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Max Weber und die Entzauberung der Medienwelt: Theorien und Querelen – eine andere Fachgeschichte PDF

441 Pages·2012·4.21 MB·German
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Max Weber und die Entzauberung der Medienwelt Siegfried Weischenberg Max Weber und die Ent- zauberung der Medienwelt Theorien und Querelen – eine andere Fachgeschichte Siegfried Weischenberg Springer VS ISBN 978-3-531-18717-4 ISBN 978-3-531-18718-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-18718-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der D eutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus- drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dies em Werk berechtigtauch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Einbandentwurf: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhalt Vorbemerkungen ................................................................................................7 1 Max Weber und die Pathologien der Moderne ............................................13 1.1 ‚Entzauberung’ und ‚Verzauberung’ .................................................13 1.2 Rationalisierung und Musiksoziologie ..............................................22 1.3 Der Wissenschaftler und der Rhetor .................................................28 1.3.1 Max Weber und seine Interpreten .....................................................28 1.3.2 Mit Leidenschaft und Augenmaß ......................................................34 1.4 Die protestantische Ethik und der ‚Geist’ des Kapitalismus ...........40 1.5 Karl Marx und Max Weber ................................................................46 1.6 Family Plot: die Webers – und die Manns ........................................51 1.7 Arbeitsgemeinschaft: die Ehefrau und Witwe ..................................56 1.8 War Weber ein ‚Gesellschaftstheoretiker’? ......................................60 1.9 Persönlichkeit und aktuelle Bedeutung .............................................63 1.9.1 Das ‚Faszinosum Weber’ ...................................................................63 1.9.2 Der ‚letzte Universalgelehrte’ ............................................................72 2 Das Medienprojekt und sein Scheitern .........................................................78 2.1 Presse-Enquête und Zeitungskunde ...................................................78 2.1.1 ‚Vorbericht’ und ‚Geschäftsbericht’ .................................................78 2.1.2 Fragestellungen und Fachgeschichte .................................................88 2.1.3 Der Journalismus und seine Erforschung ..........................................96 2.1.4 Finanzierungsprobleme et al.: das Scheitern des Projekts .............101 2.2 Karl Bücher und Max Weber (Exkurs) ...........................................109 2.2.1 Zwei im gleichen Rhythmus ...........................................................109 2.2.2 Der Eiertanz um den „Grundriß der Sozialökonomie“ ..................116 2.2.3 Vom Wirtschaftsredakteur zum Pionier der ‚Zeitungskunde’ .......124 2.3 Das fatale Duell: Max Weber vs. ‚Professor N. N.‘ .......................134 2.3.1 Alles eine Frage der Ehre .................................................................134 2.3.2 Der ‚Heidelberger Professoren-Prozess’ .........................................142 2.4 Journalismus/Journalistik nach der Jahrhundertwende ..................148 2.4.1 Berufsausbildung und Berufsorganisation ......................................148 2.4.2 Die ‚Wissenschaft von der Journalistik’ .........................................156 2.4.3 USA und Europa: Wurzeln der Mediensoziologie .........................158 6 Inhalt 3 Wissenschaftslehre und wissenschaftliches Erbe ......................................165 3.1 Werturteilsfreiheit, Idealtypus, Charisma .......................................165 3.2 ‚Objektivität’ und Wissenschaft als Beruf ......................................180 3.3 Wissenschaft