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Mathematische Knobeleien PDF

211 Pages·1984·8.655 MB·German
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Martin Gardner Mathematische Knobeleien Martin Gardner Mathematische Knobeleien 3. Auflage Mit 128 Bildern Friedr. Vieweg Sohn Braunschweig/Wiesbaden Titel der englischen Originalausgabe: Martin Gardner's New Mathematical Diversions from Scientific American Verlag Simon and Schuster, New York Copyright © 1966 by Martin Gardner übersetzung: Eberhard Bubser Verlagsredaktion: Alfred Schubert 1 . Auflage 1973 1. Nachdruck 1976 2. Nachdruck 1978 2. Auflage 1980 3. Auflage 1984 Alle Rechte an der deutschen Ausgabe vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1984 Die Vervielfältigung und übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher vereinbart wurden. Im Einzelfall muß über die Zahlung einer Gebühr für die Nutzung fremden geistigen Eigentums entschieden werden. Das gilt für die Vervielfältigung durch alle Verfahren einschließlich Speicherung und jede übertragung auf Papier, Transparente; Filme, Bänder, Platten und andere Medien. Satz: Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig Umschlaggestaltung: F. Balke, Mainz ISBN 978-3-528-28321-6 ISBN 978-3-322-93819-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93819-0 Inhaltsverzeichnis l. Das Zweiersystem 2. Gruppentheorie und Geflechte 10 3. Acht Probleme 20 4. Wortspiele und Rätsel von Lewis Carroll 31 5. Geometrie mit Papier und Schere 39 6. Brettspiele 49 7. Wie man Kugeln packt 60 8. Die Zahl Pi 67 9. Der Mathematiker Victor Eigen 77 10. Das Vierfarbenproblem 86 11. Mr. Apollinax besucht New York 96 12. Neun Probleme 104 13. Polyominos und bruchlinienfreie Rechtecke 118 14. "Euler's Spoilers", oder: Wie man ein griechisch-lateinisches Quadrat der Ordnung 1 0 gefunden hat 128 15. Die Ellipse 137 16. Die 24 farbigen Quadrate und die 30 bunten Würfel 147 17. H.S.M. Coxeter 158 18. "Bridg-it" und andere Spiele 171 19. Noch einmal neun Probleme 178 20. Die Differenzenrechnung 192 Einleitung Bei dem englischen Mathematiker john Edenser Littlewood steht in der Einleitung zu Mathematician's Miscellany, einer Sammlung mathematischer Miscellen, unter anderem der Satz: "Ein guter mathematischer Scherz ist immer besser - und zwar sogar als Mathematik besser - als ein ganzes Dutzend mittelmäßiger gelehrter Ab handlungen. " Mathematische Scherze bilden den Inhalt dieses Buches - wenn man großzügig ist und alles als Scherz gelten läßt, was ein gewisses Element des Vergnüglichen enthält. Es gibt kaum einen Mathematiker, der nicht eine gewisse Freude an mathematischen Spielereien hätte; aber die meisten lassen sich auf solche Spielereien natürlich nur mit Maßen und innerhalb vernünftiger Grenzen ein. Daneben aber gibt es auch Menschen, auf die die Faszination des mathematischen Spiels beinahe wie ein Rauschgift wirken kann. Lushin, der Held von Nabokovs großartigem Schach spielerroman "Lushins Verteidigung" (The Defense), ist solch ein Mensch. Er ist vom Schachspiel (das ja unleugbar ein Produkt des mathematischen Spieltriebs ist) dermaßen besessen, daß er nach und nach völlig den Kontakt zur Wirklichkeit ver liert und zuguterletzt die erbärmliche Partie seines Lebens durch einen Sprung aus dem Fenster - ein "Selbstmatt" - beenden muß. Es rundet das Bild dieses unauf haltsamen Persönlichkeitsverfalls nur ab, wenn wir nebenbei erfahren, daß Lushin früher selbst im Mathematikunterricht ein schlechter Schüler gewesen ist, anderer