FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt DK 65.012.122:658.286.2 658.286.2.012.122 622.6:65.012.122 632.6: 004.17 Nr.1052 Prof. Dr.-Ing. Joseph Mathieu Dr. rer. nat. Konstantin Behnert Dipl.-Ing. Johann Heinrich Jung Forschungsinstitut für Rationalisierung an der Rhein.-Westf. Technischen Hochschule Aachen Mathematisch-organisatorische Studie zur Planung der Kapazität von Betriebsanlagen (bearbeitet am Beispiel einer Förderanlage unter Tage) Als Manuskript gedruckt WESTDEUTSCHER VERLAG I KOLN UND OPLADEN 1961 ISBN 978-3-663-03718-7 ISBN 978-3-663-04907-4 (eBook) DOI 10.0107/978-3-663-04907-4 1. Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . s. Vorwort • • • 5 s. 1. Einführung 1 · . . . . . . . . . . . . . s. 1.1 Problemstellung 1 · . . . . s. 1.2 Mathematische Formulierung. 10 . . . 1.21 Die Ladekurven s. 10 s. 1.22 Formulierung der Aufgabe 11 1.23 Vorbemerkungen ••••• s: 12 1.24 Der Gesamtwagenbedarf einer vorgegebenen Fahr- s. ordnung • • • • • • • 14 2. Graphische Ermittlung des Wagenbedarfs • s. 16 2.1 Voraussetzungen s. 16 . . . . . . 3. Polygonmethode · · s. 18 3.1 Prinzip . · .. . · . . . . s. 19 . 3.2 Berechnung des Ziels für die erste Fahrt S. 20 3.3 Berechnung des Ziels für die j-te Fahrt S. 21 . . . 4. Numerische Lösung • • • • • • • • • • S. 23 4.1 Das freie Intervall ••••••••• S. 23 4.2 Abstimmung zweier benachbarter Fahrten. S. 25 4.3 Der minimale Wagenbestand • • • • • • • • • • • • • • S. 26 4.4 Variation der Wartezeit •••• S. 21 4.5 Ermittlung des Wagenbedarfs bei schrittweisem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen • S. 28 . . . Beschreibung des Ablaufdiagramms S. 31 Ablaufdiagramm • S. 55 Seite 3 Vorwort Bei der Vorausplanung der Kapazität von Betriebsanlagen ist man bestrebt, einerseits mit möglichst geringen Investitionen auszukommen, anderer seits die vorausgeplante Betriebsanlage so auszulegen, daB sie nicht zu einem EngpaB wird. Im typischen Fall der Vorausplanung der Förderkapazität in einem Gruben betrieb unter Tage bedeutet dies, daß die optimale Förderkapazität ein KompromiB zwischen den folgenden Extremen darstellt: a) Ist die Anzahl der Lokomotiven und der Förderwagen zu groB, so ent steht eine unnötig hohe Kapitalbildung, unter Umständen sogar eine gelegentliche oder chronische Verstopfung des Streckennetzes. b) Sind dagegen die Fördermittel nur in ungenügender Menge vorhanden, so kann jede mögliche Störung der Streckenförderung zu einer Vermin derung der Tagesförderung führen. Wegen des gerade iri diesem Fall hohen Investitionsbedarfs kommt den Me thoden der optimalen Kapazitätsbestimmung eine große wirtschaftliche Bedeutung zu. In dem vorliegenden Bericht wird ein Verfahren geschil dert, mit welchem die Aufgabe der optimalen Bestimmung der Förderkapa zität unter Tage gelöst werden kann. Diese Methode kann auch für die Bestimmung der optimalen Kapazität anderer Betriebsanlagen angewandt werden. Seite 5 1. Einführung Die Rationalisierung von Betriebsanlagen, die für eine gleichbleibende, in ihrer Höhe im voraus bekannte Produktion eingesetzt werden, ist im allgemeinen wesentlich einfacher als im Falle einer Belastung der Anla gen, die in ihrer durchschnittlichen Höhe zwar bekannt, deren Vertei lung über die Zeit jedoch unregelmäßig ist. Besondere Schwierigkeiten bereitet in diesem Fall die kapazitive Auslegung solcher Einrichtungen, die beträchtliche Investitionen