vom Menschen? .........................................................185 3.3.1 Die ‚Anthropologisierung’ des Methodologen ...............................185 3.3.2 Jürgen Habermas und Max Weber ..................................................195 3.3.3 Handlungstheorie und ‚kommunikative Vernunft’ ........................207 3.3.4 Die dritte Gründung der Gesellschaftstheorie ................................219 3.4 Der Kandidat Talcott Parsons ..........................................................224 3.4.1 Webers Prophet in den USA ............................................................224 3.4.2 Die Entdeckung der ‚doppelten Kontingenz’ .................................232 3.5 Der Kandidat Niklas Luhmann ........................................................237 3.5.1 Gesellschaftstheorie als ‚Beobachtung dritter Ordnung’ ...............237 3.5.2 Weber, Luhmann – und Pierre Bourdieu ........................................246 3.6 Die (konstruktivistische) Entzauberung der Wissenschaft ............264 4 Max Weber und andere (Medien-) Soziologen ..........................................274 4.1 Fachgeschichte als Streitgeschichte ................................................274 4.1.1 Impotenz und Ignoranz .....................................................................274 4.1.2 Die ‚Entzauberer’ von Heidelberg ...................................................288 4.1.3 Der ‚Positivismusstreit’ et al. ...........................................................296 4.1.4 Wozu sich (wissenschaftlich) streiten? ...........................................307 4.2 Die Verortung eines Wanderers .......................................................322 4.2.1 Weber-Forscher unter sich ...............................................................322 4.2.2 Weber und Habermas/Luhmann revisited .......................................330 4.2.3 Paradoxie und Paradigma .................................................................343 4.3 Anschlüsse: Medien- und Journalismusforschung .........................350 4.3.1 Allgemeine Theorien der Medien und der Gesellschaft ................350 4.3.2 Von Adorno bis (cid:4)i(cid:5)ek ......................................................................362 4.3.3 ‚Theorien’ als (internationale) Typologien .....................................367 4.3.4 Paradoxien der (Medien-) Beobachtung .........................................375 4.3.5 Porträtisten und Landschaftsmaler ..................................................387 4.4 Auf den Schultern des Riesen ..........................................................394 Literatur ...........................................................................................................400 Stichwörter ......................................................................................................428 Personen ...........................................................................................................435 Vorbemerkungen Eigentlich sollte – zum 100. Jubiläum des Ersten Deutschen Soziologentages im Oktober 2010 – nur ein kleiner Aufsatz über Max Webers Plan für eine Presse-En- quête entstehen. Dazu wollte ich Webers wichtigste Texte noch einmal hervorho- len, um sozusagen den Autor in Stimmung zu bringen. Als erstes griff ich zu dem Klassiker „Die protestantische Ethik und der ‚Geist’ des Kapitalismus“, von Dirk Kaesler neu herausgegeben und auf eine Weise eingeleitet, die Lust auf ‚mehr We- ber’ macht. Einige hundert Quellen später ist mir bewusst geworden, dass ich die Büchse der Pandora geöffnet hatte, wobei sich das Unheil vor allem durch immer neue Verweise auf immer mehr Literatur ankündigte. Wer im schon etwas vorgerückteren Alter beginnt, seine ganze verfügbare Zeit dem großen Soziologen und der Forschung über ihn und sein Werk zu widmen, kommt auf jeden Fall zu spät. Er wird nicht mehr zu einem ‚richtigen’ Weber-For- scher, auch wenn er es denn wollte. Andererseits ist der ‚späte Blick’, die Beobach- tung ‚von der Seite’ vielleicht