Medien – Kultur – Kommunikation Herausgegeben von A. Hepp, Bremen F. Krotz, Bremen W. Vogelgesang, Trier Kulturen sind heute nicht mehr jenseits von Medien vorstellbar: Ob wir an unsere eigene Kultur oder ,fremde’ Kulturen denken, diese sind umfassend mit Prozessen der Medienkommunikation verschränkt. Doch welchem Wandel sind Kulturen damit ausgesetzt? In welcher Beziehung stehen verschiedene Medien wie Film, Fernsehen, das Internet oder die Mobilkommunikation zu unterschiedlichen kul- turellen Formen? Wie verändert sich Alltag unter dem Einfl uss einer zunehmend globalisierten Medienkommunikation? Welche Medienkompetenzen sind notwen- dig, um sich in Gesellschaft en zurecht zu fi nden, die von Medien durchdrungen sind? Es sind solche auf medialen und kulturellen Wandel und damit verbunde- ne Herausforderungen und Konfl ikte bezogene Fragen, mit denen sich die Bände der Reihe „Medien – Kultur – Kommunikation“ auseinandersetzen. Dieses Th e- menfeld überschreitet dabei die Grenzen verschiedener sozial- und kulturwissen- schaft licher Disziplinen wie der Kommunikations- und Medienwissenschaft , der Soziologie, der Politikwissenschaft , der Anthropologie und der Sprach- und Lite- raturwissenschaft en. Die verschiedenen Bände der Reihe zielen darauf, aus gehend von unterschiedlichen theoretischen und empirischen Zugängen, das komplexe Interdependenzverhältnis von Medien, Kultur und Kommunikation in einer breiten sozialwissenschaft lichen Perspektive zu fassen. Dabei soll die Reihe sowohl aktuelle Forschungen als auch Überblicksdarstellungen in diesem Bereich zugänglich machen. Herausgegeben von Prof. Dr. Andreas Hepp Dr. Waldemar Vogelgesang Universität Bremen Universität Trier Prof. Dr. Friedrich Krotz Universität Bremen Friedrich Krotz • Andreas Hepp (Hrsg.) Mediatisierte Welten Forschungsfelder und Beschreibungsansätze Herausgeber Friedrich Krotz, Andreas Hepp, Bremen, Deutschland Die vorliegende Publikation entstand in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Schwerpunktprogramm 1505 „Mediatisierte Welten: Kommunikation im medialen und sozialen Wandel“ (http://www.mediatisiertewelten.de/). ISBN 978-3-531-18326-8 ISBN 978-3-531-94332-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-94332-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © VS Verlag für Sozialwissenschaft en | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de 5 Inhalt Andreas Hepp, Friedrich Krotz Mediatisierte Welten: Forschungsfelder und Beschreibungsansätze – Zur Einleitung ...................................................................................................... 7 I. Zur Beschreibung mediatisierter Welten Friedrich Krotz Von der Entdeckung der Zentralperspektive zur Augmented Reality: Wie Mediatisierung funktioniert ........................................................................ 27 II. Publikumskonstruktionen und Geschäftsmodelle in mediatisierten Welten Josef Wehner, Jan-Hendrik Passoth, Tilmann Sutter Gesellschaft im Spiegel der Zahlen – Die Rolle der Medien ............................. 59 Michaela Pfadenhauer, Tilo Grenz Mediatisierte Fitness? Über die Entstehung eines Geschäftsmodells ................87 III. Organisation und Lokalität in mediatisierten Welten Andreas Breiter, Stefan Welling, Arne Hendrik Schulz Mediatisierung schulischer Organisationskulturen ..........................................113 Jutta Röser, Corinna Peil Das Zuhause als mediatisierte Welt im Wandel. Fallstudien und Befunde zur Domestizierung des Internets als Mediatisierungsprozess .........................137 6 Inhalt IV. Medien und Formate in mediatisierten Welten Karin Knorr Cetina Skopische Medien: Am Beispiel der Architektur von Finanzmärkten .............167 Benjamin Beil, Lorenz Engell, Jens Schröter, Herbert Schwaab, Daniela Wentz Die Fernsehserie als Re(cid:192)e(cid:91)ion und Pro(cid:77)ektion des medialen Wandels ............197 V. Vergemeinschaftung und Erleben in mediatisierten Welten Andreas Hepp, Matthias Berg, Cindy Roitsch Die Mediatisierung sub(cid:77)ektiver Vergemeinschaftungshorizonte: Zur kommunikativen Vernetzung und medienvermittelten Gemeinschaftsbildung (cid:77)unger Menschen .........................................................227 Ronald Hitzler, Gerd Möll Eingespielte Transzendenzen: Zur Mediatisierung des Welterlebens am Beispiel des Pokerns .......................257 VI. Politik und Information in mediatisierten