafte Auseinandersetzung Comics zum Bosnienkrieg, auf welche Weise die mit dieser medialen Form statt. Viel zu oft haftet aktuellen Ereignisse in Südosteuropa durch hierzulande dem Comic immer noch das Image Comics verarbeitet werden. von Schund und Trivialität an. Die damit ver­ bundenen Klischees bewegen sich zwischen Walter Lindner beschäftigt sich in seinem Beitrag Entenhausen und Metropolis - Donald Duck yylm Eise der Grundrechte“ mit der dem Comic und Superman. Comic sowie mit ihm verwandte nahen medialen Form der Einblattkarikatur und Vermittlungsformen abseits dieser gängigen Vor­ deren Rolle in den Revolutionsjahren 1848/49 in stellungen einer kommunikationswissenschaftli­ Deutschland. chen Betrachtung und Erörterung zu unterziehen und damit auch vorgefaßte Meinungen zu trans­ Eckart Frühs Spuren und Überbleibsel zum zendieren ist Ziel dieses Schwerpunktheftes. Zeichner Anton Winkelhöfer und dessen Bedeu­ tung in Vergangenheit und Gegenwart sowie Die von Wissenschaftler!nnen der verschieden­ Rezensionen zum Thema runden den Schwer­ sten Fachdisziplinen verfaßten Beiträge können punkt ab. als Einstieg in diese Materie dienen, dringen aber tief in die terra incognita der wissenschaftlichen „Superhelden - rasen durchs All!“, endet der ein­ Comicforschung vor. So unterschiedlich wie die gangs zitierte Song der deutschen Gruppe Fachbereiche der jeweiligen Autorinnen sind die Extrabreit. Sie werden es im Kosmos der US- Themen der einzelnen Aufsätze: amerikanischen Mainstreamcomics auch weiter­ hin tun. Abseits davon gibt es jedoch eine Menge Der Kunstwissenschaftler Dietrich Grünewald Werke mit gesellschaftlich, politisch und histo­ erarbeitet in seinem Beitrag Comics und das Prin­ risch relevanten l hemen, die es zu entdecken gilt zip Bildgeschichte anhand konkreter Beispiele eine und die eine wissenschaftliche Auseinander­ mögliche theoretische Definition des Begriffs setzung mit dem Comic, sei es als historische „Comic“ und unterzieht diese sodann einer kriti­ Quelle, als Kommunikations- oder Kunstform zu schen Bewertung. einer lohnenden und faszinierenden Aufgabe machen. Mi la Francisca Bongco analysiert in On the Lan­ guage of Comics and the Reading Process die Spezi­ Bettina Brixa fika der Erzählsprache von Comics. Gerhard Hajicsek Peter El. Karall Thomas Fillitz vergleicht in Populärkultur und Kongo aus einer sozialanthropologischen Sicht anhand zweier Tintin-Alben von Hergé sowie Wir danken Andrea Schilling für die Hilfe beim dem Werk des aus dem Kongo stammenden Korrekturlesen. 3 m&Z 3/2001 Comics und das Prinzip Bildgeschichte Zur Theorie der Bildgeschichte als eigenständiger Kunstform Dietrich Grünewald Comic - ein unscharfer Begriff dern (Panel) präsentiert, annähernd gleichförmi­ ge und gleichgroße Rechtecke im Hochformat, Mit Beginn des 20. Jahrhunderts werden die nebeneinander in Reihe angeordnet, gemäß unse­ seit den 1890er Jahren in US-amerikani­ rer Lesekonvention von links nach rechts chrono­ schen Zeitungen publizierten Serien-Bildge­ logisch zu verfolgen. Es handelt sich um die schichten als Comics bezeichnet. Bezieht sich der reproduzierte Version einer schwarz-weißen Begriff anfangs auf irmkarikierenden Stil gezeich­ Tuschzeichnung. PI weist vier Darstellungsmodi nete komische Geschichten, so subsumiert er mit auf: ikonische, d.h. auf Grund von Gestaltähn­ dem Erscheinen von Abenteuergeschichten auch lichkeit deutbare Zeichen, eine gleichmäßig andere Genres. Neben die Zeitung