seits aber schon damals "von einer Sammlung ausgefallener mathematischer Pro bleme, einem Buch, das ,Die fröhliche Mathematik' hieß, fasziniert war, weil es voll von phantastisch ungebärdigen Zahlen und wild tanzenden geometrischen Geraden war, kurz, weil es lauter Dinge enthielt, von denen in den Schulbüchern keine Rede war." Die Moral dieser Geschichte ist ganz klar: Man sollte sich mit mathematischen Spielereien amüsieren, wenn man das Talent und die Neigung dazu hat, aber niemals allzusehr, niemals sO,daß daraus mehr wird als ein gelegentliches Vergnügen, das das Interesse an ernsthafter Wissenschaft und Mathematik stimuliert. Auf keinen Fall sollte man dieser Neigung ganz und gar die Zügel schießen lassen. Wenn jemand nun aber gar nicht anders kann und ihr die Zügel schießen lassen muß, wird ihn vielleicht die Pointe einer Kurzgeschichte von Lord Dunsany ein wenig trösten, die The Chess-Player, the Financier, and Another ("Der Schachspiel er, der Finanzier und noch eine andere Person") heißt. I n ihr erinnert der Finanzier sich an einen Freund namens Smoggs, der auf dem besten Wege war, ein Finanzgenie zu werden, bis er vom Schachspiel aus der Bahn geworfen wurde: "Zuerst sah es gar nicht so schlimm aus; er gewöhnte sich nur daran, in der Mittagspause mit einem Kollegen eine Partie Schach zu spielen, als wir beide noch in derselben Firma arbei teten. Aber dann fing er an, den anderen zu schlagen .... Schließlich trat er in einen Schach klub ein und war auf einmal einfach nicht mehr zu halten, wie ein Alkoholiker oder eher wie jemand, der von Poesie oder Musik besessen ist. .... Er hätte ein großartiger Finanzier werden können. Es heißt ja immer, daß Finanzge schäfte nicht schwieriger sind als Schach, nur daß das Schachspielen halt nichts einbringt. Ich habe nie wieder jemanden getroffen, der sein Talent so verschwendet hätte." "Ja, ja", stimmt ihm der Gefängniswärter (denn das ist "die andere Person") zu, "solche Leute gibts. Es ist schon ein Jammer." Und dann schließt er den Finan zier für den Rest der Nacht wieder in seine Zelle ein. Ich muß wiederum dem Scientific American für die freundliche Erlaubnis danken, die folgenden zwanzig Beiträge nachzudrucken. Wie in meinen beiden vorigen Büchern habe ich sie auch diesmal wieder erweitert, berichtigt und durch neues Material ergänzt, das ich den zahlreichen Zuschriften meiner Leser verdanke. Ich möchte hier auch meiner Frau ftir ihre Hilfe bei den Korrekturen danken, Nina Boume, die als Redakteur für mich zuständig ist, und vor allem natürlich der immer noch anwachsenden Zahl meiner Leser in Amerika und der ganzen Welt, durch deren - stets willkommene - Zuschriften dieses Buch so wesentlich be reichert worden ist. Martin Gardner 1. Das Zweiersystem Hinter dem Scheibenwischer steckte ein ro ter Zettel, den ich herausnahm, um ihn lang sam und sorgfältig zu zerreißen: in zwei Stücke, in vier, in acht. Vladimir Nabokov, Lolita Die gesamte zivilisierte Menschheit benutzt heute eine Zahlenschreibweise, die auf dem Zehnersystem, den in aufsteigender Folge von rechts nach links angeordneten Potenzen von 10 basiert_ Wenn wir uns irgendeine Zahl denken, bedeutet die Ziffer ganz rechts immer ein Vielfaches von 10°, d_ h_ von 1_ Die zweite Ziffer von rechts ist dann ein Vielfaches von 101, die dritte ein Vielfaches von 102, usw. Die Zahl 777 bedeutet in unserer Schreibweise also soviel wie (7 . 10°) + (7 . 101) + (7 . 