Welten Caja Thimm, Jessica Einspänner, Mark Dang-Anh Politische Deliberation online: Twitter als Element des politischen Diskurses..................................................283 Ulrike Wagner, Helga Theunert, Christa Gebel, Bernd Schorb (cid:45)ugend und Information im (cid:46)onte(cid:91)t gesellschaftlicher Mediatisierung ..........3(cid:19)7 Über die Autorinnen und Autoren ....................................................................331 Inde(cid:91) .................................................................................................................339 Mediatisierte Welten: Zur Einleitung 7 Mediatisierte Welten: Forschungsfelder und Beschreibungsansätze – Zur Einleitung Andreas Hepp, Friedrich Krotz 1 Von „der Medienlogik“ zur „Mediatisierung von allem“: Ent- wicklungslinien der Mediatisierungsforschung Nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch international hat sich der Be- griff der „Mediatisierung“ in den letzten Jahren zu einem „key“ (Lundby 2009a) der wissenschaftlichen Beschreibung des Medien- und Kommunikationswandels entwickelt. Während als „neue Medien“ vor wenigen Jahren noch das Satelliten- und Kabelfernsehen galten, überschlagen sich mit der voranschreitenden Digita- lisierung die Innovationen. Diese sperren sich dabei etablierten Begrif(cid:192)ichkeiten der Medien- und Kommunikationsforschung, indem die verschiedenen Endgeräte – Laptops, Smart-Phones, Tablets usw. – verschiedene Medialitäten in sich inte- grieren, ohne diese im Wandlungsprozess einfach aufzulösen. Das Konzept der „Mediatisierung“ verspricht hier einen anderen, angemesseneren Blick auf den Wandel von Medien und Kommunikation. Bei genauerem Hinsehen ist der Begriff der Mediatisierung1 aber weit älter und geht auf die Anfänge einer sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Me- dienkommunikation und Öffentlichkeit zurück. Früh sprach beispielsweise Ernst Manheim (1933: 24) von der „Mediatisierung menschlicher Unmittelbarkeitsbe- ziehung“, um die Veränderung von Sozialbeziehungen in einer durch die Ver- breitung von Medien gekennzeichneten Moderne zu charakterisieren (siehe dazu Averbeck-Lietz 2011). Jean Baudrillard (1982) hat (postmoderne) Informationen in dem Sinne als mediatisiert charakterisiert, dass ‚hinter‘ diesen keine weitere Realitätsebene mehr erfassbar sei. Habermas versteht Mediatisierung als einen Teilprozess hin zur Kolonialisierung der Lebenswelt (Habermas 1988: 471), da Medien für ihn von ‚Außen‘ in die Lebenswelt vordringen – wobei er insbeson- dere an die „Medien Geld und Macht“ (Habermas 1988: 452) denkt, also an sym- bolisch generalisierte Medien.2 F. Krotz, A. Hepp (Hrsg.), Mediatisierte Welten, DOI 10.1007/978-3-531-94332-9_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 8 Mediatisierte Welten: Zur Einleitung In den 1990er Jahren tauchte der Begriff dann breiter auf. Beispiele da- für sind Kent Asps (1990) Überlegungen zu in einer „mediarchy“ endenden „medialization“ der Gesellschaft, John B. Thompsons (1995: 46) Re(cid:192)e(cid:91)ion der „mediazation of culture“ durch die Massenmedien als Teilaspekt der Moderni- sierung oder Gianpietro Mazzolenis und Winfried Schulz‘ (1999) Diskussion der Mediatisierung der Politik als deren Strukturveränderung durch die Medien. Seit Ende der 1990er Jahre intensivierte sich dann die internationale Beschäftigung mit Mediatisierung erheblich. Hierfür stehen nicht nur erste umfassende Theo- retisierungen von dem, was wir mit „Mediatisierung“ fassen können (beispiels- weise Hjarvard 2004; Meyen 2009; Schulz 2004; bzw. Krotz 1995, 2001, der den Begriff der sozialen Welt (s. u.) bereits 1995 benutzt, um die damals noch umgrenzten Sinnprovinzen medienbezogenen Handelns und deren Wandel zu be- schreiben) oder die Aufnahme des Begriffs in entsprechende Handbücher und Le(cid:91)ika (siehe beispielsweise Mazzoleni 2008 oder Hjarvard(cid:18)Finnemann 2009). Vor allem stehen dafür empirische Studien zur Mediatisierung sehr unterschied- licher Bereiche von Kultur und Gesellschaft (z. B. Lundby 2009b). Eine nicht vollständige und in diesem Sinne e(cid:91)emplarische Aufzählung kann verweisen auf die Mediatisierung von Politik (Kepplinger 2002, Strömbäck(cid:18)Esser 2009; Vowe 2006), von Kon(cid:192)ikten ((cid:38)ottle 2006), von Religion (Hepp(cid:18)Krönert 2009, Hjarvard 2008), Sport (Dohle et al. 2009; Marschik(cid:18)Müllner 2010) oder Migration (Hepp et