treten als wei­ geschwärzte Fläche, zwei syntaktische Zeichen tere Medien Comic-Heft, -Album und -Buch.' (Sprechblasen) und in sie eingeschriebener Text. Das inhaltlich wie gestalterisch vielfältige Ange­ Die ikonischen Zeichen sind als Tiger (Formähn­ bot läßt den Begriff Comics unscharf werden, läßt lichkeit, typisches Streifenmuster) und kleiner Unterschiede zu anderen Formen der Bildge­ Junge (Formähnlichkeit, geringere Größe schichte verschwimmen. So verwenden Autoren gegenüber dem Tiger, proportional übergroßer wie Kunzle 21 oder McCloud ' den Begriff für jede Kopf, zackige Strubbelfrisur) zu deuten. Der Zei­ Art von Bildgeschichte. chenstil ist cartoonhaft, d.h. leicht karikierend angelegt. Da es für Comics keine festgelegten ästhetisch­ normativen Regeln gibt, scheint es angebracht, Beide Figuren sind etwa in Brusthöhe durch eine nicht pauschal, sondern anhand konkreter Ein­ leicht gewellte horizontale Linie abgeschnitten - zelanalyse nach ihren Spezifika zu fragen. Begin­ eine „Unbestimmtheitsstelle“, die der Betrachter nen wir daher unsere Frage nach einer Definition aufgrund seiner Seh- und Körpererfahrung im von Comics und ihrem Verhältnis zur Bildge­ Kontext der weiteren grafischen Angaben leicht schichte allgemein mit der Betrachtung eines zu ergänzen weiß: figer und Junge sitzen in populären Comicstrips. einem Bett, ihre (nicht sichtbaren) Unterkörper befinden sich unter einer oben umgeschlagenen Ein Beispiel - Calvin und Hobbes Bettdecke, im Rücken zwei Kopfkissen; der gebo­ gene weiße Strich, der die Figuren verbindet, ist Die Geschichte (in Abb. I) wird uns in vier Bil­ als Oberkante der Bettrückwand zu lesen. Die Abb. 1: Bill Watterson: Calvin und Hobbes. Ganz schön daneben. 7. Album. Frankfurt/M.: Krüger Comics 1993 1 Zur Geschichte der Comics vgl. u.a. Andreas C. Knigge: Picture Stories in the European Broadsheet from c. 1450 to Comics. Vom Massenblau ins multimediale Abenteuer. 1825. Berkeley 1973 (Bd. 1), 1989 (Bd. 2). Reinbek 19%. ’ Scott McCloud: Comics richtig lesen. Hamburg 1994. 2 David Kunzle: The Early Comic Strip. Narrative Strips and 4 m&Z 3/2001 Schwarzfläche, die zum einen die ikonischen Zei­ engt, die Pupillen sind in die linken Augenwin­ chen klar und deutlich hervortreten läßt, ist in kel, in Richtung des Jungen, geschoben. Der diesem Kontext auch inhaltlich deutbar: unter­ figer läßt nun eine raubtierhafte Gefährlichkeit halb des gebogenen weißen Strichs als Bettrück­ erahnen. Das spürt wohl auch der Junge. Er hat wand, oberhalb als Wand, so daß die Zeichnung seinen Kopf abgewendet, schaut mit leerem Blick räumlich gelesen werden kann. Der Betrachter aus dem Bild. Seine Mimik, unterstützt durch schaut von vorne und leicht von oben auf ein den leicht gewellten Mundstrich, suggeriert dem Bett, das sich in die Bildtiefe erstreckt. Da wir in Betrachter, der sich unschwer mit ihm und der einem Schlafzimmer erfahrungsgemäß keine Situation identifizieren kann — wie fühlt man schwarze Wandfarbe resp. keine schwarze Tapete sich, wenn unmittelbar neben einem ein Tiger annehmen, assoziieren wir mit dem Schwarz seine Krallen ausfährt? —, eine betroffen ängstli­ einen Zeithinweis: es ist Nacht, was mit der Sze­ che Erwartungshaltung zu assoziieren. Offen­ nerie (Bett) korrespondiert. sichtlich traut der Tiger der Versicherung nicht, wappnet sich, die Ansteckung durch Demonstra­ Der Tiger befindet sich links im Bild. Seine Pose tion (?), durch Einsatz (?) seiner Raubtierwaffe - läßt