hilfreich, um einen etwas anderen Zugang zu Max Weber zu gewinnen als der von lebenslangen Spezialisten – oder Leuten, die sich dafür halten. Und vielleicht ist dann der ‚blinde Fleck’ nicht ganz so groß wie im Falle der Dogmatiker unter den Weber-Exegeten, die mit (angeblichen) Fundstü- cken aus seinen Texten frei schwebende Interpretationen riskieren. Durch die Auseinandersetzung mit wichtigen Teilen der unübersehbaren We- ber-Literatur ist die Studie bisweilen auf eine ‚Entzauberung’ der einschlägigen Forschung hinausgelaufen, was natürlich im Weber’schen Sinne, also nicht herab- setzend gemeint ist. Es muss jedoch erlaubt sein, auf Widersprüche, Aporien und Fehler sowie Formen durchschaubar strategischer Werkauslegung aufmerksam zu machen, die bei der Lektüre aufgefallen sind. Freilich kann hier – jenseits des The- mas Medien und Journalismus – nicht der Anspruch sein, neue Lesarten des Œuv- res oder gar eine neue Würdigung der Person anzubieten. Dazu gibt es Berufenere – jene, die ihr ganzes (wissenschaftliches) Wirken diesem Analytiker der Moderne geweiht haben. Jedoch sollte versucht werden, Werk und Leben an solchen Stellen zu ‚entzaubern’, wo die Belege hinreichend solide erscheinen, und auf der anderen Seite auf Texte aufmerksam zu machen, in denen eigenwillige Deutungen angebo- ten werden, ohne dass auf Quellengenauigkeit allzu sehr geachtet worden ist. Um dabei selbst nicht in die Falle zu laufen, Weber und seinen ‚Erben’ Gewalt anzutun, wurde vielleicht häufiger als üblich wörtlich zitiert – was im ‚von-und-zu-Gutten- berg-Zeitalter’ ohnehin geboten erscheint. Im Fall des Werks von Habermas, Luh- mann und Bourdieu sowie Parsons entstand so auch eine kleine, womöglich einsei- tige Kritik ihrer Gesellschaftstheorien. Dass Medien und Journalismus als Gegenstand der Weber-Forschung allenfalls eine periphere Rolle gespielt haben, erleichtert im Fall des ‚Mediensoziologen’ Max Weber den Zugang. Die (deutsche) Soziologie – Ausnahmen bestätigen die Regel – hat mit diesem Thema seit ihren Anfängen nie viel anfangen können. In 8 Vorbemerkungen den 1920er Jahren hatte sich dann die ‚Zeitungswissenschaft’ von der Soziologie zu emanzipieren versucht, deren Verbandsvorsitzender Ferdinand Tönnies sie da- raufhin als „Hühnerwissenschaft“ apostrophierte. Das war 1930 beim Siebenten Deutschen Soziologentag in Berlin; bald darauf bemächtigten sich die Nationalso- zialisten des Fachs, das sie von Anfang an offenbar wichtig nahmen. Im Rückblick ist schwer zu entscheiden, ob die Entscheidung der Zeitungswissenschaftler über- haupt klug war, eine eigene Disziplin etablieren zu wollen. Jedenfalls ist das inzwi- schen entgrenzte Fach dadurch in einem Niemandsland zwischen Sozial- und Geis- teswissenschaften gelandet und wird heute oft pauschal als ‚Medienwissenschaft’ bezeichnet; für Journalisten sind ohnehin alle, die sich hier tummeln, ‚Medienwis- senschaftler’. Max Weber ist erst seit den 1970er Jahren so richtig wahrgenommen worden. Das Fach, dem er noch vor dem Ersten Weltkrieg wichtige Anregungen offeriert hatte und das sich später ‚Publizistikwissenschaft’ und schließlich ‚Kommunika- tionswissenschaft’ nannte, hat den Wert seiner Ideen, wenn überhaupt, erst in unse- rer Zeit erkannt; auch hier singt inzwischen ein vielstimmiger Chor das hohe Lied auf ihn. Nun gibt es gute Gründe, einmal genauer zurückzuschauen auf das, was in Webers Medien-Plan drinsteckt und zu fragen, was daraus geworden ist – wobei die Frage müßig sein mag, was geworden wäre, wenn ... seinerzeit Medien und Journalismus so gründlich empirisch untersucht worden wären, wie dies Max We- ber vorschwebte. Mit ihm begann das Jahrhundert der Soziologie, welches auch das Jahrhundert des Journalismus war. Um seine Rekonstruktion aus fachhistori- scher Perspektive geht es in dieser Studie. Sie hat vier Schwerpunkte und ist des- halb in vier große Kapitel gegliedert: • In Kapitel 1 wird ein kursorischer Überblick zu Werk und Person Max Webers gegeben und versucht, erste Erklärungen für das aktuelle ‚Faszinosum