erfordern und in ihren Betriebskosten sehr empfindlich auf Überlastungen oder Leerlauf reagieren. Eine derartige Aufgabe stellt die Bestimmung der Kapazität einer Trans portanlage unter Tage dar. Diese AufgabensteIlung wurde der vorliegen den Arbeit zugrunde gelegt, da sich eine Lösungsmethode leichter an Hand eines konkreten Problems darstellen läßt und dieses Problem aus einer Arbeit in der Praxis in seinem ganzen Umfang bekannt war. Die an Hand einer solchen Aufgabe entwickelte Methode zum Auffinden einer Näherungslösung kann auf eine Reihe von Problemen der Kapazitäts bestimmung von Produktionsanlagen und Belegungsplanungen angewandt wer den. Die Näherungslösungwird bei einer praktischen Anwendung den ge stellten Anforderungen in jedem Fall genügen. 1.1 Problemstellung Für die Streckenförderung im Bergbau ist die Bestimmung der optimalen Wagenzahl ein typisches Beispiel einer Kapazitätsbestimmung. Sind zu wenig Wagen vorhanden, so kann die geplante Tagesförderung nicht bewäl tigt werden. Sind zuviele Wagen vorhanden, so hat man neben der über höhten Kapitalbindung mit Streckenverstopfungen zu rechnen, die eine zeitweilige Unterbrechung der Förderung nach sich ziehen. Das Problem der exakten Bestimmung des optimalen Wagenbedarfs ist be sonders in folgenden zwei Fällen wichtig: bei Planungen von neuen Sohlen beim Übergang zu modernen Großraum-Förderwagen. Der Produktionsprozeß einer Schachtanlage beginnt mit dem Ausbau der obersten Schicht (Sohle). Während des Abbaus der ersten Sohle wird die Förderung der zweiten Sohle vorbereitet. Es kommt daher nicht selten vor, daß die neue Sohle mit moderneren Fördereinrichtungen versehen wird, deren Auslegung wegen der oben aufgeführten Gründe besonders sorg fältig geplant werden muß. Seite 7 Der vorliegende Bericht behandelt ein Verfahren zur Bestimmung der opti malen Förderkapazität. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden: Förderung mit einer Lokomotive Förderung mit mehreren Lokomotiven. Um das an sich umfangreiche Rechenverfahren zu erläutern, ist die För derung mit nur einer Lokomotive ausführlich besprochen. Dieser Sonder fall ist wegen sein~r Übersichtlichkeit zur Einführung in das Rechen verfahren gut geeignet, auch wenn er in der Praxis sehr selten vorkommt. Dieser Fall ist jedoch für die weiteren von Anwendungsmöglichke~ten Bedeutung. Wir nehmen also im weiteren an, daß die Tagesförderung mit einer einzi gen Lokomotive bewältigt werden kann. Die Lokomotive hat zwei Aufgaben zu erfüllen, 1. Sie hat leere Wagen von der Entladestelle (Füllort) zu den Lade stellen zu bringen. 2. Sie muß die an der Ladestelle gefüllten Wagen zum Füllort bringen. Jede Ladestelle muß über ausreichenden Vorrat an Wagen verfügen: eir~n a) Vorrat an vollen Wagen, damit bei der Ankunft der Lokomotive ein Zug voller Wagen zur Verfügung steht. b) Vorrat an leeren Wagen, um bis zur nächsten Ankunft der Lokomotive den Ladevorgang aufrechtzuerhalten. Dasselbe gilt auch für das Füllort, mit dem Unterschied, daß hier ein Entlade- statt einem Ladeprozeß vor sich geht. In der Praxis sind zwei Förderarten möglich: - Förderung mit konstanter Zuglänge; dabei können Wartezeiten für die Lokomotive entstehen. Förderung mit ununterbrochenem Lok-Betrieb; in diesem Fall kommen Fahrten auch mit geringen Wagenzahlen vor. Im allgemeinen ist der ersten Art der Förderung der Vorzug zu geben. Den folgenden