al. 2011). Mit dieser hier nur grob angerissenen ,Karriere‘ des Konzepts der Media- tisierung ist ein komple(cid:91)er Prozess der Verlagerung dessen, was wir unter Me- diatisierung verstehen, verbunden. Zunächst re(cid:192)ektierte die Verwendung dieses Konzepts offensichtlich vor allem, dass sich Medien immer schneller wandeln, dass immer mehr Medien und mediale Dienste im Leben der Menschen eine Rol- le spielen und dass dies in sozial- und kulturwissenschaftlichen Analysen eine Rolle spielen müsse. Die Frage ist dann freilich, wie sich da was durchsetzte – hier lassen sich drei Positionen markieren: Die These einer Medienlogik, die vor allem am Ein(cid:192)uss der Massenmedien anknüpfte, die These einer Mediatisierung kommunikativen Handelns sowie die schon immer präsente Annahme einer „Me- diatisierung von allem“. Dabei stehen diese drei Positionen nicht einfach nebenei- nander, sondern wir können eine Bedeutungsverlagerung weg von einem anfäng- lichen Fokus auf die Beschreibung „der Medienlogik“ im Singular hin zu einer zunehmend vielschichtigen Auseinandersetzung mit Mediatisierung ausmachen. 1. Der Begriff der „Medienlogik“ stammt ursprünglich von David L. Alt- heide und Robert P. Snow, die damit Ende der 1970er Jahre durchaus weitbli- ckend „the role of media in our lives“ (Altheide(cid:18)Snow 1979: 7) fassen wollten. Der Ausgangspunkt ihrer Argumentation war, dass eine Forschung, die den Blick Mediatisierte Welten: Zur Einleitung 9 auf Medieninhalte und deren Publikumswirkung lenkt (wie sie in der amerika- nischen Massenkommunikationsforschung verbreitet war), zu kurz greift, um den mit Medien verbundenen Wandel zu fassen. Bezug nehmend auf Symbo- lischen Interaktionismus, Ethnomethodologie, Sozialphänomenologie und auch auf Georg Simmels formale Soziologie argumentierten Altheide und Snow, dass wir vielmehr danach fragen müssten, wie Medien unsere Sicht und unsere Inter- pretationen des Sozialen verändern. Medienlogik ist für sie eine soziale Form der Kommunikation oder konkreter „the process through which media present and transmit information“ (Altheide(cid:18)Snow 1979: 10). Ihr Argument ist, dass die Logik der (Massen-) Medien zunehmend Bereiche von Kultur und Gesellschaft prägt, die jenseits derselben liegen – und hierin ihr eigentlicher Ein(cid:192)uss zu sehen ist. Im weitesten Sinne ist es dieser Begriff von Medienlogik, wie er dann in der Mediatisierungsforschung der 1990er Jahre verwandt wurde. Mit den Über- legungen von Altheide and Snow teilten die verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei den Fokus auf Massenmedien. Es ging also um die Logik der Massenmedien, die es zu erfassen und im Hinblick auf deren Ein(cid:192)uss auf Bereiche von Kultur und Gesellschaft jenseits derselben zu untersuchen galt. Weniger geteilt wurde vielfach allerdings der Ausgangspunkt der Überlegungen von Altheide und Snow, die die klassische Massenkommunikationsforschung mit ihrem Blick auf Medieninhalte und deren Wirkungen kritisierten. So waren Studien zur Mediatisierung als Durchsetzung einer Medienlogik immer wieder Inhaltsanalysen, denen es darum ging, Medienlogik als eine Inszenierungslogik herauszuarbeiten, der sich beispielsweise die Politik anpassen muss, um Publika zu erreichen, weswegen Wahlkampfauftritte zu Medienereignissen werden. Me- diatisierungsforschung rückt so in die Nähe einer Kritik des „Politainment“ und der „Boulevardisierung“ (siehe überblickend beispielsweise Imhof 2006). 2. Eine zweite Position versuchte, das Konzept der Mediatisierung nicht an die Kommunikationsformen der Massenkommunikation zu binden, sondern, un- ter Berücksichtigung einer zunehmenden Zahl und Bedeutung von Medien der interpersonalen sowie der interaktiven Kommunikation, an die sich wandelnden Formen sozialen Handelns im Konte(cid:91)t des Wandels der Medien (Krotz 1999, 2001, 2007). Mediatisierung ,funktioniert‘ dementsprechend dadurch, dass sich soziales bzw. kommunikatives Handeln verändert. In der Konsequenz rückt die Frage in den Mittelpunkt, was sich wie ändert in Alltag, Kultur und Gesellschaft, und wie diese Prozesse langfristig überhaupt zu beschreiben sind. 3. In Ergänzung zu und Abgrenzung von diesen Perspektiven fand in den letzten Jahren eine zunehmende Hinwendung zur „mediation of everything“ (Livingstone 2009) bzw. den „all-embracing media“ (Lundby 2009a: 1) statt.
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