eher an eine anthropomorphe Figur denn an der Kralle - zu verhindern ... ein Tier denken. Er wendet seinen Körper leicht dem Jungen zu, sicht ihn an. Seine Pfoten fassen Haben wir es bis jetzt von PI zu P3 mit einem wie die Hände des links neben ihm befindlichen kontinuierlichen, zeitlich engen Prozeß zu Jungen den Rand der Bettdecke. Das Gesicht des tun, so markiert der Schritt zu P4 eine Zäsur. Jungen ist im Profil dargestellt, zum Tiger hinge­ Zwar liegen die gleichen Darstellungsmodi wie in wendet, mit dem er Blickkontakt hat. Der Mund PI vor, befinden wir uns nach wie vor in einem ist geöffnet. Das Gesicht ist mit Punkten übersät. Schlafzimmer bei Nacht, doch haben wir offen­ Der in handgeschriebenen Versalien präsentierte sichtlich den Ort gewechselt. Das Schlafzimmer Text der großen Sprechblase, deren Dorn auf den ist ein anderes, wie die nun von der Seite gezeig­ Tiger als Sprechenden verweist, klärt über diese te Schlafstätte und die darin liegende neue Figur, Punkte auf: Der Frage des Tigers ist zu entneh­ eine Frau, anzeigen. Der figer ist verschwun­ men, daß der Junge die Windpocken hat, die den - vermutlich befindet er sich weiterhin im Punkte also als Symptom für diese Krankheit erstgezeigten Bett. Der kleine Junge dagegen fin­ anzusehen sind. Die skeptische Mimik des Tigers det sich auch in P4. Wir sehen Kopf, Oberkörper entspricht seiner Frage, die Unsicherheit und und Arm, mit dem er an die Bettdecke der Frau Ängstlichkeit verrät: kann er sich auch wirklich faßt. Angeschnitten von der oberen Begrenzungs­ nicht anstecken? Offenbar ist PI bereits ein Dia­ linie der Bettdecke, schließen wir, daß er neben log vorangegangen, in dem dem Tiger versichert dem Bett steht (oder auf ihm kniet), also offen­ wurde, er könne sich nicht anstecken. Die sichtlich sein Bett verlassen und den anderen bestätigende Antwort in der dem Jungen zuge­ Schlafraum betreten hat und nun die Frau - der wiesenen Sprechblase verrät durch das Vorgesetz­ Situation nach zu urteilen seine Mutter - te „Ach“, daß der sich aber offensichtlich doch wachrüttelt. Der weiße Keil hinter dem Jungen, nicht so ganz sicher ist. der inhaltlich kaum deutbar ist, mag auf seine Bewegungsrichtung - die Spitze des Keils weist P2 wiederholt die Szenerie; allerdings fehlen die auf den Kopf der Mutter - verweisen, kann aber Sprechblasen. Der figer hat sich vom Jungen auch anzeigen, daß er wach ist, während die Mut­ abgewandt und den Blick auf seine linke Pfote ter, deren Kopf von Schwarz umfangen ist, geheftet, die er nun vor seine Brust hält. Man geschlafen hat und jetzt - die Mimik macht es erkennt anhand eines kleinen vom Finger abge­ deutlich - schläfrig und unwirsch auf den Sohn henden Strichs, daß er eine Kralle ausgefahren reagiert. Der wiederholt die Frage des Tigers (PI) hat. Das sieht auch der Junge. Sein zum Strich und verdeutlicht damit, daß es (vor dem Schla­ geschlossener Mund, die leicht zum figer hin fengehen) wohl die Mutter war, die den Sohn geneigte Körperhaltung markieren, daß er auf­ hinsichtlich der Ansteckungsgefahr beruhigt hat. merksam und skeptisch dessen Reaktion wahr­ Die ihr zugewiesene Sprechblase gibt nun keine nimmt. P3 führt diesen Prozeß verstärkt fort. Die Antwort auf die Frage, vielmehr weist sie - Finger der Tigerpfote sind nun gespreizt, die genervt - den Sohn, dessen Namen Calvin wir Krallen deutlich sichtbar, was durch zwei kleine jetzt erfahren, an, wieder ins Bett zu gehen. weiße Striche signalhaft betont wird. Die Augen­ punkte des Tigers haben sich zu Schlitzen ver­ Was hat die Analyse dieses Beispieles hinsichtlich 5 m&Z 3/2001 der Klärung des Begriffs Comic erbracht? „Maß­ attackieren. In diesem Kontext gesehen, kann gebend für die Definition des Comic-Begriffs“ unsere Episode als eine traumatische Verarbei­ sind nach Schwarz4 * die „Bestandteile: Erzählcha­ tung unbewußter Schuldgefühle verstanden wer­ rakter, Bildreihung, Sprechblasen.