Weber’ als ‚Entzauberer’ der modernen (kapitalistischen) Gesellschaft anzubieten. Dies geschieht durch die Fokussierung auf ausgewählte wissenschaftliche und persön- liche Aspekte sowie eine kritische Bewertung von Interpretationen, die in der Li- teratur zu finden sind. Im Zentrum steht dabei die Frage, was Weber zur Beob- achtung und Beschreibung von Pathologien der Moderne, die sein Thema wa- ren, beigetragen hat. • In Kapitel 2 ist das große Projekt zur empirischen Untersuchung von Medien und Journalismus zentraler Gegenstand, welches Max Weber am 20. Oktober 1910 beim Ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt a. M. vorgestellt hat. Vor allem die Auswertung seiner Briefe aus jener Zeit zeigt, wie wichtig ihm die ‚Entzauberung der Medienwelt’ mit Hilfe empirischer Wissenschaft damals war. Umso unverständlicher, dass er das Scheitern des Projektes dann im Grunde selbst betrieb. Zwei Personen, die am Anfang der Kommunikationswissenschaft und Journalistik stehen, spielen in jener Phase eine zentrale Rolle in seinem Le- ben: Karl Bücher und Adolf Koch. Wo die Wurzeln der Mediensoziologie liegen und warum sich das Fach wie entwickelt hat, soll dabei deutlich werden. Vorbemerkungen 9 • In Kapitel 3 werden Max Webers Wissenschaftslehre und sein wissenschaftli- ches Erbe näher untersucht. Hier geht es letztlich um die Frage, welche indirek- ten Spuren Webers in die Kommunikationswissenschaft führen – insbesondere über den Umweg der Referenz auf Gesellschaftstheoretiker, die sich auf sein Werk stützen. Am Beispiel von Jürgen Habermas, Niklas Luhmann und Pierre Bourdieu lässt sich zudem zeigen, wie diese Bezugnahme in den aktuellen Theo- riedebatten der Kommunikationswissenschaft ihren Niederschlag findet – etwa beim Diskurs über Handlungs- und Systemtheorie und insbesondere System/Ak- teur-Konstellationen in der Journalismusforschung. • In Kapitel 4 wird zunächst ‚Fachgeschichte als Streitgeschichte’, die sich durch Max Weber personalisieren lässt, fallstudienartig vertieft und auf die Kommuni- kations- und Medienwissenschaft bezogen. Dabei stehen u. a. Paradoxien der Moderne als Thema der Gesellschaftstheorie im Vordergrund, die inzwischen auch als Herausforderung für kommunikationswissenschaftliche Theorie und Empirie begriffen werden. Hier und in anderen Zusammenhängen wird nach An- schlüssen für die Medien- und Journalismusforschung gesucht, um Antworten auf die Frage zu finden, was auf den Schultern des Riesen Weber von der Medi- enwelt sichtbar geworden ist – und sichtbar geworden wäre, wenn sich sein gro- ßes Presse-Projekt hätte realisieren lassen. Zentrales Anliegen des Buches ist es, die vielfältigen Anregungen, welche Max Webers Werk für die Beschäftigung mit Medien und Journalismus offeriert hat, zu markieren und Linien der wissenschaftlichen Beobachtung zusammenzuführen. Konsequent setzen wir seinen vielleicht wichtigsten methodologischen Beitrag ein: den Vergleich. Komparativ geht es insbesondere da zu, wo Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der Fächer Soziologie und Kommunikationswissenschaft zu untersu- chen sind oder das Werk unserer – nach Weber – wichtigsten Gewährsleute darzu- stellen ist: Parsons, Luhmann, Habermas, Bourdieu. Zu den Zielen gehört auch, das Dauerthema ‚Gesellschaft – Individuum’ bzw. ‚System – Akteur’ (inkl. der ‚jour- nalistischen Persönlichkeit’), das neuerdings auch die Journalismusforschung in- tensiv (und emotional) beschäftigt, noch einmal von einer grundsätzlicheren Seite anzugehen; hier ist der Rekurs auf Webers Schriften gleichfalls hilfreich. Sozusagen unter der Hand hat sich die Studie zu einer Fachgeschichte von Theorien und Querelen entwickelt. Max Weber lieferte durch den Plan für eine Presse-Enquête, der letztlich auf dem Altar seiner Ehrpusseligkeit geopfert wurde, dafür die Vorgabe. Einerseits gilt „Streit muss sein“, andererseits aber auch „Man muss Fünfe gerade sein lassen.