Ausführungen wird deshalb diese Förderart zugrunde gelegt. Nimmt die Lokomotive während ihrer Fahrten stets die gleiche Zahl von Wagen mit, so bleibt die Wagenzahl sowohl an den Ladestellen als auch Seite 8 am Füllort während der ganzen Förderdauer konstant. Die Aufgabe der Lo komotive besteht dann nur im Austausch der leeren Wagen gegen die gleiche Anzahl von vollen an jeder Ladestelle. Am Füllort werden umgekehrt die mitgebrachten vollen Wagen gegen leere ausgetauscht. Bezeichnet man mit n die Anzahl der Ladestellen, so setzt sich die Gesamtzahl W der auf einer Sohle vorhandenen Förderwagen wie folgt zusammen: 1. aus den n Wagenzahlen W. (i = 1, 2, ••• , n) an allen n Lade l. stellen; 2. aus der Wagenzahl Wo am Füllort n w=LW.+W i=1 l. 0 Wir können daher die Aufgabe als gelöst betrachten, wenn wir ermittelt haben, wieviele Wagen zu einem bestimmten Zeitpunkt - zweckmäßigerweise zu Beginn der Arbeitsperiode - an den Ladestellen und am Füllort vorhan den sein müssen. Daraus folgt sofort der absolut minimale Wagenbedarf für eine Sohle, der unter keinen Umständen unterschritten werden kann. Jede Ladestelle muß mindestens mit einer vollen Zuglänge z an Wagen ver sehen sein, damit die Lokomotive bei ihrer Ankunft einen vollen Zug zum Abholen bereit findet. Das gleiche gilt hinsichtlich der leeren Wagen für das Füllort. Das absolute Minimum an Wagen ist also Wm i n a b s = (n + 1) • z Die Streckenförderung mit dieser Wagenzahl ist nur dann möglich, wenn der leere Zug jedesmal genau zu dem Zeitpunkt eine Ladestelle erreicht, wo der letzte Wagen gerade beladen worden ist. Am Füllort muß in diesem Fall der Zug genau dann eintreffen, wenn der letzte Wagen gekippt wor den ist. Eine solche Förderung mit ihrer großen Störanfälligkeit ist in der Pra xis nicht denkbar. Unsere Aufgabe besteht nun in der Ermittlung einer solchen Wagenzahl, bei welcher eine reibungslose, stabile Förderung ge währleistet ist, ohne daß dabei unnötig viele Wagen in Betrieb sind. Seite 9 1.2 Mathematische Formulierung 1.21 Die Ladekurven Unter einer Ladekurve f i (W) sei im folgenden eine nicht abnehmende Funktion der Wagenzahl W verstanden, die die Zeit angibt, zu welcher W Wagen an der i-ten Ladestelle gefördert worden sind. Die entsprechende Funktion für das Füllort heißt Kippkurve fo (W). Zwischen Kippkurve und den Ladekurven besteht die Relation =Ln f -1 (T) f,-1 '(T) o i=1 ~ wobei T die Gesamtdauer des Arbeitszyklus (z.B. eines Arbeitstages) ist. Dabei ist W = f-1 (t) die Umkehrfunktion von t = f (W). Um alle praktisch auftretenden Möglichkeiten zu berücksichtigen, dürfen wir den Ladekurven keine Einschränkungen auferlegen, ja nicht einmal deren Stetigkeit voraussetzen. In der Praxis gehen die Ladekurven aus Zeit- und Mengenmessungen hervor, die unmittelbar am Ladeort vorgenommen werden. Die so Messungen haben im allgemeinen tabellarische Form, gewonnene~ wobei nach gleichen Zeitintervallen die geladenen Mengen angegeben sind. Diese Ausgangsform der Ladekurven legt die Anwendung elektronischer Di gitalrechner nah, die derartige Tabellen zu speichern und zu verarbeiten gestatten. Die Anwendung dieser Geräte auf das vorliegende Problem ist wegen dem Umfang der Rechenarbeit angebracht. Will man die Möglichkeit vorsehen, die Ladekurven, über deren Form bisher keine Voraussetzungen gemacht worden sind, auch zur Simulierung aller möglichen Störungsfälle einzusetzen, so ist