“ den. Serien kennzeichnet, daß die Akteure stehen­ de Figuren sind, d.h. sic sind in ihrem Charakter, Erzählcharakter in ihrer Rolle festgelegt und erlauben dem Autor ein variationsreiches Spiel mit diesen Figuren, Unser Beispiel erzählt autonom eine vollstän­ ermöglichen dem Leser eine klare Erwartungshal- dige Geschichte, grenzt sich damit von der tung und Interpretationsmöglichkeit. Unser Bei­ Illustration ab, die einem erzählenden Sprach- spiel ist eine abgeschlossene witzige Kurzge­ Text fakultativ untergeordnet ist, vom darstellen­ schichte, die auf eine Pointe zuläuft, wie so viele den Bild (z.B. einem Stillleben) wie vom szeni­ Comic-Strips für Zeitungen. schen Bild (z.B. eines mythologischen Motivs). Die Eigenständigkeit der Geschichte, gleich, ob Es gibt andere Serien, deren einzelne Episoden sie vom Autor selbst erfunden oder eine Adaption länger sind und in spannenden Fortsetzungshap­ ist, ist eine grundlegende Eigenschaft, die aller­ pen präsentiert werden. So sind die einzelnen dings nicht nur dem Comic, sondern jeder Form Geschichten z. B. von Asterix in dem Jugendma­ von Bildgeschichte eignet. Sie kennzeichnet z.B. gazin Pilote (ab 1959) zunächst als wöchentliche die Genesis-Buchmalerei der Vivian-Bibel Fortsetzungsgeschichten erzählt worden, bis dann (845/46), die Passion Christi von Albrecht Dürer die Episoden einer abgeschlossenen Geschichte (1511), die modern moral subjects von William als Album erschienen. Während es sich hier um Hogarth (18. Jh.), die Bilderbogengeschichten eine Serie mit stehenden Figuren handelt, die (19. Jh.), die Dramen Max Klingers (19. Jh.), die theoretisch unendlich viele Episoden aufweisen Bildromane Frans Masereels (Anfang 20. Jh.) wie kann, gibt es andere Serien, die nur eine in sich die Micky-Maus-Geschichten oder Graphic abgeschlossene Handlung erzählen, oft in Fort­ Novels wie jene Mattotis (Der Mann am Fenster, setzungen segmetiert. So sind Lionel Feiningers 1992). Kinder-Kids zwar wöchentlich in Fortsetzung in der Chicago Sunday Tribune (1906) erschienen, Unser Beispiel ist eine abgeschlossene Episode aus doch die Episoden fügen sich zu einer Geschich­ einer (potentiell unendlichen) Serie: Calvin und te, einem Reiseabenteuer (das allerdings nach Hobbes von Bill Wattersons . Wer die Serie kennt, Folge 29 abgebrochen wurde). Auch Hal Foster kann anders als der Nichteingeweihte mit den erzählt in seinem Epos Prinz Eisenherz (Prince Irritationen dieser P^pisode umgehen. So weiß er, Valiant, ab 1937 im New York Journal) eine in daß der Eiger ein Stofftier namens Hobbes ist, sich geschlossene Gesamtgeschichte, die den das als Fantasie-Spielgefährte, als alter ego des Charakter eines Entwicklungsromans hat. kleinen Calvin „lebendig“ und groß wird, sobald die beiden allein sind. Für andere Personen bleibt Somit sind auch der Serien-Charakter und ste­ Hobbes das Stofftier. Das Verhältnis von Hobbes hende Figur keine normativen Definentia des und Calvin ist ambivalent; sie sind dicke Kame­ Comics. Außerdem finden sich auch