102). Die weltweite Ver breitung der 10 als Grundzahl hat ganz sicher etwas damit zu tun, daß wir Menschen zehn Finger haben. (Unter anderem spricht dafür z. B., daß das englische Wort für "Ziffer", "digit", direkt vom lateinischen digitus, Finger abstammt.) Wenn es auf dem Mars menschenähnliche Wesen mit zwölf Fingern gäbe, würde man dort höchstwahr scheinlich in einem Zwölfersystem rechnen. Die einfachste Zahlenschreibweise, bei der jede Ziffer einen bestimmten Stellenwert hat, ist das Zweiersystem, das auf der Grundzahl 2 und ihren Potenzen beruht. Es ist auch unter den Bezeichnungen Dualsystem, Binärsystem oder dyadisches System bekannt. Heute noch gibt es Eingeborenenstämme, bei denen nach dem Zweiersystem gerechnet wird; und offenbar haben auch die Mathematiker im alten China schon dieses System gekannt. Aber der erste, der ein systematisches Interesse am Zw~iersystem gezeigt hat, war wohl doch der große Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm feibniz, der in ihm eine tiefe metaphysische Wahrheit verkörpert sah. Die Null stand, so wie er es sah, für das Nichtseiende, das Nichts, und die Eins für das Seiende bzw. die Substanz. Beide aber waren für den Schöpfer der Welt gleichermaßen unentbehrlich; denn eine ausschließ lich aus reinem Sein bestehende Welt, in der nichts von dem vorkommt, was Macbeth "sound and fury, signifying nothing" genannt hat, wäre ja auf keine Weise von einer völlig leeren Welt zu unterscheiden. Genauso, wie im Zweiersystem jede Zahl als eine Folge der Zeichen 0 und 1 darstellbar ist, resultiert nach Leibniz die gesamte mathe matische Struktur der von Gott geschaffenen Welt aus der ursprünglichen Trennung zwischen Sein und Nichts. In der Zeit nach Leibniz und noch bis in die jüngste Vergangenheit hielt man das Zweier system dann mehr oder weniger für ein bloßes Kuriosum ohne jede praktische Bedeu tung. Aber dann kamen die Computer, und deren Bauelemente waren dem Zweiersystem wie auf den Leib geschnitten: Schalter sind entweder ein- oder ausgeschaltet; Leitungs einheiten führen Strom oder nicht; Magnete haben einen Nord- und einen Südpol; Speichereinheiten sind besetzt oder leer. Es ist klar, daß derartige Maschinen besonders rasch und reibungslos funktionieren müssen, wenn man die Daten, die man ihnen eingibt, vorher für sie mundgerecht in ein Zweiersystem überträgt, oder, um es in der Sprache der 1 Gardner, Knobeleien Computertechniker zu sagen, binär codiert. Und so kam es, wie Tobias Dantzig in "Num ber, the Language of Science" bemerkt, "schließlich soweit, daß etwas, was früher einmal als ein Monument des Gottesglaubens gegolten hatte, nun von den Eingeweiden eines Roboters verschlungen wurde." Aber selbst wenn man sich nichts aus Computern und ihrem Binärcode macht, gibt es noch eine ganze Reihe von echten mathematischen Spielereien, für die das Zweiersystem unentbehrlich ist: bei dem Spiel Nim, bei mechanischen Konstruktionsproblemen wie dem Turm von Hanoi und den cardanischen Ringen, bei Kartentricks und unzähligen anderen "harten Nüssen". Wir wollen hier nur auf einen nicht ganz unbekannten Satz von "Gedankenlesekarten" und einen eng mit ihm verwandten Satz von Lochkarten eingehen, mit deren Hilfe sich einige recht bemerkenswerte binäre Rechenkunststücke vollführen lassen. Die Konstruktion der Gedankenlesekarten wird durch Bild 1 verdeutlicht. Auf der linken Seite dieses Bildes sehen wir die Dualzahlen von 0 bis 31. Jede Ziffer in den Spalten dieser Tabelle markiert das Auftreten einer Potenz von 2; wenn wir die Zeilen von rechts nach links lesen, sehen wir, ob die Potenzen 2° = 1, 21 = 2, 22 = 4, 23 = 8 und 24 = 16 in der betreffenden Zahl vorkommen oder nicht. Der in Dezimalzahlen ausgedrückte Wert die ser Potenzen steht jeweils über der betreffenden Spalte. Um eine Dualzahl in die ihr ent sprechende Dezimalzahl zu übersetzen, braucht man nur die Potenzen von 2 zu addieren, unter denen bei dieser Dualzahl eine 1 steht. 