die Anwendung elektronischer Rechenanlagen nicht nur angebracht, sondern auch notwendig. Die Ladekurven haben also zwei Aufgaben: - sie stallen den Verlauf des Ladeprozesses dar - sie ermöglichen, durch entsprechende Änderung, jede mögliche Störung des Ladeprozesses zu simulieren. Solche Simulationen lassen die Bestimmung einer Wagenbedarfszahl zu, die die sichere Förderung der in der Periode anfallenden Menge gewähr leistet. Sei te 10 Außer den oben erwähnten Eigenschaften der Ladekurven a) nicht abnehmend werden also keine weiteren Voraussetzungen über die Form der Ladekurven gemacht. 1.22 Formulierung der Aufgabe Bezeichnungen T Dauer der Planungaperiode (1 Tag, 1 Schicht), etwa in mine n Anzahl der Ladestellen f. (W) Ladefunktion der Ladeatelle i, 0 ~ W ~ fi -1 (T) ~ h,i = 1, 2, ••• n. f (W) Entladefunktion des Füllorts 0 z Zuglänge in Wagen h. Dauer der Hinfahrt vom Füllort zur Ladestelle i ~ r. Dauer der Rückfahrt von der Ladeatelle zum Füllort ~ m. Anzahl der vollen Züge, die von einer ~ Ladestelle abzuholen sind 1. Leerwagenbestand der i-ten Ladestelle zu Beginn der ~ Planungsperiode r=n= m = m ; Anzahl der insgesamt abzuholenden Züge i i=1 s. Speicherkapazität (in Wageneinheiten) der i-ten Ladestelle ~ Vi Vollwagenbeatand der i-ten Ladestelle zu Beginn der Planungs periode 1 Leerwagenbestand am Füllort zu Beginn der Planungsperiode o v Vollwagenbestand am Füllort zu Beginn der Planungsperiode o j Nummer der Fahrt der Lokomotive, 1 ~ j ~ m t. Zeit der Abfahrt der Lokomotive vom Füllort J Zeit der Ankunft der Lokomotive am Füllort 1;j D. Summe der bis zur j-ten Abfahrt vom Füllort auftretenden J Wartezeiten n = ~ v + li Wagenbedarf der Fahrordnung i=O i gi Anzahl der zur Ladestelle i durchgeführten Fahrten; 0 ~ gi ~ mi • Seite 11 Mit diesen gegebenen Größen muß die optimale Anzahl der Förderwagen bestimmt werden, d.h. eine solche Wagenzahl, bei welcher a) der übliche Tagesablauf störungsfrei abgewickelt werden kann b) keine überflüssigen Wagen vorhanden sind. Eine zeitliche Reihenfolge von Einzelfahrten, die am Füllort beginnen, an der jeweiligen Ladestelle die z leeren Wagen gegen z volle Wagen austauschen und diese zum Füllort bringen, wird im weiteren eine Fahr ordnung genannt. Ist eine Fahrordnung F vorgegeben, so läßt sich ohne weiteres der För derablauf - graphisch oder mit Hilfe von elektronischen Rechenautoma ten - simulieren und auf diese Weise die erforderliche Anzahl von För derwagen bestimmen. Mit anderen Worten: einer jeden Fahrordnung wird eine gewisse Wagenzahl zugeordnet; dies ist die minimale Wagenzahl, mit welcher diese Fahrordnung abgewickelt werden kann. Diesen Sachverhalt kann man auch so formulieren: Auf der Menge D aller möglichen Fahrordnungen F, die die Tagesförderung f -1 (T) bewältigen, o ist eine ganzzahlige Funktion W (F), F E D, auf die oben beschriebene Weise definiert. Es ist eine solche Fahrordnung Fo gesucht, für welche W (F ) = min gilt. Die hi~r gestellte Aufgabe wird somit auf die Mini- o mierung der Funktion W (F) im Definitionsbereich D zurückgeführt. 1.23 Vorbemerkungen Bezeichnet man mit [A] die kleinste ganze Zahl, die die Zahl A erhält, so ist m. 1 die Anzahl der Züge, welche von der i-ten Ladestelle zum Füllort gefah- ren werden müssen. Die Anzahl aller möglichen Fahrordnungen, in welchen sämtliche Fahrten von den Ladestellen zum Füllort durchgeführt werden, ist m! m! n Seite 12