in der histo­ raden, aber in einigen Episoden gibt Hobbes zu rischen Bildgeschichte6 Serien mit stehenden erkennen, daß er ein Raubtier und Menschen Figuren. durchaus gefährlich ist - was die plötzliche Angst Calvins in der Episode erklärt. Das Beispiel Bildfolge gehört zu einem Motivkreis, der Calvins Wind­ pockenerkrankung durchspielt. So kennt Calvin Auch das zweite von Schwarz genannte Kriteri­ die Ansteckungsgefahr und ist bereit, sie auszu­ um, die Bildreihe, trifft auf unser Beispiel zu. Die nutzen, um seine Freund-Feindin Susi zu vier Panels sind als narrative Bildfolge zu verste- 4 Rainer Schwarz: Was sind Comics? \n Wolfgang J. Fuchs 6 z.B. Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen. (Hg.): Comics im Medienmarkt, in der Analyse, im Münchener Bilderbogen, Nr. 50/ 1850, Nr. 55/1850, Nr. Unterricht. Opladen 1977, 11. 232/1857 oder Johann Hermann Detmold/ Adolf Die Serie erschien mit über 3000 Strips von 1985 bis Schrödter: Thaten und Menningen des Herrn Piepmeyer. 1995, vertrieben vom Universal Press Syndicate; vgl. Abgeordneten zur constiluirenden Nationalversammlung zu ComicForum 34/1991, Andreas Platthaus: Im Comic Frankfurt am Main. Frankfurt/Main 1848/49, 6 Hefte, vereint. Eine Geschichte der Bildgeschichte. Berlin 1998, Reprint. Dortmund: Harenberg Kommunikation 1979. 295Ff 6 m&Z 3/2001 T4A.DEINE ELTERN HABEN BE STIMMT NICHT PAMIT 6ERECHI MEIN LEBEN ZIEHT PASS W) IHREN WA&EN KAPC WIE IIA FLUß VOR (AEl- ^MACHST, BEMOR 00 Mo BIST . NEN AUßEN PAHlN Abb. 2: Bill Watterson: Calvin und Hobbes. Ganz schön daneben. 7. Album. Frankfurt/M.: Krüger Comics 1993 hen, in deren Verlauf sich die Handlung pro­ gar keiner, wenn z. B. mehrere Detail-Panels zeßhaft entwickelt. Die von Bild zu Bild fort­ einen bestimmten Moment charakterisieren. schreitende Handlung ist als konstitutives Ele­ Statt in Sprüngen gleitet die enge Bildfolge gewis­ ment jeder Bildgeschichte zu werten und von sermaßen im Fluß fort. Dem Einzelbild wird Bildfolgen abzugrenzen, die thematisch offen damit weniger Gewicht beigemessen; es animiert oder gebunden Bilder ohne fortführenden den Blick, rascher zum nächsten Panel zu eilen, Erzählprozeß aneinander reihen. So ist z. B. die die Panels werden deutlicher als zusammen­ Grafik-Folge Tod von Käthe Kollwitz (1934/35), gehörend erfaßt und gesehen. Nicht selten ist es die einzelne, eigenständige Motive zum Thema der Bewegungsprozeß, der die Handlung weiter­ Tod versammelt, keine Bildgeschichte, während treibt. ihre Folgen Weberaufstand (1893/97) und Bau­ ernkrieg (1907/08), die Handlungsprozesse l.d.R. meint Bildfolge zwei und mehr Panels. In erzählen, dazuzurechnen sind. Grundsätzlich sind unserer Calvin-und-Hobbes-Scnc finden sich zwei Erzählmöglichkeiten der Bildgeschichte zu allerdings auch /Episoden, die nur aus einem ein­ unterscheiden: die „weite Bildfolge“ und die zigen Panel bestehen (vgl. Abb. 2). Dennoch wird „enge Bildfolge“. Unter „weiter Bildfolge“ ist eine auch hier eine Geschichte erzählt; d.h. der Folge von Einzelbildern zu verstehen, die zeitlich Betrachter wird animiert, das Geschehen vor und relativ weit auseinander liegen. D. h. jedes Ein- nach dem gezeigten Einzelbild assoziativ zu zelbild stellt sehr kompakt und komplex, in Form ergänzen. Man kann von „ideeller Bildfolge“ einer prägnanten, weiter assoziierfähigen Szene sprechen. Sie erweist sich als dramaturgisches den Höhepunkt eines Geschehens dar. Damit Mittel, denn der Verzicht auf die Darstellung gewinnt