“ Wer das nicht kann, fährt Projekte (oder Institute) vor die Wand. Nach Max Weber gibt es dafür viele Fallbeispiele. Produktiven aka- demischen Streit begünstigen – wissenssoziologisch – der ‚Geist von Bologna’ und – herrschaftssoziologisch – die neuen Machtstrukturen (in Tateinheit mit der W- Besoldung für Hochschullehrer) wohl nicht, denn die Universitäten entwickeln sich mit zunehmender Tendenz zu Organisationen, deren Bürokratisierung die Autono- mie des wissenschaftlichen Personals einschränkt, kreative Forschung behindert 10 Vorbemerkungen und Opportunismus belohnt; das ist der aktuelle Aspekt der Fachgeschichte. Aus Lehrstühlen sind ‚Kostenstellen’ geworden, aus Professoren ‚Kostenstellen-Verant- wortliche’, die mit dem Studium von komplizierten Kontoauszügen biswielen mehr Zeit verbringen als mit dem Studium von wissenschaftlichen Quellen. Der ‚Geist von Bologna’ entspringt übrigens nicht, wie viele glauben, der neo- liberalen Ideologie des Kapitalismus, sondern eher der anachronistischen Bürokra- tie der Planwirtschaft. Auch dazu könnte man Einsichten bei Max Weber gewin- nen. Es ist vielleicht kein Zufall, dass ausgerechnet einer der führenden Weber- Forscher mit allen (juristischen) Mitteln versucht hat, diesen ‚Geist’ zurück in die Flasche zu zwingen – leider ohne Erfolg. Nun fordern sogar die einstigen Apologe- ten ein ‚Bologna 2.0’. Zum Glück gibt es auch immer noch Hochschullehrer, die gegen Reformunsinn ankämpfen, weil sie der Meinung sind, dass z. B. elektroni- sche Wissensabfragen der eher schlichten Art in den Lehrveranstaltungen, wie sie jetzt eingeführt werden, nicht an eine Universität gehören, und die empfehlen, das Geld nicht in ‚Clicker’, sondern in ‚Köpfe’ zu investieren. Insofern mag Webers Dante-Motto vielleicht für die Zukunft der deutschen Universitäten doch nicht zu- treffen: „Lasciate ogni speranza“. Gewiss aber muss man sich aktuell aus den ge- nannten und vielen anderen Gründen – dazu gibt es inzwischen eine beeindrucken- de Fülle von Literatur – Sorgen machen. Dies gilt auch für die Art und Weise, wie die Förderung bzw. Ablehnung von Forschungsprojekten organisiert ist; dafür ist der Fall Weber ebenfalls ein Demon- strationsobjekt. Die Max Weber Gesamtausgabe (MWG), nun schon seit Jahrzehn- ten unterwegs, konnte eine Reihe von neuen Einsichten vermitteln; von der Publi- kation seiner Briefe hat auch unsere Studie profitiert. Doch nach wie vor fehlen zentrale Werke Webers in der Liste der editierten Werke, und die Vergabe von Herausgeberschaften erscheint ziemlich kryptisch. Inzwischen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft sehr viel Geld in das umstrittene Unternehmen investiert, dessen Ende nicht abzusehen ist. Ob unser eigenes Projekt ein relevanter Beitrag zur Weber-Forschung sein kann, mag dahinstehen – auch wenn man auf die Doku- mentation von Webers Beschäftigung mit den Medien im Rahmen der MWG wohl noch Jahre wird warten müssen. Zurzeit bemühen wir uns in einem Projekt darum, die Spuren konkreter nach- weisen zu können, welche Weber in empirischen Studien der Kommunikationswis- senschaft hinterlassen hat, und zwar in Arbeiten, die (mehr oder weniger) explizit auf Fragestellungen und/oder methodische Vorschläge seines vor hundert Jahren präsentierten Enquête-Projekts rekurrieren, und solche, die seine Kategorien/Be- griffe/Methodik (mehr oder weniger) forschungsleitend einsetzen. Dabei verwen- den wir u. a. ein bibliometrisches Verfahren zur Erfassung und Selektion der wich- tigsten (von ca. 1.700 recherchierten) Publikationen, von denen wiederum eine Stichprobe inhaltsanalytisch untersucht werden soll. Daraus wird in den nächsten Jahren vielleicht ein zweites Buch entstehen, in dem auch auf das Thema ‚Theorien

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Massenmedien erzählen der Gesellschaft, was aktuell in ihr vorgeht. Ihre Bedeutung als soziale Institutionen hatte keiner genauer erkannt als Max Weber. Vor genau 100 Jahren entwarf er ein großes Forschungsprojekt, um die Geheimnisse der neuen Medienwelt zu entzaubern, die in den Jahren vor dem Er
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