10101 z. B. steht für 16 + 4 + 1, d. h. fur 21. Um 21 wieder als Dualzahl auszudrücken, müssen wir das Verfahren umkehren: wir teilen 21 durch 2 und erhalten 10, mit dem Rest 1. Dieser Rest ergibt die erste Ziffer, die wir in dem gesuchten dyadischen Ausdruck ganz rechts hinschreiben müssen. Als nächstes teilen wir 10 durch 2. Das geht ohne Rest auf; die zweite Ziffer von rechts ist also O. Dann tei len wir 5 durch 2, usw., bis wir die Dualzahl 10101 erhalten. Beim letzten Schritt müssen wir 1 durch 2 teilen, was nullmal geht ul1d den Rest 1 ergibt. Um nun diese Liste von Dualzahlen in einen Satz von Gedankenlesekarten umzuwandeln, verfährt man einfach so: kommt in einer der Spalten eine 1 vor, ersetzt man sie durch den Dezimalausdruck für die Dualzahl, zu der diese 1 gehört. Das Ergebnis können wir auf der rechten Seite unseres Bildes sehen. Wir übertragen jede der fünf Spalten von Zah len auf eine eigene Karte, drücken diese fünf Karten jemandem in die Hand, bitten ihn, sich irgendeine beliebige Zahl zwischen 0 und 31 (beide eingeschlossen) zu denken und uns dann all die Karten zurückzugeben, auf denen diese Zahl erscheint. Danach können wir ihm sofort sagen, an welche Zahl er gedacht hat: Wir brauchen dazu nur die ober sten Zahlen auf den Karten zu addieren, die er uns zurückgegeben hat. Wie funktioniert das? Nun, es gibt eine und nur eine Kombination von Karten für jede Zahl, und diese Kombination ist der dyadischen Darstellung der Zahl äquivalent. Wenn man die obersten Zahlen auf den Karten addiert, addiert man faktisch diejenigen Poten zen von 2, die in der dyadischen Darstellung der gedachten Zahl die Ziffer 1 aufweisen. Man kann den Trick noch etwas undurchsichtiger machen, indem man fünf verschieden farbige Karten benutzt. Dann kann man sich in die gegenüberliegende Ecke des Zimmers stellen und seinen Mitspieler bitten, alle Karten, auf denen seine Zahl vorkommt, in die eine Hosentasche zu stecken, und alle übrigen in die andere. Auf diese Weise kann man 2 Gedanken Binärzahlen lesekarten 16 8 4 2 I o 0 1 2 1 0 2 3 1 1 3 3 4 1 0 0 4 5 1 0 I 5 5 6 I 1 0 6 6 7 1 1 1 7 7 7 8 1 0 0 0 8 9 1 0 0 1 9 9 10 I 0 1 0 10 10 11 1 0 1 1 11 11 11 12 1 1 0 0 12 12 13 1 1 0 1 13 13 13 14 1 1 1 0 14 14 14 15 1 1 1 1 15 15 15 15 16 1 0 0 0 0 16 17 1 0 0 0 1 17 17 18 1 0 0 1 0 18 18 19 1 0 0 1 1 19 19 19 20 1 0 1 0 0 20 20 21 1 0 1 0 1 21 21 21 22 1 0 1 1 0 22 22 22 23 1 0 1 1 1 23 23 23 23 Bild 1 24 1 1 0 0 0 24 24 Die Zahlen auf den fünf Gedankenlese- 25 1 1 0 0 1 25 25 25 karten rechts basieren auf den Binär- 26 1 1 0 1 0 26 26 26 zahlen links 27 1 1 0 1 1 27 27 27 27 28 1 1 1 0 0 28 28 28 29 1 1 1 0 1 29 29 29 29 30 1 1 1 1 0 30 30 30 30 31 I 1 1 1 1 1 31 31 31 31 31 schon von weitem erkennen, welche Zahl er gewählt hat, vorausgesetzt natürlich, daß man inzwischen nicht vergißt, welche Farbe zu welcher Potenz von zwei gehört. Eine andere Möglichkeit wäre, daß man die fünf - in diesem Falle einfarbigen - Karten der Reihe nach auf den Tisch legt, sich in die gegenüberliegende Zimmerecke zurückzieht und den Mitspieler auffordert, die Karten, auf denen seine Zahl erscheint, umzudrehen. 3

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