es einen relativ autonomen Stellenwert, weiterer Panels und die damit belassene Offenheit muß intensiv betrachtet und gedeutet werden. der Geschichte markieren erst die intendierte Oft ist ein Verstehen nur möglich, wenn der Rezi­ Pointe. Szenische Einzelbilder, wie narrative Gen­ pient den erzählten Stoff bereits kennt oder wenn rebilder7 oder narrative Karikaturen, die auf ein ein begleitender Text ergänzende Informationen assoziierendes Ergänzen des Davor und Danach liefert. Der Fortgang der Geschichte verläuft in angelegt sind, müssen somit als Kurzform der Sprüngen, womit denn auch eine ausgedehnte Bildgeschichte gewertet werden. Spezielle For­ erzählte Zeit, z. B. die Lebensspanne eines Men­ men der Bildgeschichte als Einzelbild finden sich schen, in wenigen Einzelbildern gegeben werden z.B. in Reliefs und Vasenmalereien der archai­ kann. Die genannten Bildgeschichten von Käthe schen Kunstperiode, wenn im Bild keine einzelne Kollwitz sind Beispiele für die weite Bildfolge. Szene einer Handlung dargestellt ist, sondern vie­ les erzählt wird, was sich eigentlich zu unter­ Das Watterson-Beispiel veranschaulicht die schiedlichen Zeitpunkten ereignet.8 Wickhoff enge Bildfolge. Darunter ist eine Folge von nennt diesen Erzählstil den „komplettierenden Bildern zu verstehen, zwischen denen nur ein Stil“9. In anderen narrativen Einzelbildern relativ kurzer Zeitraum vergeht; manchmal sogar erscheinen dagegen die handelnden Personen ' z.B. Die Dorfbraut von Jean-Baptiste Greuze, 1761. '* Franz Wickhoff: Die Wiener Genesis. 1895, zit. Schriften 8 Carl Robert: Bild und Liecl. Archäologische Beiträge zur Bel. 3. Berlin 1912, I4ff. Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin 1881, 13 ff. 7 m&Z 3/2001 mehrfach. In diesen „Simultanbildern“ werden nen Gag, die in horizontaler Richtung in einer Szenen unterschiedlicher Zeitpunkte in einem Tageszeitung erscheint.“M Das Streifenprinzip Handlungsraum präsentiert, die der Betrachter findet sich auch in vielen Heften und Alben. So chronologisch miteinander verbinden muß. Oft weisen z. B. die Comic-Romane von Comes15 hilft ihm zur Orientierung ein Weg, an dem ent­ durchgehend vier Streifen auf, die meist zwei bis lang die Szenen angeordnet sind,10 11 * oder ein Archi­ vier Panels enthalten. Dieses Prinzip ist aber nicht tektur-Szenarium". Ein - wenn auch seltenes - normativ. Vielmehr unterliegt die Wahl von Beispiel bietet die Comic-Album-Reihe Goofy}1 Größe, Form und Anordnung der Panels sowohl medialen Bedingungen als auch künstlerisch-nar­ Weite und enge Bildfolge erweisen sich als rativen FLntscheidungen. So sind die Einzelbilder probate Möglichkeit der Dramaturgie der als Wandmalerei ausgeführten Franzlegende einer Bildgeschichte. Dramaturgie meint, in einer von Giotto (1296-1304) durch die Gegebenhei­ bestimmten Erzählzeit eine bestimmte erzählte ten der Kirche San Francesco in Assisi geprägt; Zeit (ein paar Minuten, ein Jahr, ein Jahrhun­ das spiralförmig verlaufende Reliefband, das auf dert ...) und was in dieser erzählten Zeit geschieht, 44 Tafeln mit einer Gesamtlänge von 200 m von zu arrangieren. Will Eisner, der daran erinnert, den Feldzügen Trajans gegen die Daker berichtet daß Zeit relativ ist, d. h. unterschiedlich lang oder (113 n. Chr.), durch das Medium Säule; die als kurz je nach Situation empfunden werden kann, Stickerei-Fries erzählte Geschichte von der Erobe­ spricht von „Timing“.13 14 So kann ein Zeitraum rung Englands durch den 70 m