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Massendemokratie: Über den historischen Kompromiß zwischen Liberalismus und Sozialismus als Herrschaftsform PDF

195 Pages·2015·3.59 MB·German
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PETER FURTH MASSENDEMOKRATIE Über den historischen Kompromiß zwischen Liberalismus und Sozialismus als Herrschaftsform Vier Aufsätze Mit einer Einleitung von Frank Böckelmann Berlin 2015 LANDT Zum Gedächtnis an Panajotis Kondylis (1943-1998) Der Autor wurde bei einem Teil seiner Arbeit durch eine wissenschaftliche Hilfskraft unterstützt. Diese wurde dankenswerterweise vom »Freundeskreis Panajotis Kondylis e. V.« finanziert. INHALT Die Massendemokratie im Denken Peter Furths Einleitung von Frank Böckelmann - 9 Über Massendemokratie (I) Ihre Lage bei Panajotis Kondylis - 49 Kategorielles zur Political Correctness - 77 Massenmedien Eine Revue -105 Über Massendemokratie (II) In Erinnerung an Panajotis Kondylis -143 Nachweise -195 DIE MASSENDEMOKRATIE IM DENKEN PETER FURTHS Einleitung von Frank Böckelmann Viele Anlehnungsbedürftige, die in den sechziger und siebziger Jahren ins Lager der Neuen Linken strömten, um ein für allemal auf der richtigen Seite zu stehen, praktizierten später, als zu erkennen war, daß die Wegweisung ins Gefällige und Beliebige führte, ihre Fortschrittlichkeit als Wächteramt. Sie fühlten sich dazu berufen, Verräter anzuprangern. Wer hingegen die Bedingungen und Verheißungen der großen marxisti­ schen Erzählung stets im ganzen erfaßt hatte wie der 1930 geborene Sozialphilosoph Peter Furth, dem galt selbstge­ rechtes Rechtbehalten gar nichts. Furth zog aus der epo­ chalen Enttäuschung von Millionen gläubiger Marxisten, auch der eigenen, weitreichende Konsequenzen, und zwar so unerschrocken, daß manche Weggefährten meinten, er habe sich vor ihnen zu rechtfertigen. Als selbsternannte Anwälte der Menschheit prüften sie seine Spätschriften, stießen auf Stellen und ahndeten sie. Als hätte Furth nicht eben dargelegt, daß ihre Wahrheiten bodenlos geworden waren. In den fünfziger Jahren schulte sich Peter Furth an der Kritischen Theorie (auch als Hilfskraft in Theodor W. Adornos Frankfurter Institut für Sozialforschung) und 9 BÖCKELMANN setzte auf einen von doktrinärem Marxismus-Leninismus gereinigten Marxianismus (als Assistent und Mitarbei­ ter des Berliner Philosophen und Soziologen Hans- Joachim Lieber). Damals fand er seine Lebensaufgabe: die Arbeit am authentischen Nachlaß der bürgerlichen Revolution und Philosophie. Noch in den Sechzigern sah Furth im Sowjetkommunismus das Potential einer Systemalternative zum kapitalistischen Imperium, korre­ spondierte mit Philosophen der DDR und sympathisierte mit dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und der Zeitschrift Argument. In den Siebzigern betreute er als Philosophieprofessor an der Freien Universität unter anderem die Doktorarbeit von Rudi Dutschke. Endgültig Abschied vom Fortschrittsmarxismus nahm er in den frühen achtziger Jahren. Er ging auf Distanz zu »1968«, präziser: zu Kulturrevolutionären, die kraft hö­ herer Einsicht bindungsfreie neue Menschen aufziehen wollten. Fortan opponierte Peter Furth offen gegen das von den 68ern moderierte Zeitgespräch. In den späten neunziger Jahren - er näherte sich seinem 70. Geburtstag - schrieb er Artikel für die von Hans-Dietrich Sander gegründeten rechtskonservativen Staatsbriefe. Daß er 10 EINLEITUNG neben Bernd Rabehl und Horst Mahler in München bei den »Bogenhausener Gesprächen« der Burschenschaft Danubia über »Verweigerte Bürgerlichkeit - Motive, My­ then, Folgen der 68er Kulturrevolution« referierte, wurde übel vermerkt. Für diesen Fehltritt gab es kein Pardon. Der nach »1968« akademisch reanimierte Marxismus ignorierte - wie der totalitäre Diamat - aus Gründen der Selbstbehauptung die Aushöhlung seiner historischen Fundamente. Was diese Aushöhlung verursachte und vorantrieb, faßt Peter Furth mit Panajotis Kondylis spä­ ter unter den Begriff der Massendemokratie. Gegenüber früheren Mitkämpfern erörtert er, warum nicht mehr gilt, was einst gegolten haben mochte, und bleibt auf diese Weise auch in der Abkehr von Kritischer Theorie deren Impetus treu. »Wer einmal Aufklärer ist, bleibt Aufklärer.«1 So deutet er die eigene Erkenntnishaltung. In ähnlichem Sinn bekennt sich Peter Furth weiterhin zum Marxismus und Materialismus. Er arbeite an einer »konservativen Verteidigung des Marxismus«, hat er seit den frühen 1 1 Timo Frasch: »Die 68er-Revolte hat eine Wachtergeneration hinterlas­ sen.« Sozialphilosoph Peter Furth im Interview. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. 8.2008, S. 3. 11 BÖCKELMANN achtziger Jahren mehrfach erklärt. Und zwar in zweifa­ cher Absicht: Er wolle »ein wissenschaftliches Manko des Marxismus beheben« (nämlich die von Karl Marx leicht­ fertig zugelassene Vorstellung, Arbeit sei nichts als die Ausführung einer im menschlichen Hirn entstandenen Idee) und zugleich »gegen die kommunikationstheore­ tische Verdünnung des historischen Materialismus« à la Jürgen Habermas vorgehen. Mit und gegen Marx beruft sich Furth auf »Sachverhalte der Unverfügbarkeit«2, nämlich die der Naturstoffe und die der kollektiven Mitarbeit aller an der Arbeit des Einzelnen. Immer wir­ ke das »Gemeinwesen« mit, erklärte er, auf verkehr­ te oder richtige Weise, auch und insbesondere beim Philosophieren. Wenn Peter Furth den Parteimarxismus und den Geist von »1968« bekämpft, so wendet er sich gegen die Selbst­ 2 Troja hört nicht auf zu brennen. Aufsätze aus den Jahren 1981 bis 2004. Berlin 2006, S. 300. Aus diesem Band werden hier die folgenden Aufsätze zitiert: »Troja hört nicht auf zu brennen. Über die Bewirtschaftung der Toten«, 1986 (S. 175-212). Abgekürzt: Troja/Bewirtschaftung der Toten. - »Asymmetrische Gegensätze in der Sprache der Politik«, 1991 (S. 225- 245). Abgekürzt: Troja/Asymmetrische Gegensätze. - »Rückblick auf den Marxismus«, 1993 (S. 273-314). Abgekürzt: Troja/Rückblick auf den Marxismus. - »Verweigerte Bürgerlichkeit. Motive, Mythen, Folgen der 68er Kulturrevolution«, 1998 (S. 367-385). Abgekürzt: Troja/Verweigerte Bürgerlichkeit. 12

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