langen und 30 gerafft, kann - wenn es seine Bedeutung oder die cm hohen Wandteppich (11. Jh.); Größe und Steigerung der Spannung verlangt - verlängert Anordnung der Einzelbilder in mittelalterlichen werden, wenn z. B. — der Zeitlupe des Films ver­ Glasfenstern16 durch mediumspezifische hand­ gleichbar — der Schuß aus einer Pistole und das werkliche, ästhetische und theologische Faktoren. Auftreffen der Kugel in einer Vielzahl von Bildern gestreckt werden. Timing, der Rhythmus einer Der Bilderbogen als Einzelblatt, die Sonntagsbei­ Erzählung, ist ein wesentliches Moment der Dra­ lage amerikanischer Zeitungen, die Seite eines maturgie und führt dazu, daß in — vornehmlich Heftes oder Albums erlauben ein variationsrei­ längeren - Bildgeschichten weite und enge Bild­ ches Spiel mit Panelgrößen und -formen, das folge je nach Bedarf gemischt werden. Zudem Lebendigkeit und Dynamik verstärkt, das, wie muß eine Geschichte nicht chronologisch linear Winsor McCay in Little Nemo zeigt (z. B. Nemos geordnet sein; es finden sich Beispiele, in denen Stelzengang in der Episode vom 29.10.1905), Handlungsstränge parallel erzählt werden, wobei inhaltliche Aussagen auch formal veranschauli­ die Panels des Erzählstranges A mit denen des chen kann. Wie auf einem Altarretabel können Erzählstranges B ineinander verwoben werden; auch auf Heft- und Albumseite die Panels die kon­ Beispiele mit Rahmenhandlung, solche mit ventionelle Leserichtung aufgeben und spezielle Rückblenden oder unterschiedlichen Erzählebe­ Ordnungen entwickeln, wobei oft durch Pfeile nen, zum Beispiel eingeschobenen Träumen, oft oder Numerierung der Panels die Chronologie durch einen besonders gekennzeichneten Panel­ angezeigt wird. In seinen surrealistischen Collage- rand (z.B. wellenförmig) markiert. Bildromanen weist Max Ernst jedem Einzelbild eine eigene Buchseite zu.17 Dient diese Präsenta­ Die Panels des Watterson-Beispiels sind in Lese­ tion dazu, daß sich der Betrachter auf das rätsel­ richtung in einem Streifen nebeneinander ange­ hafte Einzelbild konzentrieren kann, verfährt ordnet. Es wurde so zur Veröffentlichung in Frans Masereel in seinen Holzschnitt-Bildroma­ Tageszeitungen konzipiert und folgt der Defini­ nen ebenso, obwohl er meist in enger Bild folge tion des Comic-Strips, wie sie Knigge formuliert: erzählt.18 Aber auch zeitgenössische Autoren und „Abfolge von zumeist zwei bis vier Bildern mit Autorinnen wie Jacques de Loustal19 oder Anke Fortsetzungscharakter oder einem abgeschlosse­ Feuchtenberger20 können ihre Bildfolgen so ord- 10 z.B. Moritz von Schwind: Der gestiefelte Kater. Münchener 15 z.B. Die Wildkatze. Zürich 1983. Bilderbogen Nr. 48, 1850. 16 Wolfgang Kemp: Sermo corporeus. Die Erzählung der 11 z.B. Hans Memling: Szenen aus dem Leben Mariä. Um mittelalterlichen Glasfenster. München 1987. 1480. 17 La femme 100 têtes. 1929. u z.B. Goofy Nr. 10: Goojy als Frankenstein. 1979. 18 z.B. Die Sonne. 1919. " Will Eisner: Mit Bildern Erzählen. Comics & Sequential 19 Zenata beach. 1991. An. Wimmclbach 1995, 27. 70 Die Hure H. 1996. 14 Knigge 1996,330. 8

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pieces?“2" Gorazde erholt sich vom. Schock, während der US-Amerikaner seine Eindrücke organisiert. Sein „comics journalism“ besteht darum nicht in erster. Linie in der Aufbereitung dokumentari scher Quellen. Er öffnet, während er Bil der der Vergangenheit zeichnet, Perspek tiven in die Zu
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